Bundesparteitag 2012.1/Antragsportal/Programmantrag - 134

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Antrag für den/die Bundesparteitag 2012.1. Die Antragsseiten werden kurze Zeit nach Erstellen durch die Antragskommission zum Bearbeiten gesperrt. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich
Tango-dialog-warning.svg Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den/die Bundesparteitag eingereichter Antrag. Jedes Mitglied ist dazu berechtigt, einen solchen Antrag einzureichen.

Version Antragsformular: 1.05

Antragsnummer

P134

Einreichungsdatum

Antragstitel

Staatsanwaltschaften und Polizei (Transparenz des Staatswesens)

Antragsteller

Antragstyp

Programmantrag

Art des Programmantrags

Wahlprogramm

Antragsgruppe

Inneres und Justiz„Inneres und Justiz“ befindet sich nicht in der Liste (Arbeit und Soziales, Außenpolitik, Bildung und Forschung, Demokratie, Europa, Familie und Gesellschaft, Freiheit und Grundrechte, Internet und Netzpolitik, Gesundheit, Innen- und Rechtspolitik, ...) zulässiger Werte für das Attribut „AntragsgruppePÄA“.

Antragstext

Vorbemerkung

Wir gehen nicht davon aus, dass auf dem BPT 2012.1 Programmbeschlüsse gefasst werden. Dass wir diesen Antrag jetzt dennoch einreichen, gründet sich auf den bereits eingereichten Konkurrenz-Antrag Programmantrag 059.


Der Bundesparteitag möge als für das künftige Wahlprogramme beschließen:

Staatsanwaltschaften und Polizei (Transparenz des Staatswesens)

Stärkung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften

Die Staatsanwaltschaft hat innerhalb der Exekutive eine eigenständige Rolle. Die Staatsanwaltschaften müssen ihre Aufgaben unabhängig von politischen Opportunitätserwägungen erfüllen können. Deshalb ist die bislang im Gerichtsverfassungsgesetz vorgesehene Möglichkeit von Weisungen im Einzelfall seitens der Justizminister von Bund und Ländern abzuschaffen. Weisungen innerhalb der Staatsanwaltschaften sind davon nicht betroffen. Ebenfalls ist es weiter zulässig, fallgruppenbezogene Weisungen seitens der Ministerien an die Staatsanwaltschaften zu erteilen. Die Piratenpartei macht sich insofern die Forderungen des Deutschen Richterbundes zu eigen.

Unabhängige Beschwerdestellen für Polizei-Übergriffe

Die Piratenpartei Deutschland strebt die Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen zur Entgegennahme von Beschwerden gegen Polizei-Übergriffe an, von der aus auch exklusiv Ermittlungen gegen beschuldigte Polizeibeamte geführt werden. Diese Stellen sind den jeweiligen Generalstaatsanwaltschaften anzugliedern, die zu diesem Zweck eine unabhängige Abteilung einrichten. Ihnen wird für diese Aufgabe eine Task-Force von polizeilichen Ermittlungsbeamten zur Seite gestellt, die dienstrechtlich ebenfalls der Generalstaatsanwaltschaft zugeordnet sind und nicht aus dem Polizeidienst des jeweiligen Bundeslandes rekrutiert werden dürfen, also stattdessen etwa aus der Bundespolizei oder der Polizei eines Nachbarlandes gewonnen werden. Die Beschwerdestellen sollen auch für interne Verfahren zuständig sein, wie Mobbing- oder Diskriminierungsvorwürfe. Ihr Aufgabenbereich und die rechtlichen Rahmenbedingungen ihres Tätigwerdens müssen den von Amnesty International vorgeschlagenen "unabhängigen Untersuchungskommissionen" entsprechen.

Polizisten-Kennzeichnung

Die Piratenpartei setzt sich für eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte ein. Beamte im Einsatz bei Versammlungen sind zu verpflichten, von weitem sicht- und erkennbare Kennzeichen zu tragen. Die Kennzeichen sind pseudonym (z. B. in Form einer Nummer) zu gestalten und dürfen von Einsatz zu Einsatz wechseln.

Es muss jederzeit auch im Nachhinein möglich sein, mit richterlichem Beschluss ein Kennzeichen einer Person zuzuordnen. Der Vorgesetzte ist für die wirksame Durchsetzung der Kennzeichnungspflicht und die korrekte Führung der Zuordnungen von Kennzeichen zu Personen verantwortlich.

Polizisten sind zu verpflichten, Verstöße durch andere Polizisten zu verhindern oder - falls dies nicht möglich ist - zu melden sowie den/die beteiligten Beamten zu identifizieren. Verletzungen dieser Pflichten (Tragen des Kennzeichens, korrektes Führen der Zuordnungsliste, Verhindern/Melden von Verstößen) sind strafrechtlich zu sanktionieren.

{eingefügt aus dem Offenbacher Antrag PA090}

Antragsbegründung

Begründung (nicht Bestandteil des Antrags)

Zur Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften

Links zu den Positionen des Deutschen Richterbundes:

Die Initiative geht zurück auf die erfolgreiche Initiative 796 im Bundes-Liquid:

  • Zur Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft

Ergebnis: Ja: 380 (92%) · Enthaltung: 42 · Nein: 33 (8%) · Angenommen

Zur Forderung nach Unabhängigen Beschwerdestellen für Polizei-Übergriffe

Die Ermittlungen nach Berichten über Polizeigewalt bleiben derzeit unbefriedigend. Interne Ermittlungen der Polizei selbst begegnen dem Vorwurf, die ermittelnden Beamten könnten befangen oder einem Corpsgeist unterworfen sein. Amnesty International hatte über 15 Fälle von Polizeigewalt berichtet und kritisiert, dass oftmals nicht unabhängig und objektiv bei Vorwürfen gegen Polizeigewalt ermittelt würde.

Die Aufgaben der Polizei sind vielfältig und schwierig. Polizeiliches Handeln ist situationsbezogen und kann teilweise im Nachhinein nur schwer rekonstruiert werden. Das gilt umso mehr, wenn in der Bürgerschaft der Eindruck entsteht, die Polizei sei damit überfordert, Fällen von Polizeigewalt wirksam entgegenzutreten.

Unabhängige Beschwerdestellen zu schaffen, ist kein Generalverdacht gegen die Polizei, sie dienen vor allem dazu, eine wirksame Aufklärung zu leisten, in Fällen, in denen vom Staat Fehler gemacht werden. Sie kann das Vertrauen in die staatlichen Institutionen, die von Gesetzes wegen unmittelbaren Zwang ausüben dürfen, weiter erhöhen.

Die Initiative greift die Initiative von Amnesty International auf und entwickelt sie weiter. So siedelt sie die Ermittlungs-Aufgaben in der Exekutive an, legt aber Wert darauf, dass ein anderes Ministerium (Justiz) die Hoheit über die Stelle hat. Sie entspricht damit besser den Grundvoraussetzungen der Gewaltenteilung.

Die Position von Amnesty International sagt leider nicht, aufgrund welcher demokratischer Legitimation die Untersuchungskommission innerhalb der durch die Gewaltenteilung gegliederten Institutionen tätig werden soll. Es hat sich erwiesen, dass eine interne Untersuchung innerhalb der Polizei die Aufgabe nicht erfüllen kann. Deshalb ist die Zuordnung zu einem anderen Ministerium erforderlich. Die Beschwerdestelle hat exekutive Funktionen wie strafrechtliche Ermittlungen durchzuführen, deshalb ist ihre Zuordnung zur Staatsanwaltschaft sinnvoll. Um die Aufgaben erfüllen zu können muss die Beschwerdestelle um eine Task Force ergänzt werden, die ohne Anbindung an die Polizei die polizeilichen Ermittlungen übernehmen kann. Es ist Aufgabe des Justizministeriums durch organisatorische Maßnahmen die Unabhängigkeit innerhalb der Staatsanwaltschaft zu sichern. Die Ahndung erwiesener Straftaten obliegt den Gerichten. Die Staatsanwaltschaft ist kraft ihrer Aufgabe die sinnvolle Institution, um die Aufgabe zu übernehmen. Ihre Arbeit unterliegt dann natürlich auch der parlamentarischen Kontrolle.

Die Initiative beruht auf einer Initiative, die im Berliner Landesverband erfolgreich war und Eingang in das Berliner Wahlprogramm für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus gefunden hat. Sie ist hier erweitert worden und in der Begründung ergänzt worden. Damit greift sie die Anregungen von Amnesty International auf. Sie ist imstande die "sieben guten Gründe" Amnestys innerhalb des Systems gewaltenteiliger Strukturen zu realisieren.

Aus dem Positionspapier von Amnesty International:

Sieben gute Gründe ...

1. Unabhängige Untersuchungskommissionen können über den Einzelfall hinaus strukturelle Vorschläge zur Verbesserung der Polizeiarbeit machen, die gegebenenfalls bei den politisch Verantwortlichen einen höheren Stellenwert erhalten würden, als gleich lautende Vorschläge aus der Polizeiorganisation oder von den Berufsvertretungen. So bereitet die Kommission in England in regelmäßigen Abständen „lessons learned“ zu bestimmten Fragen der Polizei auf. 2. Durch die Möglichkeit, auch auf eigene Initiative hin Ermittlungen über sich abzeichnende Muster von Rechtsverletzungen durchführen zu können, entfalten unabhängige Untersuchungskommissionen eine präventive und "befriedende" Wirkung. 3. Unabhängige Untersuchungskommissionen bieten der Polizei die Möglichkeit, Vorwürfen oder dem Argwohn entgegenzuwirken, bei Auseinandersetzungen um polizeiliches Fehlverhalten würden intern Ermittlungen behindert oder Übergriffe vertuscht und gedeckt werden. 4. Eine allgemein anerkannte neutrale Kontrollinstanz kann die Position solcher Beamtinnen und Beamten stärken, die zu Unrecht polizeilichen Fehlverhaltens beschuldigt werden. 5. Unabhängige Untersuchungskommissionen fördern die Transparenz polizeilichen Handelns, verstärken mittelbar den Dialog zwischen Polizei und (polizeikritischen) Bürgerinnen und Bürger und erhöhen damit die "Bürgernähe". 6. Unabhängige Untersuchungskommissionen bieten PolizistInnen die Chance, außerhalb ihrer eigenen Dienststelle mögliches Fehlverhalten von KollegInnen anzuzeigen, ohne dabei unter Druck zu geraten. 7. Unabhängige Untersuchungskommissionen können präventiv gegen Übergriffe schützen, da sie Transparenz fördern und Straflosigkeit für rechtswidrige Gewalt entgegenwirken. So werden insbesondere die Rechte der Opfer von rechtswidriger Polizeigewalt geschützt.

Neuere Links im Umfeld von Amnesty International:

Die Umformulierung gegenüber dem ursprünglichen Antrag PP014 zum BPT in Chemnitz dient dazu, den politischen Forderungscharakter besser herauszuarbeiten und verändert die Zuständigkeit hin zur Generalstaatsanwaltschaft, um eine noch etwas größere Unabhängigkeit sicherzustellen.

Zur grundsatzpolitischen Einordnung des Themas

Es gehört zu den allgemein anerkannten Grundsätzen, auf politische Herausforderungen zunächst mit einer Reaktion zu begegnen, die bei geringerem Eingriff in die politischen Strukturen dennoch Erfolg verspricht. Es ist nicht sinnvoll, bei jedem auftretenden Problem immer gleich das Kind mit dem Bade auszuschütten.

LqFb-Historie

Die ursprüngliche Initiative erhielt im LiquidFeedback-System des Bundes eine mehrheitliche Zustimmung:

Einzelmodul (aktuelles Ergebnis):

<http://pplf.de/i1640> Unabhängige Beschwerdestellen für Polizeiübergriffe
Ja: 667 (91%) · Enthaltung: 40 · Nein: 63 (9%) · Angenommen

Ein Modul wurde erst unmittelbar vor dem BPT in Offenbach abgeschlossen:

<http://pplf.de/i903> Stärkung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften

Liquid Feedback

Piratenpad

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Antragsfabrik

Datum der letzten Änderung

01.04.2012

Status des Antrags

Pictogram voting keep-light-green.svg Geprüft