SH Diskussion:LPT2012.1/Anträge/WP05.02 Verwaltungsbeschleunigung

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Sachverhalte sind etwas komplizierter

Abgesehen von einer pauschalen Behördenschelte ("monatelang untätig"), die sich so unqualifiziert die Piratenpartei nicht leisten sollte, sind die Dinge etwas komplizierter.

- In zahlreichen Gesetzen und Verordnungen sind die Fristen mit ein, zwei oder drei Monaten bereits gesetzt, bevor eine fiktive Genehmigung eintritt. Insofern muss man schon genau hinsehen, welche Gesetze und Regelungen es betrifft und wo Regelungsbedarf besteht.

- In der Regel müssen sich unterschiedliche Behörden einer Verwaltungsebene bei Genehmigungen abstimmen, damit der Bürger nicht unzählige Einzelgenehmigungen bekommt (diese wären dann schnell und in 1 Monat erledigt), die sich dann widersprechen könnten. Daneben gibt es Abstimmungsbedarf auch auf unterschiedlichen Behördenebenen (Landesverwaltung, Kreisverwaltungen, Ämter- und Gemeindeebenen).

- Die Bearbeitungszeit ist bei vielen komplizierten Anträgen mit einem Monat erheblich zu kurz (Beispiel: Ein Windenergieunternehmen beantragt den Bau von 15 Windrädern mit Höhen von 180 m in einer bisher windkraftanlagenfreien Gemeinde. Die Prüfung der unzähligen Auswirkungen - vom Schattenwurf auf Siedlungen bis hin zur Festlegung von Rettungswegen oder zur Flugsicherung - binnen eines Monats zu prüfen ist utopisch).

- Die Folge wäre, dass 1. in unzähligen Fällen bereits vorsorgend eine Fristverlängerung festgesetzt werden müsste (gegen die der Bürger als belastender Verwaltungsakt natürlich auch wieder Widerspruch einlegen und klagen kann!), dass 2. in zahlreichen Fällen, in denen sich noch Klärungsbedarf herausgestellt hat, von der Behörde ein Verfahren auf Rücknahme der fiktiven Genehmigung eingeleitet werden muss. Auch das nicht gerade zur Freude der Bürger.

- In vielen Fällen reichen Antragsteller (das ist ja nicht nur der "kleine" Bürger, der einen Anbau an sein Haus möchte, sondern auch beispielsweise ein international tätiges Konsortium etwa im Bereich Kiesabbau) ihre Unterlagen unvollständig ein. Bisher kann dies innerhalb der (längeren) Fristen oft unbürokratisch "geheilt" werden. Künftig müssten allein schon aus diesem Grund die Fristen vorsorglich verlängert werden.

- Eine Beschleunigung von Bearbeitung zu fordern bei gleichzeitigem massivem Stellenabbau im öffentlichen Dienst ist zwar äußerst populistisch, geht aber an der Realität ziemlich vorbei.

Wenn wir dieses Thema anfassen, sollten wir grundsätzlich über neue und andere Verwaltungsstrukturen nachdenken, anstatt an Symptomen herumzudoktern.

HKLS 10:17, 2. Jan. 2012 (CET)


Ich glaube, Du siehst "die Behörde" noch immer als Subjekt mit eigenen subjektiven Rechten. Das ist sie nicht und kann sie unter Geltung des Grundgesetzes auch nicht sein. Die Verwaltung hat schlicht nur eine Funktion, nämlich ihre Aufgabe zu erfüllen. Ich habe i.Ü. nie behauptet, dass "alle Behörden" monatelang untätig sein dürfen. Ich habe nur behauptet - und das ist nach aktueller Rechtslage Fakt - dass sie es dürfen. Da liegt ein erheblicher Unterschied. Tatsächlich ist es aber auch so, dass ich bei nahezu allen Behörden mit denen ich im Laufe des Studiums und Referendariats zu tun hatte derartige Vorgänge existieren ('Die Akte sitzen wir aus'). Das ist nicht systematisch oder bösartig. Das wird schlicht durch die Rechtslage bedingt. Und es ist nicht erforderlich, diese Regelung beizubehalten.

Meinethalben kann man den Antrag dahingehend ändern - das war mir zu konkret -, dass natürlich spezialgesetzlich eine verlängerte Frist gesetzt werden kann. Ich will nur das Regel-Ausnahme-Verhältnis umkehren. Wenn die Frist i.Ü. durch fehlende Unterlagen des Antragstellers erschöpft wird, dann greift auch die Fiktion nicht. Das ist bereits jetzt schon in den entsprechenden Bereichen so, vgl. § 42a Abs. 2 S. 4 VwVfG.

Letztlich ist auch das Argument der Absprache der verschiedenen Behörden nicht durchgreifend. Denn auch der Bürger muss in vielen Fällen mit mehreren Stellen gleichzeitig kommunizieren, teils in zig Verfahren. Er aber erhält dennoch nur eine Frist von einem Monat für den Widerspruch und die Klage. Wenn die Behörden derart ineffizient arbeiten, dann kann eine solche Folge sie vielleicht dazu anhalten, ihre Arbeitsweise von innen heraus zu verbessern. Aufgesetzte Strukturreformen haben noch nie Erfolg gehabt, wenn nicht wenigstens zugleich ein Anreiz gesetzt wird. Warum nicht mit dem Anreiz beginnen?

Die Festsetzung der Fristverlängerung dürfte mE nicht angreifbar sein. Erklärung kann ich gerne ausgiebig liefern. Man klann diese Regelung aber auch ins Gesetz schreiben - und feddich.

Ja, ich gebe Dir Recht, man sollte über neue Strukturen nachdenken. Damit aber pauschal jegwede kleine Änderung abzulehnen, ist schlicht unsachlich. Dann müssten wir unser gesamtes Programm löschen. Darin schwirrt es nur von kleinen, halbgaren Lösungen - die trotzdem gut sind.

Malte S. 16:26, 3. Jan. 2012 (CET)

Nachtrag

- In vielen Fällen reichen Antragsteller (das ist ja nicht nur der "kleine" Bürger, der einen Anbau an sein Haus möchte, sondern auch beispielsweise ein international tätiges Konsortium etwa im Bereich Kiesabbau) ihre Unterlagen unvollständig ein. Bisher kann dies innerhalb der (längeren) Fristen oft unbürokratisch "geheilt" werden. Künftig müssten allein schon aus diesem Grund die Fristen vorsorglich verlängert werden.

Bislang haben die Behörden nicht längere, sondern schlicht gar keine Fristen. Lediglich § 75 VwGO geht in diese Richtung. Und das bringt letztlich auch nicht viel, wenn ich mir die Mengen an Untätigkeitsklagen in jeder größeren Kanzlei anschaue.

2. in zahlreichen Fällen, in denen sich noch Klärungsbedarf herausgestellt hat, von der Behörde ein Verfahren auf Rücknahme der fiktiven Genehmigung eingeleitet werden muss.

Gerade das will ich im Gegensatz zum aktuellen Zustand massiv einschränken. Wenn die Behörde nicht rechtzeitig entschieden hat, muss ihr Verwaltungsträger ggf. auch mit einer schlicht rechtswidrigen Genehmigung leben. Das ist nur fair, denn für den Bürger gibt es auch keine Möglichkeit nach Ablauf der Monatsfrist eine Anfechtung durchzuführen.

Im Ergebnis soll diese Veränderung die ohnehin nur äußerst selten existierende Waffengleichheit ein wenig mehr stärken.

Malte S. 20:30, 3. Jan. 2012 (CET)


Weder wirklich hilfreich noch realitätsnah

Die Verschiedenen Verfahren habe heute schon ihre praxistaugliche Fristen. HKLS bringt schon die meisten Argumente.

Wichtige Genehmigungen haben i.d.R. große Investitionen zur Folge. Daher gibt es 2 Fälle:

A) Einreichung vollständiger Unterlagen und sofortiger Nutzung der Genehmigung (z.B.Baubeginn) ist für ein Unternehmen lohnend, dann würden Fakten geschaffen mit allen negative Folgen für die Bürger. Die große Frage ist wer die Kosten eines Schadens durch fiktive Genehmigungen trägt.

B) Das Risiko die fiktive Genehmigung zu nutzen ist zu groß, dann hat sie keinen positive Effekt, sondern gibt den Beamten ein Grund sich nicht mehr anzustrengen.

Es gibt viele Bereiche in denen Behörden Fristen haben, auch wenn sie einem Juristen nicht im Referendariat begegnen mögen. Gemäss höchstrichterlichem Urteil ist Schadensersatz möglich.

http://www.fehmarn24.de/nachrichten/fehmarn/orther-urteil-folgen-behoerden-muessen-zuegig-arbeiten-669129.html http://www.rechtspflegerforum.de/archive/index.php/t-12728.html

Viele Rechtsakte sehen zu Recht Auslegung von Vorhaben vor. 4 Wochen sind da nicht lang.

OT: Ein Aushang am einem Brett irgendwo in einer Behörde ist nicht wirklich transparent, da ist Handlungsbedarf. Getreu dem Slogan "Transparenter Staat statt transparenter Bürger.

Die Piraten würden uns mit den Antrag auf eines Stufe mit total ahnungslosen Stammtischpolitikern als CDU stellen. Ist das gewollt. Jörg 00:47, 5. Jan. 2012 (CET)


Ähm, lieber Jörg,

es besteht ein meilenweiter Unterschied zwischen einer Amtshaftung und einem unmittelbaren Anspruch auf die Genehmigung. Mit dem Grundsatz "Dulde und Liquidiere", welches Du hier letztlich erhalten willst, hat i.Ü. das BVerfG bereits länger in anderen Bereichen des Staatshaftungsrechts aufgeräumt. Dieses Verfahren ist weder geeignet noch in der Lage, den Bürgern zu ihrem Rechtsanspruch zu verhelfen. Im Übrigen folgt der von Dir gemeinte Anspruch nicht aus irgendeinem "obskuren" Urteil, sondern schlicht aus dem Gesetz. Wer sich mal mit dem Staatshaftungsrecht auseinandergesetz oder auch nur einige URteile aus diesem Gebiet gelesen hat, weiss, dass die Chance tatsächlich eine Entschädigung zu erlangen, denkbar gering ist.

Mir sind im Übrigen zahlreiche Fristen begegnet. Was Du offenbar nicht wahrnimmst, ist dass derzeit ein Regel-Ausnahme-Verhältnis existiert. Du verweist zu Recht darauf, dass es Bereiche gibt, in denen langwierige Auslegungsverfahren erforderlich sind. In diesen Bereichen aber kann durch Verordnung eine andere Frist eingeführt werden. Damit wird eben genau dem Problem dieses BEreichs Rechnung getragen und nicht aufgrund dieses Problems in anderen Bereichen eine nicht erforderliche, unendlich lange Frist eingeführt.

A) Einreichung vollständiger Unterlagen und sofortiger Nutzung der Genehmigung (z.B.Baubeginn) ist für ein Unternehmen lohnend, dann würden Fakten geschaffen mit allen negative Folgen für die Bürger. Die große Frage ist wer die Kosten eines Schadens durch fiktive Genehmigungen trägt.

Ähm, natürlich werden die Unternehmen das tun. Das tun sie auch heute schon, wenn sie Genehmigungen erhalten - um den Vertrauensschutz sofort aufzubauen. Deine Argumentation trägt nicht gegen eine Genehmigungsfiktion, sondern allgemein gegen Genehmigungen. Wenn eine Behörde nicht in der Lage ist ein Verfahren - abseits der bereits angesprochenen Verfahren - binnen eines Monats (NICHT 4 Wochen) zu bearbeiten, dann ist sie schlicht falsch organisiert.

B) Das Risiko die fiktive Genehmigung zu nutzen ist zu groß, dann hat sie keinen positive Effekt, sondern gibt den Beamten ein Grund sich nicht mehr anzustrengen.

Glücklicherweise gibt es einen Binnenregress gegen Beamte ;) Warum aber sollte dieser sich nicht mehr anstrengen. Die fiktive Genehmigung wird ihm im Zweifelsfall immer mehr Arbeit machen, als die richtige. Denn er bekommt den Ärger und muss im Zweifel den Schaden tragen (verkürzt dargestellt). Welches Risiko meinst Du eigentlich und für wen?

Wenn der Vorschlag nicht realitätsnah ist, warum ist er dann in Teilbereichen des Rechts erfolgreich angewendet worden? Wohl doch, weil er sinnvoll ist. Im Übrigen sieht auch die Europäische Union in den Bereichen, die sie betreffen, eine solche Regelung ausdrücklich vor. Hälst Du dies auch für realitätsfern? Malte S. 17:03, 11. Jan. 2012 (CET)

Super Antrag. Macht drei Monate für alle Parteien draus. In den Diskussionsbeiträgen vor Ort kam bezeichnenderweise wieder der Bürger zu kurz. Der Klageweg bei Untätigkeit ist eine Zumutung. Der gesellschaftliche Gewinn an Planungssicherheit wäre nicht zu unterschätzen.--Spearmind 14:44, 15. Jan. 2012 (CET)