Servicegruppen/EU-Wahlkampf2019/Nachbetrachtung
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Nachbetrachtung
So, die Europawahl ist gelaufen. Zeit dafür, sich das noch mal alles anzusehen, zu überlegen, was man da eigentlich gemacht hat, und was sich verbessern ließe.
Es geht hier nicht darum, mit dem Finger auf Personen zu zeigen, sondern strukturelle Probleme zu benennen. Daher habe ich mich dazu entschlossen, keine Namen zu nennen - auch dort, wo aus der Funktionsbeschreibung leicht auf die konkrete Person geschlossen werden kann. Weil in doch vielen Fällen das Problem nicht bei der konkreten Person liegt.
Ergebnis
Das Ergebnis ist eine Niederlage, keine Frage. Unser Ergebnis ist von 425.044 auf 243.363 Stimmen zurückgegangen, also von 1,4% auf 0,7%.
Angesichts der Umstände, insbesondere des Videos der bisherigen Europa-Abgeordneten und ihrem Aufruf, nicht die Piratenpartei zu wählen, ist es eine erträgliche Niederlage. Wir haben (erstmals) ein Mandat oberhalb der kommunalen Ebene verteidigt, wir sind nicht aus der staatlichen Parteienfinanzierung gefallen.
Möglicherweise war ob dieser Umstände kein besseres Ergebnis möglich. Es spricht auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass unsere Wahlkampfbemühungen in der Schlussphase des Wahlkampfs sogar kontraproduktiv waren, da sie zu Umfragewerten bei 1,5% bis lokal 3% führten. Das hat nicht nur nur interessierte Kreise dazu bewegt, nochmals mit Deutlichkeit auf die Problematik unseres Listenplatzes 2 hinzuweisen, sondern vermutlich auch etliche Wähler von der Wahl der Piratenpartei abgehalten.
Sollte dieses Zusammenhang zutreffen, so ist er jedoch eine Anomalie, den besonderen Umständen dieser Wahl geschuldet. Der überwigende Normalfall dürfte sein, dass mangelnde Performance im Wahlkampf auch dem Ergebnis schadet, und darum sollten wir uns genau ansehen, was weniger gut gelaufen ist, und diese Fehler abstellen.
Die Idee der Service-Gruppe
Beginnen wir chronologisch.
Meine Beobchtung bei vergangenen Wahlen war, dass der Wahlkampfoordinator eine Art "Flaschenhals" der Kampagne darstellte. Und zwar nicht aus Unfähigkeit, sondern da die Größe der Aufgabe eine einzelne Person (oder ein kleines Team) überfordert.
Meine Idee war damals, eine Service-Gruppe einzurichten, in der die einzelnen Aufgaben auf viele Schultern und mehrere Teams verteilt werden (die BPT-Orga der größeren Bundesparteitage sollte eine Art "Blaupause" sein, wie ich mir das vorstellte). Eine solche Struktur sollte die Überforderung Einzelner vermeiden und auch den Ausfall Einzelner auffangen können.
Auch im Nachhinein halte ich diese Idee noch grundsätzlich für richtig. Sie bedingt jedoch, dass wenigstens ein paar Piraten da mitarbeiten. Sofern dies jedoch nicht der Fall ist, solange der Leiter der Service-Gruppe nicht leitet, sondern alle anfallenden Aufgaben versucht, wenigstes irgendwie erledigt zu bekommen, ist eine solche Service-Gruppe ein potemkisches Dorf und bindet durch regelmäßige Team-Sitzungen nur unnötig Zeit. Aber zurück zum Anfang.
Der Wahlkampf-Manager war eine Position, die der Bundesvorstand ausgeschrieben hatte, da das EU19-Team diese Aufgabe nicht erledigen konnte oder wollte. Ich habe mich unter der Bedingung darauf beworben, dass die oben genannte Service-Gruppe eingerichtet wird. Das ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Beauftragten-GO den Service-Gruppen relativ große Spielräume einräumt und zumindest formal verhindert, dass da einzelne Bundesvorstandsmitglieder "reinregieren".
Auf die ausgeschriebene Position gab es weitere Bewerber. Mit einem von ihnen habe ich mich auf Einladung einer Listenkandidatin getroffen und dabei eine brauchbare Aufgabenverteilung vereinbart. Eine solche Aufgabenverteilung hat schon damals bei der BPT-Orga gut funktioniert, ich hätte mir das wieder gut vorstellen können. Der damalige Bundesvorstand wollte jedoch die eine verantwortlich Person und hat nur mich beauftragt, der andere Bewerber sah das als Zurückweisung und hat sich dann anderen Aufgaben gewidmet. Möglicherweise hätte es auch bei einer gemeinsamen Beauftragung nicht funktioniert - so jedoch hat es sicher nicht funktioniert.
Ebenso fand ich mit dem EU19-Team eine brauchbare Aufgabenteilung (die SG eher operativ, das EU19-Team koordinierend zu den Landesverbänden und zu den anderen europäischen Piratenparteien hin). Das EU19-Team, genauer gesagt, die beiden Beauftragten, wurden jedoch vom Bundesvorstand von ihren Aufgaben entbunden (wovon sie dann auch erst auf Umwegen erfahren haben). Diese Entscheidung des vorherigen Bundesvorstands wurde dann auch nicht vom jetzigen Bundesvorstand korrigiert (obwohl ich darum gebeten hatte).
Es kam erwartungsgemäß: Das EU19-Team war sauer, statt sich (wie vom Bundesvorstand vorgesehen und so kommuniziert) in die Service-Gruppe einzugliedern, wurde die Arbeit weitestgehend eingestellt. Wir sind nicht in der freien Wirtschaft, wo man es sich eher erlauben kann, die Einheiten nach Belieben umzuorganisieren. Im ehrenamtlichen Umfeld muss man auf die Befindlichkeiten der Handelnden mehr Rücksicht nehmen - zumindest dann, wenn man möchte, dass diese weiterhin tätig sind.
Zurück zur Service-Gruppe. Plan war, diese Gruppe 2018 aufzubauen und 2019 dann einsatzfähig zu haben. Aber wir wissen ja alle - kein Plan überlebt den ersten Feindkontakt.
Es wurde zur Mitarbeit aufgerufen, es meldeten sich auch Piraten, aber deutlich zu wenig. Ok, es war bis zur Europawahl auch noch mehr als ein halbes Jahr. Aber es meldeten sich immerhin einige. Insbesondere diejenigen, die bislang in der Öffentlicheitsarbeit tätig waren und keine Lust hatten, da sich jetzt neu zu bewerben. Es waren also von Anzahl und Befähigung ausreichend Piraten da, um das "Team Texte" aufzustellen, die einigten sich auch konsensual auf einen Teamleiter, alles schien prima. Ich erinnere mich noch, dass ich damals die Formulierung gebraucht habe, das Team Texte könne "schon mal loslaufen". Das Team Texte lief dann wohl los und wurde seitdem nie wieder gesehen.
Bei anderen Teams war das - freundlich formuliert - zäher. Team Video wollte eigentlich einen Wahlwerbespot machen und nicht von anderen erstellte Veranstaltungsmitschnitte und ähnliches nachbearbeiten. Als dann der Wahlwerbespot anstand, war da auch schon keiner mehr. Teilweise hat sich für Aufgaben nie auch nir ein einziger Pirat gefunden.
Einziger Lichtblick: Die Leiterin der Bundesgeschäftsstelle fand sich bereit, die Terminverantwortliche zu machen, da sie ohnehin den Kalender für den Listenkandidat eins führte. Das funktionierte mit einer sehr hohen Zuverlässigkeit.
Für künftige Wahlkämpfe sollten wir uns merken: Früh anzufangen ist zwar nicht komplett falsch, aber wenn einzelne Teams nicht gleich etwas zu tun bekommen, sind sie möglicherweise schon wieder weg, wenn dann Aufgaben anstehen.
Das Budget
Ich habe mir am Anfang ein Budget von 500,- Euro geben lassen, damit dem Listenplatz eins eine BahnCard 50 besorgt werden konnte, und dass Reisekosten zurückgespendet werden konnten. Als sich das mit dem eigentlichen Budget dann noch hinzog, wurden dann vom Bundesvorstand weitere 4000,- Euro bewilligt.
Die innerparteiliche Finanzaufteilung sieht so aus, dass der Bund nicht die erforderlichen Mittel bekommt, um seine Aufgaben wahrzunehmen, sondern von den Landesverbänden über den Schatzmeister-Club die nötigen Mittel erhält, zumindest so halbwegs.
Die erforderlichen Mittel mussten also vom SM-Club kommen, und das entwickelte sich zu einer längerwierigen Angelegenheit.
Die Schwierigkeit beim SM-Club liegen in § 22 (4) der Finanzordnung ("Der Schatzmeisterclub ist beschlussfähig, wenn mindestens 2/3 seiner Mitglieder oder deren Vertreter anwesend sind"). Oft fehlt es an dieser Beschlussfähigkeit. Vom ersten Anlauf einer solchen SM-Club-Sitzung erfuhr ich also, da ich mitbekam, dass unter den Kandidaten die Landesverbände aufgeteilt wurde, um diese abzutelefonieren. Der Bundesschatzmeister bestätigte auf meine Anfrage zunächst diese Sitzung, um die kurz darauf abzusagen. Erst wollte man einen Budget-Entwurf, auch schien der Rechenschaftsbericht gerade mal wieder viel Aufmerksamkeit zu erfordern, zumal es im Rahmen von Bundesvorstandsneuwahlen gerade erst einen personellen Wechsel in der Schatzmeisterei gegeben hatte.
Es war also ein Budget-Entwurf gefragt. In der Annahme, dass der Leiter des P-Shops da angesichts der geplanten SM-Club-Sitzung bereits etwas vorbereitet hatte, sagte ich Zahlen bis "zum Wochenende" zu. Den Fehler, etwas zuzusagen, was ich nicht aus eigenen Kräften halten konnte, machte ich dann nicht noch einmal.
Der zweite Anlauf für eine SM-Club-Sitzung erfolgte dann im Jahr 2019, der Rechenschaftsbericht war abgegeben, verschiedene Budget-Entwürfe vorbereitet, der SM-Club (wie eigentlich zu erwarten) nicht beschlussfähig. Es war der einhellige Wunsch der sich zu diesem Punkt äußernden Landesverbände, dass die klassischen Werbematerialien wie Plakate und Flyer von den Untergliederungen selbst beauftragt und finanziert würden, und dass das zentrale Budget nur zentrale Ausgaben wie insbesondere Reisekosten der Kandidaten und die Online-Kampagne beinhalten solle.
Der von mir erstellte Budget-Entwurf sah dafür 50.000,- Euro vor. Dies schien den sich dazu äußernden Landesverbänden als zu knapp angesichts der Bedeutung dieser Wahl, insbesondere im Hinblick auch auf die Teilnahme an der staatlichen Parteienfinanzierung. Während der Sitzung erweiterte ich dann den Budget-Entwurf auf eine Summe von 80.000,- Euro, die dann Konsens schien.
Wegen eines Formfehlers konnte das dann nicht per Umlaufbeschluss beschlossen werden, sondern es wurde eine erneute SM-Club-Sitzung erforderlich (was wegen der Einladungsfristen den Vorgang verzögerte), so dass im Nachgang der zweiten Sitzung dann im Umlauf beschlossen werden konnte.
Randbemerkung: Dass die internationalen Koordinatoren unabgesprochen einen Antrag über ein Budget, das ich dann verwalten sollte, an den Bundesvorstand gestellt haben, empfand ich jetzt als nicht hilfreich, hat dann aber auch nicht geschadet.
Die Druckdaten
Am Rande der ersten Sitzung kam aus den Reihen der Landesverbände der Wunsch, dass die Druckdaten für die Werbemitteln den Untergliederungen zur Verfügung gestellt werden sollten, damit diese auch unabhängig bom P-Shop agieren konnten. Aus meiner Sicht und aus Sicht des Bundesschatzmeisters sprach nichts gegen diesen Wunsch.
Später kam dann von dem für Wahlkampf und P-Shop zuständigen Bundesvorstandsmitglied die Aufforderung, die Dateien den Untergliederungen nicht zur Verfügung zu stellen, damit möglichst alle Untergliederungen über den P-Shop bestellen.
Als Leiter einer Service-Gruppe bin ich an Weisungen einzlner Bundesvorstandsmitglieder nicht gebunden, sondern lediglich an Beschlüsse des Bundesvorstands. Um hier eine Klärung herbei zu führen, stellte ich einen entsprechenden Antrag an des Bundesvorstand, was auf wenig Begeisterung einzelner Piraten führte, inklusive mehrerer Aufforderungen, den Antrag zurück zu ziehen.
Der Bundesvorstand beschloss dann, die Druckdaten den Untergliederungen zur Verfügung zu stellen, was allerdings dann nur teilweise umgesetzt wurde. (Ein Vorstandsmitglied hatte vorab Druckdaten für andere Zwecke erhalten und stellte diese dann online.)
Die EU-Urheberrechtsreform und das Video
Anfang 2019 war die EU-Urheberrechtsreform großes Thema. Hier wurde nicht versucht, andere oder eigene Schwerpunkte zu setzen, da die ganze Kampagne und die vielen Demos Rückenwind für die Piratenpartei und den Europa-Wahlkampf waren.
Diese Situation änderte sich schlagartig, als die damalige Europa-Abgeordnete der Piratenpartei das Video "Warum die Piraten zur Europawahl unwählbar sind: Kandidat ($KANDIDATENNAME)" veröffentlichte, zur Nicht-Wahl der Piratenpartei aufrief und aus der Partei austrat.
Zu den Vorgängen um den Kandidat auf Listenplatz zwei werde ich mich nicht äußern, um als Mitglied des Bundesschiedgerichts mich nicht der Besorgnis der Befangenheit auszusetzen.
Problemlos kann ich jedoch darauf hinweisen, dass ein solches Video einer Person mit hoher Reichweite, das anschließend dann auch noch umfangreich in den Medien aufgegriffen worden ist, so ziemlich das Unangenehmste ist, was einem im Wahlkampf widerfahren kann. Über den Einfluss auf die Wähler hinaus demotivierte es auch viele Personen, die mit dem Gedanken gespielt hatten, der Piratenpartei beizutreten, und es demotivierte auf viele Piraten im Wahlkampf.
Das Video selbst hat rund zehnmal so viele Zugriffe wie unser Wahlwerbespot (als das meistgeklickte Video der Piraten in den letzten Monaten), dagegen war nicht anzukommen.
Erfreulicherweise hat die Partei erstaundlich professionell reagiert. Abgesehen von einzelnen Ausnahmen gab es keine Aggressivität nach innen, die Öffentlicheitsarbeit war vielleicht nicht perfekt, aber durchaus vorzeigbar. Wenn ich das mit dem Verhalten der CDU auf ein Video vergleich, in dem zu deren Nicht-Wahl aufgerufen wurde, so hat die Piratenpartei da um Größenordnungen professioneller reagiert.
Die Online-Kampagne
Die Häfte des Budgets, also 40.000,- Euro, sollte in die Online-Kampagne gehen. Da ich in diesem Bereich kein Experte bin, war schnell mit ÖA abgesprochen, dass die sich um die Online-Kampagne kümmern. Da der Bundesschatzmeister Wert darauf legte, dass ich die einzelnen Summen freigebe, war ich jedoch stets eingebunden.
Kurz nachdem das Budget stand, kam vom PolGef als Leiter ÖA der Wunsch, mit 1.000,- Euro da mal ein paar Experimente machen zu können, um Erfahrungen zu gewinnen, wo das Geld den größten Effekt habe. Diesem Wunsch habe ich entsprochen, und beides war ein großer Glücksfall, denn beim Versuch, dieses Geld loszuwerden, fielen die Schwierigkeiten dabei auf. Die Unternehmen der Internet-Wirtschaft sind nicht primär auf Parteien als Kundschaft eingerichtet, und die Anforderungen des Rechenschaftsberichts machen die Angelegenheit auch nicht einfacher. Kurz: Es dauerte Monate, bis wir in der Lage waren, da Werbung schalten zu können. Ohne dass wir es so frühzeitig versucht haben, wären wir womöglich keinen einzigen Euro dort losgeworden.
Auch so konnte nicht das ganze Budget eingesetzt werden. Die Regeln für politische Werbung sind nicht besonders klar oder werden kurios umgesetzt. Das spontane Umlenken von Mitteln ist nicht einfach und auch nicht immer sinnvoll.
Möglicherweise ist das insgesamt ein Glückfall gewesen. Wie oben dargelegt, besteht der begründete Verdacht, dass aufgrund des besonderen Problematik dieses Wahlkampfs Werbung möglicherweise eher schlecht fürs Ergebnis gewesen ist. Klar ist jedenfalls, dass Geld, dass wir nicht ausgeben konnten, jetzt zumindest noch für Anderes zur Verfügung steht - also an die Landesverbändezurück geht (es sei denn, diese treffen eine andere Entscheidung).
Die Zusammenarbeit mit dem Bundesvorstand
Die Zusammenarbeit mit dem Bundesvorstand war insgesamt betrachtet gut und unproblematisch. Selbst mal im Bundesvorstand gesessen zu haben bewahrt einen vielleicht auch vor unrealistischen Erwartungen.
Ein Umstand, den ich bei beiden Vorständen und unterschiedlichen Vorstandsmitgliedern beobachten konnte, hat mich dann doch irritiert: Wenn man als Vorstandsmitglied eine Information haben möchte, die ein anderes Vorstandsmitglied hat oder haben müsste, warum fragt man dann nicht direkt nach, sondern schickt einen Wahlkampf-Manager vor, um das zu erfragen?
Irritierender noch: Ein Vorstandsmitglied fragt nach einer Auskunft, die der P-Shop geben müsste. Statt direkt dort anzufragen, fragt man mich. Ich überschlage kurz, wie viel Zeit und Nerven mich jetzt die Diskussion kosten könnte, darauf hinzuweisen, dass da direkt angefragt werden könnte, und sage dann halt zu, beim P-Shop anzufragen (erledigt), und die Antwort (steht noch aus...) dann dem betreffenden Vorstandsmitglied weiterzuleiten. Es handelt sich um das für den P-Shop zuständige Vorstandsmitglied...
Diverses
Die Zusammenarbeit mit den Kandidaten
Die Zusammenarbeit mit den Kandidaten lohnt eigentlich keinen eigenen Abschnitt, sie war unproblematisch. Manchmal musste man mehrmals auf etwas hinweisen, bis es dann alle erledigt hatten - es war nicht anders zu erwarten und hat auch keinen erkennbaren Schaden verursacht.
Veranstaltungen
Veranstaltungen haben primär die Zeit der eigenen Mitglieder gebunden, es ist uns selten gelungen, aus unserer Bubble auszubrechen. Das Aufwand-Nutzen-Verhältnis ist zu hinterfragen.
Öffentlichkeitsarbeit
Durch einen personellen Wechsel in der politischen Geschäftsführung bei der letzten Vorstandswahl wurde die Öffentlichkeitsarbeit dann wieder personell breiter aufgestellt, was dieser erkennbar gut getan hat. Ich hatte da nur am Rande damit zu tun (Freigabe von Mitteln für Veröffentlichungen im DPA-Kalender), habe aber in den Mattermost-Gruppen mitgelesen und da stets ein motiviertes und kompetentes Team erlebt. Unser PolGef hat da viel richtig gemacht.
Webseite und IT
Dass im Wahlkampf IT-Infrastruktur ausfällt, dass bezahlte Werbung auf Seiten verlinkt, die dann zeitweilig nicht erreichbar sind, ist unschön. Dinge an eine Landes-IT auszulagern ist nur solange sinnvoll, wie dort die Aufgaben zuverlässig und zeitnah erledigt werden. Dies hängt oft an einzelnen Personen und kann sich sehr schnell ändern.
Wahlwerbespots
Waren wir am Anfang des Wahlkamps eher zu früh, hat dann die Entscheidung über das Budget so viel Zeit gekostet, dass anschließend eigentlich immer nur die Dinge gemacht worden sind, die sich nicht länger aufschieben ließen. Die "personelle Ausstattung" der SG tat ein Übriges.
Das ist uns beim Wahlwerbespot fast zum Verhängnis geworden. Der engagierte Einsatz eines österreichischen Piraten hat uns dann gerettet.
dezentrale Wahlparty
Die dezentrale Wahlparty war ziemlich improvisiert, inklusive am Vortag beschlossener Toolwechsel. Das besser vorzubereiten hätte bedeutet, Kräfte aus dem Wahlkampf abzuziehen; das wollte ich nicht verantworten.
Wir betrachten das mal als eine Art "proof of concept". Grundsätzlich sind wir in der Lage, so etwas durchzuführen. Wenn wir in den kommenden Jahren das öfters machen (nicht nur als Wahlparty, sondern z.B. auch als Podiumsdiskussionen und ähnlichem), dann haben wir beim nächsten Mal die Routine, um das "vorzeigbar" zu gestalten. Ich rege da stark an, neben "Regie" und "Moderation" mindestens eine weitere Person fest abzustellen, welche Ergebnisgrafiken besorgt, SocialMedia-Kanäle im Blick behält, etc.
Anregungen für kommende Wahlen
Probleme zu benennen ist das eine, sie nicht zu wiederholen ist das andere. Meine Empfehlungen für die nächsten Wahlen sind:
Reform des Schatzmeister-Clubs
Das Erfordernis der 2/3-Anwesenheit würde ich baldmöglichst aus der Satzung streichen und statt dessen ordnungsgemäße Einladung voraussetzen.
Ohnehin ist es ein Konstruktionsfehlers des SM-Clubs, dass er nur für die Finanzen die Verantwortung trägt, nicht aber für das damit erzielte Ergebnis.
Breitere Aufstellung des Teams
Die Idee, die Aufgabe auf viele Schultern zu verteilen, halte ich für nach wie vor richtig. Sie setzt voraus, dass viele Schultern zur Verfügung stehen.
Personelle Kontinuität
Es hat sich wieder gezeigt, dass Erfahrung ein wertvolles Gut ist. Dass die Leiterin der Bundesgeschäftsstelle und der Beauftragte für die Wahlprüfsteine das nicht zum ersten Mal gemacht haben, war hilfreich.
Nein, das ist jetzt kein "Hut in den Ring werfen", um den nächsten Wahlkampf wieder zu Koordinieren. Manche Erfahrungen muss man nicht mehrmals machen. Beim nächsten Mal muss das jemand anders machen, aber der kann dann auf meine Erfahrungen zurückgreifen, eine geeigente Organisationsform werden wir schon finden.
Damit die handelnden Personen das schon mal gemacht haben, könnte es eine Idee sein, dass eine dauerhafte SG eingerichtet wird, die üblicherweise Landtagswahlkmäpfe unterstützt. Auch da könnte etwas Routine hilfreich sein. Voraussetzung wäre, dass sich die Landesverbände da überhaupt helfen lassen wollen. Meine Erfahrungen diesbezüglich sind da unterschiedlich.
Der Claim
Die Umfrage, mit welcher der Claim (Freiheit. Würde. Teilhabe.) entschieden wurde, bezog sich nur auf die Europawahl. Der mit Merhheit gewählte Claim eignet sich jedoch, die komplette Programmatik der Piratenpartei zu subsummieren, uns damit für jede Wahl.
Es spricht viel dafür, diesen Claim weiter zu verwenden, damit durch ständige Wiederholung der Wähler klar wird, wofür die Piratenpartei steht.
Der Abgeordnete
Es ist uns diesmal ziemlich "auf die Füße gefallen", dass die bisherige Europa-Abgeordnete sehr losgelöst von der Partei agiert hat. Diesen Fehler sollten wir nicht wiederholen.
2%
Möglicherweise haben wir bei der nächsten Europawahl eine Sperrklausel, vielleicht in Höhe von 2%. Da wäre im Vergleich zur jetzigen Wahl eine Verdreifachung erforderlich. Das wäre ein durchaus sportliches Ziel.
Aber meiner Meinung nach kein unrealistisches Ziel. Zunächst hatten wir bei dieser Wahl mit einem Sondereffekt zu kämpfen, den wir beim nächsten Mal vermutlich vermeiden können (und hoffentlich keinen anderen bekommen). Der Blick zur Bürgerschaftswahl Bremen stimmt optimistisch, dass wir ohne diesen Sondereffekt so etwa zwischen 1,5% und 2% gelegen hätten. (In Bremen - trotz 5%-Hürde - lag das Ergebnis leicht über dem der Europawahl, wo das Argument der verlorenen Stimme nicht zählt.)
Dann haben wir jetzt etwa vier Jahre, um die Partei auf diesen Wahlkampf vorzubereiten. In vier Jahren kann man viel bewegen (aber natürlich auch viel kaputt machen).