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Bericht über den Besuch der HEAE und Treffen "Refugee Law Clinic"

Am 18. Juli 2012 hatte der Arbeitskreis die lang erwartete Möglichkeit, die hessische Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende in Gießen (HEAE) zu besichtigen und bei einem Treffen mit einer Mitarbeiterin der "Refugee Law Clinic" deren studentisches Projekt zur juristischen Beratung von Flüchtlingen kennenzulernen.

In diesem Bericht geben Andrea und Kevin ihre Eindrücke wieder, eine politische Einschätzung folgt. Am Ende des Artikels ist ein Protokoll der Gespräche und Fotos der Einrichtung zu finden.


Besichtigung der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge

Einführungsgespräch

In einem einführenden Gespräch mit dem Leiter der Einrichtung sowie dessen Stellvertreter wurden wir über die Einrichtung, deren Rolle im Asylverfahren und die aktuelle Belegung informiert. Unsere Fragen zielten dabei vor allem auf das tägliche Leben in der HEAE ab, wie beispielsweise solche nach den Freiräumen für ein selbstbestimmtes Ausleben der Persönlichkeit, nach Internetzugang und dem Zugang zu Bildung im Allgemeinen. Hierzu wurde uns mitgeteilt, dass aufgrund der meist kurzen Anwesenheit und zu gewährleistenden Sicherheit der Asylsuchenden diese Freiräume nur beschränkt möglich seien: Die Asylbewerber dürfen sich zwar immer frei bewegen, Besuche sind von 7:00 bis 22:00 Uhr möglich - Internet gibt es auf dem gesamten Gelände jedoch nicht, da dies Nachfluchten provozieren und damit konkrete Nachteile für das Asylantragsverfahren der Flüchtlinge haben könnte, z.B. durch ihr Verhalten und die preisgegebenen Informationen im Internet. Weiterhin könne die Einrichtung unter Umständen für Straftaten haftbar gemacht werden, die über einen Internetzugang geschähen.

Das Verwaltungs- und Aufnahmegebäude

Anschließend machten wir einen Rundgang durch die verschiedenen Gebäude der Erstaufnahmeeinrichtung, angefangen bei dem Verwaltungsgebäude der Einrichtung selbst. In diesem werden die Flüchtlinge empfangen, registriert und mit einem ersten Versorgungspaket ausgestattet. Bei Überbelastung oder verschiedenen weiteren Umständen wird von hier auch der Wechsel in eine andere EAE organisiert. Im Keller des Gebäudes konnten wir uns einen Überblick über die Medizin-Station machen, die durchgängig mit einer Ärztin und mehreren Helferinnen besetzt ist. Bei Bedarf wird von hier aus der begleitete Besuch zu einer Gynäkologin oder zu weiteren Fachärzten geplant. Zu unserem Bedauern wurde uns mitgeteilt, dass es keine psychologische Betreuung in der EAE gibt und die Asylsuchenden bei psychotherapeutischer Beratung auf Sozialarbeiter* angewiesen sind.

"Kindergarten"

Das zweite Gebäude, das wir besichtigen konnten, war der Kindergarten, der am Ende des Grundstücks angesiedelt und von einem kleinen Spielplatz mit Rutsche, Schaukel und Basketballkorb umgeben ist. Im Inneren gibt es einen kleinen Flur, zwei Toiletten-Räume und einen größeren Aufenthaltsraum, in dem sich ein großer Tisch, Spiel- und Bastelsachen befinden. Der gesamte Raum ist mit gemalten Bildern der Kinder geschmückt, was ihn sicher zum freundlichsten der Einrichtung macht. Allgemein war der Eindruck dieses Gebäudes verhältnismäßig gut.

Wohnhäuser

Auf eigenen Wunsch betraten wir danach eines der Wohnhäuser. Gleich im Eingangsbereich hängt ein Schild mit der Aufschrift: "Küchen und Flure sind keine Gebetsräume. Bitte nehmen Sie Rücksicht auf andere Bewohner". Dies ist gerade deshalb sehr bedauerlich, da es keinerlei alternative Gebetsräume oder ähnliches innerhalb der Einrichtung gibt. Religiöse Zeremonien oder Rituale sind also lediglich im eigenen Zimmer oder außerhalb der Einrichtung ungestört auszuleben. Begründet wird dies damit, dass es zu viele verschiedene Glaubensrichtungen gebe, und die Bereitstellung von Gebetsräumen für einzelne Religionen unfair gegenüber anderen sei.

Die Asylsuchenden werden in drei Wohnhäuser nach Geschlecht, familiärem Status, Religion und Ethnie aufgeteilt, um Konflikten unter den Menschen vorzubeugen und gerade Kindern und Familien einem besonderen Schutz zu bereiten. Begründet wird dies unter anderem mit der Prävention von Streitereien unter verschiedenen Flüchtlingsgruppen, aber auch damit, dass es für die Asylbewerber angenehm sei, sich möglicherweise mit den Mitbewohnern verständigen zu können.

In den Gängen gibt es jeweils sechs kleine Duschkabinen für etwa 80 Asylsuchende. Desweiteren gibt es kleine "Küchen", die aus einer Spüle und einer höher gelegenen "Herdplatte" bestehen und lediglich zum Aufkochen von Wasser und Milch für Tee, Kaffee oder Babynahrung dienen sollen. Viel mehr ist dort sicher auch nicht möglich. Leider bekamen wir nicht die Möglichkeit, in einen Wohnraum zu schauen, was mit dem Schutz der Privatsphäre der Menschen begründet wurde und für uns nachvollziehbar ist. Trotzdem hätten sicher Personen gefunden, die uns einen kleinen Einblick gewährt hätten, wenn wir denn mit ihnen hätten sprechen dürfen. Nichtsdestotrotz kann man von einem Weg überhalb des HEAE ohne Mühe in einige der Zimmer hineinschauen und erkennen, dass dort außer zwei Hochbetten kaum Platz für anderes ist. Uns wurde mitgeteilt, dass auf die Privatsphäre der Asylbewerber geachtet wird, zB dadurch, dass Eheleute niemals mit weiteren Menschen ein Zimmer teilen müssen.

Gebäude mit Aufenthalts- und Freizeit-Räumen

Im "Freizeit"-Gebäude konnten wir uns ein Bild des spärlich eingerichteten "Fitness-Raums" und der Teeküche, die als Aufenthaltsraum genutzt wird, machen. Wegen gesundheitlicher Ausfälle der zuständigen Personen hat das Haus derzeit geschlossen, was aufgrund der nicht gerade ergiebigen Antwort auf die Frage nach den Öffnungszeiten und dem kaum-genutzt-anmutenden "Fitness-Raum" etwas Skepsis hervorrief. Die Wände der Teeküche sind geschmückt mit selbstgemalten Bildern, auf denen Herkunftsländer, die Situation in Deutschland und Wünsche von Kindern aus der Einrichtung künstlerisch dargestellt wurden. Besonders Plakate mit Sprüchen wie "We want Friendship 4ever", "Immigrant is not crime" und "Liebe für alle, Hass für keinen" stachen dabei sehr hinaus. In der Teeküche gibt es zudem Sofas und einen Flachbildschirm, früher zudem Computer, die jedoch nicht internetfähig waren und abgeschafft wurden, da sie die Kinder vom "richtigen Spielen" ablenkten.

Speisesaal und Essenssituation

Das letzte Haus unserer Besichtigung war der Speisesaal und die Essensausgabe. Die Räumlichkeiten sind sehr kahl und wenig einladend eingerichtet. Dreimal täglich, mittags warm, wird dort gemeinsam gegessen. Auf verschiedene Formen der Ernährung, wie vegetarische oder gesundheitlich-bedingte Speisen, sowie den Verzicht auf bestimmte Lebensmittel aus religiösen Gründen, wird Rücksicht genommen. Diese Bedürfnisse werden durch regelmäßige Umfragen unter den Asylsuchenden festgestellt. Eine gesonderte Auswahl zwischen verschiedenen Speisen ist jedoch nicht möglich, es gibt also ein Essen pro "Essgewohnheit".

Abschließend ist zu sagen, dass die Eindrücke der Einrichtung auf uns alle verschieden gewirkt haben. So ist die Einrichtung für manche in einem besseren Zustand gewesen, als erwartet wurde, manche wurden in ihren Erwartungen bestätigt, im negativen und positiven Sinne.


Gespräch mit Mitarbeiterin der "Refugee Law Clinic" (RLC)

Die RefugeeLawClinic ist ein studentisches Projekt, in dem Studierende verschiedener Fachbereiche ehrenamtlich und praxisbezogen arbeiten können. Sie bieten den Asylsuchenden eine persönliche Beratung über ihre juristische Situation, gerade im Vorfeld der Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und organisieren Informationsveranstaltungen diesbezüglich.

Solche Beratungskliniken haben ihren Ursprung an US-amerikanischen Universitäten und verbreiten sich auch in Europa zusehens. In Deutschland ist die RLC derzeit die einzige Klinik, die sich primär um Belange von Flüchtlingen kümmert.

Der Einblick in die Arbeit war sehr spannend, das Gespräch sehr locker und angenehm. Wir werden den Kontakt weiterhin halten, um auch in Zukunft bei Fragen oder Rücksprache auf die RLC und ihre Expertise zurückgreifen zu können.


Ende

Abschließend nochmals vielen Dank an die Verwaltung der HEAE und das Regierungspräsidium Gießen, die uns den Einblick in die Erstaufnahmeeinrichtung ermöglicht haben. Zudem an die Refugee Law Clinic für ihre bemerkenswerte Arbeit und das angenehme und freundschaftliche Gespräch, das uns eine neue Perspektive auf den Umgang mit Asylbewerbern bot.


Links

  1. Protokoll: http://wiki.piratenpartei.de/HE:Struktur/AK/Asyl_und_Flucht/Protokolle/2012-18-07-Besuch-HEAE-RLC
  2. Fotos von Andrea: https://gallery.raymagini.de/index.php/seditioni/20120718_HEAE-Besichtigung
  3. Fotos von Ypsy: http://ypsy.net/fotos/heae-besichtigung/