AG Evolution/Chaos/Situation001

Aus Piratenwiki
Wechseln zu: Navigation, Suche
Situation001

Der folgende Rundumschlag soll bestehende Probleme ins Bewusstsein rufen. Er soll nicht objektiv und nicht vollständig sein, enthält Wertungen, Ansätze etc. und gibt keinesfalls die Meinung einer AG wieder.

„Transparency for the powerful, privacy for the weak“(J. Assange, cypherpunks 2012)

Es wird leider z.T. vergessen, dass die PIRATEN eigentlich AUCH mal ne Datenschutzpartei waren. Viele Möglichkeiten sich zu beteiligen sind aber nicht datenschutzfreundlich. Wer sich für Datenschutz einsetzt wird oft automatisch als „Aluhut“ oder „Bedenkträger“ bezeichnet.

Umgekehrt wird Datenschutz gern als Schutzbehauptung für Intransparenz genommen. Zum Beispiel dann, wenn von „gläsernen Mandatsträgern“ die die Rede ist. Oder sich Politiker(!) damit verteidigen dass wir doch keinen „gläsernen Menschen“ wollten.

Das Schema des Denkens über Datenschutz und Transparenz ist oft Transparenz für die Anderen, Datenschutz für mich. Auch die Idee des „ich hab doch nichts zu verbergen“ ist erstaunlich weit innerhalb der Piratenpartei verbreitet. Mit dem Thema wird folglich individuell und egozentrisch umgegangen. Es geht beim Einsatz für Datenschutz nämlich nicht um Dich sondern auch um die Person neben Dir, die was zu verbergen hat, wie es auch bei Transparenz um die Leute neben Dir geht, die ebenfalls an einem Prozess teilhaben wollen und die ein Recht haben um bestimmte Prozesse und Ereignisse zu wissen.

Die angebliche Toleranz und Offenheit in der Piratenpartei ist auch bei diesem Thema, vor allem ein „wer zuerst kommt, malt zuerst“. Dieses lässt sich z.B. an der Diskussion um die ständige Mitgliederversammlung(SMV) oder dem Umgang mit der liquid Feedback Kritik und Befürwortung sehen. Es wird gegen Wände und nicht miteinander geredet.

Der „piratische Grundsatz“, erstmal zu machen, birgt die Gefahr Dinge ohne und gegen Andere, ausschließlich für sich zu machen. Viele haben sich in ihren kleinen Hoheitsgebieten eingerichtet und verschanzt. Im Fall von Transparenz und Datenschutz gibt es mehrere „kulturelle“ Konflikte.

Es gilt demnach ein gewisses Mindestmaß an Respekt für die Präferenz der jeweils anderen zu entwickeln, die entweder alles oder viel öffentlich haben wollen oder eben, wenig oder nicht öffentlich in Erscheinung treten wollen. Ob etwas grundsätzlich öffentlich oder geheim bleiben muss(!) ist dagegen eine politische Frage, bei der es nicht allein um individuelles Wollen geht.

Bestimmte funktionale Positionen müssen auf bestimmte Weise beschaffen sein. Beispielsweise müssen, wenn es nach politischen Transparenzmaßstäben geht, Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte offenlegen. Wem das individuell nicht passt oder wer sich das möglicherweise „nicht leisten“ kann, ist eben von der Funktion ausgeschlossen.

Transparency by default vs. Privacy by Default

Werden bei einem Router alle Ports auf geschlossen gestellt, so gibt es keine Verbindung zum Netzwerk. Werden alle Ports geöffnet gibt es innerhalb kürzester Zeit kein funktionsfähiges System mehr. Es ist somit beides ungeschickt. Die Metapher vom öffnen oder schließen von Ports hat aber noch einen weiteren Haken. Die „default“ also Werkseinstellungen, der Dinge die es in der Realität so gibt sind nicht die das die einfach „offen“ oder „geschlossen“ sind. Vorgefundenes ist per „default“ mehr oder weniger und in bestimmter Weise transparent. Etwas transparent oder intransparent zu machen bedeutet Arbeit. Wer also nach der Maxime privacy by default „alles“ transparent machen will, vergeudet die eigene Zeit in dem irgendwas transparent gemacht wird. Unter Umständen werden zudem Daten öffentlich gemacht die eigentlich schützenswert wären. Meist wird einfach irgendwas uninteressantes und irrelevantes irgendwo hingekippt. Diese Art der „Transparenz“ kann daher auch Vogonismus oder das ungewollte einrichten von Überwachungssystemen bedeuten.

Race condition Frankfurter Kranz

Der Prozess der Gründung des FKes zeigt das eigentlich kaum eine Möglichkeit besteht, zu verhindern dass sich intransparente aber auch geschlossene Parallelstrukturen bilden. Im Fall des FKes auch, dass sich solche Parallelstrukturen strukturell an Funktionen koppeln können, die mit politischer Macht besetzt sind. Dass also in intransparenten Parallelstrukturen politische Macht verdichtet ist. Ebenso hat sich gezeigt dass der FK nicht die einzige Struktur dieser Art ist. Sondern das es auch weitere lose Netzwerke, wenn nicht sogar Gruppen innerhalb der Partei gibt. Da es bisher noch keine offen, als eindeutige(!) „ideologische Strömung“ oder ähnliches auftretenden Gruppen gab und auch im Positionspapier des FKes eine klare Positionierung durch ein nur allgemein gehaltenes „Manifest“ fehlt gibt es neben einer Menge an denkbaren Möglichkeiten die Erkenntnis: es ist innerhalb der Piraten möglich, jederzeit auch „Klüngel“ oder Netzwerke zu gründen, die keine offene Agenda vertreten.

Die Struktur der Piraten begünstigt sogar Netzwerke und Klüngel dieser Art, da es zum „guten Ton“ gehört sich nach außen „transparent“ zu geben und von „uns“ Piraten oder den Piraten zu reden. Es ist demnach keineswegs ausgeschlossen das Menschen, Gruppen, Netzwerke ihre eigenen „hidden agendas“ verfolgen, es gibt vielmehr Anzeichen und Beispiele dass oft das Gegenteil der Fall ist.

Auch wenn es bisher keine offen als politische Strömungen auftretenden Gruppen gab, so schwelen unter der Oberfläche der PIRATEN eine ganze Menge politischer Konflikte. So finden sich z.B. beim Thema BGE Befürwortung aber auch Gegnerschaft ebenso wie bei der Frage der Art eines BGEs unvereinbare Positionen. Gleiches gilt für die Frage von Kriegseinsätzen etc.

Hidden Agendas und deren Durchsetzung

Wenn Leute überlegen bestimmte Positionen innerhalb der Partei durchzusetzen, nicht weil sie sie unbedingt selbst für besonders wichtig halten, sondern weil durch die Durchsetzung bestimmter Positionen an anderer Stelle, die Positionen ihre Gegner in einer anderen Sache geschwächt werden, dann zeigt dass die Verlogenheit des Gründungsmythos von „wir sind alle Piraten“ und der Aussage, es würde nur um „Inhalte“ gehen. Hier werden nämlich Inhalte instrumentalisiert um Leute loszuwerden oder abzuschrecken.

Gleiches gilt für konstruierte shitstorms, aber auch die Verurteilung derselben. Sobald es gegen die als politische Gegner ausgemachten geht, ist auf einmal (fast) jedes Mittel Recht und vieles wird in Kauf genommen. Es werden also nicht nur Inhalte für parteiinterne Machtkämpfe instrumentalisiert sondern auch politische Ereignisse und insbesondere echte oder angebliche Fehler die Leute gemacht haben.

Ebenso jenseits der Inhalte, wird sich mit formalfoo gebattelt, GO-Anträge, Anzeigen weiterer Unsinn.

Auch werden zum Teil gezielt Leute rausgemobbt, was ja nun wahrlich kein Geheimnis ist.

Warum überhaupt Hidden Agendas?

Wer in der Partei eines Tages Karriere machen will, darf das nicht sagen oder wird nicht gewählt. Wer vor allem wegen eines persönlichen „Machtrausches“ da ist, darf das nicht sagen oder wird nicht gewählt. Wer keinerlei Toleranz gegen andere Positionen aufbringt oder vor allem das eigene Ding durchsetzen will, darf das nicht sagen oder wird nicht gewählt.

Alle Dinge die unbeliebt sind und zum Entzug von Zustimmung führen, führen damit tendenziell zu einer hidden agenda. Denn was nicht geäußert werden kann, kann ja trotzdem vorhanden sein. Es drückt sich dann nur anders aus.

Zum Teil braucht es sogar die Zustimmung von Menschen die eigentlich politische Gegner wären, wenn offen und klar gesagt werden würde, um was es geht.

Schlussendlich ist es in einigen Fällen effizienter, wenn nicht sogar der einzig erfolgversprechende Weg, Dinge verdeckt, nicht öffentlich oder hinten rum zu machen und sich vllt mal kurz vorher abzusprechen oder politische Gegner mit einem formalfoo Angriff ins abseits zu schieben etc.

Gegnerschaften

Kurz und gut, es gibt politische Gegnerschaften innerhalb der Partei und nicht alle dürfen als solche benannt werden oder nicht bei allen ist es für die Ziele der jeweiligen Gruppen erfolgversprechend diese öffentlich und ehrlich, also vorne herum, auszutragen. Dabei ist es notwendigerweise so, dass die Konflikte, je mehr Programm es gibt zunehmen, weil die Konfliktlinien schärfer werden. Es werden ja nicht nur Gemeinsamkeiten herausgearbeitet mit mehr Programm sondern auch Differenzen. Gleichzeitig versuchen verschiedene Teilgruppen ihr Ding als allgemeines auszugeben und so die Partei als Ganzes in für sie wesentlichen Punkten zu dominieren.

Im Endeffekt bilden sich dabei große Teile der Parteienlandschaft innerhalb der Piraten ab, was zu Konflikten führt. Wer ne Gemeinsamkeit in den ursprünglichen und anfänglichen Zielen hatte und hat, muss die nicht auch z.B. beim Thema Waffenrecht, Tierschutz oder Agrar haben. Neben individuell für irrelevant befundenen Themen, gibt es dabei auch Themen, die für wichtiger befunden werden als andere. Dadurch das andere Parteien in vielen Punkten (scheinbar) nachgezogen sind, gibt es inhaltlich nichts, was die Piraten klar und dauerhaft von anderen Parteien trennt. Andere Parteien beobachten nämlich die Piraten und übernehmen dass, was sie für sinnvoll halten, was bedeutet das wann immer den Piraten ein Wahlerfolg gelingt, andere den Stil kopieren werden. Sind die Piraten nicht erfolgreich, werden dagegen die Reste - möglichst weitgehend – eingesogen werden.

Die Möglichkeit des „forkens“ stellt im übrigen eine bloß theoretische Möglichkeit dar. Wer sich Open Source Projekte ansieht, wird feststellen das jeder Fork eine Schwächung ist. In der Parteienlandschaft bedeutet das, weg zu sein.

Ein anderer politischer Prozess statt Wahlen gewinnen

Wird die unique selling proposition der Piraten betrachtet, dann ist diese, neben vernachlässigten Themen die mittlerweile auch von anderen Parteien besetzt sind, vor allem der politische Prozess: Eine andere Politik.

Es geht also nicht in erster Linie darum das die Piraten Wahlen gewinnen und Piraten auf „wichtigen“ Posten sind, vielmehr geht es darum die anderen Parteien zu treiben, so das sie sich verändern müssen. Die Piratenpartei ist dabei nur Mittel zum Zweck um sowohl Netzpolitik als auch Bürgerrechte durchzusetzen, eben um den politischen Prozess der gesamten Parteienlandschaft zu verändern.

Was derzeit geschieht ist dass sich einfach an andere Parteien angepasst wird. Gerade die Idee jetzt möglichst schnell Wahlen zu gewinnen und das Geschiele auf den Bundestag lässt die Grundidee eines anderen Politikprozesses aus den Augen. Dabei widerspricht die Piratenpartei mittlerweile selbst mehr und mehr dieser Idee, es haben nur noch nicht alle realisiert. Den Rest, außer einer Änderung des politischen Prozesses, können nämlich auch die Anderen und es braucht definitiv keine weitere Partei die so, ist wie der Rest ist, dazu.

So ist es beispielsweise völlig egal wie gut oder schlecht der Vorschlag einer AG ist, wenn die Strukturen dazu nicht passen. Ein Vorschlag muss schließlich früher oder später in den politischen Prozess implementiert werden und in der Art und Weise wie einer erstellt worden ist, werden weitere Folgen. Es ist egal was im Programm steht, wenn das Programm nichts mit dem sonstigen Handeln zu tun hat, wenn es nicht ehrlich ist.

Derzeit kommt noch eine weitere Besonderheit hinzu. Die konkreten Vorschläge zu Themen sind insoweit egal, als die Piraten gar nicht in der Lage sind sie umzusetzen. Sie dienen praktisch vor allem der Werbung. Auch wenn es wichtig ist, sich vorher mit Programm zu beschäftigen, so ist es eher zweifelhaft ob es sinnvoll ist, sich zu jeder Frage eine Position zu entwickeln, ohne dass auch nur eine einzige davon umgesetzt werden könnte und ohne das die eigenen Prozesse, den eigenen Ansprüchen an Politik(zumindest weitestgehend) genügen.

Es ist zum Teil erschreckend, das Piraten mit „Piraten können das“ Sonderrechte für ihre eigene Tätigkeit in Anspruch nehmen, die von außen betrachtet erstmal eine „politische Tätigkeit“, wie die anderer Parteien ist, weswegen auch diesselben hohen Ansprüche an sich selbst gestellt werden müssen. Sind diese vorübergehend unerfüllbar, so können sie wohl kaum glaubwürdig bei anderen Parteien gefordert werden.

Informelle und formelle Machtstrukturen

„Transparenz“ das magische Zauberwort, reicht überhaupt nicht aus um bestimmte Formen der Intransparenz zu verhindern. Transparenz ist so einerseits nur graduell bestimmbar andererseits für sich alleine einfach nicht in der Lage eine Kontrolle politischer Machtstrukturen auszuüben.

Sowohl, weil nicht immer alles offengelegt werden kann, als auch weil die Offenlegung allein überhaupt nicht ausreicht. So ist z.B. in einer Diktatur möglicherweise furchtbar „transparent“, wer was zu melden hat. Es kann dabei demnach nicht allein um „Transparenz“, also Sichtbarkeit/Durchlässigkeit gehen.

Gleichzeitig ergeben sich Hierarchien nicht nur durch demokratische Wahlen, sondern eben auch dadurch, dass die einen vor- den Anderen da waren etc. Bei Hierarchien die nicht gegen Andere genutzt werden gibt es auch keinen Widerstand, was bedeutet, dass sie kaum oder nicht merkbar oder aber sogar gewünscht sind.

Hierarchisierung lässt sich grundsätzlich nicht vermeiden. Die Frage ist ob es möglich ist eine Hierarchie flüssig zu machen, d.h. zu kippen, aber auch wo dies nicht möglich ist.

Lautstärkeproblem und Themen statt Köpfe

Es ist zeitaufwändig jedes mal aufs Neue erst mal Wissen von A nach B zu transportieren. Gleichzeitig besteht ein Problem darin, dass vor allem die lauten Personen innerhalb der Partei präsent und anerkannt sind. Das bedeutet auch das die Arbeit vieler Menschen einfach gar nicht bis kaum beachtet wird. Gleiches gilt für das Wissen was sich innerhalb der Partei streut. So sind Mumble AGs nämlich zum Teil nicht sonderlich einladend, wenn z.B. jemand über dein Fachgebiet redet und offensichtlichen Unsinn redet, es aber einfach zu nervig wäre, Menschen die sich selbst für „Experten“ halten von Kram zu überzeugen, weil sich so oder so die hartnäckigsten durchsetzen werden. Sich auf eine gemeinsame Sprache zu einigen kostet Zeit. Gleichfalls profitieren die Menschen im Vordergrund furchtbar von der Arbeit derer im Hintergrund. D.h. Die Arbeit von Menschen im Hintergrund trägt zur Profilierung Anderer bei. Themen statt Köpfe funktioniert nicht wirklich gut, da Themen am Ende wieder an Einzelnen Köpfen hängen.

vieles weitere

so reicht erstmal für das erste


Zustimmung

Dem ist nur wenig hinzuzufügen! -- Wiskyhotel 05:46, 21. Dez. 2012 (CET)