SN:Treffen/Landesparteitag/2012.1/Programm/PP03

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  • Antragsteller: Dr. Thomas Walter, eingereicht am 22.02.2012, 22:10 Uhr vial Email

PP03 : Transparenz in der Justiz

Der LPT 2012.1 möge als Positionspapier beschließen:

1. Wir Piraten fordern mehr Transparenz in der Justiz durch eine Reform des Zivil-, Straf-und Verwaltungsprozessrechtes. Diese Reform soll immer wieder vorzufindende staatliche Willkür und Ungerechtigkeit -auch soweit von der Justiz verursacht- einschränken. So sind z.B. die richterlichen Pflichten zur Aufklärung des Sachverhaltes und zu Hinweisen auf die Sach- und Rechtslage erheblich zu verschärfen, sodass die Parteien frühzeitiger als nach geltendem Recht sich effektiver hierauf einstellen und ihr Vorbringen danach ausgestalten können. An sich schon nach derzeitiger Rechtslage bestehende richterliche Pflichten, deren Verletzungen in der Praxis jedoch meist ohne Konsequenzen bleiben, sollen so nachhaltiger auch durchgesetzt werden können. Fiskus und Richter sollen bei der vorsätzlichen oder leichtfertigen Verletzung solch gesteigerter richterlichen Pflichten für dadurch entstehende Schäden gesamtschuldnerisch haften. Im Strafprozessrecht ist die Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte abzuschaffen. Das Entschädigungsrecht für zu Unrecht strafrechtlich verfolgte Personen ist zu deren Gunsten zu erweitern. In strafrechtlichen Hauptverhandlungen sind Einlassungen des Angeklagten und Beweisaufnahmen umfassend elektronisch zu dokumentieren. Ebenso Kindesanhörungen in familiengerichtlichen Verfahren. Rechtsmittelverfahren sind ebenfalls transparenter zu gestalten und ggf. gegenüber dem geltenden Recht zu erweitern. Insbesondere soll im Revisionsrecht und Bundesverfassungsgerichtswesen der Bürger nicht mehr mit standardisierten Formeln bedient werden, sondern es ist eine umfassende Begründungspflicht für ablehnende Entscheidungen zu fordern, die auch erkennen lassen, weshalb die erfolgten Rechtsrügen unbegründet sein sollen. Die allgemeine Gehörsrüge (Beanstandung einer Verletzung des verfassungsrechtlichen Anspruches auf rechtliches Gehör durch das Gericht) -auch bei der letzten Rechtsmittelinstanz- ist gesetzlich zu normieren.

2. Alle gerichtlichen Endendscheidungen sind für jedermann kostenlos einsehbar im Internet anonymisiert zu veröffentlichen, sofern nicht dem berechtigte überwiegend schutzwürdige Belange eines Beteiligten entgegenstehen, was jedoch nur auf Antrag zu berücksichtigen ist.


Antragsbegründung

Dieser Antrag betrifft ein besonderes bundespolitisches Thema, das für die Piraten ein „Muss“ ist, denn es geht um die Eindämmung staatlicher Willkür und die Schaffung von mehr Gerechtigkeit im Umgang mit der Justiz auf allen Rechtsgebieten! Es ist zugleich die Aufforderung an die Bundespartei hier tätig zu werden und eine Arbeitsgruppe zu detaillierten Reformvorschlägen einzusetzen.

1. Reformbedarf und Ansatz der Kritik am bestehenden Zustand

Es gibt den Satz: Vor Gericht ist man wie auf hoher See. Darunter versteht man, dass es nicht berechenbar und vorhersehbar sein soll, wie ein Gericht einen Streitfall entscheidet. Oder der altbekannte Witz: Treffen sich zwei Juraprofessoren beim Spaziergang und man fragt nach dem Befinden. Sagt der Eine: Schlecht, ich habe gerade eine Klage am Hals, mein Dackel habe jemanden gebissen. Sagt der Andere: Aber Du hast doch keinen Hund. Woraufhin der Erste sagt: Weißt Du, wie die Gerichte entscheiden?

Man mag einwenden wollen, dass da schon vieles ausreichend in den gesetzlichen Regelungen enthalten ist und es keiner Reform bedarf. Aber das kann nur derjenige so sagen, der noch nicht die einschlägigen Erfahrungen gemacht hat und nur die Oberfläche unseres Rechtssystems betrachtet!

Als frischer Jurist mit fundierter Ausbildung mag man zunächst dies so nicht glauben und es bedarf dann erst besonderer beruflicher Erfahrung, um dies zu erkennen. Man erkennt dann (oftmals erst auf Grund der schriftlichen Urteilsgründe) , dass sachliche und rechtliche Argumente von gerichtlicher Seite schlicht ignoriert werden, der Rechtschutz dagegen mit Berufung oder Revision stark begrenzt ist. Oberlandesgerichte oder auch die Oberverwaltungsgerichte sehen eigentlich nur den „blauen Himmel“ über sich und sind in einer Position, in fast allen Fällen sich als letzte Entscheidungsinstanz zu betrachten. Denn revisionsrechtlich beim obersten Fachgericht oder verfassungsrechtlich in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht durchzudringen, ist auch schon wie ein Lotteriespiel, wie die Statistiken zeigen. Es ist unter Juristen kein Geheimnis, dass elementare handwerkliche Fehler in der Rechtsanwendung der unteren Gerichte auch durch Gehörsrügen, Revisionen, und Verfassungsbeschwerden nicht korrigiert werden. Die Revisionsgerichte und auch die Verfassungsgerichte können sich hinter allgemeine Leerformeln (keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, keine besondere Bedeutung des Falles, oder Schwere des Eingriffs, etc.) verstecken und so werden Entscheidungen rechtskräftig, die an sich grottenfalsch sind. Würden hingegen die zentralen Angriffspunkte in den höchstrichterlichen Entscheidungen gewürdigt werden, wäre es ungleich schwerer, einen Fall einfach „abzubügeln“. Denn dann würde man in die Gefahr geraten, dass man begründen muss, weshalb gerade hier von anerkannten Rechtsgrundsätzen abgewichen wird und die rechtswissenschaftliche Kritik in der Literatur würde die Entscheidung „zerreißen“. Das Gericht kann sich aber einer solchen Blöße nicht hingeben und wäre an sich zu mehr Sorgfalt gezwungen. Und Urteile werden in dem Zusammenwirken von Tatbestand, Tatsachenwürdigung und rechtlichen Argumenten in der Praxis daher auch oft so geschrieben, dass eine Veröffentlichung des Urteiles mit anschließender rechtswissenschaftlicher Kritik in der Literatur keinen Sinn macht, da allein aus dem Urteilsinhalt sich oftmals nicht mit hinreichender Schärfe das ermitteln lässt, das eigentlich das kritikwürdige ist. Auch eine feine Methode des Juristen subjektiv eine Entscheidung zu erlassen, ohne angreifbar zu erscheinen. Daher erscheint die Rechtsprechung auch vordergründig als sehr würdevoll: Es gibt höchstrichterliche Grundsatzentscheidungen, die sehr fundiert sind und auch der Rechtsfortbildung dienen (auch wenn dies zu Recht oder zu Unrecht im Einzelfall kritisiert werden mag), aber die Masse der Rechtsverletzungen bleiben höchstrichterlich auf der Strecke und niemand interessiert sich mehr dafür.

Hinzukommt ein weiteres Problem für den Laien und Rechtssuchenden: Gerichte und Rechtsanwälte haben ein grundsätzlich (zumindest mehrheitlich) gemeinsames Interesse, nämlich möglich schnell und effizient einen Fall zu erledigen“. Das Gericht, weil es vielleicht nicht Herr der Flut von Akten sonst wird, und eine hohe „Erledigungszahl“ verbessert die Beurteilung des einzelnen Richters und dessen Beförderungschancen und der Anwalt arbeitet oft auch nach dem Grundsatz „Zeit ist Geld“, denn lange Streitigkeiten sind oftmals nicht mehr wirtschaftlich bei vorgegebenen Gebühren. Und Gebührenvereinbarungen für höhere Honorare machen einen Rechtsstreit auch von vorneherein unwirtschaftlich. Auf der Strecke bleibt der Laie, denn er kann die Chancen und Risiken einer rechtlichen Auseinandersetzung in der Regel nicht überblicken und lässt sich „zähneknirschend“ auf einen „Deal“ ein, manchmal auch dann, wenn es aus objektiver Sicht nicht unbedingt angezeigt war. Oder Gerichte haben die Angewohnheit (im Strafrecht mag dies nicht immer so seine Gültigkeit haben) , trotz teilweise anderslautender Regeln, nicht den Parteien transparent darzulegen, wie man die Sach- und Rechtslage sieht, lässt die Parteien im Dunkeln zur Sicht der Dinge und versucht so „Druck“ auszuüben, einen Fall durch Vergleich vom Tisch zu bekommen. Manche Richter haben hier ganz „hervorragende“ Fähigkeiten in dieser Hinsicht. Das Recht bleibt dabei aber manchmal (oder oftmals?) auf der Strecke. Zugegebenermaßen kommen aber auch durch solche „gütliche“ Beilegungen von Rechtsstreitigkeiten auch durchaus sinnvolle Ergebnisse zustande, aber es gibt auch Kollateralschäden, die dem Ansehen des Rechts schaden. Ein sehr sensibles Detailthema, über das es sich nachzudenken lohnt. Um es klarzustellen: Hier soll nicht an dem Bemühen gerüttelt werden, dass jeder Rechtsstreit auch einvernehmlich einer gütlichen Regelung zugeführt werden soll, aber es ist die Kunst des Gesetzgebers, hier die Schranken zu setzen, damit nicht „faule Deals“ zu Lasten der meist juristisch unerfahrenen Laien zustande kommen, die letztlich den Rechtssuchenden nur frustrieren und die Akzeptanz des Rechtsstaates gefährden. Um so wichtiger ist es, die Richterschaft hier zu äußerster Sorgfalt und Transparenz zu bringen, die es ihnen auch verbietet, aus rein taktischen Überlegungen klare Rechtspositionen zu verschleiern, um nur die Parteien zu einem Vergleich zu „überreden“ und um sich selbst die Arbeit einer Urteilsformulierung zu ersparen.

Und im Strafrecht wird bundesweit auch oft mit unterschiedlichen Messlatten gearbeitet: Das fängt mit der Staatsanwaltschaft als einzige Instanz, die über Anklage und Einstellung eines Verfahrens entscheidet (sieht man von den strafrechtlichen Privatklagen einmal ab) an. Und Klageerzwingungsverfahren mit sehr formalistischen Regeln führen dann auch zu einer fast unüberwindlichen Hürde. Da werden einerseits klare Straftatbestände vom Tisch gefegt, ohne sich detailliert Mühe zu machen, angezeigte Verdachtsmomente aus zu ermitteln. Ich muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass ohne Durchsuchung bei Minister, Abteilungsleiter, Softwarehersteller, etc. es beim Skandal um den Bundestrojaner zu einer Einstellung der Ermittlungen kommen wird. Andererseits werden Strafermittlungen durchgeführt und damit Druck auf den Einzelnen ausgeübt, obwohl eigentlich klar sein sollte, dass hier nichts Verfolgungswürdiges vorliegt. Jüngstes Beispiel sind die Ermittlungen auf Grund Schwarz-blau-gelber Mehrheit für die Aufhebung der Immunität im sächsischen Landtag gegen den Fraktionsvorsitzenden der Linken, der zu verbotenen Demonstrationen gegen NPD-Kundgebungen als Rädelsführer aufgerufen haben soll. Und es gibt dann Anklagen ohne umfassende Vorermittlungen mit (entschädigungsloser) ehrverletzender Wirkung zu Lasten des Angeklagten, obwohl eigentlich schon für den objektiv beurteilenden Außenstehenden klar ist, dass das Ergebnis nur ein Freispruch sein kann. Oder die Skandale um den Bundespräsidenten Wulff dokumentieren, wie willkürlich die Staatsanwaltschaft agieren kann, indem einfach mit Bausch und Bogen Ermittlungserfordernisse verneint werden, während anderswo in der Bundesrepublik andere Menschen bei gleichgewichtigen Fällen eine Anklage bekommen. Seitens der STA versteckt man sich dann oft auch hinter dem Rechtssatz, dass es einer Hauptverhandlung vorbehalten bleiben muss, die Dinge aus zu ermitteln , und nach den ersten Zeugenaussagen bestätigt sich dann, dass es zu keinem haltbaren Strafvorwurf mehr kommen kann. Und bei einem höchst strittigen Strafvorwurf mit langwierigen Hauptverhandlungstermine und umfangreichen Beweiserhebungen verschwimmen gerne Beweisergebnisse, insbesondere Zeugenaussage, in einem Nebel, denn es gibt keine umfassende Protokollierungspflicht und nur über feinsinnige komplizierte Beweisanträge etc. kann der Strafverteidiger versuchen, das Gericht revisionsrechtlich in die Enge zu treiben. Strafrichter sind daher auch besonders schwer angreifbar, wenn es um die Tatsachenwürdigung und Würdigung der Beweisaufnahme geht, es kann soweit führen, dass er völlig falsch eine Zeugenaussage interpretiert und das Revisionsgericht ist nicht in der Lage dies nachzuprüfen. Der Fall Kachelmann hat auch nicht umsonst (alte) berechtigte Kritik am Justizwesen ausgelöst, denn eigentlich wäre dieser Umfang von Justizaufwand nicht nötig gewesen und nur der Druck der Öffentlichkeit und der Medien hat ein nicht angreifbares Ergebnis herbeigeführt, obwohl seitens der Verantwortlichen in der Justiz gerne ein anderes Ergebnis gewünscht war. Aber genauso gut hätte an anderer Stelle bei weniger Beachtung und Aufwand ein Angeklagter eine existenzvernichtende Verurteilung erfahren können. Hinzukommt die Ungleichbehandlung der wirtschaftlich potenten Angeklagten und dem mittellosen Bürger, der sich keine teure Strafverteidigung erlauben kann.

Was sind die Ursachen für solche Missstände?

Primär ist es die Unzulänglichkeit des Menschen! Und Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte sind auch nur Menschen. Aber auch die Wirtschaftskraft des einzelnen, was darüber entscheidet, wie viel Recht man sich erlauben kann. Interessenverflechtungen (siehe hierzu den gesonderten Antrag zur Offenlegung von Nebentätigkeiten der Amtsträger), persönliche Weltanschauungen, Beziehungen, Korpsgeist innerhalb der Justiz (Sprichwort: Ein Krähe kratzt der anderen kein Auge aus), etc. führen zu Voreingenommenheiten, die nur schwer festzumachen und auch nur schwer angreifbar sind. Überlastungen der Institutionen mag auch ein Grund sein. Stellenkürzungen auf Grund (falscher) fiskalischer Erwägungen führen zu einem zusätzlichen Arbeitsdruck auf die Gerichte, was aber nicht immer verhindert, dass es sich ein Richter nicht dennoch hübsch in seiner Unabhängigkeit einrichten kann. Dabei ist zumindest im Zivilrecht die Justiz ein fiskalischer Überschussbetrieb, aber dennoch zögert man aus gesamthaushalterischen Erwägungen heraus, die Sach- und Personalaustattung der Justiz zu erweitern.

Man darf bei einer Justizreform aber nicht verkennen, dass unser Rechtssystem nicht zu einer „Krake“ verkommen darf, die zu einem Dschungeldickicht führt, mit der Folge von langwieriger Rechtsunsicherheit und erneuter Intransparenz. Es gilt daher sorgfältig das Für und Wider von Änderungen abzuwägen, denn verbesserter Rechtschutz kann auch zu Blockaden im Wirtschaftsleben und in der öffentlichen Daseinsfürsorge führen und so gesellschaftliche Prozesse und den Wohlstand gefährden bzw. lähmen. Und die Justiz muss handlungsfähig bleiben und der Bürger soll auch spüren, dass der Rechtsstaat als einzig zulässige Staatsform wirkungsvoll umgesetzt werden kann.

2. Vorschlag zur Präzisierung

Nachfolgende Vorschläge erheben nicht den Anspruch umfassend die Probleme abzudecken. Sie sollen auch nur grob aufzeigen, dass es da im Detail einige Möglichkeiten gibt, was aber noch nicht ausgereift genug ist, einen detaillierteren Programmantrag inhaltlich auszumachen. Auch kann man an vielen Ecken und Kanten noch feilen und auch mal eine andere Richtung geben. Nachfolgende Ausführung sind daher noch kein abschließendes Programm, sondern nur Diskussionsgrundlagen.

A) Zivil- und Verwaltungsprozessrecht

a) Im Zivilprozessrecht und im Verwaltungsprozessrecht sind die Vorschriften der Rechtspflichten der Gerichte zur umfassenden Sach- und Rechtsaufklärung im Sinne einer besseren Aufklärung des Rechtssuchenden zu verschärfen. Es muss sichergestellt werden, dass jede Gerichtsverhandlung sanktionsbehaftet und zwingend mit einer Erklärung des Gerichtes beginnt, wie sich der Sach- und Streitstand nach Aktenlage darstellt und muss die notwendigen Hinweise enthalten, zu welchen offenen Fragen von den Parteien noch Erklärungen abzugeben sind. Bereits zuvor sind in vertretbarem Umfange mit der Terminierung zur mündlichen Verhandlung schon schriftliche Hinweispflichten zu begründen. Bei schriftlichen Verfahren ist dies in einem Hinweis- und ggf. Beweisbeschluss darzulegen. Parteien und Parteivertreter haben im Verfahren jederzeit das Recht, gerichtliche Erklärungen zur Relevanz von Streitfragen zu verlangen, zu denen das Gericht sich noch nicht erklärt hat. Vorläufige Rechtsauffassungen, sind zu begründen, ggf. sind auf die Erwägungen hinzuweisen, die eine Entscheidung noch offenlassen. Sodann ist erst eine Güteverhandlung durchzuführen. Sollte das Gericht von einer vorläufig geäußerten Rechtsaufassung bei seiner Entscheidung abweichen wollen, hat es dies vor einer Endentscheidung mit der erneuten Gewährung rechtlichen Gehörs begründet darzulegen. Nach Beweisaufnahmen hat das Gericht in angemessener Frist, nach vorheriger Anhörung der Parteien, seine vorläufige Beweiswürdigung und die Auswirkungen auf die Sach- und Rechtslage kundzugeben, zu denen die Parteien nochmals gehört werden müssen. Über eine Änderung der vorläufig geäußerten Tatsachen- und Rechtswürdigung seitens des Gerichtes ist ggf. nochmals zu verhandeln. Alle vorstehend beschriebene Vorgänge sind nachvollziehbar und überprüfbar zu protokollieren. Entscheidungen dürfen nicht auf Erwägungen gestützt werden, die sich erstmals in der Entscheidung wiederfinden und zu denen die Parteien nicht Gelegenheit hatten, Stellung zu nehmen.

Anmerkung: Im Gesetz ist hierzu schon einiges normiert worden, vor allem mit der ZPO-Reform von 2002, als man den Rechtsschutz für die Berufung einschränkte und dafür die erste Instanz stärken wollte. Aber die Praxis hat nicht Vorteile für den Rechtsuchenden geschaffen, vielmehr hat man sich von gerichtlicher Seite auf Kosten des Rechtsuchenden Arbeit gespart, ohne gleichzeitig die freiwerdenden Ressourcen zu dessen Vorteil zu nutzen. Und so gibt es sanktionslos nach wie vor die Routine bei Gerichten, erst mal alles offen zu lassen, sich nicht zu sehr aus dem Fenster zu hängen und ggf. durch mehr oder weniger begründete Vergleichsvorschläge den Fall „vom Tisch“ zu bekommen. Ein nach derzeitiger Rechtslage handelndes sorgfältiges Gericht, hat den Fall nach Aktenlage genau analysiert, trägt dies spätestens in der mündlichen Verhandlung vor (selten kommen frühzeitiger „Fingerzeige“ vom Gericht) und jede Partei weiß, worauf es ankommt und kann ggf. nachlegen. Aber ich behaupte: So läuft es zu einem hohen Prozentsatz eben nicht. Und dann wird mal ganz schnell ins Gerichtsprotokoll der Satz geschrieben, dass die Sach- und Rechtslage erörtert wurde, obwohl es da an allen Ecken und Enden inhaltlich fehlte und fertig ist der Form nach das, was das Gesetz vorschreibt. Um dies zu verhindern, bedarf es präzisere gesetzliche Vorgaben, um die Richterschaft zu zwingen auch die elementaren Pflichten zu erfüllen.

b) In Eilverfahren hat vor einer Ablehnung das Gericht schriftlich (in besonderen Eilfällen mündlich, aber ist zur Akte zu vermerken) gegenüber dem Antragsteller seine Bedenken gegen eine stattgebende Entscheidung kundzugeben und Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben. Fristen sind angemessen je nach Eilbedürftigkeit einzuräumen. In Widerspruchsverfahren sind analoge Hinweispflichten zu begründen.

Anmerkung: Eilverfahren sind zwar eilig und dürfen nicht verzögert werden, aber wenn eine Eilentscheidung abgelehnt werden soll, schadet es auch nicht, auch hier schärfere Pflichten für den Richter zu normieren. Das zwingt zu mehr Sorgfalt.

c) Endscheidungen müssen den relevanten Sach- und Streitstand umfassend wiedergeben, soweit es sich nicht um offenkundig unerheblichen Vortrag der Parteien handelt. Berichtigungen und Ergänzungen der Endscheidungen können in einem besonderen Antragsverfahren geltend gemacht werden, wenn es den Streitstoff nicht hinreichend wiedergibt und entscheidet. Solange hierüber nicht entschieden wurde, laufen keine Rechtsmittelfristen. Ein Rechtsmittel gegen eine abgelehnte Berichtigung oder ergänzende Berichtigung ist nicht möglich. Jedoch sind im Berufungs- bzw. Beschwerdeverfahren von Entscheidungen solche regelmäßig aufzuheben, wenn der Streitstoff nicht hinreichend dargestellt und gewürdigt wurde, es sei denn, dass aus hinreichend dazulegenden Gründen keine andere Sachentscheidung im Ergebnis möglich war.

Anmerkung: Das soll Überraschungsentscheidungen erschweren. Und das "Tricksen" bei der Abfassung einer Entscheidung, die beim einfachen lesen nicht gleich nachvollzogen werden kann, wird erschwert. Das weit verbreitete Mittel, Argumente einfach zu übergehen, die aber die Entscheidung für den dritten Leser aber erst fragwürdig erscheinen lassen, soll damit ausgehebelt werden.

d) Das Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Endentscheidungen ist wieder mit verstärktem rechtlichem Gehör zu gestalten. Das Rechtsmittelgericht hat im Berufungs- oder Beschwerdeverfahren zunächst einen Hinweisbeschluss zu den mit dem Rechtsmittel gerügten Fehlern zu erlassen. In jedem Fall hat eine mündliche Verhandlung stattzufinden.

Anmerkung: Gerade wurde § 522 ZPO reformiert, weil man erkannt hatte, dass der Rechtsschutz gegen den ursprünglichen gesetzgeberischen Willen zu kurz kam. Aber das ist nicht ausreichend. Wenn die erste Instanz ernsthaft mit den richterlichen Pflichten abgearbeitet wurde, wäre es auch rechtspolitisch vertretbar, die Berufungsinstanz auf die Tatsachenwürdigung und die Einhaltung der Verfahrensregeln und der gesetzlichen Würdigung zu beschränken, aber es muss auch die Sanktion geben, dass ggf. zurückverwiesen wird. Dies erhöht den Druck auf das erste Gericht, es auch mit seinen Pflichten gleich ernst zu nehmen und nicht das Risiko einzugehen, wegen formaler Fehler den Fall zurück zu bekommen. Nur die Angst des Richters aufgehoben zu werden und so seine „Reputation“ zu verschlechtern, sorgt für eine bessere Betreuung der Rechtsuchenden.

e) Das Revisionsrecht ist zu erweitern. Es ist eine umfassende Begründungspflicht zu der Würdigung der gerügten Rechtsfehlern zu normieren.

Der BGH nimmt nur ca. 2 % aller Revisionszulassungsbeschwerden an. Es ist ein offenes Geheimnis, dass so auch völlig unhaltbare unterinstanzliche Entscheidungen wirksam bleiben, nur weil man hier keine Rechtsfortbildung für angebracht sieht. Wenn aber in den Kernfragen des Rechtstreites der BGH mehr aussagen muss, als nur den Satz, dass keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bestünde usw., würde mehr Gerechtigkeit provoziert werden, denn der BGH muss sonst befürchten, von der rechtswissenschaftlichen Literatur wegen Inkonsequenz in seinen Entscheidungen „zerrissen“ zu werden, wenn sich aus dem Beschluss ergeben würde, dass er geltende Rechtsgrundsätze übergeht oder ignoriert. Ähnliches gilt für das BVerwG. Das Argument, dass damit Revisionsverfahren längere Zeit beanspruchen würden, geht fehl, denn wenn das Revisionsgericht wirklich die notwendige Prüfung einer Rechtsache durchführen würde, handelt es sich bei der Absetzung eines fundiert begründeten Beschlusses nur um eine zeitliche Marginalie. Richtig ist aber, dass tatsächlich mehr Zeit für Revisionen aufgewendet werden muss, denn nun entsteht erst der Zwang sich umfassend mit jedem Fall zu befassen.

f) Bei vorsätzlicher oder leichtfertiger Verletzung obiger Pflichten, sind die öffentliche Hand gesamtschuldnerisch neben den verantwortlichen Richter für den dadurch kausal entstehenden Schaden haftbar zu machen.

Anmerkung: Das ist das schlagende „Druckmittel“, um den Richter zur Sorgfalt anzuhalten. Wenn er seine Akten nicht richtig liest, oder ins Blaue hinein mit den Parteien verhandelt und damit gegen seine elementaren Pflichten verstößt, es sodann zum Einlegen eines Rechtsmittels kommt, so hat er ggf. für die weiteren Anwalts- und Gerichtskosten aufzukommen, wenn er hier mindestens leichtfertig gehandelt hat. Dies geht einher mit der Forderung, dass bei Verletzung der Sorgfaltspflichten in erster Instanz regelmäßig die Zurückverweisung erfolgen muss. Und nur das Risiko, hier ggf. für unnütz entstandene Prozesskosten aufkommen zu müssen, kann die notwendige richterliche Anstrengung sicherstellen.

B) Strafverfahrensrecht:

a) Die Staatsanwaltschaften sind nicht mehr weisungsgebunden, sondern unabhängige Institutionen. Es ist eine Dienstaufsicht wie in der übrigen Gerichtsbarkeit mit analogem Umfang und Grenzen einzuführen. Es ist jedoch eine übergeordnete unabhängige Beschwerdeinstanz innerhalb der Staatsanwaltschaft einzurichten, die über eingestellte Verfahren zu befinden hat. Das Klageerzwingungsverfahren ist zu vereinfachen. Es genügt die Rüge zu den verletzten Rechtsnormen und den unterlassenen Ermittlungen. Anklagen dürfen nur von einem Gremium mit mehr als einem Staatsanwalt erhoben werden (Z.B. Sachbearbeiter und Abteilungsleiter).Das Privatklageverfahren ist zu erweitern zugunsten des Verletzten, soweit die Strafrechtsnorm seinen Schutz bezweckt.

b) Die Zulassung der Anklage durch das Gericht ist einer umfassenderen Prüfung zu unterziehen als dies bisher geschieht. Erweist sich trotz Rüge im Zwischenverfahren die damit geltend gemachten Einwendungen gegen die Tat im Hauptverfahren als stichhaltig, und wäre bei sorgfältiger Prüfung dies schon im Rahmen weiterer Vorermittlungen erkennbar gewesen, ist eine höhere Entschädigung für den freizusprechenden Angeklagten geschuldet.

c) Der Verlauf eines Strafprozesses nach einer Anklageerhebung ist umfassend hinsichtlich der Einlassungen des Angeklagten und der Beweiserhebung elektronisch zu dokumentieren. Es sind Tonbandprotokolle und/oder Videoaufzeichnungen zu erstellen. Die Aufzeichnungen sind bis zur Rechtskraft einer Entscheidung zu speichern und im Falle einer Verurteilung auf Antrag des Angeklagten auf die Dauer von 30 Jahren zu speichern. Kopien sind auf Antrag zu fertigen. In besonderen Fällen soll auch auf Antrag eine Videoaufzeichnung von Beweisaufnahmen erfolgen.

d) Gegen erstinstanzliche Entscheidungen der Landgerichte sind eingeschränkte Berufungen zu gewährleisten. Die Berufung ist darauf beschränkt, die Ergebnisse der erstinstanzlichen Beweiserhebung im gerügten Umfange vollständig zu überprüfen und eine erneute Beweiserhebung ist nur dann neu anzuordnen, wenn das Berufungsgericht Zweifel an der richtigen Würdigung erstinstanzlicher Beweiserhebung hat. Zugunsten des Angeklagten darf auch umfassender von Amtswegen eine Überprüfung der Tat stattfinden.

e) Das Revisionsrecht ist auf Grund der umfassend dokumentierten Beweisaufnahme dahingehend zu erweitern, dass auch diese Dokumente einer revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegen.

f) Die Erstattung eines angemessenen Verteidiger-Honorar, soweit dieses auf einer Vereinbarung über die gesetzlichen Gebühren hinaus beruht, ist im Falle eines Freispruches anzuordnen. Beschränkungen von unangemessen hohen Honorarvereinbarungen im Gebührenrecht sind andererseits auch einzuführen. Haftentschädigungen im Falle eines Freispruches sind erheblich zu erhöhen und sollen auch die Nachteile umfassen, die der Angeklagte infolge des Strafverfahrens erlitten hat. Gleiches gilt auch für Nachteile infolge sich als ungerechtfertigt erwiesener Strafverfolgung.

Anmerkung: Auch im Strafverfahrensrecht wäre zu erwägen, ob nicht eine Amtshaftung von Richtern und Staatsanwälten begründet wird, wenn leichtfertig mit Aufklärungs- und Ermittlungspflichten umgegangen wird und hierdurch zu Unrecht Beschuldigte auf hohen Verteidigungskosten und sonstigen Schäden sitzen bleiben müssen.

C) Verfassungsgerichtsbarkeit

Die ablehnende Bescheidung von Verfassungsbeschwerden unterliegen einem umfassenden Begründungszwang. Anmerkung: Hier sind die gleichen Erwägungen anzustellen, wie beim Revisionsrecht.