Clubsterben

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Tango-dialog-warning.svg Dieser Artikel ist keine offizielle Aussage der Piratenpartei; die Idee ist von lynX

Wenn du meinst diese Idee erweitern zu können, tu es. Diskutiert ihr zu mehreren an der Idee, könnt ihr auch die Vorlage:Diskussion setzen.

„Gerade Berlin gibt ja mit seinem Clubsterben ein eindrucksvolles Beispiel für die Verlogenheit öffentlicher Kulturpolitik: Da wird mit einem zweistelligen Millionenbetrag der Umzug einer der reichsten Plattenfirmen der Welt, des Global Players "Universal Music", an die Spree subventioniert, während die örtliche Club-Szene darbt, es an geeigneten Venues mangelt.“
Berthold Seliger, Haus der Kulturen der Welt

Unbürokratisches Kulturschaffen

Berlin begeht mitunter den gleichen Fehler, den New York und andere Städte schon begangen haben: Rücksichtsloser Umgang mit dem Nachtleben, obwohl dieses einer der Hauptgründe ist, weswegen der Rest der Welt Berlin verehrt und besuchen will.

Berlin lebt von ihrem Ruf, die Stadt der unglaublichen kulturellen Freizügigkeit und Vielfalt zu sein, aber das Berliner Nachtleben ist nicht beliebig belastungsfähig. Wenn die Politik nicht anfängt diese Pflanze zu gießen, statt sie wie Unkraut herauszureissen, wird Berlin in zehn Jahren eine Stadt wie viele andere sein, und der Hype um Berlin wirklich nur noch ein Hype. Dann hat Berlin bald nicht nur kein Geld, sondern auch keinen intelligenten Tourismus und kulturellen Zuzug mehr – also das, was diese Stadt immerzu erneuert.

Im Kleinen gilt das wohl auch für andere Städte Deutschlands, wobei die nicht die einmalige Geschichte Berlins haben, welche dazu geführt hat, dass Kultur und Nachtleben, wie in kaum einer Metropole der Welt, Berlins größter Wirtschaftsfaktor sind (wenn ich mich nicht irre - Fakten erwünscht).

Die Pflanze zu gießen ist übrigens nicht finanziell gemeint – wo einzelnen Projekten Geld zukommt werden andere Projekte im Regen stehen gelassen – es geht um die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die nicht im Lot sind. Wenn die stimmen würden, hätte jedes verrückte Untergrundprojekt seine faire Chance zu bestehen, ohne irgendeine Obrigkeit um Erlaubnis oder Unterstützung bitten zu müssen.

Berlins Exekutive denkt, sie muss, wie in allen anderen Orten der Welt, hart durchgreifen und Berlins einmalige Auswüchse des Kulturlebens eingrenzen - leider greift sie damit Berlins #1 Alleinstellungsmerkmal der Jetzt-Zeit an (Geschichte ist auch wichtig, aber Berlin ist nicht Rom, welches sich als Tourismusgarant vollkommen auf seine Vergangenheit verlassen, und daher Jungkultur mit Füssen treten kann).

Wichtige Voraussetzungen für das einzigartige Berliner Kulturgebräu:

  • Billige Freiräume: Freie Kultur entsteht nur, wo es keine Frage des Portmonnaies ist.[1]
  • Verhältnismäßigkeit bei der Wahrung der Rechte der Anwohner vs. der Rechte der Kulturschaffenden und Genießenden.[2]
  • Grundsätzliche Freizügigkeit seitens der Behörden, unter Beachtung eines vernünftigen Rahmens (Sicherheit, Ökologie usw.)
  • Solide Rechtsgrundlagen (Institutionen der Subkultur nehmen oft merkwürdige Rechtsformen an, weil keine wirklich passt).
  • Tradition: Berlins Geschichte der subversiven Freiräume geht zurück bis in die Zeit der Weimarer Republik und hat sich durch zwei Unrechtsregimes geschlagen.

Kommentar: moog_t ist der Meinung, Berliner Nachtleben ist unkaputtbar. Das ist hoffentlich nicht ganz falsch, aber der politische Rahmen muss trotzdem erhalten werden. Andererseits, zwölf Jahre später sieht es doch erheblich düsterer aus. Also veranstaltet er BE:Fuckparades gegen das Clubsterben, tut er das noch? Wir sind jedenfalls dabei.


Musik bis 24 Uhr?

2011, es läuft eine Petition gegen restriktive Lärmgesetze, welche allerdings auf die bedürfnisse von Konzertbesuchern zugeschnitten ist. Ich zitiere:

  • Änderung des Berliner Landesimmisionsschutzgesetzes
  • Ausnahmeregelung des Schutzes der Nachtruhe zwischen 22 und 24 Uhr für Geräusche, die verursacht werden durch die Nutzung von Tonwiedergabegeräten und Musikinstrumenten, gültig für Wohngebiete innerhalb des Innenstadtrings
  • Anerkennung der Nutzung von Tonwiedergabegeräten und Musikinstrumenten als Ausdruck der menschlichen Entfaltung und Gemeinschaftsbildung als grundsätzlich sozialadäquat und damit zumutbar

Diese Forderung hat den Vorteil, recht einfach und einleuchtend zu sein, und den Nachteil, recht speziell und pauschal zu sein. Clubs und private Feiern bleiben weiterhin benachteiligt (da sie nicht um 24 Uhr aufhören). Aber schonmal besser als nichts.


Musik sei keine Kunst

Ebenfalls 2011, ein Finanzamt hat plötzlich beschlossen, dass DJs Nebensache sind, und das Eintrittsgelder im Nachtleben auf Jahre rückwirkend mit 19% statt mit 7% besteuert werden sollen. Solch eine Rückzahlung ist für viele Clubs und Veranstaltern unmöglich, da sie hart am Limit operieren und die Gewinne längst an die Künstler und Mitarbeiter ausgezahlt sind. Nur wenige verdienen sich eine goldene Nase, und da sollte man genauer hinsehen, warum das so ist. Aus heiterem Himmel aber zu beschließen, was da geschieht sei gar keine Kunst, ist Willkür, und aus meiner Sicht als Künstler auch Unsinn. In den meisten Clubs Berlins wird künstlerisch hochwertiges Material vorgetragen. Nur dort, wo es ums Geld geht, läuft Musik von geringem kulturellen Wert (und selbst da legt der DJ mit dem Herzen auf).


Derzeitige Gesetzeslage in Berlin

Die ist ausgesprochen trist, so wie das derzeitige Landes-Immissionsschutzgesetz Berlin ausgestaltet ist, verbietet es in §3-5 erstmal so ziemlich alles und erteilt dann in §10 den zuständigen Behörden vollkommen freies Handeln und Entscheiden gegenüber den Beantragenden von Ausnahmen. Dies schreit geradezu nach Intransparenz und behördlicher Willkür.

Die im polizeilichen Alltag vollkommen übliche Praxis, eine Geburtstagsparty im Wohnhaus zu dulden, ist überhaupt nicht abgesichert. Auch die übliche Praxis der Verwarnung ist nicht festgelegt, die Polizei könnte genausogut bei der ersten Feststellung des Verstoßes alle Musikgeräte beschlagnahmen und 50.000€ Strafe verlangen. Dies würde ein Gericht dann vermutlich als unverhältnismäßig einstufen, dennoch besteht kein Grund der Exekutive soviel Gestaltungsfreiraum einzuräumen. Beim Kinderlärm und den Kirchenglocken (§6) hat die Legislative ja auch präzise Grenzen gesetzt, warum nur da?

Kein Wunder, dass ein mir nicht bekannter Pirat pauschal die Abschaffung des Gesetzes fordert. Obwohl das m.E. besser wäre, als der Status Quo, würde uns solch eine drastische Positionierung bestimmt eine Menge Ärger einbringen. Stattdessen schlage ich ein differenziertes Vorgehen vor.

Lärm ist in Berlin ein sehr wichtiges Thema, welches in die Tiefe gehende Gesetzgebung verdient und den Kulturschaffenden Rechtssicherheit geben soll, statt dem bisher üblichen Glücksspiel mit der behördlichen Willkür.

Ausserdem ist die Willkür mitunter so auffällig, dass ein Zusammenspiel mit Korruption zu befürchten ist. Wenn ein Klubbesitzer Ruhe von den Nachbarn haben will, stellt er sich eben mit der zuständigen Behörde gut. Genauso sieht es umgekehrt aus, wenn ein einflussreicher Anwohner sogar den einfachen Kneipenbetrieb unmöglich machen kann. Manche Sorte Korruption lässt sich also nicht durch Transparenz bekämpfen, sondern durch akkuratere Gesetzgebung.

Ebenfalls sonderbar ist, dass eine durch das Ordnungsamt erteilte Veranstaltungserlaubnis mitnichten die Polizei verpflichtet, diese zu honorieren. Das Problem hatten wir sogar als Parteiveranstalter beim Berliner Wahlkampf am Boxhagener Platz. Welche ist den nun wirklich die im Gesetz erwähnte zuständige Behörde !?


Ideen zur Verhältnismäßigkeit

Die Verhältnismäßigkeit zwischen den Rechten von in ihrer Ruhe gestörten Personen und feiernden/kulturgenießenden Personen soll verbessert werden. Zudem soll mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten und weniger Raum für Willkür/Korruption bestehen. So könnte eine weitergehende Regelung aussehen:

  • Wer zuerst da war, sollte in der Regel seine bisherige Nutzung fortführen können: Das heisst einerseits, der Wohnende sollte weiterhin ruhig wohnen können und der Feiernde sollte weiterhin laut feiern dürfen. Der Status Quo ist also höher zu bewerten als die Veränderung.
    • Sollte ein neuer Anwohner feststellen, dass er in seiner neuen Wohnung dauerhaft nicht schlafen kann, sollte er diese an jemanden abgeben, der damit kein Problem hat. Das muss bei der Wohnungswahl in Zukunft berücksichtigt werden durch Probewohnangebote der Vermieter in Szenebezirken.
    • Sollte ein neuer Veranstaltungsort regelmäßig Anwohner stören, so muss er Lärmschutzmaßnahmen vornehmen gemäß derzeitigem Recht.
    • Sollte ein Veranstaltungsort den durchschnittlichen Lärmpegel verändert haben (durch Messung oder durch subjektive Wahrnehmung einer relevanten Menge an Anwohnern?), gilt das auch als Veränderung zum Nachteil des Veranstalters.
  • Andererseits sind einmalige (geschickt zu definieren) Anlässe (private Feiern, vom Ordnungsamt genehmigte Veranstaltungen) verhältnismäßig höher anzusehen als der alltägliche Zustand. Hier ist grundsätzlich zuzumuten, dass Anwohner samstags auf sonntags in deren Nachtruhe gestört werden könnten, und/oder die Sonntagsruhe tagsüber bis 22h gestört ist.
  • Die Anzahl der lärmverursachenden Personen, die eine kulturelle oder private Veranstaltung durch ihre Anwesenheit gutheissen, sollte mindestens im Verhältnis 10:1 stehen zu der Anzahl der gestörten Anwohner. Wer die Musik nur für sein Einzelvergnügen aufdreht ist ein Horst.
  • Die Polizei sollte erst nach mehreren unabhängigen Ruhebeschwerden ausrücken müssen, das spart Geld und Sprit und überhäuft die Polizei nicht mit meistens sinnlosen Autofahrten (gilt natürlich nicht im Falle einer Anzeige).

Eine rohe Idee von —lynX, kann man besser durchdenken und korrekter ausformulieren.


Anmerkungen zum Rohvorschlag von Michael Ebner

  • Zur "Bestandsschutzregelung": Grundsätzlich ist dies ja keine unvernünftige Regelung. In folgenden Details sehe ich Schwierigkeiten:
    • Einzelne Einrichtungen ändern im Laufe ihrer Lebensdauer auch schon mal den Immissionspegel: Aus eine Tanzcafe wird ein Metal-Schuppen, durch eine Nichtraucherregelung stehen plötzlich Leute auf der Straße, etc. Wie wäre das zu bewerten?
      • [Habe das in einem Punkt nun berücksichtigt, Danke. —lynX]
    • Neue Einrichtungen müssten die Anwohner sofort aus der Welt klagen, weil später der Bestandsschutz greift.
      • [Hmm, nein, so einen direkten Bestandsschutz will ich gar nicht definieren, weswegen das noch im Ermessen der Behörden oder Gerichte sein kann, ob die Anwohner auch nach einer gewissen Zeit "zuerst" da waren (Meldebescheinigung als Nachweis) oder der Club lang genug da ist um Schutz zu verdienen. Ausserdem hilft Dein neuer Punkt zur Veränderung des Lärmpegels. —lynX]
  • Das Recht auf Nachtruhe leitet sich ab vom Recht auf körperliche Unversehrtheit, das ist gegenüber der Freiheit der Kunst oder der Gewerbefreiheit des Betreibers das höherwertige Rechtsgut. Eingriffe in dieses Recht müssen verhältnismäßig sein, bis 24:00 Uhr kann man das argumentieren (vergleiche auch BGH VI ZR 142/00), die komplette Nacht von Samstag auf Sonntag nicht.
      • [Das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist schon etwas weit ausgelegt, wenn das Trommelfell noch lange nicht gefährdet ist. Zudem das Gesetz auf der Stelle bereit ist Ausnahmen für Kinder, Kirchenglocken und Agrarmaschinen zu machen! Unsere Legislation soll mehr Verhältnismäßigkeit festhalten und Willkür abbauen. Ich denke wir sind weit entfernt von einem Eingriff gemäß GG. —lynX]
  • Diese 10:1-Regelung hat den Charme, dass mit dem überwiegenden Interesse der Allgemeinheit argumentiert werden kann. In Kombination mit anderen Beschränkungen ist das vorstellbar.
  • Die Idee mit den "mehreren unabhängingen Beschwerden": Die Polizei schützt hier individuelle Rechtsgüter, dieser Vorschlag ist mit unserer Rechtsordnung ziemlich inkompatibel. Zudem zu einfach zu umgehen: Dann rufe ich halt die Ordnungshüter über Festnetz, Handy und SIP an und gebe mich jedesmal als jemand anderem aus...
      • [Sehe hier individuelle Rechtsgüter als kein adäquates Modell und ersetze das ja genau in diesem Fall durch neue Legislation. Man kann versuchen die Polizei zu belügen, das ist immerhin aufwendiger und man riskiert selbst Ärger dabei. Ich denke das ist besser als der Status Quo also hinnehmbar. —lynX]


Kiezweise alternatives Immissionsrecht

Um auch dem Phänomen Gentrifizierung entgegen zu treten, wäre es überlegenswert, erst einmal kiezweise Maßnahmen wie oben vorgeschlagen, einzuführen – und zwar in Absprache mit den Einwohnern. Wenn die Bewohner eines Kiezes mehrheitlich gern ein Kulturkiez statt einem Wohnkiez sein wollen, dann gelten dort andere Regeln was Lautstärke und Kulturtreiben betrifft. Ein kiezspezifisches alternatives Immissionsrecht. Dies würde solche Kieze vermutlich auch weniger der Gentrification aussetzen, da das Viertel nur für jene interessant bleibt, die es mit Ach und Krach liebhaben.


Was die anderen Parteien sagen

Interessanterweise scheinen Kandidaten sämtlicher Parteien gerne die alternative Kulturszene unterstützen zu wollen, obwohl man seit Jahren nichts davon spürt. Hier einige Zitate aus dem aktuellen Wahlkampf (courtesy of abgeordnetenwatch.de). Die Auswahl der zu Worte kommenden Kandidaten ist eher zufällig (keine Zeit jetzt überall zu recherchieren):

Dr. Andreas Bruckschen (CDU): Berlin braucht ein einheitliches Konzept zur Förderung der alternativen Kulturszene. Statt Projektförderung sind eine bessere kulturelle Infrastruktur sowie ein Kulturmarketingkonzept wichtiger.

Falsch, dedizierte Infrastruktur ist nicht offen für spontane Nutzung sondern führt zu Reglementierung und Bürokratisierung. Kulturmarketing macht aus alternativer Kultur herkömmliches Kulturbusiness. Die Kulturszene braucht Gesetze die ihr nicht ins Hinterteil treten.

Katrin Möller (Linke): Trotz knapper kassen will die LINKE die Mittel für alternative Kultur verstärken. Auch müssen faire Bezahlung und soziale Absicherung für die Beschäftigten sichergestellt werden.

Falsch, echte alternative Kultur entzieht sich dem gewöhnlichen Kulturtamtam, ergo werden Mittel immer nur bei der etablierten Kultur enden. Bezahlung ist im ökonomisch erfolgreichen Segment üblicherweise über dem Marktdurchschnitt und im idealistischen Segment oft im Bereich des ehrenamtlichen/selbstausbeuterischen anzusiedeln. Letzteres darf man den Menschen allerdings nicht verbieten: Benutzer:Ideenwanderer/Mindestlohn in der alternativen Kunstszene würde einen Kahlschlag bzw. weiteren Rückzug in die Illegalität bedeuten! Optimal wäre hier das BGE, welches zugleich die Absicherung bietet, egal ob man mit einem alternativen Kunstprojekt ökonomisch erfolgreich ist oder nicht. Alternativ könnte man auch von erfolgreichen Projekten, nach einer gewissen Anzahl Veranstaltungstagen, einfordern, dass sie ihr ehrenamtliches tun in bezahlte Beschäftigung umwandeln.

Dr. Susanna Kahlefeld (Grüne): Berlin braucht beides und Kultur braucht beides: Innovation, Experiment - und Pflege des Etablierten.

Das ist jetzt etwas aus dem Kontext genommen. Gemeint ist die Förderung dreier Opern, mehrerer Theater und Orchester im Gegensatz zur Förderung von alternativer Kulturszene was augenscheinlich einfach als das restliche Kulturbusiness verstanden wird. Nun gut, hier steht nichts konkretes also auch nichts falsches wenn man so will. Man kann davon ausgehen, dass im Umgang mit der Subkultur dieselbe Gießkannen-Hilflosigkeit herrscht wie anderswo.

Rother von Kieseritzky (FDP): Eine stärkere Förderung erhöht die Schulden von Berlin.

Wenn man Kultur nur als einen Fleischwolf versteht, in den man oben das Geld reinkippt, dann ist da sicherlich etwas dran. So wie ich das sehe braucht die alternative Kulturszene derzeit überhaupt kein Geld. Sie braucht einfach nur faire Gesetze.

Timur Husein (CDU): Berlin ist eine Kulturmetropole, dies gilt auch für die alternative Kunst. Allerdings ist es ein Widerspruch, wenn der Staat alternative Kunst fördert, denn diese sollte doch frei sein von der Abhängigkeit des Staates (und nichts anderes sind staatliche Zahlungen).

Aha, unser CDU-Kandidat aus Kreuzberg hat grundsätzlich schonmal einen Pluspunkt für das korrekte Verständnis der Situation. Nur ist der CDU nicht gerade zuzutrauen, die passenden Gesetze zu ändern.

Pascal Meiser (Linke): Für einen Stadtteil wie Kreuzberg ist es von zentraler Bedeutung, dass die alternative Kulturszene stärker gefördert wird. Deshalb unterstütze ich die Förderung von Einrichtungen wie dem SO 36 oder dem Ballhaus Naunynstraße.

Das sind beides sehr coole Locations, aber wenn man diesen jetzt Geld zukommen lässt, dann sind andere potentiell noch ungeborene Locations benachteiligt. Zudem braucht das SO 36 nur deshalb Geld, weil irgendwelche neu zugezogenen Anwohner plötzlich der Meinung waren, es sei zu laut. Mal wieder wäre also sowohl dem SO 36 als allen anderen mehr geholfen, wenn das Grundproblem angegangen würde, anstatt dass man manchen Locations hilft die Schalldämmung zu finanzieren, während andere eingehen.

Jessica Zinn (Piratenpartei): Kulturförderung schützt die freie Entfaltung von Kunst und Kultur. Die Politik muss hierfür die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Sie darf Kunst und Kultur jedoch nicht bewerten oder vereinnahmen.

Jessica, Du bist super. Du hast den Knackpunkt herausgestellt noch bevor ich Dich mit meinem Gesetzesänderungsvorschlag konfrontiert habe. Die Rahmenbedingungen sind scheps und eine Kulturförderung wirkt nur vereinnahmend, bewertend und ungerecht.

Matthias Mackowiak (Linke): Der einzige Gegenpol zu den faschistoiden ``Denkern`` in diesem Land sind und bleiben nunmal die alternativen Jugend- und Kulturszenen. Sie zu erhalten und aus zu bauen ist dringliche Aufgabe eines demokratischen Staates. Leider ist in der Vergangenheit genau das Gegenteil der Fall gewesen.

Äh.. a-ha.

Sieglinde Müller (Grüne): In [der alternativen Kulturszene] steckt eine große Innovation an Kreativität. Unzählige Berliner/innen und Touristen besuchen die Kieze und anliegende Gastronomien jedes Jahr. Viele Veranstaltungen sind so Sprungbrett für die unterschiedlichsten Künstler/innen. Wir wollen daher eine langfristige Förderung von 10 % aus dem Berliner Kulturetat.

Erster Teil, besonders der mit dem Sprungbrett, ist sehr richtig erkannt. Der zweite Teil ist wieder das Gießkannenprinzip, welches eher gut gemeint ist als gut.

Daniela Matthes (BüSo) stimmt übrigens einer Förderung der alternativen Kulturszene nicht zu mit der Begründung: Wenn wir staatliche Kreditschöpfung betreiben, können wir nicht nur unsere Klassische Kultur, sondern das aufleben lassen, was in unserer deutschen Seele wohnt. Dazu gehört noch viel mehr, vor allem auch Musikunterricht und Ausbildung für jedes Kind!

Dazu kann ich auch nur noch a-ha sagen.


Lektüre

Berlin

Hamburg

München


Fußnoten

  1. Billige Freiräume: Künstler ziehen von irgendwoher in diese Stadt, und nach wenigen Monaten veranstalten sie eigene Vernissagen, Parties, Festivals. In jeder anderen Stadt geht das nicht ohne Geld oder Connections zur Lokalmafia. In vielen Städten ist der Finanzdruck so stark, dass Nachtleben immer gewinnorientiert sein muss – man bucht also immer denselben DJ, der Leute zieht, und wagt nichts Neues.
  2. Verhältnismäßigkeit: Immer wieder reicht eine einzelne intolerante Person, um Hunderten den Spaß zu verderben und den Kulturwert der Stadt zu schädigen (macht ja keinen guten Eindruck auf internationale Kulturmultiplikatoren) – leider kann man Zwischennutzungen nicht immer vollkommen schallsicher gestalten. Es gibt da so eine Story von einem FDP-Politiker, der zum hippen Helmholtzplatz zog, und anschließend der Kneipe im Haus den Betrieb vermieste. Dann geh' doch nach Friedenau! Im Fall Knaack musste sogar ein Club schließen, weil ein Wohnhaus hingebaut wurde und die frisch eingezogenen Leute plötzlich feststellten – Hier ist ein Club! Der ist ja laut! Und das schon seit Jahrzehnten!


Siehe auch