HE:Struktur/AK/Asyl und Flucht/Protokolle/2012-18-07-Besuch-HEAE-RLC

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Besuch der Erstaufnahmeeinrichtung Gießen, 18. Juli 2012

Gespräch mit dem Leiter der Einrichtung Herr Möser und dessen Vertreter Herr Trinks

  1. Leiter seit 1975 im Flüchtlingswesen tätig, erst in Darmstadt (Zirndorf)
    1. ist seit 2004 in Gießen, eher für Kommunikation verantwortlich (Außendarstellung)
  2. Existenzgrund: Asylverfahrensgesetz (in Hessen nur Gießen, weil Anträge stark zurückgingen)
  3. Gießen, weil seit Kriegsende die Liegenschaft schon Flüchtlinge aufnimmt (Obdachlose, Hunger, ärztliche Versorgung war nötig – daher Logistik vorhanden und konnte für Asylsuchende genutzt werden)
  4. weitere Außenstelle am Flughafen
  5. Grundidee: Gießen als zentrale Einrichtung, wo Administration, Sozialbetreuung, Ärtliche Versorgung konzentriert sind
  6. Englisch und Französisch reicht nicht immer aus, Vielzahl an Sprachen -> Verständigung ist sehr wichtig, “vernünftiger Standard” soll gewährleistet werden (“nicht mit Händen und Füßen”)
  7. Einrichtung ist mit Schmalbach zusammengetan worden
  8. steigende Zugangszahlen, monatlich mehr als 500 Personen hauptsächlich aus Afghanistan (die meisten über Griechenland – Selbsteintritt der BRD)
  9. Menschen aus Somalia, Eritrea (meist aus Italien, "wird aber aufgrund der Dublin2-Regelungen nicht gern erzählt")
  10. Erstaufnahmeeinrichtung ist Logistikinstitution: Personaldatenerfassung, Abgleich mit Ausländerzentralratregister, Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz // Verpflegung, ärztliche Versorgung kann von privaten Leuten erfolgen
  11. keine Rückführung nach Griechenland momentan, weil: Rechtsprechung entscheidet, nicht HEAE
  12. Menschen kommen in Hessen an – melden sich bei Polizei oder Ausländeramt – viele kommen direkt zur HEAE – werden 24/7 aufgenommen – können auch vor die Tür gefahren werden, weil krank – Pforte ist immer besetzt – Pförtner haben Vollmachten, jemanden ins Krankenhaus oder Notarzt zu schicken, auch Dolmetscher zu holen
  13. Pförtner nimmt Personendaten entgegen, kriegen ein Lunchpaket – am darauffolgenden Arbeitstag melden sie sich in der Verwaltungsaufnahme, mit Dolmetschern dann nochmal alles aufgenommen und klären, ob jmd irgendwo anders einen Asylantrag gestellt hat oder Aufenthaltsstatus hat; dann wird sofort entschieden ob jemand in Hessen bleibt oder im Bundesgebiet verteilt wird
  14. in versch. Bundesländern verschiedene Flüchtlingsströme (Nationen/ Anzahl):
    1. Hessen wg Ballungszentrum um Ffm und int. Flughafen hat mehr Gesuche als sie Asylbewerber unterbringen können
    2. nach "Königssteiner Schlüssel" werden Menschen im Bund verteilt:
      1. Hessen muss 7,x % Bewerber unterbringen
  15. Zentrales Verteilungssystem des Bundeslandes: online werden Personendaten eingegeben oder wird in anderes Bundesland gebracht
  16. 19 Erstaufnahmeeinrichtungen in Deutschland
  17. Bundesamt muss Aufnahmestelle mit mind. 500 Plätzen einrichten / Bundesamtsaußenstellen
  18. Nicht alle Nationen werden dort angehört, weil Verhörer speziell nur einzelne Länder kennen sollen
    1. Speziell Eritrea in Gießen
  19. Verfahren soll gewährleisten, dass zügig angehört werden kann
  20. 1992: 36.000 Menschen in Hessen
  21. Durch Internet und Datenverarbeitung jetzt einfacher
  22. Eurodac-System: Bundesamt hat Büro auf dem selben Flur, wo zentrale Datenpoole angefragt werden, Fingerabdruck usw
  23. Rücksicht auf Familien? - Rücksicht auf enge Familien, Beispiel: Mann aus Ghana müsste nach Eisenhüttenstadt, kann formellen Umverteilungsantrag stellen // Kinder zu Eltern, Eheleute ollen nicht weitergeschickt werden bzw wird mit Bundesamt angesprochen
  24. Länderbeauftragte sprechen miteinander, ob Maßnahmen sinnvoll sind Weg zu Bundesämtern? - Menschen werden mit Auto transportiert, meist nach 3std, "möglichst stressfrei"
  25. kann bei Einzelpersonen passieren, dass sie per Bahn fahren müssen (Reiseinfos werden mitgegeben, Geld für Bus o.ä.)
  26. Aufnahme kommuniziert mit Bundesamt wg Antragsannahme: Asylgesuch (Asylantrag wird beim Bundesamt gestellt – Aufenthaltsgestattung als Ausweisersatz) -> Ausweiskärtchen für interner Versorgung (welche Verpflegung, Mengen usw)
  27. Pass wird abgenommen, "wenn man ihn vorzeigt", "gibt Leute, die hängen an ihrem Pass"
  28. keine Durchsuchung der Menschen durch die HEAE (obwohl rechtlich möglich); wurde meistens vorher gemacht durch Ausländeramt, Polizeistelle o.ä.
  29. Frauen, die kurz vor der Schwangerschaft stehen, Studenten, deren Studienvisum abläuft ...
  30. Viele Gründe, Asyl zu beantragen (nicht nur politische Gründe): für Ausländer nicht nur interessant, Asylstatus zu kriegen, sondern auch, dass man nicht abgeschoben wird (schwere Erkrankung als Abschiebehindernis)
  31. Begrenzt? - Aufenthaltstitel erstmal immer befristet, immer erst unbefristet nach gewisser Dauer
  32. Menschen werden
    1. direkt weitergeleitet (ein, zwei Tage hier)
    2. in Hessen verteile (2-6 Wochen hier)
    3. Visum aus anderem Schengenstaat, Dublin-Fälle (bis zu 3 Monate hier, auch auf Kommunen verteilt)
      1. Gesetz: 6 Wochen bis 3 Monate in der Erstaufnahmeeinrichtung
  33. Hier wird nicht entschieden, was mit den Menschen weiter passiert
  34. 50-70 täglich Aufnahmen - Spitze (eher 20 täglich)
  35. Personal: 2-4 Leute für Aufnahme zuständig (am selben Tag)
  36. Menschen sollen schnell weitergeleitet werden, damit sie sich nicht "gewöhnen"
    1. Viele die nach Hessen kommen, wollen meist in Hessen bleiben
  37. Diskussionen, wenn dann verteilt werden soll (in Hessen "bisschen liberaler" als in anderen Bundesländern)
  38. Menschen dürfen immer raus, Besuche morgens 7 bis abends 22 Uhr möglich, aber auch möglich für besondere Anlässe das zu erweitern
  39. Stacheldrahtzäune zum Schutz der Asylsuchenden --> Befürworter, Gegner, "Ausländer die innerhalb der Einrichtung unangenehmer werden können"
    1. "Menschen so schnell wie möglich weitergeben, weil sich Strukturen entwickeln, die niemand will"
  40. Diskriminierung und Hierarchien untereinander (gegen Frauen, gegen Minderheiten)
  41. Ordnungsmaßnahmen? -- keine Sanktionsmöglichkeiten; Hausordnung ist vorhanden, Menschen werden verwarnt
    1. Betreffende, die mehr als einmal auffallen, werden woanders hingeschickt
      1. es gibt aus Gewalt innerhalb der Aufnahmeeinrichtungen zwischen verschiedenen Gruppen
      2. erst Versuch, mit Sozialarbeiten zu schlichten; Landsleute ansorechen --> viele Stufen bevor Polizei ("rennen nicht wegen allem zur Polizei"); in der Regel mit den mildesten Mitteln versuchen
  42. Abschiedsfeiern finden statt (mit Alkohol)
    1. "Wir verbieten nichts", keine Kontrollen
    2. Leiter sei kein "Kontrollfreak", prinzipiell keine Verbote (Verhältnismäßigkeit?, dann müsste es Sanktionen geben)
  43. Internet gibt es gar nicht in der Einrichtung, weil "Nachfluchtgründe" möglich (Handy aber ja)
    1. Kostenfrage auch, HEAE haftet dann für Nutzer (die iwas bestellen o.ä.; 'Hitlerbild')
  44. keine psychologische Betreuung, nur Sozialarbeiten – über die Krankenstation, # wenn Auffälligkeiten deutlich werden, kann die Ärztin tätig werden und stationär einweisen
  45. 27€ kostet Unterkunft all inkl., 40€ Taschengeld für ab 15jährige
  46. eine Unterkunft für Menschen im Rollstuhl (mit Zugang zu Mensa)
  47. Gebärdensprachedolmetscher können beordert werden (kommt aber nicht häufig vor)
    1. Gewisse Dolmetscher sind immer da, zB Afghanistan
  48. keine Bibliothek (nur am Flughafen)
  49. spülen, Hof kehren als gemeinnützige Tätigkeiten
  50. Taschengeld hat sich seit 1993 nicht geändert
    1. keine Stellungnahme zum Urteil des BVerG

Gespräch mit Mitarbeiterin der "Refugee Law Clinic"

  1. praxisorientiertes Ausbildungkonzept
  2. Law Clinics: Spezialisierung, Wissenschaftler und Praktiker unterrichten, erworbene Kenntnisse werden während des Studiums schon praktisch angewendet
  3. RLC Gießen: Asyl und Flüchtlingsrecht (Ini eines Richters aus Ffm)
  4. Großer Bedarf an qualifizierter Beratung
  5. Asylbewerber können sich selten Rechtberatung leisten, daher ehrenamtlich
  6. an Rechtswissenschaft angesiedelt, aber für alles Fachbereiche offen (Gießen und Marburg)
  7. erst theoretische Ausbildung im WS (Vorlesung des Richters, der das initiiert hat)
  8. Praktische beginnt in den Semesterferien durch Praktika bei Rechtsanwälten, NGOs
  9. im SS Kolloquium mit verschiedenen Referenten, Vetreter vom Bundesamt, NGOs, Psychologen
  10. im SS auch eine Übung eines Rechtsanwalts, theoretische Arbeit mit Praxis verbinden
  11. Projektteams, wo Mitglieder selbst gestalten und zsm arbeiten
  12. 2008 Gesetz, dass unentgeltich Rechtsdienstleistung erbracht werden kann, auch von Nicht-Volljuristen (wenn diese von einem Volljuristen angleitet werden)
  13. kein eigenes Büro, integriert in die Einrichtung (Hiwis usw sitzen an der Uni)
  14. unbegeittete minderjährige Flüchtlinge kamen vor allem erreichbar über eMail
  15. Wöchentlich Gruppenberatung/ Infoabende: allgemeine Informationen, Informationen zur Anhörung des Bundesamts (sensibilisieren)
    1. RLC geht auch mit zu Anhörungen, wenn das erwünscht ist
  16. Anhörung: 25 Fragen: persönliche, Fluchtweg und weitere individuelle Nachfragen
  17. Rechtsanwälte arbeiten ehrenamtlich
  18. HEAE: Vergleich ist drastisch, aber es gibt schlimmere
  19. Film über HEAE: "Homesick", Reza Kamali – Film über Asylbewerber
  20. bis Ende September keine Abschiebungen nach Syrien
  21. nur Anhörungen, keine Kritik an Aufnahmestellen (das eher für Bürgerinitiativen)
  22. nicht genug Dolmetscher (sind ebenfalls ehrenamtlich)
  23. RLC wird teilweise natürliches Misstrauen von den Asylbewerbern entgegengebracht, was den Lebensgeschichten und Erfahrungen mit verschiedensten Menschen und Institutionen auf der Flucht geschuldet sein könnte
  24. Gegen abgelehnten Asylantrag kann geklagt werden
  25. 2007 gegründet, erste Law Clinic in Deutschland (mittlerweile mehr)
    1. Motivation eher dahingehend, den Asylbewerbern helfen zu wollen
  26. keine persönlichen Treffen bisher mit politischen Parteien

Vielen Dank an Andrea Jonjic für's fleißige Protokoll-Schreiben! :)