AG Geldordnung und Finanzpolitik/ThemaGesetzlichesZahlungsmittel

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Vorbemerkung Vorbemerkung:
Dies ist die Mehrheits-Meinung in der AG, die durch eine Abstimmung beschlossen wurde. Wer Anmerkungen/Fragen hat, schreibt diese bitte auf die Diskussionsseite zu diesem Artikel.


Gesetzliches Zahlungsmittel

Vorwort

Obwohl jeder tagtäglich mit "Geld" hantiert, bleiben im Detail doch Fragen offen. So zum Beispiel, was denn nun das "gesetzliche Zahlungsmittel" ist - Banknoten, Münzen, Giralgeld, "der Euro" im Allgemeinen? Diese Unterscheidung ist selten von praktischer Relevanz, um aber die Diskussion über "Geld" zu erleichtern, ist es hilfreich, dieses genau zu verstehen und zu definieren.


Bargeld

Auszug aus dem Schülerbuch "Geld und Geldpolitik" der Bundesbank:

Seite 22:
"Banknoten sind im Euro-Währungsgebiet das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel. Im Gegensatz zu den Banknoten sind die Münzen nur in beschränktem Umfang gesetzliches Zahlungsmittel."

Damit ist eigentlich alles gesagt, aber wie sieht es mit Giralgeld aus?

Seite 53:
"Im Unterschied zu Banknoten und Münzen ist das Buchgeld kein gesetzliches Zahlungsmittel. Dennoch wird es im Wirtschaftsleben allgemein akzeptiert. Dies beruht insbesondere darauf, dass das Buchgeld jederzeit wieder in Bargeld umgewandelt werden kann."

Auch wenn der Großteil des Wirtschaftsverkehrs bargeldlos abgewickelt wird, ist Giralgeld kein gesetzliches Zahlungsmittel, obwohl es aus volkswirtschaftlicher Sicht alle Geldfunktionen erfüllt und somit de facto Geld ist.

Was bedeutet in diesem Zusammenhang aber "das einzige unbeschränkte, gesetzliche Zahlungsmittel"?


Banknoten

Es geht hierbei nur um die Detailunterscheidung, dass Münzen in ihrer Annahme beschränkt sind. Man darf es ablehnen, mehr als 50 Münzen bei einem Bezahlvorgang annehmen zu müssen:

§ 3 Abs.1 MünzG (Annahme- und Umtauschpflicht)
"Niemand ist verpflichtet, deutsche Euro-Gedenkmünzen im Betrag von mehr als 200 Euro bei einer einzelnen Zahlung anzunehmen. Erfolgt eine einzelne Zahlung sowohl in Euro-Münzen als auch in deutschen Euro-Gedenkmünzen, ist niemand verpflichtet, mehr als 50 Münzen anzunehmen; dies gilt auch dann, wenn der Gesamtbetrag 200 Euro unterschreitet."

Gäbe es diese Einschränkung bei Münzen nicht, müsste man die Unbeschränktheit bei Banknoten nicht herausstellen. Der Sinn des gesetzlichen Zahlungsmittels ist es, dass man sich damit jeglicher monetärer Schulden entledigen kann. WIE soll das gehen, wenn es "beschränkt" wäre? Damit es seinen gesetzlichen Zweck erfüllen kann, MUSS es unbeschränkt sein.

§ 14 Abs.1 BBankG (Notenausgabe)
"Die Deutsche Bundesbank hat unbeschadet des Artikels 128 Abs.1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union das ausschließliche Recht, Banknoten im Geltungsbereich dieses Gesetzes auszugeben. Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel."

Keine Münzen, keine anderen Euros - nur Banknoten, "das Einzige". Und die werden NUR von der Zentralbank herausgegeben.


Annahmepflicht

Unbeschränkte Annahmepflicht

Ein wesentlicher Aspekt des gesetzlichen Zahlungsmittels ist die Eigenschaft, dass es grundsätzlich von jedem angenommen werden muss, damit man seine Geldschulden begleichen kann.
  1. Gesetzliche Zahlungsmittel zeichnen sich dadurch aus, dass für sie einen allgemeinen, gesetzlichen Annahmezwang für Gläubiger, z.B. zur Begleichung von Forderungen, besteht.
  2. Schuldner können sich also durch Bezahlung mit gesetzlichen Zahlungsmitteln rechts- und endgültig von Schulden befreien.
  3. Gläubiger können allerdings freiwillig andere Zahlungsmittel akzeptieren.
  4. Unbeschränkte, gesetzliche Zahlungsmittel sind in voller Höhe als Zahlungsmittel anzunehmen, während beschränkte, gesetzliche Zahlungsmittel nur bis zu einer festgelegten Obergrenze angenommen werden müssen.
  5. In der Bundesrepublik Deutschland waren auf Deutsche Mark lautende Banknoten, bis zur Einführung des Euro-Bargeldes am 01.01.2002, unbeschränkte, gesetzliche Zahlungsmittel.
  6. Seit 01.01.2002 ist der Euro das einzige gesetzliche Zahlungsmittel in Deutschland.
Wenn nur Banknoten unbeschränkte, gesetzliche Zahlungsmittel sind und Münzen beschränkte, gesetzliche Zahlungsmittel sind, dann ist der "Euro" im Allgemeinen eben nicht "gesetzliches Zahlungsmittel", sondern allenfalls das Euro-Bargeld.
Gemäß 3. kann ein Gläubiger eine Begleichung durch Übertragung von Sichtguthaben akzeptieren, streng genommen muss er aber das "gesetzliche Zahlungsmittel" zur Schuldentilgung akzeptieren (siehe 1.), denn das ist sein Sinn.

Beschränkte Annahmepflicht

Allerdings gibt es auch bei Banknoten Einschränkungen:
"Grundsätzlich sind Euro-Banknoten gesetzliche Zahlungsmittel in unbegrenzter Höhe. Dennoch kann die Annahmepflicht eingegrenzt werden. Allerdings müssen Tankstellenbetreiber oder Händler den Kunden gut sichtbar auf diese Einschränkung hinweisen."
Als Grundregel gilt: Der verwendete Geldschein sollte in einem angemessenen Verhältnis zur gekauften Ware oder Dienstleistung stehen. Wer Waren für 20 oder 30 Euro kauft, darf nicht erwarten, dass der Händler ausreichend Wechselgeld in der Kasse hat, um 200- oder 500-Euro-Scheine entgegennehmen zu können.
Ein grundsätzlicher Ausschluss von Banknoten als Schuldentilgungsmittel ist eigentlich verboten, allerdings wird dieser Grundsatz vom Prinzip der Vertragsfreiheit durchbrochen:
Nach Art. 128 Abs.1 S.3 AEUV des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Art. 16 Abs.1 S.3 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank sowie Art. 10 S.2 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 über die Einführung des Euro sind Euro-Banknoten in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten das einzige unbeschränkte, gesetzliche Zahlungsmittel. Insoweit ist jedermann kraft öffentlichen Rechts gehalten, Zahlungen mit Euro-Banknoten als ordnungsgemäße Erfüllung einer Verbindlichkeit zur Vermeidung von Rechtsnachteilen zu akzeptieren.
Per Gesetz wird der Bürger also angehalten, das gesetzliche Zahlungsmittel zu akzeptieren. Einen wirklichen Zwang gibt es hierzu, zumindest in Deutschland, nicht.
Allerdings gilt nach deutschem Zivilrecht grundsätzlich das Prinzip der Vertragsfreiheit. Dieses Prinzip ermöglicht es den an einem Rechtsgeschäft Beteiligten, bei Abschluss eines Vertrages dessen Inhalt frei zu bestimmen. Insoweit ist es den Vertragspartnern auch möglich, eine bestimmte Art der Erfüllung für die erbrachte Leistung zu vereinbaren oder auch auszuschließen. Das Prinzip der Vertragsfreiheit überlagert insoweit die o.a. Vorschriften des öffentlichen Rechts, wonach an sich jedermann gehalten ist, Zahlungen mit gesetzlichen Zahlungsmitteln als ordnungsgemäße Erfüllung einer Verbindlichkeit zu akzeptieren.
Die Betonung liegt auf bei Abschluss.
Ist die Annahme von Bargeld zu diesem Zeitpunkt nicht ausgeschlossen bzw. die Gegenleistung anders festgelegt worden, bspw. Überweisung, muss das gesetzliche Zahlungsmittel zur Erfüllungen der Geldschuld bzw. die Gegenleistung akzeptiert werden. Interessanterweise schließt der Staat in seinen Angelegenheiten die Verwendung des gesetzlichen Zahlungsmittels weitgehend aus:
Auch im öffentlichen Recht sind Einschränkungen bei der Barzahlung bekannt: So ist eine Begleichung der Steuerschuld durch Barzahlung bei den Finanzkassen in der Regel nicht mehr möglich.
Dies bedeutet, dass er es nach eigener Definition nicht annimmt:
"Unter „Annahme“ ist bei Bargeld die tatsächliche Entgegennahme zu verstehen. Bei Buchgeld besteht die „Annahme“ in der Kontogutschrift im Rahmen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs."
Der Gesetzgeber nimmt das gesetzliche Zahlungsmittel nicht an, obwohl er selbst explizit dazu anhält. Das ist zwar nicht verboten, aber doch bemerkenswert!

Giralgeld

  • Giralgeld hat aber eine solche Verbreitung gefunden, dass es "de facto"-Geld geworden ist. Die Leute wollen Giralgeld nicht deshalb, weil sie es unbedingt in bar einlösen wollen, sondern weil es selbst bereits alle Geldeigenschaften hat und damit Geld ist.
  • Was früher lediglich ein Anspruch auf "Geld" (i.S.v gesetzlichem Zahlungsmittel) war, ist de facto selbst Geld geworden. Sogar der Gesetzgeber bevorzugt eine Begleichung in Giralgeld.
  • Geld im weiteren volkswirtschaftlichen Sinne ist tatsächlich alles, was man zum Zahlen verwenden kann und welches eine gewisse Verbreitung hat, also auch Giralgeld.
  • Angesichts der weiten Verbreitung des Giralgeldes ist es also durchaus berechtigt, darüber nachzudenken, ob man Giralgeld nicht auch einfach zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklären könnte.
  • In diesem Fall ginge das Geldschöpfungsprivileg auch juristisch auf die Geschäftsbanken über. Faktisch wird bereits heute der Großteil der Geldmenge ohnehin von den Geschäftsbanken geschöpft und wieder vernichtet. Es wäre also nur konsequent, dieses auch in der Gesetzgebung nachzuvollziehen.