Bundesparteitag 2012.2/Antragsfabrik/Programmänderung 090

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Programmänderung (im Entwurfsstadium) für den Bundesparteitag 2012.2.

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Antragstitel

Transparenzpaket: Lobbyismus, Antikorruption und Sponsoring

Antragsteller

Jan Hemme

Antragstyp

Programmänderung

Antragstext

Antragstext

Es wird beantragt, im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 an geeigneter Stelle folgendes zu den Themenfeldern politische Transparenz und Antikorruption einzufügen:


Zurechenbarkeit zwischen Einflussnahme und politischen Entscheidungen herstellen


Die Piratenpartei Deutschland fordert die Herstellung von Zurechenbarkeit und Transparenz der politischen Einflussnahme von Interessensverbänden und Lobbyisten auf politische Entscheidungen.

Um die Unabhängigkeit von Bundestagsabgeordneten und Regierungsmitglieden gegenüber illegitimer Einflussnahme zu stärken, strebt die Piratenpartei die Umsetzung der folgenden Maßnahmen in den Bereichen Transparenz politischer Prozesse, Parteienfinanzierung, Nebentätigkeiten von Abgeordneten und Strafbarkeit von Abgeordnetenbestechung an:


1. Einrichtung eines Lobbyregisters für den Deutschen Bundestag

Die Piratenpartei Deutschland erkennt die Konsultation von Interessenvertretern – z.B. Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften, Umweltschutz-, Bürgerrechts- und Unternehmensverbänden – als integralen Bestandteil des politischen Willensbildungsprozesses der Gesellschaft an – solange dieser Austausch hinreichend offen und transparent ist. Die überproportionale Einflussnahme einzelner Gruppen durch die Verlagerung der politischen Willensbildung in informelle Beziehungsnetzwerke außerhalb des formalen Gesetzgebungsprozesses, lehnen wir ab.

Die Piratenpartei fordert ein Lobbyregister für den Bundestag, in das sich Interessenvertreter und Interessenvertretungen verpflichtend eintragen müssen, um einen Hausausweis zu erhalten und die Möglichkeit zu bekommen, bei Gesetzesvorhaben durch den Deutschen Bundestag angehört zu werden.

Ein solches Register soll in der Anlage 2 zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Registrierung von Verbänden und deren Vertretern) verankert werden und die existierende „Öffentliche Liste über die Registrierung von Verbänden und deren Vertretern“ ersetzen. Es soll Aussagekraft hinsichtlich Budget, Tätigkeitsbereich, Anzahl und Namen der tätigen Personen und – bei freiberuflichen Interessenvertretern, Lobbyagenturen, Anwaltskanzleien und Denkfabriken – Mandanten und Auftraggeber enthalten. Alle Angaben sollen regelmäßig aktualisiert und falsche oder überholte Daten unverzüglich berichtigt werden.

Der Präsident des Bundestages soll das Register führen und als Kontrollinstanz sicherstellen, dass die Angaben wahrheitsgemäß sind und die Einträge regelmäßig aktualisiert werden. Er soll externen Beschwerden von natürlichen und juristischen Personen über Verstöße nachgehen, bei Verdachtsfällen eigenständig Untersuchungen einleiten und jährlich einen Bericht veröffentlichen, der die Untersuchungsergebnisse abgeschlossener Verfahren enthält. Beschwerdeführer und -gegner sollen eine Überprüfung der Entscheidung beantragen können.

Verstöße gegen Anzeigevorschriften und Fristen sollen mit Bußgeldern und weiteren Sanktionsmöglichkeiten geahndet werden – bis hin zur Erfassung auf einer schwarzen Liste bei besonderer Schwere des Fehlverhaltens.

Aus Transparenzgründen soll ein solches Register auf der Internetseite des Bundestages veröffentlicht werden. Es soll maschinenlesbar gestaltet sein, um im Sinne von OpenData die Verknüpfung mit Abgeordneten- und Abstimmungsdaten zu ermöglichen und um Sortier- und Durchsuchbarkeit sicherzustellen.


2. Erweiterung und Verschärfung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung

Die Piratenpartei Deutschland fordert klare und umfassende Regelungen zum wirksamen Vorgehen gegen Abgeordnetenbestechung, um die Rechtslage an den globalen Mindeststandard der von Deutschland bereits 2003 unterzeichneten, aber mangels Umsetzung in deutsches Recht immer noch nicht ratifizierten UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) anzupassen und Deutschlands internationale Schlusslichtrolle bei der Korruptionsstrafbarkeit von Abgeordneten zu beenden.

Der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung soll dem für die Bestechung von Amtsträgern (§ 334 StGB) angenähert werden. § 108e StGB (Abgeordnetenbestechung) soll dahingehend überarbeitet werden, dass nicht nur der direkte Stimmenkauf und -verkauf berücksichtigt wird, sondern auch die Vorteilsannahme und –gewährung in anderen Fällen der Mandatswahrnehmung oder meinungsbildender Funktionsausübung im parlamentarischen System. Die Neufassung soll auch immaterielle Versprechen erfassen und der Straftatsbestand auf die Vorteilsannahme oder –Gewährung Dritter sowie Vorteile, die nach der Handlung bzw. dem Unterlassen gewährt oder angenommen werden, ausgeweitet werden.

Die Annahme von Spenden durch einzelne Abgeordnete soll durch eine Änderung des § 44a, Abs. 2 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz) untersagt werden.

Eine Bagatellregelung („Schnittchenklausel“) für die Bewirtung bei parlamentarischen Abenden und anderen Veranstaltungen sowie Ausnahmeregelungen für Zuwendungen im Rahmen von normalem parlamentarischen Verhalten („parlamentarische Gepflogenheiten“) sollen sicherstellen, dass die Abgeordneten nicht in der freien Ausübung ihres Mandats eingeschränkt werden. Sowohl die Schnittchenklausel als auch die parlamentarischen Gepflogenheiten sollen in einer Anlage zur Geschäftsordnung des Bundestages verankert und durch den Bundestagspräsidenten in einer Ausführungsbestimmung festlegt werden.


3. Verschärfung der Transparenz- und Nebeneinkunftsregeln von Abgeordneten

Die Piratenpartei Deutschland erkennt die Rolle von Nebentätigkeiten für den beruflichen Wiedereinstieg nach der Zeit des Abgeordnetenmandats an – insbesondere für Freiberufler und persönlich haftendende Geschäftsführer von kleinen Kapitalgesellschaften. Allerdings wird Wählern derzeit die Abwägung, ob und inwieweit sich Abgeordnete auf Grund ihrer Nebeneinkünfte in einem Interessenkonflikt befinden, durch intransparente Regelungen und Schlupflöcher erschwert bis unmöglich gemacht.

Die Piratenpartei fordert eindeutige Aussagen zur Höhe der Nebeneinkünfte von Abgeordneten des deutschen Bundestages sowie die Identifizierung möglicher Interessenkonflikte und Abhängigkeiten – dies ist nach dem aktuellen Stand des Abgeordnetengesetzes und der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages derzeit nicht möglich.

Wir stellen fest, dass sich gerade der Bereich 'Funktionen' in Unternehmen, Vereinen, Verbänden und Stiftungen zu einem massiven Problem ausgeweitet hat. Unternehmen und Lobbyverbände kaufen sich insbesondere mit Beiratsmandaten bei Abgeordneten ein. Diese sind in der Regel durch hohe Aufwandentschädigungen und Sitzungsgelder erheblich attraktiver als entgeltliche Nebentätigkeiten – bei gleichzeitig geringerem zeitlichen Aufwand.

Wir fordern daher eine Verschärfung der Transparenz- und Nebeneinkunftsregeln in der Anlage 1 zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages) sowie im zehnten Abschnitt des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz). Dazu gehören die Verpflichtung, auch einmalige oder regelmäßige monatliche Einkünfte unter EUR 1000,- angeben zu müssen, sowie die Beendung der Verschleierung der tatsächlichen Einkünfte der Bundestagsabgeordneten über Stufenangaben. Stattdessen sollen die Abgeordneten verpflichtet werden, den tatsächlichen wirtschaftlichen Gewinn aus einer Tätigkeit anzugeben. Rechtsanwälte sollen, mit Rücksicht auf den Schutz ihrer Mandanten, zumindest angeben müssen, aus welcher Branche ihre Auftraggeber kommen. Eine Veröffentlichung der Identität von Mandaten soll mit Einwilligung möglich sein.

Da die Ausübung des Mandats im Mittelpunkt der Tätigkeit der Bundestagsabgeordneten steht, soll die maximale Anzahl der Funktionen in Aufsichts-, Verwaltungs- und Beiräten oder sonstiger Gremien durch eine entsprechende Änderung der Verhaltensregeln und des Abgeordnetengesetzes begrenzt werden, damit die Abgeordneten ihrer primären Tätigkeit gewissenhaft nachkommen können.

Verstöße gegen Verhaltensregeln und Anzeigepflichten sollen u.a. durch höhere Ordnungsgelder als bisher geahndet werden.

Nebeneinkünfte, Aufwandsentschädigungen und geldwerte Vorteile sowie Auftraggeber sollen unmittelbar nach Erhalt maschinenlesbar über den Bundestagspräsidenten veröffentlicht werden, um die Daten mit dem Lobbyregister und dem Abstimmungsverhalten in Plenum und Ausschüssen verknüpfen zu können.


4. Eindämmung des politischen Sponsorings

Die Piratenpartei Deutschland lehnt die intransparente Finanzierung von politischen Veranstaltungen durch Sponsorengelder ab. Verbände und Unternehmen versuchen über Sponsorenengagements auf Parteitagen sowie Sommerfesten von Regierungsbehörden die vergleichsweise strengeren Auflagen für Parteispenden zu umgehen und sich über die Anmietung von Standflächen Zugang zu Entscheidungs- und Mandatsträgern zu verschaffen.

Die Piratenpartei fordert die Ergänzung des Parteiengesetzes um eine Anzeigepflicht für politisches Sponsoring, um die Praxis der indirekten Unternehmenszuwendungen an Parteien, Bundes- und Landesregierungen zu beenden und, um direkte Zurechenbarkeit zwischen Sponsoring und politischem Handeln herzustellen. Sponsorengelder sollen in Zukunft in den Rechenschaftsberichten der Parteien unter Angabe der Höhe namentlich aufgeführt werden, damit ihre Herkunft nicht wie bisher als Veranstaltungseinnahmen verschleiert werden kann.

Um die Alimentierung der politischen Einflussbemühungen von Unternehmen über Steuermittel zu beenden, sollen Sponsoring und direkte Spenden von Unternehmen zukünftig gleichbehandelt und die steuerliche Absetzbarkeit von Sponsoringaufwendungen durch juristische Personen abgeschafft werden.

Veranstaltungen der Bundesregierung, der Landesvertretungen der Bundesländer, sowie des Deutschen Staatsoberhauptes sollen anstatt über Sponsorengelder aus Haushaltsmitteln finanziert werden, damit der Anreiz für die Haushaltsausschüsse der Parlamente steigt, die Sinnhaftigkeit von opulenten Sommerfesten genauer als bisher zu prüfen.


5. Einführung von Karenzzeiten für Spitzenpolitiker

Die Piratenpartei Deutschland lehnt es ab, dass ausgeschiedene Spitzenpolitiker im Bereich ihrer ehemaligen Zuständigkeiten kurzfristig Tätigkeiten der politischen Interessenvertretung für Unternehmen und Verbände übernehmen.

Damit Mandatsträgern und Regierungsbeamten weniger Anreiz haben, ihr politisches Handeln von den Interessen möglicher zukünftiger Arbeitgeber abhängig zu machen, fordert die Piratenpartei die Einführung von Sperrfristen (sogenannten „Karenzzeiten“) für Mitglieder der Bundesregierung, Staatssekretäre, Staatsminister und leitende Regierungsbeamte, sofern dem kein höherrangiges Recht entgegensteht.

Sperrfristen sollen für die Politikfelder gelten, für die Entscheidungsträger in ihrer bisherigen politischen Funktion zuständig waren, und bei denen es Zusammenhänge zwischen den im Amt getroffenen Entscheidungen und der nach dem Ausscheiden beabsichtigten Tätigkeit geben könnte.

Die Sperrfrist soll für Amts- und Mandatsträger in Bund und Ländern grundsätzlich mindestens ein Jahr betragen und durch eine unabhängige Stelle ausgesprochen, geprüft und überwacht werden. Die Karenzzeit soll in Fällen besonders schwerer Interessenskonflikte auf bis zu drei Jahre ausweitet werden können. Darüber hinaus soll eine dreijährige Anzeigepflicht eingeführt werden, die sich an §42a Beamtenrechtsrahmengesetz und §69a Bundesbeamtengesetz orientiert.

Zu diesem Zweck soll die Stelle eines unabhängigen Bundesbeauftragten für Ethik und Antikorruption geschaffen werden, der der Dienstaufsicht des BMI und der Rechtsaufsicht der Bundesregierung untersteht, jedoch keiner Fachaufsicht unterliegt. Dieser soll Verstöße gegen Anzeigevorschriften und Karenzzeiten mit öffentlichen Rügen und Bußgeldern ahnden und von einem ebenfalls einzurichtenden, aus Abgeordneten des Deutschen Bundestages, Zivilgesellschaft und Wirtschaft paritätisch besetzten, Bundesethikrat beraten werden, der die angezeigten, geplanten Tätigkeiten beurteilt und gegenüber dem Bundesbeauftragten öffentliche Empfehlungen ausspricht.


Antragsbegründung

Die Piratenpartei Deutschland fordert im Grundsatzprogramm unter dem Punkt „Transparenz des Staatswesens“ den Schutz des demokratischen Prozesses vor der Ausbildung von Machtstrukturen, die wenige Personen oder Organisationen bevorzugen und hat es sich zum Ziel gesetzt, die Grundlagen politischer Entscheidungen transparent zu machen.

Der vorliegende Antrag leitet aus diesen programmatischen Eckpunkten für das Programm zur kommenden Bundestagswahl konkrete Forderungen für die Reformierung des politischen Betriebes auf Bundesebene ab und skizziert diese hinreichend datailliert und allgemein verständlich.

Die hier im "Transparenzpaket Lobbyismus, Antikorruption und Sponsoring" formulierten Forderungen stellen eine Weiterentwicklung und Ergänzung der Anträge PA160 (Transparenz von Lobbyismus und politischer Interessenvertretung) und PA161 (Ablehnung von entgeltlichen Tätigkeiten neben Mandaten in Vollzeitparlamenten) vom BPT 2011.2 in Offenbach dar, die dort leider aus Zeitgründen nicht mehr behandelt wurden.

Einige weitere Punkte wurden aus dem Positionspapier zum §108e, dem Positionspapier zu Transparenz und Korruptionsbekämpfung in der Politik sowie dem erfolgreichen Berliner Antrag 'Keine Promotionsstände auf Landesmitgliederversammlungen' übernommen.

Die konkrete Ausgestaltung des Registers orientiert sich in einigen Punkten an der Initiative „Transparenz bei Lobbyarbeit – Ein öffentlich einsehbares Lobbyregister für Berlin“ aus dem Berliner Landesliquid.

Die vorgeschlagenen Regeln zur Karenzzeit von Spitzenpolitikern weichen leicht von den in 2010 in WP087 formulierten Forderungen ab, um diese praxisnaher und weniger bürokratisch zu gestalten.

Hinweis: Der vorliegende Antrag wird flankiert durch den Satzungsänderungsantrag "Kein Sponsoring und keine Werbestände auf Bundesparteitagen der PIRATEN", der die hier formulierten Maßstäbe auf die Piratenpartei und damit uns selbst anwendet.

LiquidFeedback
Datum der letzten Änderung

22.10.2012


Anregungen

Bitte hier Tipps zur Verbesserung des Antrages eintragen.

  • Bitte nicht alles auf einmal! Wir brauchen erst einmal Transparenz über die Bezüge und Tätigkeiten der Abgeordneten. Das sind bezahlte Tätigkeiten und auch sonstige Ehrenämter, auch Innerparteiliches.

Daraus gleich Sanktionen, Verbote oder Maßnahmen abzuleiten ist mir zu akademisch, das wird sich entwickeln.

Es wäre gut, erst einmal den gläsernen Abgeordneten zu bekommen, dann müssen wir auswerten, was diese Leute so tun und daraus dann geeignete Maßnahmen ableiten.

In vereinfachter Form ist der Antrag dann relevant fürs Wahlprogramm und auch seht gut!!!

  • zum einfacheren handling des antrags koenntest du entweder die 5 massnahmen (evtl mit sehr kurzer erklaerung) im antragstext belassen, die ausfuehrliche erklaerung in die begruendung packen, oder die 5 massnahmen als module abstimmen lassen. ich wuerde aber auch das gesamtpaket kaufen. Lilly-Marie 16:50, 22. Okt. 2012 (CEST)
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Diskussion

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Unterstützung / Ablehnung

Piraten, die vrstl. FÜR diesen Antrag stimmen

  1. --Spearmind 02:13, 3. Okt. 2012 (CEST)
  2. --Piratenbeer
  3. Lilly-Marie 16:51, 22. Okt. 2012 (CEST)

Piraten, die vrstl. GEGEN diesen Antrag stimmen

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Piraten, die sich vrstl. enthalten

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