SN:Treffen/Landesparteitag/2012.1/Programm/WA01

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  • Antragsteller: Dr. Thomas Walter, eingereicht am 21.02.2012, um 18:30 Uhr per Email

WA01 Transparenz in der Gesetzgebung

Der LPT2012.1 möge als Bestandteil seines Wahlprogrammes folgendes beschließen, hilfsweise als Positionspapier:

Die Piratenpartei Deutschland, Landesverband Sachsen fordert mehr Transparenz für den Bürger beim Zustandekommen von Gesetzen im sächsischen Landtag.

Dazu ist eigens ein Gesetz zur Transparenz im Gesetzgebungsverfahren (GesetzgebTPG) zu schaffen das folgende Regelungen enthält:

1.) Einführung eines „Lobbyisten-Registers:

a) Lobbyarbeit bzw. Lobbying ist der Versuch der Einflussnahme und der Informationsbeschaffung, des Informationsaustausches sowie die strategische Ausrichtung einer Tätigkeit in Zusammenhang mit Entscheidungen von Politik und Verwaltung

b)Dieses Register listet alle Personen, Unternehmen, Verbände, Nichtregierungsorganistionen, Agenturen, Anwaltskanzleien etc. auf, die Lobbyarbeit betreiben. Hierbei sind die Aufgaben der Organisationen, Auftraggebern und Aufgabengebiete und der finanzielle und zeitliche Aufwand in Zusammenhang mit der Lobbyarbeit anzugeben. Ferner sind alle Daten zu Sitz, Adresse, Kommunikationsverbindungen, Internetadresse, Vertretungsberechtigten, Handelsregister, Steuernummer sowie Anzahl und Namen der Personen anzugeben, die mit dem Lobbying betraut sind. Soweit Lobbyisten zugleich für andere Unternehmen, Vereinigungen, Verbände oder sonst wie Interessierte handeln, ist die Interessenvertretung und die finanzielle Ausstattung in diesem Zusammenhang offenzulegen. Sollte es sich um eine Institution handeln, deren Haupttätigkeit in der Einflussnahme auf politische Entscheidungen besteht, sind zugleich Angaben zur mitgliedschaftlichen Struktur, zum Gesamtbudget und zu den Hauptfinanzierungsquellen dieser Institution zu machen. Alle Daten sind in Zeitabständen von sechs Monaten zu aktualisieren. Eine Bagatellregelung soll zeitlich und finanziell nicht ins Gewicht fallende Lobbyarbeit von der Registrierungspflicht ausnehmen, kann jedoch auf freiwilliger Basis registriert werden. Damit soll auch weiterhin unbürokratisch und ohne besonderen Verwaltungsaufwand sich jeder Bürger, kleinere Unternehmer oder Organisation politisch zu Wort melden dürfen.

c) Wahrheitswidrige Angaben, unlautere Versuche zur Einflussnahme oder Informationsbeschaffung sind den Lobbyisten untersagt. Hierzu ist ein Katalog von Verhaltensregeln zu schaffen, die auch im Gesetz aufzunehmen sind.

d) Das Lobbyistenregister wird beim Präsidenten des Landtages geführt und ist im Internet öffentlich zu machen bzw. steht jedermann zur Einsichtnahme offen.

e) Ohne Registrierung im Lobbyistenregister ist es den Lobbyisten untersagt, Ministerien des Landtages, nachgeordnete Landesbehörden und deren Personal zu kontaktieren, wenn dadurch Lobbying betrieben werden soll. Das gleiche gilt für Beteiligungen an Anhörungen und ähnlichen Veranstaltungen, die der sächsische Landtag, seine Organe oder Hilfsorgane (z.B. Ausschüsse) oder Ministerien veranstalten. In der Geschäftsordnung des Landtages ist vorzusehen, dass Hausausweise nur für registrierte Lobbyisten erteilt werden dürfen, wenn diese in dieser Eigenschaft Zugang wünschen.

2. ) Legislativer Fußabdruck:

a) Vorlagen der Exekutive, die mittelbar oder unmittelbar durch Lobbying beeinflusst worden sind (Gesetzesentwürfe, Unterrichtungen u.ä.) sind hinsichtlich deren Beteiligung zu dokumentieren (sog. legislativer Fußabdruck) und für das weitere Gesetzgebungsverfahren transparent zu machen. Ferner sind alle externen Berater und Beteiligte sowie deren Beiträge öffentlich zu machen, deren sich die Exekutive bei der Erstellung von Gesetzesentwürfen bedient hatte oder deren Stellungnahme sie eingeholt hat. Dies gilt auch schon für Referentenentwürfe, die unverzüglich zu veröffentlichen sind, sobald sie den ministeriellen Vorgesetzten vorgelegt werden. Als externer Beteiligter gelten auch Beschäftigte auf Probe des Ministeriums oder ehemalige Mitarbeiter, die über eine Wiedereinstellungsgarantie des bisherigen Arbeitgebers verfügen oder die nur beurlaubt sind. Es ist verboten, sich externer Personen bei der Erstellung von Gesetzesvorlagen in maßgebender Funktion zu bedienen, wenn diese von Stellen entsendet werden, deren konkrete Geschäftsinteressen von dem beabsichtigten Gesetz betroffen sind. Ferner dürfen externe Personen keine leitenden Funktionen innerhalb eines Ministeriums übertragen werden. Sollten Ministerien aus besonderen Gründen sich entschließen, Aufträge an externe Berater zur Erstellung eines Gesetzesentwurfes geben zu müssen, hat dies nur auf Grund einer öffentlichen Ausschreibung zu geschehen.

b) Alle Gutachten, Stellungnahmen und die Inhalte von Anhörungen, Protokolle etc. in der weiteren parlamentarischen Arbeit sind öffentlich zu machen und im Internet abrufbar zu hinterlegen.


3. Sanktionen

Verstöße gegen die Pflichten nach diesem Gesetz sind als Ordnungswidrigkeiten zu ahnden. Bußgeldbescheide sind von den ordentlichen Gerichten auf Grund eines Einspruches zu überprüfen. Zugleich ist bei Verstößen auch die Streichung aus dem Lobbyistenregister auf Zeit, in schweren Fällen auch auf Dauer vorzusehen. Zuständig für eine solche Ahndung ist der Präsident des sächsischen Landtages. Der Verwaltungsrechtsweg ist gegen solche Entscheidungen offen. Ein parlamentarischer Kontrollausschuss, dem mindestens je ein Vertreter der im Landtag vertretenen Parteien angehören müssen, überwacht die Tätigkeit des Präsidenten und erstattet jährlich Bericht, wobei auch eine abweichende Stellungnahme eines Ausschussmitgliedes zu veröffentlichen ist. Die Mitglieder des Kontrollausschuss erhalten umfassende Akteneinsicht zu allen Vorgängen.


4. Bundesratsinitiative:

Die Piratenpartei Deutschland, Landesverband Sachsen setzt sich auch dafür ein, dass über den Bundesrat entsprechende Regelungen als Bundesgesetz für die Bundesgesetzgebung geschaffen werden.

Hinweis

Zu diesem Antrag gehört ein zusätzlicher Modulantrag WA02

Begründung

Der Antrag spricht für sich selbst. Es geht um die Eindämmung von Korruption, Interessenverflechtungen und Vertrauen des Bürgers in die parlamentarische Demokratie. Der Bürger soll vollen Einblick in die Bestrebungen von Personen, Verbänden usw. erhalten, die auf den Gesetzgebungsablauf und die Gesetzgebung Einfluss nehmen wollen. Transparenz ist das oberste Gebot. Damit dies nicht ein zahnloser Tiger wird, müssen auch Sanktionen statuiert werden. Dies ist bei minder schweren Fällen ein Ordnungswidrigkeitsverfahren und in schweren Fällen ein Strafverfahren, so zumindest der Modulantrag. Auch in Kanada und USA werden Straftaten in diesem Zusammenhang mit 3 bzw. 5 Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert.

Bislang ist das Lobbyregister im Bundestag eine lahme Ente. Grüne, Linke und teilweise die SPD haben schon gesetzgeberische Initiativen auf Bundesebene ergriffen, die teilweise sich mit den hier gemachten Vorschlägen decken. Ferner ist auf die Initiativen von LobbyControl und die Otto-Brenner-Stiftung hinzuweisen. CDU und FDP haben bislang jeden gesetzgeberischen Vorstoß zum Scheitern gebracht.

Problematisch ist, wer über die Kontrolle der recht scharfen Regelungen und deren Durchsetzung wacht. Nach meinem Vorschlag soll das der Landtagspräsident sein, der von einem Kontrollausschuss zusätzlich flankiert wird mit Minderheitsrechte der Abgeordneten. Man könnte auch an die Einsetzung eines Ombudsmannes oder einer anderen unabhängigen Organisation denken. Dem wäre entgegen zu halten, dass das die Flut von Sonderbeauftragten etc. nur erhöhen würde und weitere bürokratische Institutionen ins Leben rufen würde. Der Staat sollte aber nicht über Gebühr aufgebläht werden. Organisatorisch das beim Parlament anzusiedeln, wo die Opposition auch alle Rechte einer Überwachung hat, sollte dem Transparenzgedanken Genüge tun.

Ferner könnte dem einen oder anderen es auch als zu weit gehen, dass schon Referentenentwürfe samt allem Drum und Dran öffentlich gemacht werden müssen. Dem könnte man entgegenhalten, dass damit das Denken in den Ministerien erschwert werden würde, wenn diese zugleich auf etwaige öffentliche Meinungen und Reaktionen bedacht sein müssten und man es deshalb vorzieht erst mal keine „Planspiele“ zu veranstalten. Aber ich denke, eine Demokratie muss dies vertragen.