AG Geldordnung und Finanzpolitik/KeineZinsenfürdenStaat

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Vorbemerkung Vorbemerkung:
Dies ist eine Meinung, die derzeit von dem Mitglied Patrik vertreten wird und spiegelt nur die Meinung einiger Mitglieder der Piratenpartei oder der AG Geldordnung und Finanzpolitik wider. Wer Anmerkungen/Fragen hat schreibt diese bitte auf die Diskussionsseite zu diesem Artikel.


Idee

Ich denke, es gibt vielleicht eine rationale Lösung im ewigen Streit zwischen Zins oder kein Zins: beides!

Begründung

Ich will dieses mal mit einem ganz systematischen Ansatz begründen:

Privatsektor

Für den privaten Sektor sollte es weiter Zinsen geben - sie lassen sich sowieso nicht verhindern. Auf die eine oder andere Weise wird jemand, der Geld verleiht, eine wie auch immer geartete Kompensation verlangen. Daher sollten wir aufhören, darüber nachzudenken, wie eine Welt ohne Zinsen im privaten Sektor aussähe - es wird sie nie geben.

Die Gründe für Zinsen im privaten Sektor sind im wesentlichen:

  1. Kompensation der Zeitpräferenz: 1 Euro heute hat mehr Nutzen als 1 Euro irgendwann. Verzichte ich heute auf Konsum, weil ich einem anderen mein Geld gebem will ich für den Nutzenausfall kompensiert werden. Die Zeitpräferenz ist eine experimentel NACHGEWIESENE psychologische Eigenschaft der Menschen, das ist keine Theorie. Das hat etwas mit Risikoaversion zu tun (was ich hab, hab ich). Man könnte jetzt lange darüber rezitieren, man kann es aber auch in einen Satz zusammen: Wenn ich das Geld heute kriege und morgen überfahren werden, konnte ich mir heute davon ein Eis kaufen, in einem Jahr nicht mehr. Ich denke dieser fundamentalen Logik kann man sich schwerlich entziehen.
  2. Kompensation des Risikos: Die Erfahrung lehrt, wenn ich an 11 Leute verleihe, kriege ich von einem den Euro nicht zurück, also will ich von jeden 10% Zinsen, um diesen Verlust zu kompensieren.
  3. Kompensation der Verwaltungskosten: Verleiht man Geld muss man buchführen, hat Transaktionskosten, etc. und dafür gibt es eine Kompensation.

Die Argumentation beruht im wesentlichen auf der Vorstellung, dass die Geldmenge fix ist, und Geld, das der eine hat, nicht gleichzeitig vom jemand anderen gehalten werden kann. Auch wenn Banken Giralgeld schöpfen können, bleibt die Aussage zumindest in Bezug auf das Zentralbankgeld valide (bei gleichbleibender Menge), so dass es durchaus gerechtfertigt ist, innerhalb des privaten Sektors einen Zins verlangen zu dürfen. Denn "echtes" Geld ist nur das Zentralbankgeld, und das Giralgeld lediglich eine Forderung auf dieses "echte" Geld. Das Geld ist also für den privaten Sektor eine exogen vorgegebene Größe.

Staatlicher Sektor

Wie sieht es aber nun mit dem staatlichen Sektor aus?

Prinzipiell kann der Staat "echtes" Geld direkt bei der Zentralbank leihen, bei der EZB soll das zwar nicht der Fall sein, de facto wird es aber praktiziert und auch die meisten Zentralbanken dieser Welt haben da keine Resitriktionen. Derzeit zahlt der Staat Zinsen für Kredite von der Zentralbank, die Frage ist nur: Wieso? Untersuchen wir das mal anhand der o.g. Gründe für den Zins:

  1. Konsumverzicht: Weder muss die Zentralbank auf Konsum verzichten, noch der Staat. Im Gegensatz zu den Akteuren des privaten Sektors handelt es sich hier nur um Institutionen, die nicht konsumieren müssen, keine "Nutzenfunktion" haben und damit auch keine Zeitpräferenz. Dieser Grund entfällt also.
  2. Verlustrisiko: Zentralbankgeld zeichnet sich dadurch aus, dass es sich dabei (bis auf das Bargeld) um Sichteinlagen BEI der Zentralbank handelt. Das Geld kann also gar nicht verloren gehen, weil es de facto die Zentralbank nie verlässt - es wird höchstens von einem Konto auf ein anders umgebucht. Auch dieser Grund entfällt also.
  3. Verwaltungskosten: Für jeden anderen in der Volkswirtschaft gilt, dass Geld welches ausgegeben wird, vorher eingenommen werden muss, also den Ertrag mindert. Es gibt nur EINEN für den dieses nicht gilt: Die Zentralbank. Wenn die Zentralbank Geld braucht, dann schöpft sie welches, einfach so - genau DAS ist ja ihr Daseinszweck. Die Zentralbank muss also keine Zinsen einnehmen, um ihre Verwaltungskosten zu decken; wenn sie Geld braucht, macht sie einfach welches - genau so wie früher die Münze für den Landesfürsten einfach Münzen geschlagen hat, wenn er Geld brauchte, nur dass die Zentralbank nicht einmal den Rohstoff besorgen muss. Dieser Grund entfällt ebenfalls.

FAZIT

Da es also für den staatlichen Sektor KEINEN sachlichen Grund gibt (weder 1, noch 2, noch 3) einen Zins zu zahlen, warum sollte er es also tun (müssen)? Höchst irrational!

Der wesentliche Unterschied zwischen dem privaten und dem staatlichen Sektor ist die Tatsache, dass für den staatlichen Sektor die Geldmenge keine gegebene Größe ist, sondern ein Parameter, mit dem man aktiv umgehen kann, es ist also eine endogene Größe.

Weil aber in der Erfahrungswelt der meisten Menschen Geld immer eine gegebene Größe ist, die man selbst nicht beeinflussen kann (es steht sogar unter Strafe einfach eigenes Geld zu machen), wird diese Logik einfach auch für den Staat angenommen - zu Unrecht! Es wäre also durchaus rational zu fordern, dass der Staat sich direkt bei der Zentralbank ohne Zins verschulden darf, der Zins an sich aber im privaten Sektor weiterhin (berechtigten) Bestand hat.

Ich denke, das könnte die "piratige" Lösung des Problems sein, die sich mit obigen Argumenten auch durchaus RATIONAL verteidigen lässt.

Erläuterungen

Geld nur für Wertschöpfung

Es geht bei dem Vorschlag explizit NICHT darum, dass der Staat über zinslose Schulden leistungsloses Pseudoeinkommen generiert. Der Staat muss mit dem Geld realwirtschaftliche Investitionen und Leistungen finanzieren, die öffentlich als erforderlich betrachtet werden. Es geht eben NICHT darum, Untätigkeit zu finanzieren, sondern notwenige Wertschöpfung!

Natürlich ist es für jeden angenehmer, seinen volkswirtschaftlichen Beitrag im schuldenbasierten Konsum zu sehen, wem würde das nicht gefallen? Geht man in diese Richtung, führt man das Konzept ad absurdum.

Es geht nur darum, nicht auf notwendige öffentliche Investitionen oder Leistungen zu verzichten, nur weil "kein Geld da ist".

Fiatgeld ist immer da

Geld ist unendlich viel vorhanden, es wird auf Knopfdruck erzeugt, und zwar in beliebiger Menge. Das fundamentale Missverständnis besteht darin, dass Geld immer noch irgendwie eine Menge Goldmünzen ist, die der Staat erst über Steuern einsammeln muss, bevor er sie für etwas ausgeben kann. DAS ist aber Unfug!

Heutzutage ist Geld ein Ladungsunterschied auf einer Festplatte, ändert man ein Bit, ist eine Billionen mehr in der Welt, einfach so. Wenn es aber so einfach ist, warum (zum Teufel) tut man dann so als sei es schwerer und verhindert damit viel sinnvolles, nur um die Simulation - oder Illusion - eines Geldsystems aufrecht zu erhalten, das schlichtweg einfach nicht mehr existiert?

Viele Menschen sind sich wohl einig, dass wir bessere Bildungseinrichtungen und Kinderbestreuungsstätten brauchen, dass die medizinische Versorgung eine bessere sein sollte, dass die Straßen mal wieder gründlich überholt gehören, das Häuser besser wärmegedämmt sein sollten, dass die Arbeitslosen doch lieber was sinnvolles tun sollten, statt zuhause rumzusitzen, etc. ABER (Generalausrede) es ist ja leider kein Geld da....

DOCH! Man muss es nur machen. (Komisch, wenn Banken gerettet werden müssen, oder man unbedingt die Freiheit am Hindukush verteidigen muss, sieht das plötzlich ganz anders aus)

Das führt aber nicht dazu, dass keiner mehr arbeiten muss. Natürlich müssen Leute noch arbeiten, und zwar am besten alle, denn Geld alleine erzeugt keinen Wohlstand, sondern nur realwirtschaftliche Leistung.

Es kann doch nicht sein, dass auf der einen Seite Missstände vorherrschen, deren Beseitigung Arbeit erfordert, und gleichzeitig Millionen von arbeitsfähigen und größtenteils -willigen rumsitzen müssen, nur weil man irgendwelche schwachsinnigen Regeln leidlich befolgt, die volkswirtschaftlich überhaupt keinen Sinn machen. Was soll das?

Der Staat kontrolliert die Geldmenge

Wichtig ist bei alledem nur, dass die Geldmenge im Privatsektor kontrolliert wird, um Inflation zu vermeiden. Was der Staat auf der einen Seite also generös hinein kippt, muss er auf der anderen Seite wieder rausziehen. Man muss sich die private Wirtschaft vielleicht wie ein Wasserrad vorstellen und das Geld als einen Fluss - kommt zu wenig Wasser erreicht das Wasserrad nicht seine volle Leistung, fliesst zuviel kommt es nur zu Überschwemmungen. Es muss also jemand den Wasserstrom regeln - und das bedeutet nicht, den Schieber möglichst geschlossen zu halten.

Neben einer aktiven Geldpolitik kann der Staat die Regelung der Geldmenge insbesondere durch fiskalische Massnahmen erreichen, da diese im Gegensatz zur Geldpolitik gezielt und selektiv eingesetzt werden können und so das Geld wieder bei jenen einsammeln, die von einer vorhergehenden Geldmengenausdehnung hauptsächlich profitiert haben. Eine solche fiskalische Maßnahme könnte bspw. und u.a. eine Bruttogeldvermögenssteuer für superreiche (ab 1 mio.€ Geldvermögen) sein.

Der reiche Mann und das Dorf

Wie bereits erläutert sind Zinsen nur gerechtfertigt, wenn tatsächlich etwas verliehen wird, und dieses zu Konsumverzicht oder Risiko führt. Dieses ist bei der Giralgeldschöpfung durch die Geschäftsbanken de facto allerdings nicht der Fall (siehe auch Geldschöpfungsprivileg).

Anbei eine kleine Geschichte zur Veranschaulichung der Wirkung von Zinsen auf Fiatgeld:

Ein reicher Mann fährt mit seiner goldverzierten Kutsche ins Dorf und macht am Gasthof halt. Der Wirt freut sich über den hohen Besuch und zeigt ihm sein bestes Zimmer. Während der reiche Mann durchs Zimmer streift, meint der Wirt verlegen: "Tut mir leid, Sie fragen zu müssen, aber jedermann weiß und sieht wie reich sie sind; würden Sie mir etwas Geld leihen, ich brauche es dringend!"

Der reiche Mann überlegt kurz und sagt: "Nun gut, so sei es. Ich kann dir das Geld aber nicht geben, da ich auf Reisen bin und es nicht bei mir trage. Aber jedermann kennt mich und weiss, dass ich ein Ehrenmann bin, also machen wir folgendes: Du unterschreibst einen Schuldschein, und erhältst im Gegenzug einen Schuldschein auf meinen Namen in selber Höhe. Du kannst die Schuld begleichen, indem du mir die Summe bezahlst, oder mir einen anderen Schuldschein in selber Höhe bringst - ich bin da nicht so. Ich verlange einzig, dass ich in diesem schönen Zimmer nächtigen darf und bei dir ein Abendmahl einnehmen kann." Der Wirt freut sich und schlägt ein.

Nachdem der reiche Mann sich eingerichtet hat, geht er durch das Dorf und sieht in der Auslage des Schneiders einen schönen Mantel; er betritt also den Laden, und während er den Mantel probiert, bittet ihn auch der Schneider um Geld. Man einigt sich auf gleiche Weise, der reiche Mann verlangt für seine Gefälligkeit den Mantel. Der Schneider schlägt ein.

Nun kehrt der reiche Mann wieder ein, um sein Abendmahl einzunehmen. Dabei kommt er mit der Dorfhure ins Gespräch, die ebenfalls gerne Geld von reichem Mann hätte, um ihr verschlissenes Kleid durch ein neues zu ersetzen. Der reiche schlägt ihr also vor: "Kein Problem, ich leihe es dir als Schuldschein auf meinem Namen. Ich verlange nur, einmalig deine Dienste in Anspruch zu nehmen!" Man wird sich einig und verschwindet aufs Zimmer.

Derweil betritt der Schneider das Lokal mit seiner Familie und lässt es sich gut gehen. Er bezahlt mit dem Schuldschein auf den reichen Mann.

Als es zu Abend geht und die Gäste verschwinden, will auch die Dorfhure von hinnen, aber der Wirt lädt sie noch auf ein "Weilchen" ein - er bezahlt mit seinem Schuldschein auf den reichen Mann.

Als der Morgen anbricht, läuft die Dorfhure zum Schneider und kauft sich das lang ersehnte Kleid, sie bezahlt - genau - mit dem Schuldschein auf den reichen Mann.

Hier nimmt die Geschichte nun zwei Wendungen:

Variante A

Als der reiche Mann am morgen aus seinem Zimmer kommt, stehen der Schneider, der Wirt und die Hure Spalier. Die drei drücken ihm je einen Schuldschein in die Hand. Er zerreisst alle sechs Schuldscheine und wirft sie in die Flammen. Sodann steigt er in die Kutsche und fährt von hinnen. Während die Kutsche am Horizont verschwindet, kratzt sich der Schneider am Kopf und meint: "Er hat bei uns logiert und gegessen, hat sich einkleiden lassen und gef...., und was haben wir dafür bekommen?" "NICHTS!" schreien alle drei wie aus einer Kehle.

Variante B

Die drei stehen morgens vor dem Zimmer des reichen Mannes und warten bis Mittags. Schließlich treten sie ein und stellen fest, dass der reiche unverrichteter Dinge abgereist ist. Sie jubeln, denn nun müssen sie ihre Schulden nicht mehr begleichen. Dann kratzt sich der Schneider am Kopf und meint: "Er hat bei uns logiert und gegessen, hat sich einkleiden lassen und gef...., und was haben wir dafür bekommen?" "Schuldscheine!" meint die Hure. Darauf der Wirt: "Ja, aber wenn wir damit bei ihm auftauchen, dann werden sie einfach gelöscht, faktisch haben wir..." "NICHTS!" schreien alle drei wie aus einer Kehle.

Und die Moral von der Geschicht'..

Wer es jetzt noch nicht verstanden hat, der soll sich doch weiter f... lassen.