AG Bedingungsloses Grundeinkommen/Flaschenpost

Aus Piratenwiki
Wechseln zu: Navigation, Suche
BGE-NEU.JPG
Pir06.png


http://flaschenpost.piratenpartei.de/2010/11/11/pro-und-contra-zum-bge/

Kaum ein anderes Thema wird in der Piratenpartei derart kontrovers diskutiert wie das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Die Befürworter streben mit dem BGE ein transparentes Sozialwesen an, das jedem ohne Prüfung der Bedürftigkeit oder der Bereitschaft zur Arbeit ein Einkommen bietet. Gegner des BGE fürchten ein Sinken der Arbeitsmotivation, vor allem bei Menschen mit geringem Einkommen. Bringt das BGE also Zeit für Ehrenamt und politisches Engagement, oder führt es zur Ausbreitung einer innovationsfeindlichen Rentnermentalität? Ron und ValiDom legen ihre Positionen dar.

Text für die Flaschenpost am 15.11.2010

Bisher sind die PIRATEN in der öffentlichen Wahrnehmung eine Protestbewegung und wir sind gut darin zu artikulieren „GEGEN“ was wir sind. Ich finde es wichtig, das Profil der Partei in der Zukunft deutlicher darin zu schärfen, dass wir „FÜR“ etwas eintreten und Lösungen auf Probleme anbieten.

Dazu eine kleine Anekdote:

Die BGE-Demo in Berlin am vergangenen Wochenende sollte angemeldet werden. Als die Initiatoren das Formular ausfüllen wollten, konnten sie nicht angeben "GEGEN" was sie demonstrieren wollen. Dass sie „FÜR“ etwas auf die Straße gehen wollten, war dort einfach nicht vorgesehen.

Die Teilnahme der PIRATEN an der Demo hat uns - im Gegensatz zu anderen Meldung in der letzten Zeit - positive Erwähnung in der Presse beschert [1],[2],[3],[4].

Dies ist zwar schön, aber kein Grund, dass sich die Piratenpartei zukünftig für ein BGE einsetzt. Aber was spricht dafür?

Wenn wir unser heutiges System anschauen, brauchen wir einen Systemwechsel. Zu Zeiten des Wirtschaftswunders bildete eine Periode der Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstums, das Fundament unseres Sozialstaates. Allerdings trifft es heute nicht mehr zu, bei hoher Arbeitslosigkeit, demographischem Wandel, ist jedem klar, dass die Wirtschaft nicht weiter so wachsen kann wie bisher. Mit Symptompolitik löst man nicht die Probleme und man sollte anfangen, freier zu denken und einen Neubau zu wagen.

Das Grundeinkommen ist jene Alternative, die dem Einzelnen den größten Handlungsfreiraum und die besten Optionen für eine eigenständige Gestaltung seiner Lebensumstände offen lässt.

Ein BGE führt zu einer Abkopplung von Existenzsicherung und Erwerbsarbeit, dies ermöglicht ein Ausbrechen aus der „Erpressbarkeit“ der Politik durch die Wirtschaft mit dem Argument, Arbeitsplätze abzubauen.

Ein Sozialsystem mit BGE hat die Chance zu weniger Bürokratie, es erfüllt unseren Grundsatz der Datensparsamkeit, schafft Freiraum zu mehr persönlicher Freiheit, ermöglicht einen transparenteren Staat und stärkt die Demokratie.

Wir wollen keine Überwachung, keine wohlmeinende Kontrolle des Staates, sondern eine freie und offene Gesellschaft. Unsere Vorstellung von Freiheit im Digitalen haben wir klar formuliert – wir sollten auch eine Aussage dazu machen wie Freiheit außerhalb der Netzwelt aussehen könnte. Unser Arbeitsleben ist heute mehr von Angst als von Freiheit geprägt. Dies ist unwürdig und nicht motivierend. Frei sein, das zu tun, was man selbst für sinnvoll hält, schafft deutlich mehr Ansporn. Gerade dann, wenn Menschen genau das tun, was sie wollen und auch die Verantwortung dafür übernehmen können, entstehen offenbar die besten Enzyklopädien, die sicherste Software, die effektivste Nutzung von Ressourcen.

Ob ein BGE umsetzbar ist, ist kein Problem der Finanzierung, sondern ob wir es wollen. In einer Gesellschaft, in der die Regale immer voll sind und wir täglich Tonnen an Lebensmitteln weg werfen, ist die Frage schon beantwortet und es bleibt nur eine nach der entsprechenden Gestaltung.

Viele Motive sprechen dafür: PIRATEN - Klarmachen für ein bedingungsloses Grundeinkommen!

Ich finde es toll, dass sich fähige Köpfe in der Partei mit dem BGE beschäftigt haben, kritischen Fragen stellen und skeptisch sind. Das ist sehr gut so und wir nehmen dies ernst. Natürlich haben wir uns mit möglichen negativen Auswirkungen beschäftigt und nehmen die Kritik auf. Diese wird uns helfen, gemeinsam ein optimales Konzept zu entwickeln. Wir sitzen im selben Boot und darum müssen wir eine konstruktive Auseinandersetzung führen. Dadurch haben wir die Chance, dass die Piratenpartei das Thema BGE deutlich glaubwürdiger vertreten kann wird.

Ich würde es begrüßen, wenn wir am BPT in Chemnitz eine spannende, sachliche Debatte führen und einen Beschluss zum BGE fassen, um das perspektivisches Ziel zu definieren und dies der Startschuss für die konzeptionelle Zusammenarbeit darstellt.

Ich empfinde es so, dass die Mehrzahl der PIRATEN versucht, möglichst wenig falsch zu machen, anstatt einfach mal mutig die Dinge anzupacken und möglichst viel richtig zu machen.

Arrrr!! Denkt selbst und informiert Euch!

Unser Motto ist immer noch: 'Klarmachen zum Ändern' Dafür sind wir Piraten angetreten.

Für die Vorbereitung und Diskussion im Vorfeld bietet die AG BGE eine Sprechstunde an [5].

Wer sich intensiver ins Thema einarbeiten möchte, dem empfehle ich:

  • die Lektionen zum Grundeinkommen [6]
  • das Film-Essay von Daniel Häni und Enno Schmidt [7]
  • die Doktorarbeit von André Presse [8]
  • Arbeit des Hamburgerischen WeltWirtschaftsInstitut [9]
  • Gesellschaftsstudie zum bedingungslosen Grundeinkommen [10]
[1] http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/2000-wollen-koenig-sein/
[2] http://www.tagesspiegel.de/berlin/fuer-1000-euro-auf-die-strasse/1975298.html
[3] http://www.tagesspiegel.de/berlin/jeder-ist-ein-koenig/1976512.html
[4] http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article1443660/2000-fordern-bedingungsloses-Grundeinkommen.html
[5] http://wiki.piratenpartei.de/AG_Bedingungsloses_Grundeinkommen/Sprechstunde
[6] http://bit.ly/a2ECE8
[7] http://bge-film.de/
[8] http://bit.ly/baVEBg
[9] http://www.hwwi.org/fileadmin/hwwi/Leistungen/Gutachten/Grundeinkommen-Studie.pdf
[10] http://www.unternimm-die-zukunft.de/Ausgewaehlte_Texte/BGE_Brosch_5-11-2010.pdf
Gegen das Bedingungslose Grundeinkommen argumentieren ValiDom et al

Die Diskussion um das Schlagwort BGE wird von einem gut organisierten Lobby-Netzwerk sowie von angeblich unabhängigen Vereinen und Initiativen der Öffentlichkeit mittels professionell und aufwendig gestalteten Kampagnen und Medienbeiträgen aufgezwungen. Auch wenn es sicherlich Handlungsbedarf im sozialen Absicherungssystem Deutschlands gibt, so kann bisher niemand ein funktionierendes BGE-Modell vorweisen. Darüber hinaus widersprechen einige BGE-Axiome unseren Überzeugungen. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird beim BGE nicht einmal behandelt. Benennt man in Diskussionen diese und andere Problemfelder eines BGE, so wird deutlich, dass man in eine hoch emotionalisierte Debatte geraten ist. Jede fundierte kritische Auseinandersetzung über den weitgehend unbestimmten Begriff BGE gestaltet sich schwierig, wenn die Piratenpartei lediglich einen bereits von Externen vereinnahmten Begriff übernimmt und nicht ein eigenständiges programmatisches Konzept aus ihren Kernkompetenzen heraus entwickelt. Wir, die Piratenpartei Deutschland, sind eine unabhängige Partei, die angetreten ist, neue politische Lösungen und Alternativen auf die gesellschaftlichen und sozialen Herausforderungen selbst zu erarbeiten und diese in der aktiven politischen Auseinandersetzung einzubringen und umzusetzen. Betrachtet man die unterschiedlichen externen BGE-Konzepte, so wird deutlich, dass sie sich in wesentlichen Problemstellungen gleichen. Sie blenden die Finanzierung des geplanten Umverteilungsinstruments BGE aus oder sie verbinden die Finanzierung mit einer vollständigen Umstellung des Steuer- und Abgabensystems und des Systems der sozialen Sicherung. Dabei werden die starken dynamischen Anpassungsreaktionen auf den Arbeits-, Güter- und Dienstleistungsmärkten völlig vernachlässigt. Bei einer Einführung eines BGE muss damit gerechnet werden, dass in bestimmten Teilarbeitsmärkten ein erheblicher Rückgang des Arbeitsangebots stattfinden wird, so zum Beispiel bei den personalintensiven Pflegedienstleistungen. Gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des sinkenden Anteils der Menschen im erwerbsfähigen Alter würde der Rückgang des Arbeitsangebots einerseits die Anzahl der Leistungserbringer reduzieren und andererseits diese Leistungen erheblich verteuern. Im Ergebnis führt ein BGE zu explodierenden Kosten bei gleichzeitig sinkendem Sozialleistungsniveau. Gerade diejenigen (Alte, Pflegebedürftige, Behinderte und chronisch Kranke), die heute von den tatsächlich erbrachten Leitungen des Sozialstaates abhängig sind, werden mit der Einführung eines BGE die Verlierer sein. Die Befürworter eines BGE bleiben bisher leider immer sehr unscharf in der genauen Ausgestaltung, der Finanzierung und den zu erwartenden Auswirkungen auf die Gesellschaft. Ein zu dem heutigen ALG II - Satz vergleichbares BGE von 800 € monatlich verursacht jährliche Ausgaben von 780 Mrd. €, die nur zum Teil durch den Wegfall von bestehenden sozialen Ausgaben gegenfinanziert werden können. Es verbleibt eine erhebliche BGE-Finanzierungslücke in Höhe von mindestens 400 Mrd. €, die nur durch höhere Steuern und Abgaben und/oder sinkende staatliche Leistungen geschlossen werden kann. Ein BGE zu fordern, heißt gleichzeitig eine Art Blankovollmacht für einen noch unbestimmten Umbau des gesamte Steuer- und Transfersystems und der bestehenden sozialen Sicherungssysteme auszustellen. Wir, die Piraten, stehen aber erst am Anfang einer unvoreingenommenen, vernunftorientierten, fundierten und rationalen Diskussion über die zukünftige Gestaltung und Weiterentwicklung des Sozialstaates und der Bürgergesellschaft. Darum halten wir eine sachliche Debatte alternativer Steuer- und Sozialsysteme für produktiv und inspirierend. Die beiden Positionspapiere zum BGE für den BPT in Chemnitz entsprechen nicht den Anforderungen, die wir als Piraten an thematische Positionspapiere stellen, denn sie vermeiden Aussagen zu einem klaren und nachvollziehbaren Gesamtkonzept und enthalten keinen Hinweis auf realisierbare Finanzierungsmodelle. Piraten sind angetreten, um eine vernunftorientierte Politik zu gestalten. Lasst uns gemeinsam echte piratige und visionäre Lösungsansätzen für die Bürgergesellschaft 2.0 entwickeln! Weitere Informationen:

   •    Whitepaper zum BGE mit fundamentaler Kritik : http://bit.ly/d0AqXH
   •    Gegenrede von Aloa5 : http://bit.ly/d1MXUF
   •    Seahorse/BGE: http://bit.ly/a3pjrY

(Autoren: Jens Seipenbusch, aloa5, Seahorse, Andena, ValiDOM).

http://flaschenpost.piratenpartei.de/2010/11/11/pro-und-contra-zum-bge/