AG Geldordnung und Finanzpolitik/Geld ist ein Anspruch auf Geld

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Vorbemerkung Vorbemerkung:
Dies ist eine Meinung, die derzeit von dem Mitglied Arne Pfeilsticker vertreten wird und spiegelt nur die Meinung einiger Mitglieder der Piratenpartei oder der AG Geldordnung und Finanzpolitik wider. Wer Anmerkungen/Fragen hat schreibt diese bitte auf die Diskussionsseite zu diesem Artikel.


Einleitung

Geld wird in der Regel über seine Funktionen innerhalb der Volkswirtschaft definiert, aber nicht über das, was Geld ist. Hier wird eine rekursive Definition des Geldbegriffs vorgeschlagen, die ganz genau definiert, was unser heutiges Kreditgeld tatsächlich ist.

Wer Anmerkungen/Fragen hat schreibt diese bitte ins Diskussionspad zu diesem Artikel.

Die Motivation und das Ziel bestehen darin zu verstehen was Geld ist, damit auf politischer Ebene die richtigen Konsequenzen gezogen werden können.

Die mathematischen Ausdrücke sind in der Sprache von Mathematica geschrieben und können so direkt in Mathematica getestet werden. Das dazugehörige Mathematica-Notebook hier heruntergeladen werden.

Inhaltsverzeichnis

Geld ist ein Anspruch auf Geld

Anspruch

Der Begriff Anspruch wird im juristischen Sinne verstanden. Ein Anspruch ist eine Rechtsbeziehung zwischen einem Gläubiger und einem Schuldner.

  1. BGB § 241 Abs. 1 Satz 1: Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern.
  2. BGB § 242: Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Die Leistung ist das, worauf sich der Anspruch bezieht. Im Prinzip gibt es keine Einschränkung was eine Leistung sein kann. Leistungen im juristischen Sinne sind also nicht nur Waren und Dienstleistungen, sondern alles, was durch ein rechtliches Tun, Unterlassen oder Erdulden durch den Schuldner bewirkt werden kann.

Diese Betrachtungsweise ist für viele Nichtjuristen schwierig zu verstehen und ungewohnt. Juristisch betrachtet ist z.B. bei einem Autokauf nicht das gekaufte reale Auto die Leistung, sondern die Leistung ist die Übertragung des Eigentumsrechtes (= rechtliches Tun) an dem gekauften Auto. Und als Eigentümer des Autos kann dann der Käufer über das Auto verfügen und z.B. mit dem Auto weg fahren.

Mathematisch lässt sich ein Anspruch als eine 3-stellige Relation definieren:

anspruch[g_,s_,l_]:=List[g,s,l]
anspruch1 = anspruch["Gläubiger","Schuldner","Leistung"]
{Gläubiger,Schuldner,Leistung}

Die gemeinsamen Eigenschaften von Leistungen sind die Art, die Menge und die Fälligkeit der Leistung sowie der Leistungsort. Im Falle von Geld bezieht sich die Art auf eine bestimmte Währung. Da der Leistungsort in dem hier diskutierten Zusammenhang keine Rolle spielt, wird er zur Vereinfachung der Darstellung weg gelassen.

leistung[a_,m_,f_ ]:=List[a,m,f]
leistung1 = leistung["Art","Menge","Fälligkeit"]
{Art,Menge,Fälligkeit}
anspruch2=anspruch["Gläubiger","Schuldner",leistung["Art","Menge","Fälligkeit"]]
{Gläubiger,Schuldner,{Art,Menge,Fälligkeit}}

Damit Leistungen erbracht werden, können zur Sicherung der Gegenleistungen zusätzlich Sicherheiten verlangt werden. Mit einer Leistung können auch zusätzliche Rechte und Pflichten verbunden sein. Darüber hinaus kann ein Anspruch auf eine Leistung unter bestimmten Bedingungen stehen.

In schuldrechtlichen Verträgen werden Ansprüche beliebiger Art zu einem Paket zusammengefasst. Ein Kaufvertrag für ein Auto umfasst z.B.:

  1. Den Anspruch des Käufers an den Verkäufer zur Übertragung des Eigentumsrechtes an dem gekauften Auto.
  2. Den Anspruch des Verkäufer an den Käufer auf Zahlung des Kaufpreises.

Das vielleicht Schwierigste im Zusammenhang mit Verträgen und Ansprüchen ist zu verstehen, dass der Verkäufer nicht das Geld für den Kaufpreis bekommt, weil er das Auto geliefert hat, sondern weil er aus dem Vertrag einen Anspruch zur Zahlung des Kaufpreises hat. Und umgekehrt bekommt der Käufer nicht das Auto, weil er den Kaufpreis bezahlt hat, sondern weil er aus dem Kaufvertrag einen Anspruch auf Übertragung des Eigentumsrechtes am gekauften Auto hat. Beide Ansprüche können durch Bedingungen miteinander verknüpft sein. Für Nichtjuristen erscheint diese Vorgehensweise völlig verquer und umständlich. Erst bei näherer Befassung stellt man fest, dass diese Vorgehensweise einer der genialen Ideen des Schuldrechtes ist.

Der Sinn und Zweck eines Anspruchs besteht darin, eine vereinbarte Leistung gegebenenfalls mit rechtstaatlichen Mitteln zu bewirken. Ein Anspruch wird durch das Bewirken der Leistung erfüllt und hört dann auf zu existieren. Wenn ein Schuldner seiner Pflicht zu leisten nicht nach kommt, dann kann der Gläubiger seine Forderung gerichtlich geltend machen. D.h. ein Anspruch kann bei Bedarf mit der Macht des Staates durchgesetzt werden. Diese Sanktionsmöglichkeiten sind der entscheidende Punkt bei Rechtsansprüchen.

Ansprüche gehören zur Klasse der subjektiven Rechte. Wie alle Rechte sind auch Ansprüche abstrakt und müssen daher auf irgendeine Art und Weise nachgewiesen werden. Erfolgt der Nachweis durch eine Urkunde, dann spricht man von einem verbrieften Recht. Erfolgt der Nachweis rechtsverbindlich in einem Buch bzw. heutzutage in einer Datenbank, dann spricht man von einem verbuchten Recht. Die Art des Nachweises beeinflusst die Handhabung, aber nicht den Inhalt des nachgewiesenen Rechtes. Der Nachweis und das nachgewiesene Recht sind zwei grundsätzlich verschiedene Dinge. Der Nachweis macht ein Recht sichtbar und beweisbar und ist eine Art Verpackung für das nachgewiesene Recht.

Zusammenfassen kann ein Anspruch als eine 9-stellige Relation betrachtet werden:

{Gläubiger, Schuldner, {{Art, Menge, Fälligkeitsdatum, Leistungsort, Sicherheiten, sonstige Rechte und Pflichten}, Bedingungen}}

Da die Sicherheiten, sonstigen Rechte und Pflichten und Bedingungen optionale Eigenschaften sind, werden sie in der folgenden Betrachtung nicht berücksichtigt. Sie können aber bei Bedarf ergänzt werden.

Geld

Einen Anspruch auf Geld nennt man auf der Seite des Gläubigers Forderung und auf der Seite des Schuldners Verbindlichkeit. Das Besondere an Ansprüchen auf Geld ist, dass die zu erbringende Leistung selbst wieder ein Anspruch der gleichen Art ist. Durch diese Besonderheit entstehen potentiell unendlich lange Ketten von Ansprüchen. Genau hierin liegt die Schwierigkeit Geld zu verstehen.

Die folgende Definition ist eine rekursive Definition für den Begriff Geld. Die Rekursion läuft über die "vertikalen" Stufen der Geldschöpfung.

Der Rekursionsanker definiert Geld als ein Anspruch auf Geld gegenüber der Zentralbank (ZB):

geld[anspruch[g_,s_,leistung[a_,m_,f_]],0] := anspruch[g,"ZB",leistung[a,m,f]] (Dies ist der 1. Teil der Definition der rekursiven Funktion in Mathematica.)

Ein Beispiel für Geld der Stufe 0 wäre z.B. Banknoten oder ein Guthaben auf einem Konto der Zentralbank:

geld0 = geld[anspruch["Gläubiger","Schuldner",leistung["€",10,"sofort"]],0] (Dies ist der Aufruf der definierten Funktion.)
{Gläubiger,ZB,{€,10,sofort}} (Dies ist das Ergebnis einer relationalen Darstellungen von 10 Euro. Dabei steht "Gläubiger" entweder für den Inhaber von Bargeld oder den Kontoinhaber eines Girokontos bei der Zentralbank von 10 €.)

In Art. 3, Abs. 2 des Beschlusses der EZB vom 13.12.2010 über die Ausgabe von Euro-Banknoten wird die Rechtsgrundlage gelegt welche Ansprüche mit der Ausgabe von Euro-Banknoten verbunden sind:

Die NZBen akzeptieren sämtliche Euro-Banknoten auf Ersuchen des Inhabers zum Austausch in Euro-Banknoten des gleichen Wertes bzw. im Falle eines Kontoinhabers zur Gutschrift auf ein bei der Empfänger-NZB geführtes Konto an.

Auf der Ebenen der Zentralbank wird Geld nur noch getauscht: Bargeld gegen Bargeld oder Sichteinlagen bzw. Sichteinlagen gegen Bargeld oder Sichteinlagen. Der Unterschied zwischen Bargeld und Sichteinlagen besteht lediglich in der Art des Nachweises. Bargeld sind verbriefte und Sichteinlagen sind verbuchte Ansprüche auf Geld. Genau genommen wird nicht Geld getauscht, sondern nur die Art des Nachweises. Der abstrakte Rechtsanspruch auf Geld bleibt gleich.

Der Begriff "zum Austausch" bedarf einer Präzisierung: Das Geld, das man im Tausch erhält, ist die Leistung aus dem Anspruch, den Geld darstellt.

Dass Euro-Banknoten Ansprüche auf Geld darstellen, ergibt sich direkt aus Art. 3, Abs. 3 des Beschlusses der EZB vom 13.12.2010:

Die NZBen behandeln sämtliche, von ihnen angenom­mene Euro-Banknoten als Verbindlichkeiten und bearbeiten diese in gleicher Weise.

In der Begründung zum Beschlusses der EZB vom 13.12.2010 über die Ausgabe von Euro-Banknoten steht unter (7) Satz 2: "Die aus der Ausgabe des Gesamtwerts des Banknotenumlaufs resultierenden Verbindlichkeiten ...". Diese Formulierung impliziert ebenfalls, dass Banknoten verbriefte Ansprüche auf Geld sind.

Zentralbankgeld wird durch Kredite der Zentralbank oder durch den Ankauf von Aktiva bzw. Dienstleistungen in Umlauf gebracht. Diese Geld wird entweder durch die Tilgung der Kredite bei der Zentralbank vernichtet, oder wenn mit dem Geld eine Leistung der Zentralbank bezahlt wird.

Im folgenden Rekursionsfall wird Geld definiert als ein Anspruch auf Geld:

geld[anspruch[g_,s_,leistung[a_,m_,f_]],n_] := List [g,s_n,geld[anspruch[<math>s_n,s_{n-1}</math>,leistung[a,m,f]],n-1]]
geld1 = geld[anspruch["Gläubiger","Schuldner",leistung["€",10,"fällig"]],1]
{Gläubiger,<math>Schuldner_1</math>,{<math>Schuldner_1</math>,ZB,{€,10,fällig}}}

Ein Beispiel für Geld der Stufe 1 wäre z.B. ein Guthaben auf dem Girokonto bei einer Geschäftsbank. Dabei drückt die obige Definition aus, dass Geld der Stufe 1 (= Geschäftsbankengiralgeld) ein Anspruch auf Geld der Stufe 0 (= Zentralbankgeld) ist.

Analog zur Stufe 0 gibt es auch auf der Stufe 1 eine unendliche Schleife. Auch Geld der Stufe 1 kann beliebig oft in Geld der Stufe 1 getauscht werden. Dieser Tausch findet statt, wenn Geld innerhalb des Bankensektors überwiesen wird. Auch hier gilt analog zur Stufe 0, dass dieser Tausch die Leistung ist, die sich aus dem Anspruch ergibt, der Geld ist. D.h. z.B. aus einem Anspruch auf Geld gegen die Deutsche Bank wird ein Anspruch auf Geld gegen die Commerzbank.

Die verbriefte Variante von Geld der Stufe 1 sind z.B. Bankschecks oder Bankschuldverschreibungen. Bei Bankschuldverschreibungen muss jedoch beachtet werden, dass der Anspruch in der Regel zu einem zukünftigen Datum fällig wird.

Im folgenden Beispiel (geld2) wird getestet wie das Ergebnis der Definitionen aussieht, wenn man Geld der Stufe 2 betrachtet.

geld2 = geld[anspruch[Gläubiger,VP,leistung[€,10,sofort]],2]
{Gläubiger,<math>VP_2</math>,{<math>VP_2,VP_{11}</math>,{<math>VP_{11}</math>,ZB,{€,10,sofort}}}}

Ein Beispiel für Geld der Stufe 2 sind Lieferantenforderungen. Der Lieferant (= Gläubiger) hat gegenüber seinem Kunden (<math>VP_2</math>) einen Anspruch auf Geld. Dieser Anspruch kann mit einem Anspruch des Kunden (<math>VP_2</math>) gegenüber einer Bank (= <math>VP_{11}</math>) durch eine Überweisung des Kunden auf ein Konto des Lieferanten (= Leistung) erfüllt werden. Danach hat der Lieferant einen Anspruch auf Geld gegenüber der Bank.

Geld ist ein Anspruch auf Geld

Ein weiteres Beispiel für Geld der Stufe 2 sind Fonds-Anteile für Fonds, die als Aktiva Geld der Stufe 1 halten. Da Fonds als Aktiva selbst wieder Fonds-Anteile halten können, entstehen auf diese Weise Ansprüche auf Geld und damit Geld beliebig hoher Stufe. Die Aktiva eines Fonds bestehen in der Praxis aus unterschiedlichen Aktiva. Daher richtet sich die Bezeichnung der Stufe nach der höchsten Indirektion.

Ein Beispiel für Geld der Stufe n>2 sind Kreditderivate (CDS) und ganz allgemein strukturierte Finanzprodukte. Im Zuge der Finanzkrise 2007/2008 wurde fest gestellt, dass zum Teil über 40 Stufen erreicht wurden. Strukturierten Finanzprodukten sind Beispiele für bedingte Ansprüche auf Geld.

Fazit

Die allgemeinsprachliche und präzise Definition unseres heutigen Geldes, wie z.B. dem Euro, lautet:

  1. Geld ist ein Anspruch auf Geld gegen die Zentralbank. (Rekursionsanker)
  2. Geld ist ein Anspruch auf Geld. (Rekursionsfall)

Diese Definition umfasst alle Ansprüche auf Geld, vom Zentralbankgeld bis hin zu den Derivaten. Diese Definition ist vollständig und minimal. Mit dieser Definition lassen sich alle Ansprüche auf Geld anhand der 9 genannten Eigenschaften für Ansprüche objektiv und minimalistisch klassifizieren. Die Klassifizierung lässt sich auch für eine objektive Definition und Abgrenzung der Geldmengen heranziehen. Zur Geldmenge zählen dann nicht nur die üblichen Abgrenzungen M1, M2 und M3, sondern alle Ansprüche auf Geld.

Der eigentliche Erkenntnisgewinn liegt darin, dass alle Finanzinstrumente Ansprüche auf Geld sind und damit selbst Geld.

Bei der Herstellung von Finanzmarktprodukten wird verschleiert, dass hier auf Kosten der Allgemeinheit Geld gemacht wird, mit dem auch reale Güter und Dienstleistungen gekauft werden können, ohne selbst eine Gegenleistung zu erbringen. Mit der Herstellung von Geschäftsbankengiralgeld und Finanzmarktprodukten wird Geld hergestellt, das als solches von den wenigsten Menschen erkannt wird. Dadurch wird in hohem Maße das Verbot Geld zu fälschen umgangen.