Benutzer:Oibelos/Fluegelstreit

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Der Flügelstreit

Ich schreibe Flügelstreit, statt Richtungsstreit, da ich denke, dass wir uns über unsere politischen Ziele eigentlich gar nicht so uneins sind. Mich trennt womöglich vom sozial-liberalen Flügel mehr als vom linkeren Flügel, dennoch unterstütze ich klar den sozial-liberalen.

Der Grund dafür liegt in Methoden, derer sich Teile des linkeren Flügels bedient haben. Und denen innerhalb des linkeren Flügels zu wenig bis gar nicht widersprochen wurde.

Aktuelles Beispiel ist #Bombergate. Da wurde der Tod von 20.000 Menschen regelrecht abgefeiert mit Sprüchen wie "Sauerkraut, Kartoffelbrei, Bomber Harris, Feuer frei!". Das ist menschenverachtend.

Weiteres prominentes Beispiel ist #Flaggengate. Die Antifa ist keine politisch einheitliche Gruppe. Innerhalb der Antifa gibt es Gruppen, die unseren aktuellen politischen Systeme der EU-Staaten als Vorstufe des Faschismus, als Ursache des Faschismus oder sogar schon als Faschismus ansehen. Dementsprechend will man auch die demokratischen Rechtsstaaten bekämpfen, in denen wir aktuell leben.

Das Aufhängen der Flagge sollte provozieren. Manche, die an der Aufhängung beteiligt waren oder das unterstützten, wollten tatsächlich nur ein Zeichen gegen rechts setzen, was absolut zu unterstützen ist. Andere wollten gezielt provozieren. Da die Antifa-Flagge dafür als nicht ausreichend empfunden wurde, hängte man noch die anarcho-syndikalistische Flagge dazu. Und die Provokation zündete. Trotzdem traute sich niemand, einen Antrag zu stellen, die Flagge abzuhängen. Zu groß war die Angst, als Nazi abgestempelt und politisch hingerichtet zu werden.

In den Jahren zuvor hat man schon einige Leute als Nazi / rechts abgestempelt, gemobbt, fertig gemacht. Zum guten Teil traf es dabei tatsächlich die richtigen (wobei die Methoden dennoch z.T. abzulehnen sind). Aber das ist gar nicht der Punkt.

Der Punkt ist, dass damit Exempel statuiert wurden.

Je mehr dieser Fälle es gab, desto weniger trauten sich gemäßigte Piraten, etwas gegen die ganz linken zu sagen. Stattdessen stellten sich höchstens noch Spinner und Rechte gegen die ganz ganz Linken. Und das führte dann dazu, dass die Gemäßigten noch stiller wurden. Denn sie wollten sich keinesfalls mit den Spinnern und Rechten solidarisieren oder mit ihnen in einen Topf geworfen werden.

Eine Radikalisierungsspirale setzte ein. Und als Gemäßigter stellt man sich im Konflikt natürlich keinesfalls auf die Seite der Rechten und Spinner. Man solidarisiert sich mit den ganz Linken. Allerhöchstens verhält man sich still.

Eine weitere Strategie ist die Opferrolle und die Einforderung von Solidarität. Nichts eint so sehr, wie ein gemeinsamer Feind. Und der schlimmste denkbare Feind in der Politik ist der Nazi. Wer in der Partei Unterstützung bekommen will, sogar von politischen innerparteilichen Gegnern, geht so vor: Mensch* provoziert mit einer Aktion, die u.a. Nazis provoziert. Von Nazis kommen anschließend üble Drohungen. Dann fordert man innerparteilich Solidarität im Kampf gegen diese Bedrohung. Und schon erfährt man Unterstützung sogar vom innerparteilichen Gegner. Der bezieht das nur auf die aktuelle Bedrohung. Aber an andere ist das Signal, dass Person X nun auch Person Y unterstützt. So zieht man Stück für Stück, Provokation für Provokation, die Partei immer mehr in die gewünschte Richtung. Ist die Person, mit der man sich solidarisieren, die man beschützen soll, weiblich, funktioniert das besonders gut, weil nicht wenige Hetero-cis-Männer, seien sie noch so genderbewusst, in solchen Situationen zum Macker werden.

Nach dem #Bombergate hat diese Methode nicht mehr funktioniert. Der Bogen war überspannt.

Solche Methoden zu benutzen, bewusst oder unbewusst, ist gefährlich. Besonders in einer politischen Partei. Denn diese Methoden sind antidemokratisch. Wir dürfen solche Methoden nicht legitimieren, indem wir sie dulden. Demokratie ist nur dann gerecht, wenn die Spielregeln eingehalten werden. In einer demokratischen Partei muss die Mehrheit über den Kurs bestimmen. Leise und gemäßigte dürfen nicht mundtot gemacht werden.

Ein weiterer Aspekt ist die Emotionalität allgemein. Es wird ständig eskaliert, skandalisiert, sich empört. Das macht es schwer, einen kühlen Kopf zu behalten. Auch das führt zu Radikalisierung. Wenn die Emotion übernimmt und der Verstand abschaltet, gibt es nur noch schwarz oder weiß. Und plötzlich heiligt der Zweck jedes Mittel. Abwägungen zwischen den Grundrechten der einen und denen der anderen sind nicht mehr möglich.

Wir müssen diese Radikalisierungsspirale durchbrechen.

Empathie ist die einzige Emotion, der wir in der Politik großen Raum geben dürfen und müssen. Wir wollen als Partei politische Verantwortung übernehmen. Und das verlangt, dass wir verantwortungsvoll handeln. Dass wir einen kühlen Kopf behalten. Dass wir keine Wut schüren. Und dass wir im Großen und Ganzen die Spielregeln einhalten, deren Zweck es ist, die Rechte jedes Menschen zu wahren. Diese Spielregeln sind der Gegenentwurf zum Recht des Stärkeren.

Wir dürfen nicht dulden, dass die, die Methoden wie die oben beschriebenen beherrschen, die Rechte der anderen mit Füßen treten. Auch das ist aktiver Schutz der Grundrechte.

Darum stelle ich mich in diesem Konflikt auf die Seite der Gemäßigten, der sozial-liberalen.

tldr; Radikalisierung gefährdet durch Emotionalität und Schwarz-Weiß-Denken Grundrechte und Gerechtigkeit.


P.S.: In Antifa-Gruppen sind einige dieser Mechanismen notwendig. Wir sind aber eine Partei. Wir haben eine andere Aufgabe und Verantwortung.