Bundesparteitag 2012.1/Antragsportal/Programmantrag - 011

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Antrag für den/die Bundesparteitag 2012.1. Die Antragsseiten werden kurze Zeit nach Erstellen durch die Antragskommission zum Bearbeiten gesperrt. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich
Tango-dialog-warning.svg Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den/die Bundesparteitag eingereichter Antrag. Jedes Mitglied ist dazu berechtigt, einen solchen Antrag einzureichen.

Version Antragsformular: 1.05

Antragsnummer

P011

Einreichungsdatum

Antragstitel

Waffenrecht - Versachlichung der Diskussion und angemessene Gesetzgebung

Antragsteller

Guido Körber, Cathy, Brightblade, Piraten-Axel für die AG Waffenrecht

Antragstyp

Programmantrag

Art des Programmantrags

Wahlprogramm

Antragsgruppe

Inneres und Justiz„Inneres und Justiz“ befindet sich nicht in der Liste (Arbeit und Soziales, Außenpolitik, Bildung und Forschung, Demokratie, Europa, Familie und Gesellschaft, Freiheit und Grundrechte, Internet und Netzpolitik, Gesundheit, Innen- und Rechtspolitik, ...) zulässiger Werte für das Attribut „AntragsgruppePÄA“.

Antragstext

Der Bundesparteitag möge beschließen das Programm zur Innenpolitik um folgende Aussage zum Thema Waffenrecht zu erweitern:

Die Verschärfungen der Waffengesetze in den letzten Jahren dienten vor allem dazu, Sicherheit vorzutäuschen und einfache und schnelle Antworten auf komplizierte Probleme zu geben.

Wir setzen uns für Waffengesetze ein, welche die notwendige Sicherheit gewährleisten, aber nicht unnötig die Freiheit der Bürger beschneiden. Die bereits beschlossenen Kontrollmaßnahmen sind zu überprüfen. Legale Schusswaffenbesitzer sind auf Zuverlässigkeit geprüfte Bürger und dürfen nicht unter Generalverdacht gestellt werden.

Antragsbegründung

Die aktuelle Waffengesetzgebung

  • verletzt den Grundwert Privatsphäre durch Hauskontrollen
  • verletzt mit der Einführung des Nationalen Waffen-Registers die Gebote der Gerechtigkeit und Erforderlichkeit, da dort alle dezentral gesammelten Daten gespiegelt werden, zu viele Behörden Zugriff bekommen und staatlich überprüfte Rechtsbürger mit Kriminellen in einem gemeinsamen Register geführt werden, ohne die Sicherheit zu erhöhen.
  • verletzt den Grundwert Transparenz, da Fakten zum Schusswaffenmissbrauch mit legalen Waffen seit 2003 nicht mehr veröffentlicht werden
  • verletzt den Grundwert Gerechtigkeit, da
    • legale Waffenbesitzer trotz einer unter dem Durchschnitt der Bevölkerung liegenden Deliktrate wesentlich strenger kontrolliert und verfolgt werden als illegale Waffenbesitzer
    • missachtet den Grundwert Beteiligung, da die Ergebnisse des "Runden Tischs 2002" mit Vertretern aus Polizei, Sport-, Jagd-, Handel-, Sammel- und Herstellerverbände ignoriert wurden
  • verletzt den Grundwert Sachlichkeit, da die Gesetze unter Druck der Medien entstanden, die einseitig berichteten
  • verletzt den Grundwert Kompetenz, da Gesetze ohne Evaluation zum Sicherheitsgewinn verschärft wurden.

Das Waffenrecht in Deutschland wurde zuletzt in 2009 primär auf Druck der Medien verschärft. Dabei wurde für die Behörden ein Recht eingeräumt, verdachtsunabhängig die Wohnung eines Waffenbesitzers zur Inspektion der Waffen zu betreten. Das ist ein wesentlicher Eingriff in die Grundrechte (Art.13 Grundgesetz).

Weiterhin wurde das Mindestalter selbst für die sportliche Ausübung von olympischen Disziplinen angehoben, für Luftdruckwaffen auf 12 Jahre, Kleinkaliber (z.B. Biathlon) auf 14 Jahre. Damit ergeben sich für Deutschland im internationalen Vergleich erhebliche Nachteile beim Sport.

Die EU hat eine Richtlinie erlassen, nach der bis 2014 EDV-Waffen-Register - zentral oder dezentral - einzurichten sind. Diese EU-Richtlinie basiert auf dem Feuerwaffenprotokoll der Vereinten Nationen, das den illegalen Handel mit Waffen verhindern will.

Deutschland wird bis Ende 2012 alle dezentral erhobenen Daten zusätzlich in einem zentralen Register spiegeln. Es sollen nicht nur die registrierten Waffen aufgeführt werden, sondern alle Bürger, die eine Berechtigung zum Waffenerwerb oder zur Munitionsherstellung besitzen, sowie Kriminellen, die ein persönliches Waffenverbot per Gerichtsurteil erhalten haben.

Deutschland "übererfüllt" mit dem Nationalen Waffen-Register (NWR) die Vorschriften der EU und verstößt analog zum Urteil des Europäischen Gerichtshof zum deutschen Ausländerzentralregister gegen das Gleichbehandlungsgebot und dern Erforderlichkeitsgrundsatz (Urteil vom 16.12.2008 (Az. C-524/06):

  • Gründe der inneren Sicherheit können es nicht rechtfertigen, Informationen nur über eine Personengruppe (hier: Erlaubnisinhaber für Schusswaffen und Munition, sowie Inhaber des "Kleinen Waffenscheins" für Schreckschusswaffen) systematisch zu sammeln und elektronisch verfügbar zu halten, da Kriminalität alle Staatsbürger gleichermaßen betreffen kann
  • Statistische Zwecke erfordern nur eine anonymisierte Erfassung von Daten und keine personenbezogene. (hier: für die Nachverfolgung von Waffen ist es ausreichend, die Waffe mit Seriennummer, Typ, Kaliber und der zuständigen dezentralen Waffenbehörde aufzulisten, ohne den registrierten Besitzer zentral zu veröffentlichen).
  • Zentralregister sind nur dann gerechtfertigt, wenn die gespeicherten Angaben wirklich zu diesen Zwecken benötigt werden und wenn nicht ein dezentrales Register ebenso effektiv ist. (hier: ein anonymisiertes zentrales Register mit Waffen-Seriennummern würde die Nachverfolgung erleichtern, da es 577 dezentrale Behörden gibt.)
  • Der systematische Zugriff zu einem Zentralregister dürfe nur den dezentralen zuständigen Behörden erlaubt sein. (hier: den Waffenbehörden zum Zweck der Nachverfolgung)

Deutschland plant den umfänglichen Zugriff nicht nur durch Waffenbehörden zum Zweck der Nachverfolgung, sondern auch durch Polizeien des Bundes und der Länder, Justiz- und Zollbehörden sowie Nachrichtendienste zum Zweck der Gefahrenabwehr (§10 NWRG). Auch sind automatisierte Datenabrufe vorgesehen (§13 NWRG)

Das NRWG speichert lt. §4 nicht nur persönliche Daten inklusive Adresse, sondern auch Abbildungen (Fotos) zu den Erlaubnisinhabern, deren Waffen und deren waffenrechtlicher Erlaubnisdokumente.

Im Gegensatz zum AZRG gibt es keine Möglichkeiten der Betroffenen, einer Übermittlung der Daten zu widersprechen.

Zur Information: Seit dem Bestehen von EDV-Waffenregisters WANDA (2003) wurde in Hamburg in keinem einzigen Fall eine bei Deutschlands größter Waffenbehörde registrierte Schusswaffe bei einer schwereren Straftat benutzt.

In der Diskussion um das Waffenrecht in Deutschland wird meist vernachlässigt, dass die Zahl der Straftaten mit legalen Waffen so gering ist, dass die PKS (Polizeiliche Kriminalstatistik) diese in ihren jährlichen Berichten nicht gesondert ausweist. Es ist statistisch belegt, dass die legalen Waffenbesitzer verantwortungsvoll mit Ihren Waffen umgehen. Es ist keine Verbesserung der Sicherheitslage durch weitere Einschränkungen der Rechte von legalen Waffenbesitzern zu erwarten, dagegen sind die Einschränkungen der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Bürger gravierend. Ein Vergleich mit anderen Ländern zeigt auch, dass es keinen Zusammenhang zwischen legalem Waffenbesitz und Straftaten mit Waffen gibt, die USA haben ein sehr liberales Waffenrecht und eine hohe Kriminalitätsrate, die Schweiz hat ebenfalls ein liberales Waffenrecht aber keine höhere Kriminalitätsrate als Deutschland, dagegen hat Großbritanien trotz sehr restriktivem Waffenrecht eine hohe Kriminalitätsrate.


Zielsetzung

Das Waffenrecht gehört auf den Prüfstand. Verbote und Beschränkungen müssen geeignet sein, das Risiko des Waffenmissbrauchs zu vermindern.

Die letzten Novellierungen des Waffengesetzes sind rückgängig zu machen, insbesondere:

  • verdachtsunabhängige Überprüfung und Hauskontrollen (fehlender Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Einschränkung der Unverletzlichkeit der Wohnung)
  • überzogene Anforderungen an das Bedürfnis und die Zuverlässigkeit (Eigentums- und Werteverluste durch Zwangsverkäufe und entschädigungslosen Entzug)
  • Regelungen zum erhöhten Mindestalter (Training von Nachwuchssportlern leidet, auch bei olympischen Disziplinen)
  • Erbwaffenblockierpflicht (Die Blockiervorrichtungen sind unsicher und damit praktisch wirkungslos; die gesetzliche Pflicht wurde maßgeblich durch Lobbying beeinflusst)
  • Messerführverbot: Camper, Hausfrauen, Handwerker u.a. sind davon betroffen, während sich das „Problemklientel" nicht darum kümmert, ob die Gegenstände, die sie für Gewalttaten nutzen, verboten sind oder nicht.

Nicht verändert werden sollen die Regeln für das Führen von Waffen in der Öffentlichkeit, dies soll den Sicherheitskräften und nach strengen Kriterien wenigen, ausgewählten Waffenscheinbesitzern vorbehalten bleiben. Ebenfalls nicht verändert werden sollen die risikorelevanten Anforderungen an das Bedürfnis (z.B. Schießsport, Jagd, Sammeln), die Zuverlässigkeit (u.a. einwandfreies Führungszeugnis) und die Aufbewahrung (sichere Lagerung und Transport), wobei Einzelregelungen auf ihren Sinn überprüft werden sollten.


Hintergrundinformationen

In Deutschland besitzen ca. 1,8 Millionen Bürger eine Waffenbesitzerlaubnis, auf denen 6,4 Millionen Schusswaffen eingetragen sind. Die Behörden schätzen den illegalen, nicht registrierten Bestand auf ca. 20 Millionen. Bei 0,2 Prozent aller Straftaten werden Schusswaffen eingesetzt. 95% der eingesetzten Schusswaffen sind illegal oder frei verkäuflich.

Ohne Risikokompetenz wurden mehrere Kontrollmaßnahmen verabschiedet, die nie in ihrer Wirkung evaluiert wurden. Ausgehend von dem Ansatz "Jede Waffe weniger erhöht die innere Sicherheit" wurde der Waffenerwerb und -erhalt erschwert und die legalen Waffenbesitzer ohne Faktenlage diskriminiert.

Risikokompetenz bedeutet eine vernünftige Balance zwischen Risiko, Verboten und Beschränkungen zu schaffen.

Das Risiko des Schusswaffenmissbrauchs wird durch die folgenden sinnvollen drei Säulen des Waffenrechts bereits seit 1972 effektiv vermindert:

1. Kontrolle der Schusswaffen Vollautomatische Schusswaffen und Kriegswaffen sind in Deutschland für den Privatbesitz verboten. Schreckschusswaffen und Luftdruckwaffen sind ab Volljährigkeit frei erhältlich, andere Feuerwaffen sind nur für kontrollierte Erwerber erhältlich.

2. Kontrolle des Erwerbers Mit einer bestandenen Sachkundeprüfung, einem aktuellen und einwandfreien Führungszeugnis, sowie weiteren Auflagen erteilt die Behörde das Recht, Waffen zu besitzen. Der Waffenbesitzer hat die Pflicht dafür zu sorgen, dass seine Waffen nicht in die Hände von Unberechtigten gelangen. Straftaten, Einschränkung der Mündigkeit oder Trunkenheit am Steuer führen zum sofortigen Verlust der Genehmigung zum Waffenbesitz. Damit verbunden ist die Verpflichtung, die im Besitz befindlichen Waffen umgehend zu veräussern, oder vernichten zu lassen.

3. Kontrolle des Zwecks bzw. Bedürfnisses Voraussetzung für den Erwerb einer Schusswaffe ist ein nachgewiesenes Bedürfnis. In Deutschland wird Sportschießen, Jagd und Sammeln unter bestimmten Auflagen als Bedürfnis anerkannt.

Sportschützen müssen Mitglied in einem Schützenverein sein und erhalten erst nach dem Nachweis von Training in den entsprechenden Disziplinen die Erlaubnis, eine Waffe zu erwerben. Jäger müssen die Jagdprüfung ("Grünes Abitur") bestehen und einen Jagdschein lösen. Sammler müssen den Nachweis erbringen, dass sie tatsächlich in der Lage sind, eine bedeutende Sammlung anzulegen, u.a. müssen sie ihre Sammlung stetig erweitern.


Weitere Fakten

Die Zahl der Tötungsdelikte in Deutschland (Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen) lag im Jahr 2010 bei 2218. In 145 Fällen (6,5%) wurden Schusswaffen eingesetzt, davon waren über 90% nicht registriert. Das BKA sieht laut seinen Sicherheitsberichten eine rückläufige Tendenz bei den Delikten mit Schusswaffen. Der Abwärtstrend läuft kontinuierlich seit 1976 ohne Beeinflussung durch Waffenrechtsnovellierungen.

Seit dem Jahr 2003 wird die BKA Statistik nicht mehr veröffentlicht, die den Anteil von mit erlaubnispflichtigen Legalwaffen beganger Straftaten aufzeigt.

Die 2011 gestellte Kleine Anfrage an den Berliner Senat ergab insgesamt 6 missbräuchliche Einsätze von erlaubnispflichtigen Legalwaffen in den Jahren 2003 bis 2010. In der gleichen Zeit wurden 161465 Gewaltdelikte verübt, davon 5012 mit Schusswaffen.


Einfluss von Öffentlicher Meingung und Lobbyverbänden auf das internationale und nationale Waffenrecht

Die Studie des Small Arms Survey schrieb 2011: Medienwirksame Zwischenfälle mit Waffengewalt haben häufig Einfluss auf nationale Waffengesetze. Dies ist am deutlichsten in den Ländern zu beobachten, in denen Waffengewalt sehr selten auftritt, in denen Amokläufe große Gefühle der Ohnmacht auslösen und so den Fokus auf härtere Kontrollen lenken.


Weitere Informationen

Analyse von Rechtspsychologen zum Thema legaler Waffenbesitz: http://www.waffenrecht.uni-bremen.de/html/downloads.html

Bundesinstitut für Risikobewertung: Rechtfertigen gefühlte Risiken staatliches Handeln?: http://www.bfr.bund.de/cm/350/rechtfertigen_gefuehlte_risiken_staatliches_handeln_tagungsband.pdf

Wikipedia: Kontrolle des zivilen Waffenbesitzes anhand des Jahrbuchs des Small Arms Survey 2011, Kapitel 9: http://de.wikipedia.org/wiki/Waffenkontrolle_(Recht)#Kontrolle_des_zivilen_Waffenbesitzes

Gesetzesentwurf zum NationalenWaffenRegister Gesetz vom 30.12.2011: http://www.bundesrat.de/nn_1934482/SharedDocs/Drucksachen/2011/0801-900/849-11,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/849-11.pdf

Analoges Urteil des Europäischen Gerichtshof zum deutschen AusländerZentralRegister: http://curia.europa.eu/juris/liste.jsf?language=de&num=C-524/06

Gesetz zum Ausländerzentralregister mit Rechten der Betroffenen http://www.gesetze-im-internet.de/azrg/index.html#BJNR226500994BJNE005107310

Das 2003 in Hamburg eingeführte EDV-Waffenregister verzeichnete keine einzige schwere Straftat seit 2003 durch legale Waffenbesitzer. http://www.welt.de/regionales/hamburg/article3485518/Hamburgs-Waffendatei-ist-komplett.html

Bericht des BKA für 2010: http://www.bka.de/nn_193232/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/PolizeilicheKriminalstatistik/pksJahrbuecher/pks2010,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/pks2010.pdf

Dobat, A., Heubrock, D. & Stöter, J. (2006). Waffenbesitz und Waffenmissbrauch in Deutschland - Ein gesellschaftliches Problem oder statistische Auslegungssache?. Kriminalistik 12/2006. (Mit den vom BKA veröffentlichten Zahlen aus dem Jahr 2002)

2. Periodischer Sicherheitsbericht des BKA 2006: http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Veroeffentlichungen/2_periodischer_sicherheitsbericht_langfassung_de.pdf;jsessionid=B29285ED742BB942916D060609D58357.1_cid231?__blob=publicationFile

Abgelehnter Änderungsantrag (FDP) 2008 in Bezug auf Zuverlässigkeit und Mindestalter (Seite 14-15): http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/082/1608224.pdf

Kleine Anfrage Berlin 2011 zum Schusswaffen-Missbrauch: http://www.parlament-berlin.de:8080/starweb/adis/citat/VT/16/KlAnfr/ka16-15734.pdf

Haltung des Bundestags zur Kritik an der Waffenrechtsnovelle 2002: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/14/083/1408340.pdf

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Antragsfabrik

Datum der letzten Änderung

30.03.2012

Status des Antrags

Pictogram voting question.svg Ungeprüft