Liquid Democracy/Votorola/Theorie

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Diese Diskussion ist veraltet! Der Gegensatz existiert so nicht. Hier wurden zwei verschiedene Arten von Delegation unzulässig vermischt: Bereichs-Delegierung (auch über mehrere Abstimmungen hinweg) und Kommunikative Delegierung (innerhalb einer Abstimmung). Siehe Votorola Hauptseite.--Thomas von der Elbe 13:30, 16. Dez. 2009 (CET)


Kommunikative oder Nicht-kommunikative Delegierung?

Bild 1: Nicht-kommunikative Delegierung

Nicht-kommunikative Delegierung

Angenommen, es handelt sich um eine bundesweite Abstimmung zum BGE:
(Alle Zahlen, Namen etc. sind nur Beispiele)

Die nicht-kommunikative Delegierung hat als Ergebnis eine Liste von Entwürfen (Bild 1).

1. Problem:
Wer einen neuen Entwurf einbringt, muss sich auf Platz 268 einordnen. Um nicht völlig wirkungslos zu bleiben, wird er lieber taktisch wählen. D.h. seine Position aufgeben und für einen der populäreren Entwürfe stimmen, z.B. für Meikes Entwurf.

2. Problem:
Er kann dann noch versuchen, in der Diskussion seine Ideen einzubringen. Aber auch hier das gleiche: wie verschafft er sich Gehör? Wie ist es möglich, mit tausenden Menschen einen sinnvollen Diskurs zu führen?

3. Problem:
Trotz der Belohnung für taktisches Wählen, wird die Liste von Vorschlägen ziehmlich lang werden. Welche Wahlmethode soll dann zwischen den Entwürfen entscheiden? (Mehrheitswahl, Präferenzwahl, ... ?)

4. Problem:
Die Delegation ist sehr intransparent: Warum hat der eine Delegierte 3000 Stimmen? Ist es gut, wenn soviel Stimmen-Macht auf einen Einzelnen konzentriert ist? Über wieviele Delegierte soll man seine Stimme delegieren können, bis der Bezug zum ursprünglichen Stimmen-Inhaber völlig verloren gegangen ist?

Kommunikative Delegierung

Was ist nun bei der kommunikativen Delegierung anders?

Meike kann z.B., wenn sie will, für die Piraten stimmen. Also alle ihre Stimmen an die Piraten weiterdelegieren und trotzdem ihren eigenen Entwurf behalten. Mit den 13.000 Stimmen im Rücken kann sie vielleicht die Piraten überzeugen, ein paar Absätze ihrem Entwurf anzupassen.

Bild 2: Kommunikative Delegierung

Im Bild 2 sieht man, wie die Piraten durch Meikes Stimmen jetzt fast Götz Werner eingeholt haben. Natürlich mussten sie dafür ein paar Zugeständnisse machen.

Innerhalb der Befürworter eines Entwurfs können sich jetzt einzelne Initiativen bilden und mit ihrem Stimmengewicht eine Änderung des Entwurfs fordern. Eine Öko-Piraten-Initiative, eine Linke-G.Werner-Initiative, etc.
Da aber auch diese Initiativen noch aus Tausenden Mitgliedern bestehen, gibt es Unter-Initiativen: die Piraten-Öko-Jugend, die Piraten-Öko-Datenschützer, die Piraten-Öko-Liberalen, ...
Die Wähler werden sich gemäß ihrer Einstellungen zu Gruppen zusammenfinden. Man kann diesen Delegierungsbaum deshalb auch als Meinungs-Landkarte lesen.

Alle oben beschriebenen Probleme werden dadurch gelöst:

zu 1.:
Man wird nicht mehr gezwungen taktisch zu wählen. Will man einen neuen Entwurf einbringen, sucht man sich einfach den Ort im Delegierungsbaum, wo man glaubt, den größten Einfluß zu haben. Sinnvoll ist es, sich die Gleichgesinnten zu suchen, um zusammen den gemeinsamen Proxy zu beeinflussen.

Ich verstehe nicht, wie sich der Begriff "einfach" in diesen Satz verirrt: erfordert nicht eine korrekte Einordnung in den Entwurfsbaum in diesem Modell eine ziemlich umfassende Kenntnis der vertretenen Positionen? --Pudo 00:40, 14. Nov. 2009 (CET)
Es ist einfacher, seinen Platz in einem Baum zu finden, als in einer endlosen Liste: Du suchst dir von den End-Entwürfen denjenigen aus, der deiner Position am nächsten kommt. Von dessen Unter-Entwürfen suchst du dir wieder den sympathischsten aus, usw. ... --Thomas von der Elbe 14:47, 14. Nov. 2009 (CET)

zu 2.:
Die Stimmen von Minderheiten verhallen nicht mehr ungehört. Sie schliessen sich zu einer kleinen Initiative zusammen, einigen sich auf einen gemeinsamen Vorschlag und versuchen ihren Proxy zu überzeugen. In Gruppen von 20 Leuten kann noch sinnvoll diskutiert werden, ohne dass man Meinungen rausfiltern muss. (Wenn 60 Millionen Menschen sich in Gruppen von je 20 zusammenfinden, hat der Delegierungsbaum nur eine Tiefe von ca. 5 Ebenen.)

Nach welchen Kriterien finden sich die Leute zusammen? Um ihren Proxy? Wieso hat jeder Proxy nur 20 "Follower" und warum kommt es in diesem Modell nicht zu den Superdelegaten, die Du korrekterweise in anderen Modellen vermutest? Eine solche gleichmäßige Verteilung wäre ein absolutes Novum für eine soziale Struktur; so etwas gibt es höchstens nach geografischer Maßgabe. --Pudo 00:40, 14. Nov. 2009 (CET)
Die Anzahl der "Follower" ist nicht festgelegt, aber es gibt eine natürliche Tendenz zu relativ kleinen Gruppen. Einfach weil es ab einer gewissen Anzahl von Teilnehmern in einer Diskussion immer schwieriger wird, sich Gehör zu verschaffen. Deshalb bildet man irgendwann mit Gleichgesinnten eine Unter-Gruppe, die über einen Vertreter mit den anderen kommuniziert. Dieser Vertreter hat dann natürlich mit all den Stimmen der Unter-Gruppe im Rücken einen größeren Einfluss in der Diskussion, als die einzelnen anderen. Die bilden irgendwann auch Unter-Gruppen, usw. ... so wächst der Baum. --Thomas von der Elbe 14:47, 14. Nov. 2009 (CET)

zu 3.:
Die Liste von End-Entwürfen wird in diesem System immer kürzer, je "reifer" die Abstimmung wird. Anders ausgedrückt: Das System unterstützt die Bildung von Konsens.
Denn Meikes Entwurf war allein einfach nicht mehrheitsfähig. Aber indem sie für die Piraten stimmt, kann sie Einfluss nehmen, den sie sonst verschenkt hätte.

zu 4.:
Die Delegation ist vollständig transparent. Jeder weiss, für welchen Entwurf ein Proxy steht und man kann seine Stimme über alle Proxys hinweg bis zum End-Entwurf verfolgen.

In diesem Punkt verwechselt ihr IMHO "Abstimmen" und "Delegieren": indem eine "Delegation" auf eine bestimmte Person einer Stimmabgabe gleich kommt verschwimmen die beiden Tätigkeiten. D.h. man könnte eigentlich eher als von Delegation von einer "Abstimmung in Hierarchie" sprechen. In Liquid Democracy war mit der Stimmdelegation ja eine passivere Form der Teilnahme gemeint, die es nicht von jedem Teilnehmer erfordert, informiert zu sein. Euer System erfordert dagegen, sich in einem Entwurfbaum zu verorten, Lobbyarbeit bei einem Politiker auf der nächsten Hierarchieebene zu betreiben und schließlich die Umsetzung der eigenen Forderungen auf der nächsthöheren Ebene zu überwachen. --Pudo 00:40, 14. Nov. 2009 (CET)
Die passive (nicht-kommunikative) Form der Stimmendelegierung, die du meinst, ist mit Votorola natürlich auch möglich. Niemand wird gezwungen, eine eigene Position zu formulieren, zu diskutieren, zu verhandeln ... . Man kann auch ohne das abstimmen und Stimmen erhalten. All die Vorteile der kommunikativen Delegierung sind "nur" Extra-Bonus.--Thomas von der Elbe 14:47, 14. Nov. 2009 (CET)

Fazit: für grosse Abstimmungen ist die kommunikative Delegation besser geeignet, den Diskurs zu strukturieren, weil sie aus der ein-dimensionalen Liste eine zwei-dimensionale Meinungs-Landkarte macht.

Genaugenommen entsteht - wie wir am Telefon diskutiert hatten - ein Meinungsbaum, also eine Hierarchie in der sich Teilnehmer auf verschiedenen Ebenen einordnen. Ich kann diese Hierarchisierung auf einer inhaltlichen Ebene nachvollziehen, aber die enge Kopplung an Personen halte ich für einen Fehler. Denn so ist das Konzept letztlich nicht von der Struktur traditioneller Volksparteien zu unterscheiden, in der die Ebenen zwischen Lokalstammtisch und Bundesvorstand angeordnet sind. --Pudo 00:40, 14. Nov. 2009 (CET)
Du meinst, die Vorzüge einer inhaltlichen Struktur müssten mit den Nachteilen einer Macht-Hierarchie von Personen bezahlt werden?
Ich verstehe nicht, wieso Du diesen Punkt anführst, denn das Problem von zu großer Machtkonzentration ist doch bei Adhocracys "Superdelegaten" mit tausenden Einzelstimmen viel gravierender, als bei Votorolas Delegaten mit ihren 5-25 Einzelstimmen. Und diese Machtkonzentration bei den "Superdelegaten" wird noch zusätzlich verschärft durch die geringe Transparanz (siehe 4.)--Thomas von der Elbe 14:47, 14. Nov. 2009 (CET)

Verbindung zwischen Landkarte und Diskussions-Tool

Soweit ist das alles mit Votorola jetzt schon möglich. Was fehlt also noch?

Für die Diskussion einer Gruppe mit ihrem Proxy und auch untereinander ist ein Diskussionstool nützlich. Das einzige, was noch fehlt ist die Verbindung: ein Diff-Tool oder Diff-Engine.

Der Difference-Engine ist ein Werkzeug zum Vergleichen von Texten, spezialisiert auf e-Democracy. Die Funktion des Difference-Engines soll bestehen im (a) Aufdecken der Unterschiede zwischen formalen Positionen von Wählern und ihren Kandidaten; und (b) im Ausgeben präziser, stabiler Referenz-URLs zum Einbetten in Diskussionen. Da die Unterschiede zwischen Positionen die einzige Basis einer rationalen Diskussionen sind, folgt, dass die Implementierung des Difference-Engines zentral für die Architektur der e-Democracy ist. Ausserdem dient er dem strukturellen Zweck, (c) die getrennten Werkzeuge von Abstimmen, Verfassen und Diskutieren zu verbinden und (d) Entwicklungs-Projekte und technischen Domains zu verbinden, die anderenfalls unverbunden und unkoordiniert wären.

Offene Netzwerk Architektur für e-Democracy

Deshalb: Lasst uns zusammen einen solchen Diff-Engine entwickeln und lasst uns die entsprechenden Interfaces standardisieren! Lasst uns zusammen an einer offenen Architektur arbeiten, in der jede Abstimmplattform, jedes Dislussions-Tool, ... seinen Platz findet.

Mike lädt dazu ein, über das Design von diesem Diff-Engine abzustimmen auf Votorola: Hier
Votorola auf Deutsch umstellen: Hier

Entschuldigt wenn ich das anmerke, aber da designed ihr bisher nur Architektur. Architektur um den ganzen Globus zu beherrschen, das Super-Mega-Über-System. Aber ich sehe nicht genau warum ich das verwenden soll. Also: wie sieht das Tool für mich als End-User aus? Welche konkreten Szenarien wollt ihr mir bieten, welche genauen Möglichkeiten zur Interaktion mit den Vorschlägen und den anderen Teilnehmern? Das interessiert mich, nicht das Datentupel das zwischen Subsystem A und System B hin-und-her geschubst wird. --Pudo 00:50, 14. Nov. 2009 (CET)
Wie kommst Du darauf, es ginge darum, "den ganzen Globus zu beherrschen"?
Wir können der ganzen LD-Bewegung einfach mehr nutzen , wenn wir zusammenarbeiten statt nur zu konkurrieren. Und der Diff-Engine ist dafür ein guter Start, weil jedes LD-System ihn früher oder später brauchen wird.
Ich als End-Nutzer kann mit dem Diff-Engine beliebige Vorschläge miteinander vergleichen: meinen eigenen mit dem meines Delegaten, oder mit dem meiner Wähler; oder die meiner Co-Wähler untereinander, usw. Gefällt mir eine Textpassage, kann ich sie mit "Merge" einfach in meinen Entwurf übernehmen. Sozusagen die Rosinen rauspicken :-). Gefällt mir aber z.B. etwas bei unserem gemeinsamen Delegaten nicht, kann ich mit ihm und meinen Co-Wählern in beliebigen Foren o.ä. über den 13. Unterschied zwischen seinem und meinem Entwurf diskutieren und immer auf diesen konkreten Unterschied verlinken (durch ein rev-control-system bleibt dieser konkrete Unterschied auch dann noch rückblickend einsehbar, wenn unser Delegat unseren Wunsch schon längst eingearbeitet hat.) Umgekehrt wird auch bei jeder Anzeige eines Unterschieds gleich mit angezeigt, an welchen Stellen im Netz bereits Diskussionen zu diesem Unterschied laufen. --Thomas von der Elbe 14:47, 14. Nov. 2009 (CET)


Diskussion

Es wurde argumentiert, dass es andere Möglichkeiten gibt, die bekannten Nachteile der ein-dimensionalen Liste auzugleichen. So könnte man z.B. mit der Software von LiquidFeedback zu jedem Vorschlag der Liste Änderungsanträge verfassen.

Es stimmt, das leistet auf den ersten Blick ähnliches wie Kommunikative Delegation. Aber es bleibt auf eine Tiefen-Ebene begrenzt. Im Grunde ist es eine zweite Liste, neben der ersten. Das entschärft das Problem zwar etwas, löst es aber nicht grundsätzlich. Das alte Problem taucht nun in der zweiten Liste wieder auf: Minderheiten fallen unten raus. In der kommunikativen Delegation ist die Anzahl der Tiefen-Ebenen unbeschränkt. Es ermöglicht sozusagen Änderungsanträge der Änderungsanträge der Änderungsanträge ... Erst dadurch wird es wirklich zwei-dimensional. Zwei Linien sind zwar besser als eine, bleiben aber trotzdem ein-dimensional. --Thomas von der Elbe 15:04, 7. Nov. 2009 (CET)
Durch das Testen der LiquidFeedback-Software ist mir klar geworden, dass die "eindimensionale" Liste ja mit der Zeit quasi "abgearbeitet" wird. Deshalb haben Minderheiten auch die Möglichkeit, irgendwann "an der Reihe" zu sein. Was Votorola als Landkarte im Raum aufspannt, das spannen LiquidFeedback und Adhocrocy in der zeitlichen Dimension auf. Bin gespannt, wie sich das räumliche und das zeitliche Konzept weiter entwickeln. --Thomas von der Elbe 12:02, 24. Nov. 2009 (CET)

Es wurde argumentiert, dass auch bei der hier kritisierten (nicht-kommunikativen) Delegierung die Delegaten natürlich eine bestimmte Position haben, die sie halt nur irgendwo anders darstellen.

Das ist zwar möglich, aber ihre Position ist den Positionen/Entwürfen der End-Kandidaten dann nicht formal gleichgestellt. Zieht ein Delegat bei Votorola seine Stimmen von einem End-Kandidaten zurück, wird er mit seinem Entwurf automatisch selbst zu einem End-Kandidaten.
Und ausserdem ist die Transparanz geringer: Wo ist seine Position dargestellt? Gibt es eine History zu seinem Entwurf, d.h. kann man die Änderungen rückblickend nachvollziehen, usw.? --Thomas von der Elbe 11:20, 15. Nov. 2009 (CET)

Schönen Tag ihr beiden (Thomas,Pudo)...also auch mal einen Blick auf und mit dem Wunsch um Mitarbeit beim Liquidizer... ;) Wenn ich eure beiden Konzepte kritisieren darf, so sind sie mir etwas zu "nerdig": Wieso das Rad neu erfinden, wenn man auf Bewährtes zurückgreifen kann? Der Liquidizer beruht auf dem Future-Trading Konzept, das sicher und bewährt ist. Alles was wir brauchen, ist bestehende Komponenten zu integrieren!

  • An Adhocracy stören mich die Kriterien des Bonussystems und extreme Anti-Troll Gewichtung (Nicht immer hat die Masse die besten Argumente.)
    • Der Liquidizer mißt sowas anhand der Volumina.
  • Votorola ist ein herrlicher Name und klingt fast noch sexier als Adhocracy, wobei der auch super ist, nur halte ich aus von Pudo erwähnten Gründen das System für praxisuntauglich. Hier geht es weniger um technische Implementierbarkeit, als um soziologische! Aber auch eine großartige Idee.
  • Könnten wir daraus nicht ein "Supersystem" erschaffen?

Max WeberII 03:48, 15. Dez. 2009 (CET)