Bundesparteitag 2012.1/Antragsportal/Programmantrag - 048

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Antrag für den/die Bundesparteitag 2012.1. Die Antragsseiten werden kurze Zeit nach Erstellen durch die Antragskommission zum Bearbeiten gesperrt. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich
Tango-dialog-warning.svg Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den/die Bundesparteitag eingereichter Antrag. Jedes Mitglied ist dazu berechtigt, einen solchen Antrag einzureichen.

Version Antragsformular: 1.05

Antragsnummer

P048

Einreichungsdatum

Antragstitel

Energiegeld für Alle

Antragsteller

Eric Manneschmidt

Antragstyp

Programmantrag

Art des Programmantrags

Grundsatzprogramm

Antragsgruppe

Wirtschaft und Finanzen

Antragstext

Der BPT möge beschließen:

Die Piratenpartei Deutschland setzt sich für die Einführung einer Abgabe auf Endenergie ein. Sie soll stufenweise über mehrere Jahre eingeführt werden und in der Endstufe mindestens 0,12 EUR pro kWh betragen, die ausnahmslos und in gleicher Höhe von allen Energieverbrauchern zu zahlen sind. Das Aufkommen aus dieser Abgabe soll komplett als Energiegeld an die Bevölkerung ausgeschüttet werden und zwar zu gleichen Teilen pro Einwohner, für Kinder entsprechend an ihre Erziehungsberechtigten. Das Energiegeld ist steuerfrei.

Antragsbegründung

Problembeschreibung und Begründung

Energie trägt in weit höherem Maße zur Wirtschaftsleistung bei als menschliche Arbeit und wird dabei doch sehr viel weniger mit Steuern und Abgaben belastet als diese (Gemäß neueren ökonometrischen Studien von Naturwissenschaftlern und Ökonomen (R. Kümmel, W. Eichhorn, R. Ayres et al.) hat der Produktionsfaktor Energie eine weit größere Produktionsmächtigkeit (Produktionselastizität) als menschliche Arbeit.). Durch dieses Ungleichgewicht bei der Steuer- und Abgabenlast wird menschliche Arbeit in vielen Bereichen unrentabel oder unbezahlbar. Dies gilt insbesondere für die personalintensiven Berufe in den Bereichen Bildung, Erziehung, Forschung, Kinderbetreuung, Kranken- und Altenpflege, Kultur- und Sozialarbeit, was dazu führt, dass dort schlechte Löhne gezahlt oder Stellen eingespart werden.

Auf der anderen Seite werden Produkte mit hohem Energieeinsatz faktisch subventioniert. Dadurch dass die Verfügbarmachung von Energie in der heutigen Praxis mit Umweltzerstörung, Kämpfen um den Zugang zu den Quellen bzw. Lagerstätten und der Notwendigkeit der Sicherung der Transportwege verbunden ist, entstehen sogenannte externe Kosten. Dies sind Kosten, die nicht im Preis der Produkte abgebildet werden, bei deren Herstellung diese Schäden bzw. Kosten verursacht werden. Diese Kosten werden vergesellschaftet und zwar weltweit, sie belasten damit sowohl die Staatshaushalte (z.B. über die Gesundheitssysteme) als auch die Menschen direkt - und darüber hinaus zukünftige Generationen.

Die andere Folge ist, dass es für Industrie und Verbraucher ökonomisch nur eingeschränkt sinnvoll ist, wirtschaftlich mit Energie umzugehen. Es wird also im Zweifel nicht am Energieverbrauch gespart, sondern am Einsatz menschlicher Arbeit.

Bestrebungen, zu einer nachhaltigen Energieversorgung zu gelangen, sind begrüßenswert. Diese Umstellung wird jedoch durch weiter wachsende Verbräuche erschwert und verzögert. Eine erwartungsgemäß durch eine Verteuerung verursachte Dämpfung des Verbrauchs wäre also umweltpolitisch und auch im Hinblick auf bestehende außenpolitische Abhängigkeiten erwünscht. Durch eine Minderung der externen Kosten würde sie darüber hinaus den Staatshaushalt entlasten.

Zusätzliche Maßnahmen zum Umbau der Energieversorgung sind notwendig, sie sind jedoch nicht Bestandteil dieser Initiative. Wichtig ist hier, dass es keine Ausnahmen z.B. für die energieintensive Industrie gibt. Umweltschäden können nur dann ins Marktgeschehen eingepreist werden, wenn die gesamte Energiebilanz im Verbraucherpreis zum Tragen kommt. Beispielsweise ist es umweltpolitisch unsinnig, energiesparende Geräte zu fördern, wenn bei ihrer Herstellung möglicherweise ein Vielfaches dessen an Energie verbraucht wird, was sie während ihrer Lebensdauer gegenüber dem Vorgängermodell einsparen können.

Hier spielt ein anderes Problem hinein, das ebenfalls in einer gesonderten Initiative zu behandeln ist: Auch für eine Reihe von Grundstoffen müsste es zusätzliche Lenkungsabgaben geben, nämlich wenn sie mit zusätzlichen externen Kosten belegt sind z.B. aufgrund von Giftigkeit, Knappheit oder Verteilungskonflikten (Coltan z.B. heizt im Kongo seit Jahren den Bürgerkrieg an).

Für die Bevölkerung ergibt das Energiegeld ein verlässliches Sockeleinkommen, auf der anderen Seite stehen dem erhöhte Energie- und Produktpreise entgegen. Im Mittel gleichen sich zusätzliche Kosten und Einnahmen aus. Wer einen überdurchschnittlichen Energieverbrauch hat, welcher sich zusammensetzt aus dem direkten Verbrauch und dem Konsum energieintensiver Produkte, wird zum Nettozahler. Wer dagegen einen unterdurchschnittlichen Energieverbrauch hat wird vom Energiegeld profitieren. Durch die direkte Ausschüttung des Aufkommens aus der Abgabe profitieren insbesondere sozial Schwache, die generell viel weniger Geld für Konsumprodukte zur Verfügung haben und daher auch wesentlich weniger Energie verbrauchen. Im Gegensatz zu der Idee eines (sozialpolitisch motivierten) kostenlosen Kontingents von Energie pro Kopf kann der Verbraucher sich hier dazu entschließen, seinen Verbrauch unter den Durchschnitt zu senken und das Geld für andere Dinge verwenden. Dadurch entsteht ein umweltpolitischer Gewinn und mehr individuelle Freiheit. Derselbe marktwirtschaftliche Anreiz entsteht auch für Unternehmen, die durch eine Senkung der Energiekosten leichter als heute ihre Konkurrenten unterbieten können. Bislang gelingt dies im Regelfall eher durch eine Senkung der Personalkosten mit den bekannten Folgen für den Arbeitsmarkt und die Finanzierung der Sozialsysteme.

Das Energiegeld kann und soll zwar nicht existenzsichernd sein, erfüllt aber sonst bereits alle Voraussetzungen eines bedingungslosen Grundeinkommens. Es kann daher auch als Einstieg und Experiment dienen. Es ist dabei problemlos kombinierbar mit dem Vorschlag eines durch eine europäische Transaktionssteuer nach Feige finanzierten Europäischen Individuellen Sockeleinkommens. Es ist darüber hinaus im Prinzip auch europaweit umsetzbar.

Der Einführungszeitraum könnte z.B. 12 Jahre sein, was eine jährliche Erhöhung der Energiesteuer um 1 Cent bedeuten würde. Zum Verständnis: Es werden alle Formen von Endenergie besteuert (nicht nur Strom). Energieflüsse sind leichter nachzuweisen und schwerer zu verbergen als menschliche Arbeit, dadurch wird Betrug erschwert.

Volkswirtschaftlich betrachtet ergäben sich weitere Vorteile:

  • Durch den zunehmenden Anreiz energiesparende Techniken zu entwickeln und einzusetzen und den mit mehr Kaufkraft ausgestatteten einheimischen Markt, würde mittel- und langfristig die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft zunehmen. Sie würde auch unabhängiger von Energieimporten und den damit verbundenen Unsicherheiten durch Preisschwankungen am Weltmarkt.
  • Kurzfristig würden allerdings deutsche Produkte für den Export um die zusätzliche Energiesteuer teurer. Daraus ergibt sich für andere Länder erstens die Möglichkeit, eine ähnliche Steuer einzuführen. Zweitens wäre es in der aktuellen Situation ein Beitrag, um die extremen Ungleichgewichte zumindest in der europäischen Union auszugleichen. Im Moment ist die Stärke der deutschen Exportwirtschaft eher kein Vorteil, eine Dämpfung erscheint vertretbar.
  • In der Vergangenheit wurden Effizienzgewinne immer von den insgesamt wachsenden Verbräuchen aufgefressen. International vereinbarten Klimaschutzzielen sind wir meist nur durch wirtschaftliche Krisen nähergekommen (z.B. die mit dem Beitritt der DDR einhergehende Zerschlagung ihrer Industrie). Wenn der Energieverbrauch in Zukunft keiner Subventionierung mehr unterläge, könnte sich die Wirtschaft auf nachhaltige Weise entwickeln. In Wirklichkeit besteht auch die vermutlich größte Gefahr aus der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens in dem dadurch zu erwartenden Konjunkturanstieg. Dieser ist eine Folge der breiter verteilten Kaufkraft und hat sich z.B. auch in dem Pilotprojekt in Namibia gezeigt (http://bignam.org/). Wenn diese wirtschaftliche Aktivität nicht in ökologisch nachhaltige Bahnen gelenkt wird, dann kann sie katastrophale Folgen haben.

Rationalisierung und Automatisierung sind grundsätzlich begrüßenswert. Im Hinblick auf den Energie- und Rohstoffverbrauch müssen jedoch die negativen Effekte eingepreist werden. Marktwirtschaft funktioniert nur, wenn die Preise die Wahrheit sagen. Diese Initiative allein kann und soll dieses Problem nicht lösen, aber zu seiner Lösung beitragen.

Diese Initiative wurde inspiriert durch verschiedene Aufsätze des Solarenergie Fördervereins Deutschland e.V., siehe u.a. http://energiesteuer.net/reformmodell.html. Ein vergleichbares, bereits implementiertes Cash-Transfer-Program gibt es im Iran

Unterschiede, Vor- und Nachteile gegenüber dem konkurrierenden Antrag

Hier werden 100% der generierten Einnahmen an die Bevölkerung ausgeschüttet, das sind bei heutigem Energieverbrauch ca. 300 EUR pro Kopf und Monat (in der letzten Stufe). Eine direkte Entlastung der Wirtschaft findet nicht statt. Dadurch wird der Verbraucher mehr gestärkt als in der Alternative, allerdings werden sich im Mittel auch die Verbraucherpreise noch weiter erhöhen. Die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft wird hier stärker beeinträchtigt, grundsätzlich natürlich in Abhängigkeit von der Branche (energieintensive vs. personalintensive Wirtschaft). Sollte das Ausland nicht mitziehen und ansonsten konstante Bedingungen vorausgesetzt werden die Probleme für große Teile der exportierenden Wirtschaft in den letzten Ausbaustufen enorm sein. Durch die eindeutigen Vorteile für die Verbraucher kann es andererseits eher gelingen, zumindest das demokratische Ausland zu einer Übernahme der Idee ins eigene Steuersystem (oder sollte die EU beginnen, eigene Steuern zu erheben) zu bewegen. Die Sozialversicherungssysteme bzw. die Frage nach ihrer grundlegenden Reform werden hier nicht berührt, das kann man vor- oder nachteilhaft finden. Schlussbemerkung

Grundsätzlich stehen alle Ansätze zur Einpreisung von negativen Effekten/externen Kosten, die längerfristig oder weltweit auftreten, vor dem Problem: Wer sich zuerst bewegt, verliert am meisten, zumindest zu Beginn. Wenn sich aber nie jemand bewegt, verlieren dauerhaft alle. Vor diesem Hintergrund kann gerade Deutschland, das weltweit und innerhalb Europas über relativ große wirtschaftliche Macht verfügt, nicht auf andere warten.

Liquid Feedback

Piratenpad

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Antragsfabrik

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Datum der letzten Änderung

04.04.2012

Status des Antrags

Pictogram voting keep-light-green.svg Geprüft