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Parlament im 21. Jahrhundert

Parlament und parlamentarischer Betrieb

Wir Piraten erachten eine möglichst umfassende Gewaltenteilung im Staat als absolut sinnvoll und notwendig. Wir sind daher der festen Überzeugung, dass das Parlament gegenüber der Regierung gestärkt werden muss. Unser Fernziel ist eine strikte Trennung der exekutiven und legislativen Gewalt.

Um dies zu erreichen ist es unabdingbar das Parlament zu stärken und die parlamentarischen Prozesse hin zu mehr Transparenz und Beteiligung der Bürger zu öffnen.

Das starke Parlament

Im derzeitigen parlamentarischen Betrieb werden viele Gesetzesvorlagen von der Regierung und ihrer Verwaltung ausgearbeitet. Wir können nachvollziehen, dass Ministerialverwaltungen an der Entstehung von Gesetzen beteiligt werden möchten, sind sie doch Experten auf ihrem Gebiet und in der Regel direkt von der Umsetzung und Anwendung der Gesetze betroffen. Wir sind jedoch der Meinung, dass das konkrete Ausarbeiten der Gesetzestexte dem Parlament vorbehalten sein muss. Die Verwaltung und die Exekutive sind aus Sicht der Gesetzgebung externe Lobbyisten.

Stärkung der Parlamentsverwaltung

Damit das Parlament diese zusätzlichen Aufgaben erfüllen kann, muss es gezielt gestärkt werden. Wir befürworten daher neben dem "Parlamentarischen Dienst" und dem "Zentralen Dienst" in der bayerischen Parlamentsverwaltung weitere Abteilungen für die inhaltliche Arbeit. Ein "Wissenschaftlicher Dienst", analog zu dem des Bundestages, ermöglicht es den Landtagsabgeordneten, sich unparteiisch und unabhängig von der Sachkompetenz der Ministerien zu bestimmten Themen zu informieren sowie entsprechende Gutachten erstellen zu lassen. Ein "Juristischer Dienst" kann ohne parteipolitische Brille eingebrachte Gesetze hinsichtlich ihrer rechtlichen Folgen bewerten und auf mögliche Fehler untersuchen.

Stärkung der Parlamentsfraktionen

Unabhängig von der Parlamentsverwaltung müssen die Parlamentarier und Fraktionen mit ausreichenden finanziellen Mitteln versorgt sein, damit sie entsprechend qualifiziertes Personal beschäftigen können, um ihren zusätzlichen Aufgaben gerecht werden zu können.

Das transparente Parlament

Für uns Piraten ist die Transparenz politischer Prozesse sowie parlamentarischer Entscheidungsfindung und -träger ein elementarer Bestandteil der Demokratie im 21. Jahrhundert. Die Einwohner Bayerns haben das Recht zu erfahren, wie politische Entscheidungen zustande kommen. Wichtig ist hierbei, dass Transparenz Teil der politischen Prozesse ist und nicht erst zustande kommt, wenn Menschen z.B. aufgrund von Informationsfreiheitsgesetzen aktiv Auskunft verlangen. Transparenz ist eine unabdingbare Vorraussetzung für die Beteiligung der Menschen an der politischen Entscheidungsfindung.

Ausschüsse und Kommissionen

In Parlamenten werden viele Entscheidungen in Ausschüssen und Kommissionen de facto bereits getroffen, da sich viele Abgeordnete an die Empfehlungen ihrer Fraktionsmitglieder in den Ausschüssen halten. Wir Piraten sind daher der Meinung, dass die Sitzungen dieser Gremien nur in begründeten Ausnahmefällen nicht-öffentlich sein dürfen. Öffentliche Sitzungen sind zu protokollieren und audiovisuell aufzuzeichnen. Protokoll und Aufzeichung sind angemessen im Internet zu veröffentlichen.

Abgeordnete

Die Landtagsabgeordneten tragen eine hohe Verantwortung. Ihre Entscheidungen beeinflussen das Leben von Millionen Menschen direkt und indirekt. Wir Piraten sind daher der Meinung, dass sie in der Pflicht sind, mögliche und tatsächliche Interessenskonflikte öffentlich darzustellen.

Wir fordern daher, dass alle Abgeordnete gesetzlich verpflichtet werden, die Höhe und Herkunft ihrer Nebeneinkünfte genau offenzulegen. Darüber hinaus sollen alle Abgeordneten ihre Mitgliedschaften in Vereinen, Gewerkschaften u.ä. offenlegen, ihre ehemaligen Arbeitgeber dokumentiern und ihre Treffen mit Lobbyisten angemessen veröffentlichen. Auch unabhängig von einer gesetzlichen Verpflichtung werden Abgeordnete der Piraten die genannten Forderungen erfüllen.

Lobbyismus

Lobbyismus ist Teil jeder Demokratie und an sich nichts Verwerfliches. In der parlamentarischen Demokratie muss Lobbyismus jedoch transparent und für alle nachvollziehbar geschehen. Wir fordern daher für den Landtag ein Lobbyistenregister, in dem sich alle Lobbyisten und gehörte Experten im Landtag eintragen müssen sowie einen Verhaltenskodex für Lobbyisten, der von den Abgeordneten beschlossen wird.

Fraktionen

Fraktionen übernehmen im Landtag wichtige Aufgaben und Funktionen. Häufig werden in den Sitzungen der Fraktionen wichtige Entscheidungen getroffen - leider meist hinter verschlossenen Türen. Wir finden, dass Fraktionssitzungen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten öffentlich sein sollen. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhalten Fraktionen zusätzliche finanzielle Mittel. Die Verwendung dieser Mittel muss öffentlich dokumentiert werden. Ebenfalls ist zu dokumentieren, welche Angestellten für welche Funktionen beschäftigt werden.

All diese Punkte wird eine Piratenfraktion im Landtag auch unabhängig von einer gesetzlichen Regelung erfüllen.

Das digitale Parlament

"Code is Law" hielt der angesehene Rechtswissenschaftler Lawrence Lessig fest. Wir Piraten meinen: Code kann die Geschäftsordnung sein. Diese regelt u.a. das Antragsverfahren und die Besetzung der Ausschüsse, damit hat die Geschäftsordnung großen Einfluss auf das Gesetzgebungsverfahren. Die bisher auf den Internetseiten des Parlaments eingesetzte Software dient ausschließlich dazu, den parlamentarischen Betrieb zu dokumentieren und darzustellen. Damit werden jedoch nur die Ergebnisse transparent dargestellt, die politischen Prozesse die zu diesen Ergebnissen führen dagegen kaum. Solange aber keine geheimen Abstimmungen nötig sind, ermöglichen es Demokratie-Softwaresysteme, demokratische Prozesse transparent darzustellen und diese auch transparent und partizipativ zu gestalten. Das zeigen uns die Experimente mit und der Einsatz von solcher Softwares innerhalb der Piratenpartei.

Parlamentssoftware - Parliament Feedback

Wir Piraten halten es deshalb für notwendig, dass das bayerische Parlament eine Open Source Software bekommt, in der alle Aspekte des parlamentarischen Betriebes abgebildet sind. Sie soll den analogen Parlamentsbetrieb nicht nur dokumentieren, sondern den Parlamentsbetrieb nach Möglichkeit auch (teilweise) organisieren.

Die Software soll das Zentrum des parlamentarischen Betriebes bilden und gewissermaßen ein ständiges Plenum des Landtages darstellen. Das Einstellen von Anträgen in das System entspricht dem Einreichen eines Antrags beim Parlament. Anschließend durchlaufen alle Anträge einen definierten Prozess bis zur Beschlussfassung. Für jeden Schritt (z.B. Diskussion, Einbringen von Änderungen, Anhörungen von Experten, Beschlussfassung) sind bestimmte Zeiträume vorgesehen.

Im System sollen alle relevanten Informationen zu einzelnen Anträgen wie Änderungsanträge, Protokolle der zugehörigen Ausschuss- und Parlamentssitzungen, Reden im Parlament, Berichte und Stellungnahmen von Experten sowie Einwürfe von Lobbyisten dokumentiert und mit den Anträgen verknüpft werden. Dabei ist auch auf Barrierefreiheit zu achten (z.B. maschinenlesbarer Text, Untertitel in und Transkription von Videos). Eine geeignete Suchroutine ist ebenso Teil der Software.

Außerdem sollen in dem System alle Abstimmungen des Parlaments und der Auschüsse erfolgen und natürlich das Abstimmverhalten der Abgeordneten für jeden nachvollziehbar dokumentiert werden. Es ist zu erwarten, dass Online-Abstimmungen die Beteilungsquote bei Abstimmungen erhöhen, da die Anwesenheit der Abgeordneten zu einem festen Zeitpunkt im Maximilianeum entfällt. Selbstverständlich sind jederzeit (geheime) Abstimmungen im Plenum möglich.

Der gesamte gesetzgeberische Prozess soll durch das Umstellen auf den digitalen Parlamentarismus für die Einwohner nachvollziehbarer und begreifbarer werden. Damit wird es möglich, Menschen in den parlamentarischen Betrieb direkt einzubinden.

Letztlich soll das digitale Parlament den Menschen in Bayern ermöglichen, sich an Meinungsbildern über einzelne Anträge zu beteiligen, Änderungsanträge zu stellen oder selbst Anträge in den parlamentarischen Betrieb einbringen zu können, wenn sich dafür eine ausreichende Anzahl an Unterstützer in der Bevölkerung oder unter den Parlamentariern findet. Somit wäre auch eine Fortentwicklung des mühsamen und teuren Prozess aus Volksbegehren und Volksentscheid gegeben. Direkte Demokratie im 21. Jahrhundert ist Digitale Demokratie.

Beschluss

Dieser Antrag wurde auf dem Landesparteitag 2013.1 (Protokoll) in Unterhaching als PP082 angenommen.