AG Geldordnung und Finanzpolitik/ThemaUngleichverteilung

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Vorbemerkung Vorbemerkung:
Dies ist eine Meinung, die derzeit von dem Mitglied Patrik vertreten wird und spiegelt nur die Meinung einiger Mitglieder der Piratenpartei oder der AG Geldordnung und Finanzpolitik wider. Wer Anmerkungen/Fragen hat schreibt diese bitte auf die Diskussionsseite zu diesem Artikel.


Einleitung

Seit Anbeginn der Menschheit - zumindest soweit sie nachweisbar ist - hat es durchgehend eine Ungleichverteilung des Vermögens gegeben. Selbst in den frühesten Kulturen kann man nachweisen, dass es Menschen mit hoher Güteraustattung und solche mit wenig bis gar keiner Güterausstattung gab.

Wenn das aber ein durchgängiges Muster über alle Zeiten und Orte ist - temporäre und lokale Ausnahmen bestätigen die Regel - dann muss es dafür doch eine tiefere Ursache geben. Aktuell ist es sehr populär das Geld, die Schulden, den Zins und alles, was damit zusammenhängt, dafür verantwortlich zu machen. Es wird sogar behauptet, dass das Schuldverhältnis an sich die Grundlage jeglichen Wirtschaftens sei und es folglich nicht verwundere, dass man das Phänomen der Ungleichverteilung von jeher beobachten kann.

Das klingt zwar intuitiv einleuchtend, erscheint mir aber höchst zweifelhaft, denn es hat sehr viele unterschiedliche Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme gegeben, und es wäre doch ein sehr großer Zufall, wenn sie alle das eine Prinzip teilen würde, nämlich die (verzinsliche) Schuld.

Weitergehende Begründungen bemühen Verschwörungstheorien oder gar moralische oder psychologische Kategorien wie Gier oder Altruismus, usw. Das ist aber wohl nicht für zielführend.

Wenn man ein Phänomen beobachten kann, das zeit- und ortsunabhängig ist, dann scheint es sich doch eher um ein universelles Prinzip zu handeln, ähnlich den Gesetzen des Physik. Zur Beschreibung dieser Art von Gesetzmäßigkeiten hat sich die Mathematik als sehr nützlich erwiesen - sie funktioniert sogar so gut, dass man den Eindruck gewinnen könnte, dass die Welt im Kern nach mathematischen Prinzipien geschaffen ist.

Die These

In jeder Population, in der die Individuen miteinander in Austauschverhältnisse treten, wird sich über kurz oder lang mit gradezu mathematischer Konsequenz eine Ungleichverteilung einstellen müssen, wenn nicht aktiv gegengesteuert wird.

Dies soll mit Hilfe der Mathematik beweisen werden.

Wer schon Vorkenntnisse in Kombinatorik hat, dem wird es leicht fallen, die Argumentation nachzuvollziehen; für die anderen wird nachfolgend die Logik Schritt für Schritt am praktischen Beispiel mit einem Minimum an Formeln und Zahlen erläutert.

Die Grundidee

Stellen wir uns vor, dass zwei Leute eine Wette abschliessen und das Los entscheiden lassen wollen. Sie werfen also eine Münze und das Ergebnis des Wurfes ist entweder Kopf oder Zahl, wir unterstellen im ersten Schritt einmal, dass die Wahrscheinlichkeit für beide Ereignisse gleich ist, also 50% Kopf und 50% Zahl.

Gleichverteilung

Stellen wir uns nun vor, dass diese Münze 10 mal geworfen wird, dann hat man intuitiv - aus der Alltagserfahrung - das Gefühl, dass es wesentlich unwahrscheinlicher ist, dass 10 Mal Kopf oder Zahl kommt als irgendeine andere Kombination. Tatsächlich ist diese Erfahrung aber trügerisch; Es ist jede Kombination gleich wahrscheinlich, denn egal, ob man bei einem Wurf Kopf oder Zahl erwartet, die Wahrscheinlichkeit ist immer 50%. Somit ist also die Wahrscheinlichkeit jeder Kombination immer 0,5^10 - also sehr klein.

Es ist ein rein psychologisches Phänomen, dass wir 10 Mal Kopf oder Zahl als etwas besonderes empfinden, und tatsächlich ist die Eintretenswahrscheinlichkeit ja sehr klein - und dies scheint unsere Grundannahme zu bestätigen. Faktisch ist ihr Auftreten aber völlig normal und kein Hinweis auf irgendwelche Manipulationen.

Dieser Zusammenhang ist sehr wichtig und man muss ihn sich unbedingt merken, um die Schlussfolgerung zu verstehen!

Ungleichverteilung

Unsere Intuition wird allerdings bestätigt, wenn man die Reihenfolge der Münzwürfe unberücksichtigt lässt und nur zählt, wie viele Kombinationen es gibt, die zu einer bestimmen Aufteilung von Kopf- und Zahlwürfen gehören.

Völlig offensichtlich ist es in den beiden Extremfällen 10 Mal Kopf oder Zahl, es gibt nur genaue 1 Kombination, die zu diesem Ergebnis führt, nämlich alle gleich - unabhängig davon, wie sie angeordnet sind.

Wie sieht es aber mit der Kombination 1 Mal Kopf und 9 Mal Zahl aus? Nun, der Kopfwurf kann der erste, der zweite, der dritte ... oder der zehnte Wurf sein. Es gibt also 10 Kombination, die zu dem gesuchten Ergebnis führen. Am einfachsten ist es, wenn man sich die Würfe als eine Reihe vorstellt, also bspw.

Z Z Z Z K Z Z Z Z Z

Auch bis hierhin wird das jeder leicht nachvollziehen können, jetzt wird es aber interessant: Wie sieht es denn mit einer beliebigen Kombination, bspw. 4 Mal Kopf und 6 Mal Zahl aus? Um dies zu erläutern, soll die Zahl der Würfe reduziert werden, um es nachvollziehbarer zu machen.

Konkretes Beispiel

Betrachten wir also ein Beispiel mit 5 Würfen und fragen, wie wahrscheinlich es ist, 3 Mal Kopf und 2 Mal Zahl zu werfen - egal in welcher Reihenfolge.

Im Prinzip ist dies gleichbedeutend mit einem Kartenspiel, das 5 Karten umfasst, auf 3 Karten ist der Kopf, auf 2 Karten ist die Zahl dargestellt. Die Karten werden verdeckt gemischt und dann einzeln nacheinander aufgedeckt. Wichtig ist hierbei, dass alle Kopfkarten und alle Zahlkarten gleich aussehen.

Hat man also eine beliebige Kombination, bspw.

Z K K Z K

dann ist es also egal, welche Zahlkarte vorne und welche in der Mitte liegt, man kann die Karten einfach austauschen und die Kombination bleibt augenscheinlich genau die selbe. Man erkennt also sofort, dass es mindestens 2 Möglichkeiten gibt, die Karten so anzuordnen, dass sie zu genau dem selben Ergebnis führen.

Was ist aber nun mit den Kopfkarten, wie viele Möglichkeiten gibt es diese Karten anzuordnen?

Am einfachsten ist es, wenn man sich vorstellt, dass die Kopfkarten nummeriert sind und verdeckt gemischt werden, danach werden sie wieder nacheinander aufgedeckt. Bei der ersten Karte hat man noch alle drei Karten in der Hand, es gibt also für die erste Karte drei Möglichkeiten, welche Zahl aufgedeckt wird, bei der zweiten Karten hat man nur noch 2 Karten in der Hand, also 2 Möglichkeiten, bei der letzten Karte gibt es logischerweise nur eine Möglichkeit.

Es gibt also 3 x 2 x 1 = 6 Möglichkeiten die drei Karten anzuordnen. Diese Reihe wird Fakultät genannt und kurz n! geschrieben, bedeutet also: man multipliziert alle Zahlen von n bis 1.

Nun kombiniert man beide Ergebnisse, es gibt also

(2 x 1) x (3 x 2 x 1) = 2! x 3! = 12

Möglichkeiten die 5 Karten bestehend aus 2 Zahl und 3 Kopfkarten so anzuordnen, dass sie zu dem Ergebnis

Z K K Z K

führen.

Wie viele Kombinationen von 2 Mal Zahl und 3 Mal Kopf gibt es aber nun unabhängig von der Reihenfolge?

Das, was uns eigentlich interessiert, ist ja weniger die Frage, wie wahrscheinlich eine bestimmte Kombination ist, sondern wie wahrscheinlich das Auftreten einer bestimmten Aufteilung von Zahl und Kopf ist.

Wieder hilft das Beispiel mit dem Kartenstapel. man hat also fünf gemischte Karten auf der Hand, die nacheinander auslegt werden. Bei der ersten Karte gibt es also 5 Möglichkeiten, bei der zweiten Karten nur noch 4, usw. bis es bei der letzten nur noch eine Möglichkeit gibt, demnach also

5 x 4 x 3 x 2 x 1 = 5! = 120

Allerdings gibt es zu jeder Reihenfolge immer 12 Möglichkeiten, die absolut gleich aussehen (siehe oben). Man muss also die Zahl aller Möglichkeiten durch die Zahl gleich aussehender Möglichkeiten teilen, also:

120 : 12 = 10

Es gibt also de facto 10 Möglichkeiten 3 Köpfe und 2 Zahlen anzuordnen.

Allgemeine Aussage

Allgemein kann man sagen, wenn man n Karten hat und davon k Kopfkarten und z Zahlkarten sind, dann ist es völlig logisch, dass z = n - k ist.

Teilt man also die Zahl aller Möglichkeiten, durch die Zahl gleich aussehender Möglichkeiten, kommt man auf den Zusammenhang:

n! / (k! x (n-k)!)

Wahrscheinlichkeiten

Kehren wir nun zurück zu den Münzwürfen und fragen uns, wie viele Möglichkeiten es für folgende Ereignisse gibt:

5 Kopf + 0 Zahl: 120 / (120 x 1) = 1
4 Kopf + 1 Zahl: 120 / (24 x 1) = 5
3 Kopf + 2 Zahl: 120 / (6 x 2) = 10
2 Kopf + 3 Zahl: 120 / (2 x 6) = 10
1 Kopf + 4 Zahl: 120 / (1 x 24) = 5
0 Kopf + 5 Zahl: 120 / (1 x 120) = 1

Man erkennt also sehr schön, dass es eine symetrische Aufteilung der Fälle gibt, wobei es weit mehr Fälle von gemischten Kombinationen gibt als von (weitgehend) gleichartigen gibt.

Wie bereits eingangs erläutert, ist jede Kombination gleich wahrscheinlich, in diesem Fall

(1/2)^5 = 1/32

Gleichzeitig gibt es aber 1 + 5 + 10 + 10 + 5 + 1 = 32 mögliche Anordnungen. Da jede Anordnung gleich wahrscheinlich ist, kommt man also zu folgenden Auftretenswahrscheinlichkeiten:

5 Kopf + 0 Zahl: 1/32
4 Kopf + 1 Zahl: 5/32
3 Kopf + 2 Zahl: 10/32
2 Kopf + 3 Zahl: 10/32
1 Kopf + 4 Zahl: 5/32
0 Kopf + 5 Zahl: 1/32

Es ist also sehr viel wahrscheinlicher, dass bei 5 Münzwürfen eine mehr oder weniger ausgeglichene Menge an Kopf und Zahl auftritt als dass alle weitestgehend gleich sind. Dies entspricht also wieder unserer Intuition.

Obwohl also jede Kombination gleich wahrscheinlich ist, gibt es doch weit mehr Kombinationen mit einer eher ausgeglichen Aufteilung als mit einer (weitgehend) gleichartigen Aufteilung!

Der Beweis

Was hat das ganze aber nun mit der Ungleichverteilung der Vermögen innerhalb einer Population zu tun?

Der Handel

Stellen wir uns also vor, dass die klassischen Annahmen vom vollkommenen Markt nicht zutreffend sind, und nicht alle Marktteilnehmer jederzeit über alle Informationen über Preise und Knappheiten aller Güter verfügen, ebenso wenig wie sie wissen, wer was wann wo anbietet und wo es grade das günstigste gibt, usw.

Gehen wir also von der (realistischeren) Situation aus, dass sich bei einem Handel zwei Individuen treffen und etwas austauschen wollen - sei es Gut gegen Gut, sei es Gut gegen Geld oder Geld gegen Geld. Beide haben eine ungefähre Vorstellung, was die Güter so wert sind und was sie gerne dafür hätten.

Beide handeln nun miteinander und werden sich schliesslich auf einen Preis einigen. Vielleicht hat der eine mehr Informationen als der andere oder er verfügt über ein Gut, das heiss begehrt ist, während der andere nur etwas anzubieten hat, das mässig attraktiv ist. Vielleicht kann der eine auch besser handeln als der andere, oder ist vielleicht etwas intelligenter, skrupelloser oder ausgefuchster.

Irgendwie werden sie zu einem Ergebnis kommen - es wäre aber angesichts der vielen Randbedingungen und Unwägbarkeiten ein sehr großer Zufall, wenn das Ergebnis ihres Handelns genau der objektiv angemessenen Austauschrelation entspräche. Im Allgemeinen wird der eine durch den Handel faktisch reicher und der andere faktisch ärmer.

Wenn wir mal davon ausgehen, dass beide insgesamt gleich gut handeln können, dann ist die Wahrscheinlichkeit bei einem Handel zu gewinnen oder zu verlieren gleich groß. Bei jedem Handel gewinnt also einer und ein anderer verliert.

Ein einfaches Beispiel

Stellen wir uns in einem ersten Schritt an einem ganz stark vereinfachten Beispiel eine Population von n Leuten vor, die miteinander Handel treiben. Alle sollen zu Beginn Güter im Wert von 10 haben und in jeder Periode handeln sie miteinander. Bei jedem Handel können sie faktisch Güter im Wert von 1 gewinnen oder verlieren. Da alle gleich gut handeln können, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie gewinnen, 50%.

Es ist nun leicht einzusehen, dass nach 10 Handelsperioden ein paar arme Schweine 10 mal verloren haben und pleite sind (0 haben), viele mal gewonnen und mal verloren haben und irgendwo in der Mitte liegen und ein paar wenige jedes Mal gewonnen haben und jetzt über 20 verfügen.

Ohne weitere Einwirkungen irgendwelcher Kräfte oder Mechanismen wie Zinsen, Macht, Gewalt, Informationsasymmetrie (einer weiß mehr als der andere), Marktmacht (Monopole, Oligopole), Absprachen, Verschwörungstheorien, Gier, Neid oder göttlicher Fügung ist es also bereits nach zehn Handelsperioden zu einer ganz krassen Ungleichverteilung des Vermögens gekommen.

Ungleiche Voraussetzungen

Dieses Beispiel war nun stark vereinfacht, insgesamt sehr ausgeglichen und dennoch hat sich wie von selbst allein durch das Wirken der Wahrscheinlichkeitsrechnung eine Ungleichverteilung eingestellt. Dabei ist das Beispiel weit von der Realität entfernt. In der realen Welt sind die Vorraussetzungen bei den Marktteilnehmern bei weitem nicht so gleichmäßig verteilt. Jeder, der die Welt realistisch betrachtet, wird feststellen, dass es so etwas gibt wie:

  • ungleiche Verteilung des Wissens
  • ungleiche Verteilung der Marktmacht
  • ungleiche Verteilung der Talente
  • ungleiche Bildung
  • ungleicher Zugang zu Märkten
  • glückliche Fügungen
  • Protektionismus/Protektion
  • Lobbyismus
  • Subventionen
  • marktfremde Abhängigkeitsverhältnisse
  • usw. usf.

All dies lässt sich im Modell so zusammenfassen, dass es in der realen Welt keineswegs so ist, dass die Chancen auf einen Handelserfolg bei allen gleich sind; einige habe eine überdurchschnittliche Chance, andere nur eine unterdurchschnittliche.

Wenn man sich nun vorstellt, dass bei ausgeglichenen Chancen die Verteilung der Vermögen annähernd der Normalverteilung entsprechen wird - also viele landen im mittleren Bereich und einige wenige an den jeweiligen Extremen, wobei um den Mittelwert am meisten sind - kann man sich leicht vorstellen, dass es bei einer Verschiebung der Chancen auch zu einer starken Verschiebung der Vermögen hin zu denjenigen kommt, die mit besseren Voraussetzungen ins Rennen gegangen sind.

Dies führt selbstverständlich zu einer noch stärkeren Ungleichverteilung der Vermögen nach einer gleichen Zahl von Handelsperioden, ohne dass es hierzu weiterer Einflüsse bedarf.

Vererbung des Vorteils

Wenn man das Beispiel weiter der Realität annähert, so wird man wissen, dass das Spiel wesentlich länger läuft als die einzelnen Individuen leben. Es kommt also früher oder später zu einer Ablösung durch die neue Generation - nehmen wir mal an, das passiert nach 10 Handelsperioden.

Es ist also offensichtlich, dass die nächste Generation im Gegensatz zu der ersten mit weit ungleicheren Voraussetzungen beginnt als die erste. Die Nachfolger der erfolgreichen starten mit einem satten Polster und wahrscheinlich sind sie in den Genuss aller oben genannter Vorteile gekommen. Wenn man vereinfachend annimmt, dass es einen Zusammenhang zwischen der materiellen Ausstattung und den Voraussetzungen für erfolgreiches Handeln (im engeren wie im weiteren Sinne) gibt, dann kann man wohl annehmen, dass es immer schwerer werden wird, den sich selbst beschleunigenden Trend zur Ungleichverteilung aufzuhalten. Das Vermögen wird sich immer schneller immer stärker konzentrieren.

Bis hierhin sind also alle beobachtbaren Phänomene der real existierenden Wirtschaft und Gesellschaft ganz einfach erklärbar, ohne auf Mutmaßungen zurückgreifen zu müssen.

Schulden und Zinsen

Bisher wurde bei den oben beschriebenen Modellen (implizit) davon ausgegangen, dass es keine Verschuldung gibt; diejenigen, die kein Vermögen haben, sind einfach aus dem Spiel ausgestiegen und die anderen haben weitergemacht.

Auch dies ist übrigens ein sehr anschauliches Prinzip, das ohne weiteres erklärt, wie es ganz automatisch zu der immer stärkeren Konzentration der Vermögen kommt: Wer nicht mehr mitspielt, kann nicht mehr gewinnen; da immer wieder jemand aussteigt, die ursprüngliche Gütermenge aber im Spiel bleibt, ergibt sich zwangsläufig, dass sich die Vermögen auf immer weniger konzentrieren - ohne Einwirkung irgendwelcher externen Einflüsse. Das ganze hat sehr starke Ähnlichkeit mit einem Poker-Tournier.

Kommen wir aber nun zu der Frage der Schulden und des Zinses, denn das ist ja die vermeintlich wahre Ursache der Ungleichverteilung.

Schulden

Bisher hatten die Individuen keinen Bedarf, den sie in jeder Handelsperiode decken mussten; diejenigen, die ausgeschieden sind, sind von Akteuren zu Zuschauern geworden und verfolgen nun interessiert das weitere Spiel. Tatsächlich wissen wir aber alle, dass es so einfach nicht ist. Jeder Mensch hat einen Mindestbedarf, den er decken muss. Nehmen wir hier mal an, dass dies pro Handelsperiode Güter im Wert von 1 sind und jeder in einer Handelsperiode auch Güter im Wert von 1 erzeugen kann. Im allgemeinen werden aber die wenigsten alle Güter, die sie brauchen, selbst herstellen, so dass sie immer wieder gezwungen sind zu handeln. Dabei besteht natürlich immer die Gefahr des (Total-)Verlustes.

Diejenigen, die nach dem Handel keine Güter mehr besitzen, müssen sich also von denjenigen, die mehr haben, die notwendigen Güter leihen. Sie werden also irgendeine Art von Schuldverhältnis eingehen, das sie in den nachfolgenden Handelsperioden wieder ausgleichen müssen. Es dürfte selbsterklärend sein, dass unter diesen Bedingungen in Summe die Forderungen der einen immer genau den Verbindlichkeiten der anderen entsprechen müssen.

Werden diese Schuldscheine schliesslich als handelbare Güter angesehen, dürfte auch klar sein, dass sich die vormals beschränkte reale Gütermenge plötzlich extrem ausdehnen lässt, weil sich die systematisch wachsende Zahl der real vermögenslosen immer weiter bei den real vermögenden verschulden muss.

Die reale Ungleichverteilung führt also zwangsläufig zu einer immer weiteren Verschuldung und mithin zu einer noch stärker zunehmenden Ungleichverteilung.

Da die reale Gütermenge beschränkt ist, ergibt sich auch automatisch, dass der Anteil der Forderungen (= Schulden) am Gesamtvermögen immer stärker zunehmen muss, denn nur dieser Anteil kann wachsen. Dies allein erklärt bereits das überproportionale Geldmengenwachstum - und es bedarf hierzu nicht einmal eines Zinses, das ergibt sich ganz von alleine.

Zinsen

Und nun kommen wir zu dem, was gemeinhin als die Wurzel allen Übels betrachtet wird: der Zins.

Hoffentlich waren die bisherigen Erläuterungen ausreichend, um darzulegen, dass es zu einer krassen Ungleichverteilung kommt, ohne dass man irgendwelche abseitigen Effekte einführen müsste.

Zum Zins gibt es daher - und das mag überraschend sein - wenig zu sagen. Er ist nichts weiter als ein Katalysator bei der Umverteilung des wachsenden Geldvermögens. Letztlich bedeutet er nichts weiter, als dass der Schuldner zur Tilgung mehr leisten muss als er geliehen bekommen hat - und dieses beschleunigt die Vermögenskonzentration.

Der Zins ist also nicht die Grundursache der zunehmenden und sich immer weiter beschleunigenden Ungleichverteilung, sondern lediglich das Tüpfelchen auf dem i.

Ergebnis

Die zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften zu beobachtete vorhandene und zunehmende Ungleichverteilung des Vermögens lässt sich ganz einfach auf die Wahrscheinlichkeitsrechnung zurückführen, ohne dass es weiterer Mechanismen bedarf. Dabei ist auch die Existenz extrem hoher Vermögen grundsätzlich nicht verwunderlich.

Die sich einstellende Ungleichverteilung verfestigt sich selbst immer weiter, indem sie den Nachfolgern der Vermögenden bessere (Handels-)Chancen ermöglicht als den Nachfolgern der armen oder gar mittellosen.

Die Einführung von Schulden und Zins verstärkt zwar diesen Effekt, ist aber nicht die eigentliche Ursache der Ungleichverteilung, denn es findet die selbe Entwicklung qualitativ auch ohne Schulden und Zinsen statt. Schulden und Zinsen wirken allerdings als Katalysator.

FAZIT

Wenn man also weiss, dass es in jeder Population, in der Austauschverhältnisse bestehen, systematisch zu einer Vermögensungleichverteilung und -konzentration kommen muss, dann dürfte es auch offensichtlich sein, dass es eines Umverteilungsmechanismuses bedarf, der systematisch die entstehenden Ungleichgewichte wieder ausgleicht.

Die einzig logische Lösung kann nur eine Vermögenssteuer sein, da sie direkt an der Ungleichverteilung ansetzt und dafür sorgt, dass in jeder Handelsperiode wieder alle Individuen partizipieren können. Eine Einkommensteuer hingegen kann die Auseinanderentwicklung nur abbremsen, aber niemals ausgleichen.