Benutzer:TATE/Kandidatur

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Meine Kandidatur

Im Rahmen der Vorbereitungen auf die bald bevorstehenden Aufstellungsversammlungen wurde ich mehrfach gefragt, ob ich nicht auch für den Bundestag oder Landtag kandidieren würde. Ich habe besonders in den letzten Tagen mehrfach darüber nachgedacht und mir die Entscheidung nicht leicht gemacht.

Bundestag

Schon vor etwa 2 Jahren kamen bei mir die ersten Überlegungen auf, ob für mich 2013 eine Kandidatur für den Bundestag oder den Landtag in Betracht kommt. Und da kam bei mir sehr schnell das Fazit auf, dass der Bundestag nichts für mich ist. Einerseits hat mich mit dem Horror-Zugangserschwerungsgesetz 2009 zwar ein Bundesthema zu den Piraten gebracht und auch Bürgerrechte, Netzpolitik und auch Urheberrecht sind klare Bundesthemen.

Dennoch, die Tatsache dann zwischen München und Berlin zu pendeln und sich auf eine komplett fremde Stadt einzustellen zu müssen, sind für mich ein kleiner Horror.

Zur Erläuterung: Mir mangelt es absolut an Selbstbewusstsein gegenüber fast allen Menschen, besonders denen, die ich nicht kenne oder die ich nicht einschätzen kann. Bis ich jemandem vertraue dauert es einfach sehr lange. Daher wäre die Idee, quasi allein nach Berlin zu gehen für mich schon eine extreme Herausforderung, selbst wenn man dabei nicht plötzlich Abgeordneter im Bundestag wäre. Zusammen mit der zu erwartenden Erwartungshaltung der Presse und der Piraten selbst wäre das für mich eine Aufgabe, der ich mich einfach nicht gewachsen sehe.

Auch die Idee, komplett nach Berlin zu gehen ist für mich nicht verlockend. Ich liebe München, ich will es nicht verlassen, hier fühle ich mich wohl. Zumal man ja auch, wenn man ein Mandat im Bundestag errungen hat, für seinen Wahlkreis und sein Bundesland verfügbar sein sollte.

Daher stand für mich schon sehr früh fest, dass der Bundestag für mich nicht in Frage kommt. Von den Chancen auf einen halbwegs vorderen Listenplatz und einen Einzug mal ganz abgesehen...

Landtag

Schon während meines Studiums bin ich bei einigen Demonstrationen in München mit auf der Straße gestanden und habe gegen die Einführung von Studiengebühren gekämpft. Zugegebenermaßen damals nur bei Demos und nicht weiter engagiert, aber schon damals war ich einerseits begeistert, mir über 30.000 anderen Studenten in München einen ganzen Stadtteil lahmzulegen. Andererseits hat es auch frustriert, weil man gesehen hat, dass die etablierte Politik es einfach ignoriert und trotzdem ihre unsinnigen Gesetze durchdrückt.

Als Wissenschaftler an der TU München habe ich selbst mitbekommen, wofür die Studiengebühren ausgegeben wurden. Und was für eine Hürde sie für Studenten sind. Die sie in ihrem Studium einschränken, weil es unbedingt einen zweiten oder dritten Nebenjob braucht, um Lebensunterhalt und Studiengebühren bezahlen zu können. Oder wie es andere gleich ganz davon abhält, überhaupt erst ein Studium aufzunehmen. Dabei ist Bildung ein so wichtiges Gut, dass man nicht verkaufen sollte. Sondern jedem kostenlos zur Verfügung stellen.

Daher war ich auch sofort dabei, als Ende Juli 2011 Stefan (damals noch mit einem unsichtbaren) Stempel zu mir kam und mich gefragt hat, was ich von einem Volksbegehren halte und ob ich persönlich mitmache. Wir haben in einem kleinen Team von nicht mal 10 Leuten innerhalb von 10 Tagen eine Pressekonferenz organisiert, die Webseite auf die Beine gestellt, das benötigte Formular entworfen und an die überaus bürokratischen Vorgaben angepasst, einen Flyer entworfen und vieles vieles mehr auf die Beine gestellt. So fallen auch heute noch Aufgaben fürs Volksbegehren an, die man gerne erledigt. Auch wenn sie zeitaufwendig sind. Nerven kosten. Aber man weiß, es ist für einen guten Zweck und es lohnt sich.

Spätestens da war für mich das Thema Bildungspolitik das, wo ich gesehen habe, dass es dringend vor allem hier in Bayern Veränderungen bedarf. Das G8, Studiengebühren, Schülerdatenbank. Die bayerische Staatsregierung hat in diesem Themenfeld ganz klar gezeigt, dass sie nicht kompetent handelt und dass man dort noch sehr viel bewegen muss. Daher war ich allein durch das Thema Bildungspolitik schon sehr auf München fixiert. Dazu das Wissen, dass es keinen Umzug bedeuten würde, man hier bleiben kann und dennoch etwas bewegen kann für die zukünftigen Generationen.

Dies alles hatte für mich zur Folge, die Überlegung, eventuell für den Landtag kandidieren zu wollen, nicht ganz aus dem Auge zu verlieren. Doch was spricht dagegen? Ganz einfach: Ich stehe absolut ungern irgendwo im Mittelpunkt. Bei Interviews, gegenüber der Presse, bei Podiumsdiskussionen fühle ich mich absolut unwohl. Wenn ich Fotos von mir sehe fühle ich mich schlecht, weil ich mich bzw. mein Äußeres nicht mag. Wenn ich meine Stimme von irgendeiner Aufnahme höre, schrecke ich prinzipiell erst mal auf. Anhören kann ich mir das dann nicht. Genauso bin ich kein Redner. Wenn ich spontan auf eine oder mehrere Fragen in klar strukturierten Sätzen antworten soll, bin ich überfordert und stammle irgendwelchen Kauderwelsch vor mich hin. Und der Satz hört mit einem komplett anderen Satzbau auf, als er 3 oder 4 Minuten vorher mal begonnen hat. Also alles Voraussetzungen, um der ideale Politiker, die absolute Rampensau zu sein. Oder eben nicht. Genau das war auch ein Grund, warum ich mich bislang immer geweigert habe, ein Vorstandsposten auf höherer Ebene anzustreben. Auf Kreisebene ist das ganze Interesse nicht so hoch, da komme ich noch mit klar. Für alles darüber hinaus sehe ich mich nicht geeignet.

Wie verrückt muss man denn eigentlich sein, um unter diesen Bedingungen überhaupt auf die Idee zu kommen, es auch nur in Erwägung zu ziehen, für irgendein Abgeordnetenmandat zu kandidieren? Eine berechtigte Frage, die ich mir selber nie wirklich beantworten konnte. Daher habe ich bis vor wenigen Wochen auch noch überzeugt gesagt, dass ich nicht kandidieren werde. Aber diese Überzeugung hat jetzt deutlich gewankt...

Es begann am Landesparteitag, als man miterleben musste, wie absolut unfähige Leute meinten, für ein Vorstandsamt im größten LV der Piratenpartei kandidieren zu müssen. Und sich dabei wirklich auch noch realistische Chancen ausgerechnet haben. Auf der frisch gelaunchten Kandidatenplattform sah man dann erstmals, wer scheinbar ernsthaft für Bundestag oder Landtag kandidiert. Oder sogar für beides. Und dabei kennt man einige und hält sie für absolut ungeeignet und würde sich in Grund und Boden schämen, wenn der oder diejenige Abgeordneter wäre. Oder auch nur Kandidat in irgendeinem Stimmkreis oder auf der Liste. Andere Kanditen auf der Kandidatenplattform kannte ich gar nicht. Weder vom Namen, vom Nicknamen oder vom Foto her. Okay, das heißt bei mir nichts, mein Namensgedächtnis ist schlimmer als ein Sieb und durch meine Schüchternheit/Verschlossenheit bin ich auch nicht wahnsinnig gut vernetzt. Das war also kein valides Argument, um Kandidaten einzuschätzen. Aber wenn man dann die Fragen angeschaut hat, die andere Piraten dort gestellt haben, weiß man auch woran man ist. Wenn aktive Piraten von einem KV/Stammtisch den potentiellen Kandidaten nicht kennen und Kandidaten dann auch noch antworten, dass sie bisher nicht aktiv waren sich aber dann in ein paar Monaten aktiv einbringen wollen, dann explodieren bei mir die Alarmglocken.

Wie habe ich es deswegen vor ein paar Tagen auf Twitter formuliert: "Ich halte mich nur zu 75-80% geeignet als Abgeordneter, aber besser als 75-80% der Abgeordneten auf der Watch-Plattform" Allein das hat mich überlegen lassen, zu kandidieren, um nicht die Kandidaten/Karrieristen/Trolle oder wie auch immer man sie nennen will, die Oberhand gewinnen zu lassen. Im Rahmen der Planung der Aufstellungsversammlungen zum Landtag habe ich mir erst vor wenigen Tagen die Liste der eingetragen Kandidaten für die Stimmkreise angeschaut. Da war ich doch positiv überrascht, als ich gesehen habe, dass es in manchen Stimmkreisen nicht nur einen Kandidaten gibt, dem ich das wahrlich zutraue, sondern in manchen Stimmkreisen auch 2 oder gar 3 gute Kandidaten auf der Liste stehen. So dass Hoffnung besteht, dass jeweils ein "vernünftiger" Kandidat sich durchsetzen wird. Beeinflussen kann man es ja schließlich nicht. Das entscheidet ja jeweils die entsprechende Versammlung. Andererseits gibt es auch Stimmkreise, wo ich kein gutes Gefühl habe und nicht weiß, ob ich dort überhaupt einem Kandidaten guten Gewissens meine Stimme geben würde, wenn ich denn abstimmen dürfte. Daher werde ich lieber erst mal versuchen, in meinen Augen geeignete Kandidaten zu fragen, ob sie sich eine Kandidatur nicht zutrauen würden und sie dann im Falle einer Kandidatur zu unterstützen. Eine Unterstützung bei deren Kandidatur und Wahlkampf habe ich genauso auch schon einigen wenigen Kandidaten zur Bundestagswahl versprochen, bei denen ich absolut persönlich absolut überzeugt bin, dass sie die potentielle Aufgaben gewissenhaft, ernsthaft und auch souverän meistern können. Dort die versprochene Unterstützung liefern und zeitgleich selbst für den Landtag kandidieren ist in meinen Augen nahezu unmöglich.

Im Rahmen meiner Überlegungen kam mir der Blogpost von Katja Dathe (http://dathe.wordpress.com/2012/08/13/love-it-change-it-or-leave-it-2/) wieder in Erinnerung. Und ich glaube ich würde gegen Regel Nummer 1 verstoßen. Und da ich mich dann evtl. auch noch verpflichtet fühle, es durchzuziehen, würde ich wohl auch sofort noch gegen Regel Nummer 2 verstoßen. Weil man es ja versuchen muss. Schließlich hat man ja vollen Einsatz versprochen, egal was da komme...

Ich weiß nicht, ob ich der Belastung als Abgeordneter auf Dauer standhalten könnte. Schon jetzt bin ich öfter mal krank, gerne auch mal ausgepowert, wenn das Stresslevel zu lange auf einem zu hohen Niveau war. Dann habe ich selbst die Notbremse gezogen. Und mich zurückgezogen und ein oder zwei Tage Pause gegönnt, um den Akku wieder aufzuladen. Und dabei hatte ich schon ein schlechtes Gewissen, wenn man einmal zugesagte Unterstützung absagen oder verschieben musste. Als Abgeordneter muss man da besser "funktionieren", muss besser Aufgaben auch delegieren können.

Nachdem ich meine Zweifel ob einer Kandidatur öffentlich geäußert hatte kam von mehreren Seiten Zuspruch und ich solle es doch versuchen und man würde es mir zutrauen. Auch von Personen, von denen ich das nicht erwartet hätte. Ich danke allen, die mir das zutrauen für das Vertrauen. Aber wie meine eigene Einschätzung da aussieht habe ich glaube ich oben schon dargelegt.

Fazit

tl;dr: Ich werde nicht für den Bundestag oder Landtag kandidieren. Ich halte mich nicht für 100%ig geeignet.

ABER:

  • Ich bleibe weiterhin aktiv. Und das vor allem im Hintergrund, wo man sein Gesicht nicht vor eine Kamera oder ein Mikrofon halten muss und ich in einem kleinen Team, wo ich mir selbst meine Mitstreiter aussuchen kann, oder auch mal alleine arbeiten kann. Denn das ist es, was mir am meisten liegt.
  • Ich werde natürlich aktiv im Wahlkampf mitmachen. Aber halt eher beim Plakate kleben und aufhängen statt auf einer Podiumsdiskussion. Eher beim Flyern von Briefkästen als bei einem Werbespot. Oder als Unterstützer von einzelnen Kandidaten. Oder in der Logistik, die im Idealfall niemand überhaupt wahrnimmt, weil sie einfach funktioniert.
  • Ich werde dem Kreisverband München weiter soweit möglich zur Verfügung stehen. Genauso auch der Verwaltung im Landesverband. Ihr könnt auf mich zählen.
  • (Oder wenn man es mit anderen Augen sehen will: Ihr werdet mich nicht so einfach los ;-))