Wahlen/Bund/2013/Analyse/Themenwirrwarr

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Problembeschreibung

  • Khuê Pham stellt fest: Die Piraten konnten noch so oft vor Überwachung warnen – die allermeisten posteten, twitterten und chatteten weiter, als hätte es Edward Snowden nie gegeben. Auch das Thema illegale Downloads, das Lauer und viele andere einst so beschäftigte, hat sich inzwischen erledigt: durch Streaming-Dienste wie Spotify oder Netflix, ganz ohne Zutun der Piraten. Die Partei hat es nie vermocht, aus den komplizierten Akronymen der Netzwelt einen klaren, emotionalen Slogan à la "Atomkraft? Nein, danke!" zu machen. Sie hat zu ihrem Kernthema keine eigene Haltung gefunden, geschweige denn verkörpert: Wenn der Überwachungsstaat so mächtig ist, sollen wir unsere Daten alle anonymisieren? Oder akzeptieren, was unausweichlich ist, und unsere Schlafgewohnheiten, Kontostände und Depressionen öffentlich machen? Die Piraten haben dazu viele verschiedene Antworten, eine gemeinsame Lösung aber nicht. Sicherlich, viele von ihnen verstehen von technischen Dingen mehr als die meisten anderen Politiker. Aber ganz ehrlich: Waren all die Proteste gegen Netzsperren und für Netzneutralität wirklich politisch – oder ging es vor allem darum, ein freies Internet für den eigenen Gebrauch zu sichern?
  • Bernd Schlömer meint, die Partei habe sich selbst zuzuschreiben, dass die zum Teil "komplizierten Themen" den Wählern nicht angemessen hätten vermittelt werden können.
  • Direktkandidaten NRW: Eine gezielte “Kampagne” fehlte beziehungsweise kam zu spät an den Start, sollte also konzipiert und länger im Vorfeld angekündigt sein.
  • schmidtlepp schreibt: Darüber hinaus gab es auch gar keine Kampagne. Obwohl es im Vorfeld der Wahl ein Wahlkampftreffen gab, obwohl dort von Katja, fRED, Alf, Michael und mir mit „Neustart“ eine Kampagnenidee präsentiert worden ist, gab es keinen roten Faden, der Menschen erklärt hat, warum man den Piraten die Stimme geben sollte.
  • Fulleren: Im diesem Wahlkampf, wie eigentlich in jedem Wahlkampf geht es vor allem um Personen und Gefühle. Der Wähler schaut nach sympathischen und glaubwürdigen Personen, die für emotional positive besetzte Ziele stehen oder die sich gegen emotional negativ Wahrgenommenes stellen. CDU,CSU und AfD haben die Angst vor dem finanziellen Untergang jedes Einzelnen angesprochen. CDU/CSU haben Frau Merkel als erprobten Garant für den Status Quo beworben, die AfD mit der Angst, von Anderen mit herunter gezogen zu werden. Die NSA-Affäre ist leicht zu verdrängen, denn man ist ja kein Terrorist. Andere Themen (Arbeitsplätze, Renten, …) waren von existenzieller Bedeutung. Die Wähler wollen wissen: WER sind diese Piraten und WOFÜR stehen sie. Dafür reichen ihnen zunächst einmal Stichworte, bei Interesse braucht man sicher Details.
  • Wika: Never change a winning Team. Die Plakate für die NRW-Landtagswahl waren Klasse. Prägnant, gut lesbar und coole Sprüche. Das hat die Linke uns nun nachgemacht und wir wollten was Neues. Im Vorbeifahren konnte ich unsere Plakate nicht lesen. Und wenn schon Köpfe, dann gehören meiner Meinung nach auch die Köpfe der Spitzenkandidaten auf die Plakate.

Problemlösungsvorschläge

Kurz, klar und prägnant

  • Wika: Kurz und prägnant, wäre manchmal besser gewesen. Einfache Sprache auch. Schwerpunkte mehr auf das Hinterfragen alter Strukturen vor Ort. "Grätscht dazwischen," hörte ich immer wieder am Stand.
  • Christopher sagt: Was das Wurfmaterial anging, so hatten wir zu allem etwas. Die Erfahrung aus dem Wahlkampf Hamburg 2011 zeigt aber, dass es mit Sicherheit gut ist, zu jedem Themengebiet einen Flyer zu haben, am Ende des Tages aber 98% der Menschen eine allgemeine Information darüber haben möchten, was die Partei tut und seltenst an Spezialthemen interessiert ist. Der Effekt war eine uneinheitliche Ansprache mit gefühlt 20 Flyern, statt einem, in dem kurz, klar und prägnant erklärt wird, warum man die Piraten wählen soll.
  • <lynX> Nach wie vor nehmen die Leute lieber eine gut gemachte Zeitung an, als den gewöhnlichen Hochglanzflyer. Prima Gelegenheit alle wirklich wichtigen Dinge in eine einzige Ausgabe zusammenzubringen, die dann bundesweit an so ziemlich jeden verteilt wird. Der Kaperbrief sollte bei der Gelegenheit wieder mit der SG Gestaltung kooperieren, aber nicht stumpf die Liste der Direktkandidaten bringen. Das hat uns zwar eine Menge Erststimmen eingebracht, aber wollten wir das so?

Selbsterklärende Aussagen, kein "Informiere dich!"

  • <lynX> Focus erwähnt hämischerweise "Open Data" und "Reform des Urheberrechts." In der Tat: Solange wir es "Open Data" nennen, versteht kein Schwein, dass es eigentlich um Korruption geht. Solange wir vom "Urheberrecht" sprechen, dass es (unter anderem) um digitales Briefgeheimnis geht. Wenn ein Aussenstehender den Focus-Artikel liest, denkt er sich, eine ganze Partei denkt nur an die eigenen Computerballerballer und Musikkopiererinteressen, und begreift nicht, dass es um eine von der technologischen Entwicklung in ihren Fundamenten gefährdeten Demokratie geht. Auch das bedingungslose Grundeinkommen erfordert zuviel Einarbeitung, um nicht als unfinanzierbare Spinnerei dazustehen, sondern als das einzige hoffentlich funktionsfähige Zukunftsmodell für eine nachhaltige Weltwirtschaft begriffen zu werden. Sogar der verfluchte fahrscheinlose ÖPNV wird notorisch falsch interpretiert. Viel zu oft sind unsere Themen nicht selbsterklärend, unsere fundamentale Motivation eine Partei zu machen unverständlich. Warum machen wir den Scheiß eigentlich? Wozu hing in Berlin hundertfach "Warum habe ich noch kein Netz?" Wir müssen es unbedingt für die Europawahl hinkriegen, dass die Leute endlich kapieren, worum es eigentlich geht. Die Methode, die Plakattexte im Liquid abzustimmen war dann wohl mal ein falscher Fall von Partizipation: Die Partei als Ganzes ist viel zu sehr in ihre Themen verliebt, und kann sie sich gar nicht so richtig "von aussen betrachtet" vorstellen. Bei der Entstehung von Plakattexten brauchen wir unbedingt Aussenstehende, welche so lange Fragezeichen im Gesicht haben, bis wir eine Formulierung gefunden haben, die sie auf Anhieb verstehen und cool finden. Speziell, was auch bei der Pressearbeit passiert ist: Wir müssen ihnen ermöglichen, selbstständig ihre Schlüsse zu ziehen. Wir können sie nicht mit unseren Schlussfolgerungen überfordern.

Bitte ganz freundlich

<Mitkrieger> Die Flyer waren inhaltlich in Ordnung. Auffallend war, wie die Flyer mit optisch freundlicheren Titelgesichter deutlich besser weggingen, als die ernsten Gesichter. Wir sollten uns ruhig mehr Freundlichkeit zutrauen.

Eine solide Grundbotschaft

  • Fabio Reinhardt schreibt: Die Geschichte, die eine Partei zu erzählen hat, beziehungsweise die Botschaft, die sie auszusenden hat, ist wirklich sehr wichtig. Man sieht es daran, die FDP die letzten vier Jahre keine glaubwürdige Geschichte erzählen konnte [...]. Das sollten wir uns zu Herzen nehmen und immer eine Geschichte parat haben, die sowohl attraktiv als auch glaubwürdig ist und zu uns passt. Die Geschichte, da kurz und prägnant, ermöglicht Reduktion und für Externe besseres Verständnis, sowie Multiplikation unserer Positionen. Die Geschichte sollte aus verschiedenen Untergeschichten bestehen, die sich gegenseitig ergänzen und vervollständigen. Es ist also nicht notwendig, auf die Geschichte der Partei als Demokratierevolutioniererin zu verzichten, um die Geschichte der Partei als Hinterfragerin von Vollbeschäftigung zu erzählen, wenn man beides miteinander kombinieren kann. Das Besinnen auf die Geschichte bzw. die Diskussion über ihre Interpretation ermöglicht uns, unsere Gemeinsamkeiten über unsere Unterschiede zu stellen. [...]
  • <vonlynX> Es ist eine Schande, dass ein politischer Gegner ungeschoren Unsinn über die Piraten schreiben kann, und niemand ihm ernsthaft Paroli bietet – weil die Wahrheit vor lauter Themenwirrwarr sich nicht gegen die Falschaussagen durchsetzen konnte. Eine knappe Zusammenfassung, wer die Piratenpartei ist, habe ich in Initiative 6496 eingestellt. Die könnte man ja gemeinsam verbessern.