Benutzer:Library pirate

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Pirat #5778 - Aktuelles

Kaperbrief zu Berlin

Im Redaktionsteam des Kaperbriefs (wiki, blog) mache ich Text- und Recherchesachen oder spiele Lieferant...was gerade anfällt. Restbestände gibt's in print im House of Clouds, Moabit oder online unter kaperbrief.org.

Texte zum Urheberrecht und drumherum

Programmanträge (behandelt)

  • Antrag "Für eine transparente Politik und Verwaltung" für die Landesmitgliederversammlung Berlin (Okt. 2010) - angenommen
  • Antrag "Für die Förderung der Open Culture in Politik und Verwaltung" für die LMV Berlin (Okt. 2010) - angenommen
  • Antrag "Präambel: Bürgerdemokratie" für die LMV Berlin (Okt. 2010) - nicht angenommen
  • Antrag "Für die Trennung von Staat und Religion" für die LMV Berlin (Okt. 2010) - nicht angenommen

Programmanträge (nicht behandelt)

  • Antrag für ein "Bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht" für den Bundesparteitag in Bingen (Mai 2010)

Über diesen Antrag und die Baustelle Urheberrecht allgemein habe ich mich am Rande der re:publica mit Gedankenstuecke unterhalten, der das Ganze für sein Piratencafe-Podcast mitgeschnitten hat.

  • Der vorausgegangene, etwas genauere Antrag für die LMV Berlin (Feb. 2010)

Motto

"Der Pirat des Wissens ist ein guter Pirat." Michel Serres

Warum ich Pirat geworden bin

Weil ich eigentlich schon nicht mehr an die Existenz einer politische Gruppierung geglaubt habe, die Werte und Themen ernsthaft und engagiert vertritt, die mir wichtig sind. Und dabei weder mit vermeintlichen politischen und finanziellen Sachzwänge Stillstand oder Schlimmeres produziert noch in utopische Gefilde abdriftet.

Informationsfreiheit und Informationelle Selbstbestimmung

Im Übrigen: ich bin weder Gamer noch File Sharer und komme auch nicht aus den Bereichen Sysadmin, Webdesign oder Programmierung. Ich möchte einfach im vollen Umfang meiner verfassungsmäßigen Grundrechte das Internet nutzen können - ohne, dass meine Verbindungsdaten 6 Monate rückwirkend gespeichtert werden, dass ein Spionageprogramm auf meinem Computer installiert wird und ohne staatlich zensierte Seiten.
Ebenso meine ich, dass staatliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Institutionen nur zu unbedingt notwendigen personenbezogenen Daten Zugang erhalten sollten. Dabei müssen sie öffentlich kontrolliert und verpflichtet werden, diese verantwortungsvoll und vertraulich behandeln; insbesondere sind Weitergaben und synthetische Auswertungen auszuschließen. Das Ausmaß, in dem das Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung missachtet wird, ist durch "Datenskandale" wie die von Telekom, Deutsche Bahn, Lidl nur erahnbar.
Von staatlicher Seite ist die Einführung der Elektronischen Gesundheitskarte (eGK) geplant: dies bedeutet, dass die gesamte medizinische Vita auf einem Server gespeichert wird - wer wann und warum darauf zugreifen darf (oder es unrechtmäßig tut), bleibt den Versicherten verborgen.
Während die eGK noch Zukunftsmusik ist, ist der Elektronische Entgeltnachweis ELENA schon traurige, und leider recht unbekannte Realität. Neben Arbeitszeiten und Einkünften werden damit für jeden Arbeitnehmer z.B. Betriebsrats- und Gewerkschaftsmitgliedschaften, Kündigungen, Fehlzeiten (entschuldigte und unentschuldigte) und deren Gründe auf Vorrat gespeichert - wohlgemerkt aus Sicht des Arbeitgebers und ohne Einwilligung oder Widerspruchsmöglichkeit des Arbeitnehmers. Und auch hier gilt: wer am Ende rechtsmäßig oder unrechtsmäßig darauf zugreifen kann, steht in den Sternen. Wer aber Behörden zur Gewährung von Sozialleistungen Einsicht in die gespeichterten Daten gewähren muss(!), darf auf jeden Fall die Kosten dafür übernehmen.
Warum der Schutz personenbezogener Daten ein notwendiges Prinzip der demokratischen Gesellschaft ist, hat das Bundesverfassungsgericht im sogenannten Volkszählungsurteil 1983 sehr gut begründet:

Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist. Hieraus folgt: Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus.

Neues Urheberrecht und Open Access

Mit der Novellierung des Urheberrechts bin ich durch die Arbeit in einer wissenschaftlichen Spezialbibliothek in Kontakt gekommen. Bibliotheken haben schon länger mit steigenden Preisen von Fachzeitschriften zu kämpfen und das Online-Angebot von wissenschaftlichen Verlagen wirkt eben nicht entspannend auf diese Situation (wie man ja wegen Wegfall der Vertriebswege denken könnte), sondern wird zu einer Verschärfung der Konditionen genutzt. Aus diesem Grund, und der geplanten weiteren Einschränkung der Sonderrechte für spezifische Nutzer und Gebrauchsarten (Schranken) für besondere Gebrauchsarten (wie z.B. Privatnutzung, Nutzung für Unterricht und Forschung) von urheberrechtlich geschützten Material hat sich in der Bibliothekscommunity breiter Widerstand gegen die Novellierung gebildet. Nur ein absurdes Beispiel für die aktuelle Gesetzeslage ist der Versand von elektronischen Kopien, der für eineinhalb Jahre nur in grafischen Formaten möglich war und jetzt - nach zähen Verhandlungen mit VG Wort und VG Kunst und Bild - mit einigen Einschränkungen (z.B. darf kein Pay-per-view-Angebot des Verlags bestehen) zumindest rudimentär wieder möglich ist.
Ein aktuelleres, unrühmliches Beispiel stellt auch das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 24.11.09 dar: die ULB Darmstadt ist nun dazu gezwungen, die Digitalisate, die sie aus ihrem eigenen Bestand angefertigt hat, vor ihren Nutzern zu "beschützen" - sofern diese sich mit gemeingefährlichen Ausdruck-Absichten oder USB-Sticks nähern. Die Pressemitteilung des Bibliotheksverbandes zu diesem Urteil ist hier(pdf) nach zu lesen. Dass der Zahl der gleichzeitigen Zugänge zu den Digitalisaten an die Anzahl der gedruckten Exemplare gekoppelt ist, ist da schon eher Standardprozedere. Also liebe Darmstädter: Schönschrift üben (angucken und abschreiben ist erlaubt). Oder alles in James-Bond-Manier fotografieren und OCRen (solange diese Gesetzeslücke noch nicht verfüllt ist).
Lange Rede, kurzer Sinn: Das Urheberrecht muss reformiert werden, und zwar zum Nutzen von Urheber, Privatnutzern und Nutzern aus Bildung und Wissenschaft. Und nicht von Verlagen und anderen Verwertungsrechteinhabern, die die faktische Macht, die sie durch nicht substituierbare Güter haben, immer weiter ausdehnen. Faire bzw. freie Lizenzierungsmodelle wie Open Access und Creative Commons müssen politisch unterstützt werden. Zahlreiche Wissenschaftsorganisationen fordern seit 2004 mit der Göttinger Erklärungdiesen Wandel - und es hat sich unter den etablierten Parteien niemand gefunden, der dies ernsthaft zu seinem Anliegen gemacht hat.

Und noch mehr

Stichwortartig ein paar weitere Konzepte, die ich für viel versprechende Ansätze zur Neugestaltung unserer Gesellschaft halte:

  • der Liquid-Democracy-Ansatz, der eine Weiterentwicklung der repräsentativen (böse Zungen sagen: Parteien-)Demokratie durch direktdemokratische und partizipatorische Elemente anstrebt
  • die Commonstheorie (d.h. das Bewusstmachen von Staats-, Privat- und Gemeineigentum und ihrer sinnvollen Nutzung)
  • ein bundeseinheitliches, kostenloses, leistungsfähiges Bildungssystem, das von frühkindlicher Betreuung bis zur Unterstützung von "Lebenslangem Lernen" reicht - eine Investition, die sich gesamtgesellschaftlich lohnt!(am liebsten ja die komplette Abschaffung des Föderalismus - das ist aber leider nicht machbar)
  • das Bedingungslose Grundeinkommen - ein transparentes, einfaches System der sozialen Grundsicherung für alle statt Bürokratie zur Verschleierung von Sozialabbau (also nicht die Althaus- oder FDP-Variante, sondern mit Einbeziehung eines funktionalen Sozialversicherungssystems)

Und das sind für mich Essentials:

  • die Durchsetzung und der Schutz von Grund- und Menschenrechten in Deutschland sowie der Menschenrechte weltweit
  • ökonomisch und ökologisch nachhaltige Versorgungskonzepte für Lebensmittel, Konsumgüter, Energie

Empfehlenswerte Links

  • Der Audiobeitrag Das Internet - ein rechtsfreier Raum?von Philip Banse [Deutschlandfunk, 21.08.2009, 18.40 Uhr], der den Rechtsraum(!) Internet sowie den derzeitigen politischen Umgang damit ausgewogen und umfassend erklärt (aufgrund der Länge habe ich hierdie wichtigsten angesprochenen Themen zusamengefasst).
  • Die Website Open Access Overview von Peter Suber, die stichpunktartig (und aktualisiert) die wichtigsten Konzepte und Forschungen rund um Open Access und Wissenschaftlichem Publizieren erklärt (englisch).
  • Die Informationsplattform Open Access die von mehreren hochkarätigen Wissenschaftsorganisationen unterstützt wird.
  • Die Homepage von Prof. Dr. Rainer Kuhlen, UNESCO Chair in Communications, Experte für Informationsethik, Urheberrecht und Open Access in der Wissenschaft
  • Der Essay Im Besitz des Wissensvon Robert Darnton, der die historische Entwicklung des wissenschaftlichen Publizierens und des Urheberrechts bis zur Massendigitalisierung und dem Google Settlement verfolgt [In: Le Monde diplomatique, April 2009, S. 12/13]
  • Der Aufsatz Google Book Search, Open Access und die VG Wortvon Klaus Graf, der einen konzisen Überblick über die Digitalisierung von Verlags- und Bibliotheksbüchern durch Google Books, den darüber geschlossenen Vergleich (Google Books Settlement) und den Umgang damit in der deutschen Buchszene (VG Wort, Verlage, Autoren) gibt. [In: H-Soz-u-Kult,Diskussionen, 28.08.2009]
  • Ein schöner Einführungsartikel zur Gemeingütertheorie von Bernhard Pötter [In: Le Monde diplomatique, August 2009, S. 10/11]
  • Das CommonsBlogvon Silke Helfrich, auf dem man auch die Gemeinschaftspublikation Wem gehört die Welt? finden kann, die einen guten ersten Einblick in die Commonstheorie gibt.
  • Der Artikel Und sie bewegt sich doch!, von John Weitzmann, Legal Project Lead für Creative Commons Deutschland, der einen strukturierten Überblick über Projekte mit Creative-Commons- und Open-Access-Geschäftsmodellen gibt.

Tierstempel

Panther.png

Verliehen von Gedankenstuecke für den großartigen Urheberrechts-Antrag für Bingen.