SN:Treffen/Landesparteitag/2012.1/Programm/PP02

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  • Antragsteller: Dr. Thomas Walter, eingereicht am 21.02.2012, 09:32 Uhr per Email

PP02 : ÖPNV

Der Landesparteitag möge als Positionspapier beschließen:

Die Piratenpartei Deutschland, Landesverband Sachsen setzt sich dafür ein, dass in Sachsen die Kommunen die Möglichkeit erhalten, einen fahrscheinlosen Öffentlichen Personalnachverkehr (ÖPNV) einzuführen. In solchen Fällen kann jeder Bürger und auswärtige Besucher die kommunalen Beförderungseinrichtungen ohne besonderes Entgelt nutzen.

Finanziert werden soll dies u.a. durch eine kommunale zweckgebundene Abgabe die die Bürger, sei es mit Hauptwohnsitz oder Nebenwohnsitz, kraft einer kommunalen Satzung zu entrichten haben. Minderjährige Bürger, Studenten , Auszubildende, Schwerbehinderte, pflegebedürftige Personen, Empfänger von Sozialleistungen können von der Abgabenpflicht ganz oder teilweise befreit werden. Ferner kann die Kommune Befreiung oder Reduzierung von der Abgabenpflicht vorsehen, wenn besondere Gründe, wie sozialer Härtefall oder eine sonst nicht zu vermeidende Ungleichbehandlung dies erforderlich macht. Auswärtige Besucher oder Berufspendler können in die Abgabenpflicht einbezogen werden, soweit solche mittels Hotelübernachtung oder Arbeitgeber erfasst werden können. In diesen Fällen sind das Hotelgewerbe und die Arbeitgeber entsprechend zum Einzug zu verpflichten. Ferner können auch Betriebe ergänzend oder alternativ zu einer Abgabe herangezogen werden, die je nach der Zahl der Arbeitnehmer und dem durch sie verursachten Publikumsverkehr zu berechnen ist. Die Abgabe soll nach den Aufwendungen für den ÖPNV bemessen werden, wobei auch ein Eigenanteil bei den Kommunen verbleiben muss, der der geschätzten anteiligen Nutzung von auswärtigen Benutzern entspricht, die nicht von der Abgabenpflicht umfasst werden können. In der Regel ist hierfür ein Eigenanteil von 10 % zugrundezulegen. In begründeten Einzelfällen, kann die Kommune hiervon auch abweichen, soweit hierdurch eine erhebliche Ungleichbehandlung ausgeglichen werden kann.

Die Piratenpartei fordert des weiteren, dass innerhalb des Freistaates Sachsen, die Verteilung der nach Art 106 a GG und dem Regionalisierungsgesetz empfangenen Bundesmittel neu geregelt wird, damit das Konzept eines fahrscheinlosen ÖPNV vorrangig umgesetzt werden kann.

Die Piratenpartei setzt sich ferner dafür ein, dass mit Hilfe von drei großen Feldversuchen festgestellt wird, ob sich ein kostenfreier ÖPNV rechnet. Diese Untersuchungen sollen jeweils in einem Oberzentrum, einem Mittelzentrum und einer Region des ländlichen Raumes in Sachsen wissenschaftlich mit Hilfe der Landesregierung begleitet durchgeführt werden.

Zur Umsetzung des Konzeptes eines fahrscheinlosen Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) , das mittels einer kommunalen Abgabe zu finanzieren ist, fordert die PIRATENPARTEI DEUTSCHLAND , Landesverband Sachsen die Schaffung landesgesetzlicher Grundlagen, damit den Gemeinden und Landkreisen die Ermächtigung zu entsprechenden Abgabensatzungen gegeben wird.

Demnach möge der Landtag beschließen, die Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen (SächsGemO) in § 73 (Grundsätze der Einnahmebeschaffung ) in Abs. 2 um einen zweiten Satz zu ergänzen, dass das sächsische Kommunalabgabengesetz in der jeweils gültigen Fassung abweichende Bestimmungen vorsehen darf. In Konsequenz hierzu ist das Sächsische Kommunalabgabengesetz im obigen Sinne um Vorschriften zu ergänzen, die die Kommunen ermächtigen, Satzungen für eine zweckgebundene ÖPNV –Abgabe zu erlassen.


Begründung

Vorstehender Antrag soll zunächst als Positionspapier verabschiedet werden und kann später im Rahmen der Erstellung eines Wahlprogrammes verwendet werden.

Die Piraten in einigen Teilen Deutschlands haben in ihren Programmen die Forderung stehen, dass der ÖPNV fahrscheinlos, aber nicht kostenlos zu organisieren sei. Finanziert werden soll dies durch eine kommunale Abgabe. Sinn eines solchen ÖPNV ist die Verbesserung der Umweltbedingungen, insbesondere die Verbesserung der Lebensqualität der Einwohner durch weniger Verkehrsbelastung. Es ist daher auch mit erhöhter Kapazitätsauslastung und der Notwendigkeit von Kapazitätserweiterungen und damit mit erheblich höheren Kosten zu rechnen.

Was jedoch hierbei oft übersehen wird, ist der Umstand, dass dies nicht allein kraft regionaler (kommunaler) Willensentschließung geschehen kann, sondern erst einmal rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. In Sachsen erfordert dies zunächst die Änderung der Gemeindeordnung, denn diese schreibt in § 73 vor, dass die Kommunen primär leistungsbezogene Gebühren zu erheben haben, d.h. es wäre zur Finanzierung wirklich ein Ticketsystem zwingend. Erst wenn es solche Möglichkeiten nicht mehr gibt, kann nach derzeitiger Lage auf Steuern und Abgaben zurückgegriffen werden. Dieses Rechtsprinzip ist also zuerst mit einer Änderung der Gemeindeordnung zu durchbrechen. Sodann muss die eigentliche Ermächtigungsgrundlage in dem KommunalAbgabengesetz für das Satzungsrecht der Kommunen geschaffen werden. Diese muss Art 75 der sächs. Landesverfassung entsprechen, d.h. Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung muss in dem KommAbG hinreichend bestimmt werden. Vorstehend ist dies noch nicht in Gesetzesform formuliert, aber die Leitsätze geben die Richtung klar vor. Die Leitsätze sind aber so gefasst, dass es im Ermessen der Kommune liegt, wie sie die Abgabe erhebt, inwieweit Bürger als Privatpersonen herangezogen werden und inwieweit gewerbliche oder sonstige Betriebe einen Beitrag zu leisten haben.

Man kann davon ausgehen, dass letztlich eine von der Höhe der Belastung vertretbare Abgabe oftmals nicht ausreichen wird, den ÖPNV zu 100 % zu finanzieren. Hinzukommt, dass die Abgabengerechtigkeit nicht 100% erreicht werden kann, denn es werden auch immer Personengruppen aus dem Abgabenraster herausfallen. Daher wird die Kommune sogar gefordert sein, mehr als die hier angesetzten 10 % aus allgemeinem Steueraufkommen finanzieren zu müssen.

Mit vorstehend angestrebter Änderung des KommAbG ist noch nicht ausgesagt, dass immer der ÖPNV mittels Abgabe finanziert werden muss. Dies bleibt der demokratischen Willensbildung der Kommunen vorbehalten. Das Gesetz soll nur die Möglichkeit eröffnen.

Anmerkung: Das Abgabensystem funktioniert nicht bei einer ÖPNV-Organisation durch juristische Personen des Privatrechtes. Das ist jedoch die Regel landesweit. Daher müssen die Kommunen erst einmal die privatrechtlich organisierten Betriebe wieder in kommunale Eigenbetriebe zurückverwandeln, denn nur dann kann eine Satzung kraft kommunalen Abgabenrechtes Wirkung erzeugen. Dies schafft aber wieder mehr Transparenz, denn das Kommunalparlament muss dann bei allen wirtschaftlich bedeutsamen Entscheidungen mitwirken und die oftmals so vielen spekulativen Geschäfte der Vergangenheit, die längst auch den kommunalen Bezug überschritten, müssen entfallen.