LiquidFeedback/Themendiskussion/785

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Der Bundesparteitag möge als Ergänzung des Parteiprogramms beschließen:

Für die Trennung von Staat und Religion

Freiheit und Vielfalt der kulturellen, religiösen und weltanschaulichen Einstellungen kennzeichnen die modernen Gesellschaften. Diese Freiheiten zu garantieren, ist Verpflichtung für das Staatswesen. Dabei verstehen wir unter Religionsfreiheit nicht nur die Freiheit zur Ausübung einer Religion, sondern auch die Freiheit von religiöser Bevormundung. Wir erkennen und achten die Bedeutung, die individuell gelebte Religiosität für den einzelnen Menschen erlangen kann.

Trotz der von Verfassungs wegen garantierten Religionsfreiheit ist das Staatswesen der Bundesrepublik nicht frei von religiöser (und weltlicher) Privilegierung der traditionellen christlichen Kirchen. Hier gibt es eine Idealkonkurrenz, die durch Immigration und religiöse Differenzierung in der Gesellschaft zu größeren Verwerfungen führen kann.

Die weltanschauliche Neutralität des Staates herzustellen, ist daher eine für die gedeihliche Entwicklung des Gemeinwesens notwendige Voraussetzung. Ein säkularer Staat erfordert die strikte Trennung von religiösen und staatlichen Belangen; finanzielle und strukturelle Privilegien einzelner Glaubensgemeinschaften, etwa im Rahmen finanzieller Alimentierung, bei der Übertragung von Aufgaben in staatlichen Institutionen und beim Betrieb von sozialen Einrichtungen, sind höchst fragwürdig und daher abzubauen. Im Sinne der Datensparsamkeit ist die Erfassung der Religionszugehörigkeit durch staatliche Stellen aufzuheben, ein staatlicher Einzug von Kirchenbeiträgen kann nicht gerechtfertigt werden.


Begründung (nicht Bestandteil des Antrags)

Warum ist das ein piratiges Thema?

  • Es geht um die Freiheit - um einen durchaus zentralen Aspekt von Freiheit! Damit ist nicht nur die Freiheit zur Religionsausübung gemeint, sondern auch die Freiheit von religiöser Bevormundung.
  • Und es geht um die Gleichheit - um die Gleichheit der gesellschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten verschiedener religiöser und weltanschaulicher Auffassungen, die nicht von Staats wegen diskriminiert oder bevorzugt werden dürfen.
  • Und es geht um die Brüderlichkeit - denn ganz oft erwächst die Verpflichtung zu solidarischem Verhalten der Individuen in einer Gesellschaft aus einem individuell-religiösen Selbstverständnis.

Das Spannungsfeld zwischen Staat und Religion

Das Spannungsfeld ergibt sich im Bereich der staatlichen Beitragseinziehung für Glaubensgemeinschaften (Kirchensteuer) über konfessionsgebundenen Schulpflicht-Unterricht, konfessionsgebundene Schulen oder die Militärseelsorge bis zu den Relikten aus der Auflösung kirchlicher Latifundien (Subsidiaritätsprinzip): Aufgrund der vereinbarten Subsidiarität tritt der Staat als Anbieter gesellschaftlicher Dienstleistungen (von der Kinderbetreuung über die Krankenversorgung bis zur Sterbebegleitung) hinter die Angebote religiös bzw. weltanschaulich fundierter Träger (nur teilweise auch laizistischer Träger - Rotes Kreuz) zurück.

In diesem Spannungsfeld entstehen Formen religiöser Bevormundung, wenn etwa aufgrund regionaler politischer Priorisierung religions- und konfessionsfreie Angebote gar nicht unterbreitet werden. Das kann auch Ausdruck gezielter politischer Diskriminierung sein - zum Beispiel im Bereich der Schwangerschaftskonfliktberatung.

Warum erneut als Initiative in LiquidFeedback?

Die Initiative geht auf eine Reihe von Initiativen und Anträgen zurück. Doch politische Diskussionen entwickeln sich weiter. Anträge – auch solche zum Grundsatzprogramm – sind zeitgebunden und erreichen daher immer nur einen Grad der Beschlussreife, der durch neue Erkenntnisse und Alternativen überholt werden kann. Daher scheint eine erneute Diskussion in LiquidFeedback sinnvoll.

Antragshistorie

Ein Positionspapier zur genaueren Erarbeitung piratiger Positionen zum Verhältnis von Staat und Religion wurde ebenfalls erarbeitet und als eigenständige Initiative für einen sonstigen Antrag zum BPT eingestellt. Verwiesen sei noch auf die für den BPT2010.1 eingereichten Anträge zum Themengebiet (dort mit den Antragsnummern TE038, TE040, TE041, Z015, Z028 und Z029) und Eberhard Zastraus Themenfächer zum Verhältnis von Staat und Religion.

Der Antrag wurde bereits zum BPT 2010.2 als Antrag GP016 und zum BPT 2011.1 als Antrag PA019 eingebracht, aber dort nicht behandelt. Er ist als Grundsatzprogramm-Antrag bereits intensiv in LiquidFeedback diskutiert worden und war dort mit diesem Voten-Ergebnis erfolgreich:

Ja: 351 (80%) • Enthaltung: 128 • Nein: 89 (20%) • Angenommen

https://lqfb.piratenpartei.de/pp/initiative/show/1059.html

Anregungen

zu Anregung /a3386:

Rechtschreibfehler im Initiativen-Titel. Dank für die Aufmerksamkeit. Leider sind an dieser Stelle nachträgliche Änderungen innerhalb von LiquidFeedback nicht möglich. Aber vielleicht beruhigt es Dich ja, dass im eigentlichen Initiativen-Text (und damit in der dortigen Angabe des Titels) die richtige Bezeichnung angegeben ist. --etz 07:44, 1. Okt. 2011 (CEST)

Abschaffung kirchlicher Feiertage und Sonderregelungen (zb Totensonntag)

Stattdessen frei bestimmbare Sonderurlaubstage die vom AG akzeptiert werden müssen, aber auch vom AN unmittelbar anzuzeigen sind. So können Gläubige jedweder Religion ihre Feiertage halten (Stichwort Religionsfreiheit). Ich sehe hierin auch Vorteile für die Wirtschaft - "der Laden muss wegen $foo nicht geschlossen werden".

Zur vollständigen Umsetzung dieser Auffassung ist allerdings eine Anpassung des GGs notwendig. Der Wortlaut "Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. " (von 140GG (139WRV) müsste auf etwas wie "Die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. " geändert werden.

Es gilt zu beachten, das viele Glaubensauffassungen einen anderen Ruhetag voraussetzen. Somit muss es dem AN gestattet werden den festen Wochentag, an dem er nicht zur Arbeit erscheint, selbst zu bestimmen. Die Beschränkungen jeglicher Ladenöffnungszeiten (ausserhalb gesetzlicher Feiertage) wären somit vollständig aufzuheben. Bei Bahn, Gastronomie und anderen Dienstleistern funktioniert das ja schon heute weitestgehend ... --Michael Hilscher 11:45, 25. Okt. 2011 (CEST)

Diese Forderungen halte ich für zu detailverliebt für ein Grundsatzprogramm. Für sie ist Platz in einem Positionspapier, wie es zweifach ebenfalls für den BPT in Offenbach beantragt wird. Zur Frage der Sonntagsruhe möchte ich allerdings auf der Urteil des BVerfG verweisen, das in seiner Ablehnung der Verkaufsöffnung aller Adventssonntage ausdrücklich nicht allein auf einen religiösen Zusammenhang zurückgreift. --etz 14:28, 25. Okt. 2011 (CEST)