SH:Kommunalpolitik
Leitfaden für den kommunalpolitischen Einstieg in Schleswig-Holstein
Diese Seite soll einen Einstieg in das Thema Kommunalpolitik bieten. Hier sollen Antworten auf die vor allem organisatorischen und inhaltlichen Fragen gegeben werden.
Was ist Kommunalpolitik?
Aufgaben der Kommunalpolitik
Grundlage: Grundgesetz Artikel 28:
(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muss das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.
(2) Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
(3) Der Bund gewährleistet, dass die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.
(Quelle: dejure.org)
Daher gilt: Alles was vor Ort entschieden werden kann, soll vor Ort, und nicht von höherer Stelle aus, entschieden werden (Subsidiaritätsprinzip).
Kommunale Gliederungen:
Kreisangehörige Städte und Gemeinden (Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein (GO))
Kreisfreie Städte
Die kreisangehörigen Städte und Gemeinden bilden einen Kreis. Dieser übernimmt die Aufgaben, die mehrere Städte und Gemeinden des Kreises betreffen. Siehe auch Kreisordnung für Schleswig-Holstein (KrO).
To Do: Ämter, Zweckverband, Verwaltungsgemeinschaft
Kommunale Aufgaben: Pflichtaufgaben
(vom Bund, bzw. Land gestellt)
· Passwesen (Passgesetz (PaßG))
· Meldewesen (Meldegesetz für das Land Schleswig-Holstein (LMG))
· Standesamtswesen (Personenamtsgesetz PStG))
· Kindertageseinrichtungen (Kindertagesstättengesetz (KitaG))
· Schulträgerschaft (Schulgesetz (SchulG))
· Sozialleistungen (Wohngeld/Kosten für Unterkunft, Erhalt- und Beschaffung von Wohnraum nach dem SGB II, Lstg. nach dem SGB VIII, Leistungen für Asylbewerber, Lstg. nach dem SGB XII, Altenheime, ...
· Brandschutz und Hilfeleistungen (Brandschutzgesetz)
· Lebensmittelkontrollen
· Veterinärwesen
· Straßenbau und -instandhaltung, Winterdienst (Straßen- und Wegegesetz des Landes Schleswig-Holstein (StrWG))
· Versorgung mit Wasser , Abwasserbeseitigung (Landeswassergesetz (LWG))
· Anschluss- und Benutzungszwang an Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Abfallentsorgung, Fernwärme (Ausnahmen in §17 (2) GO), Straßenreinigung lt. §17 GO bei dringendem Bedürfnis durch Satzung für die Grundstücke ihres Gebietes.
· Bauleitpläne (Baugesetzbuch (BauG))
· t.b.c.
Freiwillige Aufgaben
(selbst gestellt)
An dieser Stelle nur ein (wenn auch nicht mehr ganz zeitgemäßes) Zitat:
"Die freiwilligen Aufgaben sind das Herzstück der Kommunalpolitik. Hier geht es um Lebensqualität:
Um Parks, Grünflächen und Bauvorhaben, um Theater, Museen und Orchester, um Kinderkrippen und Jugendeinrichtungen, um Sportplätze, Schwimmhallen und Freibäder, um den öffentlichen Nahverkehr, um Bibliotheken und Freizeitangebote. Je knapper das Geld, desto mehr geraten diese freiwilligen Aufgaben in Bedrängnis, denn vor der Kür kommt die Pflicht."
(Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung, Büro Dresen (Hrsg.), Kommunalpolitik verstehen, 2005)
Spannend wird es, wenn man §3 (1) von GO und KrO neben §3a nebeneinander legt (die beiden Ordnungen sind hier inhaltsgleich):
§3 (1) GO Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung: Den Gemeinden können durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verordnung Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragen werden.
§3a GO Finanzierung der Aufgaben: Die Gemeinden haben die zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Mittel aus eigenen Finanzmitteln aufzubringen. Soweit die eigenen Finanzquellen nicht ausreichen, regelt das Land den Finanzausgleich unter Berücksichtigung der Steuerkraft und des notwendigen Ausgabebedarfs der Gemeinden.
Vorhandene Mitglieder ansprechen & motivieren
Wir als Piraten sind nicht wie üblich von oben nach unten gewachsen, sondern wir haben gleich ganz oben angefangen. Gerade über die Kommunalpolitik haben sich die meisten von uns daher noch keine Gedanken gemacht. Um eben diesen Denkprozess in Gang zu setzen, steht jedem Kreis sowohl eine E-Mail als auch ein Anschreiben per Brief zu. Dort könnt ihr die Mitglieder vor Ort zu einem "Kreisstammtisch" oder ähnlichem einladen und dort eure Ambitionen für die Kommunalpolitik erörtern. Dazu gibt es Vorlagen für ein Einladungsschreiben und eine kleine Planungshilfe für einen kommunalpolitischen Konzepttag. Zu diesem Treffen könnt ihr gerne Mitglieder der AG Kommunalpolitik und DrakeX einladen, sie werden versuchen eure Fragen zu beantworten und euch so gut es geht unterstützen.
Letztendlich ist aber gerade die Kommunalpolitik eine Frage der Motivation, denn sie ist im Gegensatz zu einem Mandat auf Bundes- oder Landesebene ein reines Ehrenamt und man bekommt nur eine minimale Aufwandsentschädigung. Es ist daher wichtig die tatsächliche Bedeutung der Kommunalpolitik in unserem Staat zu kennen und ein gesteigertes Interesse an der eigenen Umgebung und deren konkreten Probleme zu haben. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, sollte man die Ausschusssitzungen der Kreis- und/oder Gemeindevertretung besuchen und sich mit bereits in der Kommunalpolitik aktiven Piraten unterhalten.
Verteilung von Aufgaben und Verantwortung
Bedingt durch die bereits etablierte Struktur der anderen Parteien wird genau das gleiche auch von uns erwartet. Letztlich fragen die Bürger einen aber nicht nach einer Form der Unterstruktur, sondern nach konkreten Ansprechpartnern und Kontaktdaten. Eben diese sollten offensichtlich an geeigneter Stelle aufgeführt werden. Diese Aufgabe können gerne die Stammtischleiter oder jemand anderes übernehmen, Hauptsache es werden regelmäßig die E-Mails abgerufen und zeitnah beantwortet, auch wenn diese Antworten nur den Verweis auf eine andere Person enthalten. Sie dienen sozusagen als ein Nachrichtenverteiler, der die externen Anfragen intern an die passende Stelle leitet und die Antwort von dort dann zurück gibt.
Darüber hinaus hat man die Möglichkeit Piraten vor Ort mit einer Verwaltungskompetenz (Mitgliederverwaltung, Finanzen und Presse) auszustatten, in dem man sie bei einer Gebietsversammlung wählt und dann vom Vorstand beauftragen lässt. Diese hätten entsprechend Zugriff auf die Mitgliederdaten, ein festgelegtes Budget und sie hätten einen Hauptverantwortlichen für die Pressearbeit. Der Pressepirat ist dazu angehalten sich für seine Arbeit mit dem Team Presse zu vernetzen. So wird der Landesvorstand entlastet und man hat demokratisch legitimierte Verantwortliche für die wichtigsten Verwaltungsaufgaben. Wem all das nicht reichen sollte, der kann auch im Rahmen der herkömmlichen Strukturen einen Kreis- und später einen Ortsverband gründen.
Die AG Kommunalpolitik ist eine landesweite Arbeitsgruppe, welche die einzelnen Piraten vor Ort bei Verwaltungs- und Organisationsfragen unterstützt. Dort wird auch über inhaltliche Themen diskutiert die letztlich in allen Kreisen und Gemeinden kaum unterschiedlich sind. Zu dieser AG haben sich diverse lokale Untergruppen gegründet, die sich ganz konkret mit dem Erarbeiten von politischen Inhalten für die jeweiligen Regionen beschäftigen. Dies haben sie meist getan, um die konkrete Inhaltserarbeitung für die Kommunalpolitik von den Stammtischen zu lösen, denn die Stammtische dienen hauptsächlich als Anlaufstelle für Interessierte aller Bereiche, von Bundes- über Landes- bis hin zu Kommunalpolitik. So kann dieser Schwerpunkt gewahrt werden und man ist bei der Wahl eines Diskussionsthemas wesentlich flexibler.
Beschluss eines Wahlprogramms und die Aufstellung von Kandidaten
Um ein Wahlprogramm offiziell verabschieden zu können, braucht es eine Gebietsversammlung oder eine Mitgliederversammlung des Unterverbands aller in dem entsprechenden Gebiet wohnhaften Piraten. Nähere Informationen wie so etwas aussehen kann findet ihr unter der Rubrik Verteilung von Aufgaben und Verantwortung. Wie so ein Wahlprogramm letztlich aussehen kann oder sogar muss, darüber gibt es verschiedene Meinungen. Einige Anregungen könnt ihr euch bei dem Überblick über die bisherigen Kommunalwahlprogramme holen.
Für die Aufstellung von Kandidaten zu einer Wahl bedarf es ebenfalls einer Mitgliederversammlung, auch Aufstellungsversammlung genannt.
Anforderungen an die Kandidaten
Um zu verstehen, wie viele Leute für die erfolgreiche Teilnahme an der Kommunalwahl (speziell um Kreistage zu entern) wir brauchen, ist es notwendig, zwischen Listenkandidaten und Direktkandidaten zu unterscheiden.
Listenkandidaten sind diejenigen PIRATEN, die auch wirklich ein Mandat erringen wollen. Um sicherzugehen, dass man alle möglicherweise anfallenden Mandate besetzen kann, braucht man ca. 8-10 Kandidaten für die Liste. Einberechnen muss man dabei ein möglicherweise gutes Wahlergebnis, welches 4-5 Leute Mandatsträger bedeuten kann und die Tatsache, dass 2-3 Leute möglicherweise im Laufe der Amtsperiode von ihrem Mandat zurücktreten oder es gar nicht erst annehmen. Dies klingt erst einmal sehr ernüchternd, aber wir gehen dabei vom schlimmsten Fall aus und außerdem kommt das auch bei anderen Parteien durchaus vor. Die persönlichen Umständen hindern einen eben manchmal sein Ehrenamt weiterhin wahrnehmen zu können und dies lässt sich leider oft nicht verhindern.
Direktkandidaten sind in der Regel aufgrund des Wahlsystems bei kleinen Parteien nur "Stimmensammler" und haben wahrscheinlich keine Chance auf einen direkten Einzug. Sie sind aber wichtig, da nur da die abgegeben Stimmen für die Liste zählen, wo überhaupt Direktkandidaten angetreten sind. Direktkandidaten müssen kein PIRAT sein, sie müssen lediglich auf einer Aufstellungsversammlung der PIRATEN gewählt und aufgestellt worden sein. Mandate werden uns fast sicher nur durch die Liste zukommen, das sollte aber auf keinen Fall bedeuten das die Direktkandidaten nicht wichtig sind. Neben der Funktion als "Stimmensammler" sind sie wichtige Unterstützer im Wahlkampf. Sie vertreten uns als Ortskundige in ihrem Gebieten, mit Infoständen, Flyeraktionen, der Teilnahme an Infoveranstaltungen und Podiumsdiskussionen in Schulen, etc. All dies können die Listenkandidaten allein unmöglich schaffen und gerade wir haben doch den Anspruch an uns selber bürgernah zu sein.
Alle Listenkandidaten können auch als Direktkandidaten aufgestellt werden.
Als gewählter Vertreter sollte man sicherheitshalber mit einem Aufwand von ca. 10-20 Std. in der Woche rechnen. Ausschusssitzungen liegen üblicherweise im Bereich von 16-20:00 Uhr. Es ist außerdem viel Papierkram zu erledigen. Dazu wäre es optimal, wenn man bereits im Voraus die Ausschüsse besucht hat und sich mit den jeweiligen Material beschäftigt. Außerdem ist eine Absprache mit den Piraten vor Ort und den möglichen Fraktionskollegen aus Gründen der Arbeitsteilung sinnvoll.
Dies alles soll euch keinesfalls abschrecken und geht teilweise auch von Extremen aus, aber damit muss man eben klar kommen können. Überlegt es euch also genau und sucht euch rechtzeitig Unterstützer.
Formales:
Um in eine Gemeindevertretung oder in einen Kreistag gewählt werden zu können, ist es erforderlich, dass die Bewerberin oder der Bewerber am Wahltag mindestens 18 Jahre alt ist. Es müssen zudem die übrigen Voraussetzungen für das aktive Wahlrecht gegeben sein; darüber hinaus muss die Bewerberin oder der Bewerber seit mindestens drei Monaten vor dem Wahltag in Schleswig-Holstein eine Wohnung haben oder sich sonst gewöhnlich aufhalten und keine Wohnung außerhalb des Landes haben. Ebenso darf die Wählbarkeit nicht durch Richterspruch oder auf andere Weise aberkannt worden sein.
Der Wohnort muss in dem Wahlgebiet (Kreisgebiet bzw. Gemeindegebiet) liegen, in dem eine Kandidatin oder ein Kandidat sich zur Wahl stellt.
Die Wahlvorschläge sind spätestens bis zum 48. Tag vor der Wahl (bei der Kommunalwahl 2013 ist dieses der 8. April 2013), 18.00 Uhr, bei der zuständigen Wahlleiterin / dem zuständigen Wahlleiter mit allen erforderlichen Anlagen einzureichen.
Grundlage: Analyse des Kommunalwahlgesetzes
Ortsbeiräte
Folgende Informationen zur Kenntnisnahme für alle kommunalpolitisch interessierten Piraten, die in einer Gemeinde antreten wollen:
Laut der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein können Gemeinden für ihre Ortsteile jeweils einen Ortsteilbeirat gründen. Die Gründung dieser Ortsbeiräte obliegt den Gemeindevertretungen, ebenso wie das Wahlverfahren für diese Ortsteilbeiräte. Informationen zu existierenden Ortsbeiräten findet ihr (hoffentlich) auf der Internetseite eurer Gemeinde und in deren Hauptsatzung.
Als Beispiel sei hier §12 der Hauptsatzung der Stadt Kiel genannt: http://www.kiel.de/rathaus/ortsrecht/root/download.php?typ=lf&fid=069716c689f47fb7fd09f9ed950428f6
Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein
(Gemeindeordnung - GO -)
in der Fassung vom 28. Februar 2003
§ 47 b Ortsteilverfassung
(1) Die Gemeinde kann durch die Hauptsatzung für einen Ortsteil einen Ortsbeirat bilden. Die Hauptsatzung kann für den Ortsbeirat eine andere Bezeichnung vorsehen.
(2) Mitglieder des Ortsbeirats können Gemeindevertreterinnen und -vertreter und andere Bürgerinnen und Bürger sein, die der Gemeindevertretung angehören können. Die Zahl der anderen Bürgerinnen und Bürger muss die der Gemeindevertreterinnen und -vertreter im Ortsbeirat übersteigen. Die Hauptsatzung bestimmt die Zahl seiner Mitglieder.
(3) Die Gemeindevertretung wählt den Ortsbeirat. Bei der Wahl der Gemeindevertreterinnen und -vertreter sowie derjenigen anderen Bürgerinnen und Bürger, die einer Partei oder Wählergruppe angehören oder von ihnen vorgeschlagen wurden, soll das Wahlergebnis berücksichtigt werden, das die Parteien und Wählergruppen bei der Wahl zur Gemeindevertretung im Ortsteil erzielt haben. § 46 Abs. 1 und 2 Satz 1, 3 und 6 gelten entsprechend.
(4) Abweichend von Absatz 3 kann die Gemeindevertretung beschließen, dass der Ortsbeirat von den Einwohnerinnen und Einwohnern gewählt wird. Das Wahlverfahren wird durch Satzung geregelt.
(5) Die Sitzungen des Ortsbeirates sind öffentlich. Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn überwiegende Belange des öffentlichen Wohls oder berechtigte Interessen Einzelner es erfordern. Über den Ausschluss der Öffentlichkeit beschließt der Ortsbeirat im Einzelfall. § 35 Abs. 2 Satz 3 und 4 sowie Absatz 3 gilt entsprechend.