SH:Stammtisch Lübeck/Kommunalpolitik/lokaler Pressespiegel

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LN-Online 22.01.13

Von Torsten Teichmann

Lübeck. Das Treffen in einem Nebenraum des Café Czudaj in der Mühlenstraße glich einem gemütlichen Kaffeeklatsch, doch der äußere Anschein trog: Mehrere Stunden lang prüfte die Piratenpartei, die in Lübeck rund 80 Mitglieder hat, auf ihrer „Gebietsversammlung“ am Sonntag akribisch die politische Befähigung ihrer Kandidaten für die Kommunalwahl. Ein Versammlungsteilnehmer sagte mit ironischem Unterton, aber durchaus ernst gemeint: „Das Kandidaten-Grillen gehört dazu.“

Zum Spitzenkandidaten der Kommunalwahl wurde der Rechtsanwalt Oliver Dedow (44) gewählt, der bereits in der Bürgerschaft sitzt und dort in der laufenden Legislaturperiode von der Wählergemeinschaft Bürger für Lübeck zu den Piraten wechselte. Auf den Piraten-Listenplätzen zwei bis fünf folgen Martin Federsel, Nina vom Ende, Detlev Stolzenberg und Yavuz Berrakkarasu.

„Wir müssen in Lübeck mit alten Strukturen aufräumen“, betonte Oliver Dedow. Die Bürger müssten frühzeitiger als bisher in städtische Projekte eingebunden werden. Als Beispiel, wie man mit den Bewohnern einer Stadt nicht umgehen könne, nannte der Jurist städtische Maßnahmen, die erst kurz vor ihrem Beginn verkündet worden seien: den ersatzlosen Abriss der Reecker Brücke, die Großbaustelle am Autobahn-Zubringer Moisling oder das Straßenbauprojekt an der Untertrave.

„Das Betriebssystem der Piraten kann Politik verändern“, ist der Arzt Martin Federsel überzeugt, der das „gläserne Rathaus“ und „eine Bringpflicht der Verwaltung an die Bürger“ forderte. In der Lübecker Bürgerschaft und ihren Ausschüssen dürfe künftig nicht „über die Katze im Sack abgestimmt werden“. Er lehne Fraktionszwang und ideologische Grabenkämpfe ab und trete für eine offene Kommunikation ein.

Detlev Stolzenberg, freier Stadtplaner in Lübeck, ist der Überzeugung, dass es in der Hansestadt mehr Ortsbeiräte geben muss. Auch er griff das Thema Reecke auf: „Hätten die Reecker eine Gemeindevertretung, würde die Brücke nicht ersatzlos abgerissen.“ In Lübeck müssten die Menschen wieder in den „Mittelpunkt des Verwaltungshandels rücken“.

Nina vom Ende forderte, dass städtische Planungen frühzeitig vor der Ratsentscheidung offengelegt würden. „Ich kann nicht mehr nachvollziehen, wo unsere Steuergelder hinfließen“, sagte die Finanzexpertin, die beim Finanzamt Hamburg arbeitet.


ln-online/lokales vom 19.07.2012 00:00

Piraten wollen Lübecks Rathaus gläsern machen

Pirat sein in Lübeck: Fast jeden Dienstag ist Torsten Krahn (41) dabei, wenn sich die Partei in ihrem orangefarbenen Zuhause trifft. Foto: Neelsen Lübeck - Die Piraten möchten bei der Kommunalwahl 2013 antreten, doch es gibt zu wenig lübsche Parteimitglieder – und auch die Themen der Stadt müssen sie sich noch erobern. Die Piraterie beginnt im Herrendamm bei Volker. Orangefarbene Wände, gelbe Tischdecken und blaue Schweinchen auf dem Tisch – Volker Dettmer stellt den 20 lübschen Piraten ein Dach über den Kopf zur Verfügung und Getränke bereit. Außerdem gibt es bei dem 43-Jährigen einen Stellplatz für den quietsch-orangenen Wohnwagen mit Parteilogo, mit dem die Piraten durch die Lande gezogen sind und Wahlkampf gemacht haben. Den Kieler Landtag haben sie erobert, nun ist die Hansestadt dran. Zur Kommunalwahl im Mai 2013 wollen sie antreten, das ist keine Frage. Nur: wie? „Wollen wir alle Wahlkreise besetzen oder nur über die Liste gehen?“ fragt Oliver Dedow (45), der einzige Pirat, der in Schleswig-Holstein in einer Kommunalvertretung sitzt. Der Anwalt ist Überläufer, hat die Bürger für Lübeck (BfL) ohne Meuterei verlassen und Piratenkleider angelegt. Das Problem der Lübecker Piraten: Es gibt noch nicht genug Lübecker. Zwei Gäste kommen an diesem Abend. Eine Frau, die schweigend zuhört und sich nach einer Stunde wieder verabschiedet und ein Mann. Uli, ehemals Lehrer, der zu allem und jedem etwas sagt, gefragt und ungefragt. „Wir haben uns von oben nach unten breit gemacht“, erklärt Florian Mösch (37) das Piraten-Phänomen der fehlenden Basis. Erst kamen die Bundesthemen, dann wurden überraschend vier Landesparlamente erobert, nun sollen die kommunalen Vertretungen ins Visier genommen werden. Doch sich in den verwinkelten, lokalen Themen zurecht zufinden, ist gar nicht leicht. Dazu kommt: Der Lübecker Stammtisch ist einer der ältesten. „Die meisten haben die klassischen Piraten-Themen wie Bürgerrechte und Transparenz angezogen“, sagt Torsten Krahn (41). Jetzt suchen sie den Einstieg in die Kommunalpolitik – und ziehen auch Frustrierte und Besserwisser an. Das weiß Krahn, der es aber locker nimmt: erst einmal machen lassen. Heute Abend soll’s kommunal werden – und doch kommen die Piraten wieder auf ihre Hauptthemen. „Man findet die Hauptsatzung der Bürgerschaft nicht mal im Internet“, moniert Dennis Klüver (47). Auch die Geschäftsordnung sei dort nicht vorhanden. Und überhaupt: Der Umweltausschuss hat nicht einmal sein Protokoll der Mai-Sitzung online gestellt – und wenn es eine Bürgerschaftsvorlage auf die Internetseite der Stadt schafft, dann fehlen garantiert die Anlagen. „Der technische Aufwand dafür ist nicht hoch“, ärgert sich Klüver über die sporadische bis spärliche Bürgerinformation. Die Realität der Bürgerschaftsmitglieder ist für Piraten noch weitaus ernüchternder. „Wir bekommen alles auf Papier“, berichtet Dedow. Vor der Bürgerschaftssitzung werden oft noch kurzfristig Zettel verteilt. Auch als er noch bei der BfL war, hatte diese schon versucht an dem überbordenden Papierwust etwas zu ändern – doch die Wege im Rathaus sind lang und verschlungen. „Und man braucht eine Mehrheit, um etwas durchzusetzen“, sagt Dedow. Deshalb setzt er auf Eigeninitiative: „Wir müssen alles öffentlich machen“, fordert Dedow. Nicht nur öffentliche Papiere, sondern auch die nicht-öffentlichen. „Was ist daran so geheimnisvoll, wenn jemand ein Grundstück von der Stadt kauft?“ fragt Dedow rhetorisch und fordert das gläserne Rathaus. Wenn es nicht von selbst kommt, dann macht er es: „Mein Ziel ist es alles ins Netz zu stellen. Was will man dagegen machen?“ Für Mösch liegt das Problem vor allem darin, dass „auch die Bürgerschaftsmitgliedern schwer an alle Informationen kommen“. Beispielsweise die Verträge zwischen dem Flughafen und Ryanair hätten die Kommunalpolitiker nicht gesehen. Den Weg aus dem Dilemma weiß Klüver: fragen, fragen, fragen. Piraten, Bürgerinitiativen, Lübecker sollen ihre Fragen bei Dedow einreichen, der soll dann die Antworten darauf im Rathaus besorgen und veröffentlichen. „Man muss Informationen zugänglich machen“, ist Mösch überzeugt. Es werde viel Geld ausgegeben, ohne dass die Politiker wüssten wofür. Mösch: „Transparenz kann Politik für den Bürger nachvollziehbar machen und würde viel Geld sparen.“

Von Josephine von Zastrow

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LN vom 05.07.2012 00:00

Strandsalon: Piraten machen Politik im Sand

Mit Laptop im Strandsalon: Torsten Krahn (41, vorne) und Oliver Dedow (45) haben den Stammtisch der lübschen Piraten nach draußen verlegt. Sonst tagen sie immer im LAN-Zentrum im Herrendamm. Foto: Ulf-Kersten Neelsen Lübeck - Es sollte um Kommunalpolitik gehen, doch dann wird über den Landtag geredet. Keine Inhalte, sondern Locher sind das Thema – und die Erkenntnis, dass FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki die Piraten nicht mag.

Nun haben sie den Kieler Landtag eingenommen – und sitzen drin im Elfenbeinturm. „Da drehen wir uns mit viel Geschwindigkeit um uns selbst“, bekennt Uli König. Der 30-Jährige hat seit der Wahl im Mai einen neuen Job, ist einer von 69 Landtagsabgeordneten und berichtet den Lübeckern, wie nun die „Politik mit menschlichem Antlitz“ in Schleswig-Holstein vorangeht. Dieser Wahlspruch prangt auf Königs T-Shirt, er steht im Sand des Strandsalons, und die lübschen Piraten – 18 Männer, zwei Frauen – hören dem Piraten aufmerksam zu, der es bis an die Schalthebel der Macht geschafft hat. König arbeitet oft von 9 bis 22 Uhr in seinem Büro im Landtag, aber „wahrscheinlich sieht man nicht viel, von der Arbeit, die wir gerade machen“, ist seine nüchterne Selbsterkenntnis. Locher besorgen, Computer ausschreiben, Angebote vergleichen, Stellen besetzen, Bewerbungsunterlagen durchsehen, jemanden organisieren, der die „White Boards“ in den Büros aufhängt und die zehn Zentimeter hohen Stapel an Papieren, die täglich auf seinem Schreibtisch landen, wegsortieren. „Bürger schreiben uns nicht“, so König enttäuscht. Dafür hat er massenhaft Post von Verbänden, den Lobbyisten. Willkommen in der politischen Realität. Die sechsköpfige Fraktion will ihrem eigenen Anspruch der Transparenz gerecht werden, stellt alles ins Netz, was geht – so viel, dass man die Themen nicht immer findet, die man sucht. Was nicht funktioniert, ist der Weg „von der Basis zur Fraktion“, merkt Torsten Krahn (41) an, der Lübecker, der als Pressesprecher der Landespartei fungiert. „Das Abgeordnetenhaus ist ein Elfenbeinturm“, gibt König zu. Die Schwelle, hineinzugehen, sei für den Bürger groß. Drinnen sitzen die Piraten mit den sogenannten etablierten Parteien. Als König das Verhältnis der Piraten zur politischen Konkurrenz erklärt, wird es launig. CDU: freundlich bis sachlich. FDP: Fraktionschef Wolfgang Kubicki sei auf Angriff gepolt, sein Vize aber sehr angenehm. Grüne: sehr positiv, außer ihr neuer Minister Robert Habeck („Der scheint ein Problem mit uns zu haben.“). SSW: neutral („Sind ja nicht so viele.“). SPD: sehr positiv, mit Innenminister Andreas Breitner gab es „ein tolles Gespräch“. Von Fraktionschef Ralf Stegner ist König positiv überrascht – hat aber auch schon festgestellt, dass der Mann im Plenarsaal eine ganz andere Seite von sich zeigt. Und Ministerpräsident Torsten Albig? „Lächeln und winken.“ Da schmunzelt die Runde. Die Piraten haben ihn mitgewählt. Zwei Stimmen mehr hat Albig bekommen, als die Dänen-Ampel zusammenbringt. „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass aber mehr Piraten für Albig gestimmt haben – und das weiß auch die SPD“, sagt König. Ach ja – den ersten Skandal haben die Piraten auch schon ausgemacht. Die Telefonanlage im Landtag soll erneuert werden, dabei sei sie noch nicht einmal abgeschrieben. Angeblich funktioniere die Rückruftaste nicht, wenn jemand aus den Landesbehörden anruft. Die neue Anlage koste zehn Euro Miete pro Monat und Apparat, so König. Er ist sich nicht sicher, ob man den neuen Telefonen vertrauen kann. Denn die Kontrolle darüber, wer wen anruft, liege dann beim Innenministerium, so König. Nun, zur Kommunalpolitik kommen die Piraten in der lauschigen Atmosphäre des Strandsalons nicht mehr. Oliver Dedow (45) ist der einzige Pirat im Land, der in einer kommunalpolitischen Vertretung sitzt. Er hatte sich von den Bürgern für Lübeck überraschend verabschiedet – und ist zu den Piraten gewechselt. Jetzt startet er die kommunalpolitische Offensive – beim nächsten Treffen der Piraten.

Von Josephine von Zastrow