Funktionaler Faschismus
“Diese Abhandlung soll den [biopsychosozialen] Rechenfehler nachweisen, den, soweit die Geschichte lehrt, sämtliche Freiheitsbewegungen bisher begangen haben; einen Rechenfehler, der freiheitliche Bestrebungen im Keim erstickte oder erzielte Befriedigungen des gesellschaftlichen Lebens wieder zunichte machte. [...] Die Menschenmassen sind infolge jahrtausendealter sozialer und erzieherischer Verunstaltung bio[psychosozial] versteift und freiheitsunfähig geworden; sie sind [infolge der biopsychosozialen Auswirkungen des höchst korrumpierbaren, scheindemokratischen Mehrheitsprinzips] nicht imstande das friedliche Zusammenleben einzurichten.” Wilhelm Reich (1933). Die Massenpsychologie des Faschismus.
Inhaltsverzeichnis
Funktionaler Faschismus
Was ist funktionaler Faschismus (FF)?
Funktionaler Faschismus (synonym: "Funktionale Störung des innerdemokratischen Diskurses") geht im Denken, Bewerten oder Handeln mit einem ausgeprägten Schwarz-Weiß-Denken (v.a. in der demokratischen Phase der Willensbildung) einher sowie einer Ausgrenzung und Abwertung von Andersdenkenden, der Einordnung von Ideen/Personen in bestimmte a priori minderwertige Seins- und Haben-Kategorien sowie dem passiven oder aktiven Ausschluss und der Verletzung von Menschenrechten (Totschlagargumente mit zunehmendem Schweregrad). Funktionaler Faschismus (FF) ist ein ideologieunabhängiges Merkmal, welches mit einer bewussten bis unbewussten Manipulation der politischen Meinungs- und Entscheidungsbildung einhergeht und auf eine teils personenspezifische, teils systembedingte Korruption bei politischen Entscheidungsträgern und Institutionen hinweist.
Funktional heißt diese Form des Denkens, der Kommunikation und des politischen Handelns deswegen, weil es unabhängig vom Inhalt der Einstellung oder der Ideologie mehr oder weniger in allen poltischen Lagern festgestellt werden kann und seine funktionalen Ursachen oder Wurzeln in den Strukturen und der Funktionsweise unseres scheindemokratischen Systems und der Funktionsweise des Gehirns hat. Die vorliegende Diagnostik zum FF ist keine grundsätzliche Neubesetzung des Begriffs Faschismus. Vielmehr liegt mit dieser Ausarbeitung eine erkenntnismethodische Erweiterung auf aktualgenetische Probleme in politischen Diskursen vor. Während sich historisch-phänomenologische Ansätze/Definitionen (vgl. 1 ; 2) auf spezifische historische Erscheinungsformen des Faschismus (z.B. in Italien oder Deutschland) beziehen, liegt der Fokus des funktionsanalytischen Ansatzes in den abstrakten Gemeinsamkeiten und den biopsychosozialen Ursachen/Wurzeln aller möglichen Formen, auch von latentem, also unterschwellig faschistoidem Verhalten.
Funktional faschistoides Verhalten (bzw. das was allen dogmatischen, rassistischen und faschistoiden Einstellungen und Verhaltensweisen zugrunde liegt oder gemeinsam ist) geht mit einer gezielten Konstruktion von Sündenbücken und Feindbildern bzw. mit Diskriminierung, Stigmatisierung und Kriminalisierung von Menschen einher. Gleichsam sind ein autoritärer, also ein einseitig entweder-oder-diktierender Argumentationsstil (“Sparpolitik ist alternativlos”) sowie manipulative Entweder-oder-Umfragen in der Phase der Willensbildung zentrale Merkmale der Vorstufen (ff-Score 1 bis 3 bzw. des "Nährbodens") funktional faschistoiden Verhaltens von Personen, Institutionen und Inititativen auf den höheren Gewaltstufen 4 und 5. Mit erstaunlicher Regelmäßigkeit ist dabei schon bei den Vorstufen auf ff-level 1 bis 3 zu beobachten, dass eine alternative unvoreingenommene, ganzheitliche, gemeinwohl- und konsensorientierte Lösungssuche im Vorfeld ausgeschlossen, entwertet und verhindert wird und die Mitglieder der Ingroup vermehrt zu „Totschlagargumenten“ gegenüber Mitgliedern der Outgroup oder deren Argumentation greifen, mit dem Ergebnis, dass die Diskussion "heiß" läuft. Im Verlauf der autoritären Diskursführung, damit verbundener unfreier Meinungsbildung und der tunnelblickartigen, politischen Lösungssuche ist dabei meist zu beobachten, dass die vergleichsweise oberflächlich bleibende Sachdiskussion umkippt hin zu Konflikten und Angriffen auf der Personenebene (Eskalation) und in der Konsequenz der politischen Entscheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit eine grobe Verletzung von Menschenrechten und qualitativ schlechte oder Grundbedürfnissen/dem Gemeinwohl entgegengesetzte Lösungen und Entscheidungen resultieren.
Theorie des funktionalen Faschismus
Basisannahmen zur funktionalen Diskursstörung
Bei funktionalem Faschismus handelt es sich um ein mit zunehmender Schwere verfassungsschutzrelevantes, psychologisches Korruptionsmerkmal bzw. eine "funktionale Störung des innerdemokratischen Diskurses" mit den folgenden theoretischen Ausgangsannahmen:
Der Mensch hat zwei motivationale Bewusstseinsmodi: In der demokratischen Phase der Willensbildung hat der Mensch einen ganzheitlichen, unvoreingenommenen Bewusstseinsmodus (Erwartungs-mal-Wert-Matrix, Abwägen in Graustufen), welcher einem ganzheitlich integrativen, inner-demokratischen Simulationsmodus (Vielfalt der Stimmen) entspricht. In der inner-diktatorischen Phase der Willensumsetzung hat der Mensch dem gegenüber einen reduktionistischen, tunnelblickmäßigen Bewusstseinsmodus, in dem er schwarz-weiß denkt und mit dem er seine oder fremde Ziele durchsetzt. Der erste Bewusstseinsmodus, ist durch Denken in Wahrscheinlichkeiten und durch die parallele Verarbeitung von Informationen und dadurch durch eine hohe, v.a. auch kreative, pluralistische und moralische Integrationsleistung gekennzeichnet und dient beim Zielebilden dem Selbstwachstum (progressives Handeln). Man spricht hierbei auch von einer "inneren Demokratie". Hier hat ein Mensch maximale persönliche Freiheit - nicht wegen der Auswahl an Konsumgütern - sondern weil er im Bestfall möglichst unvoreingenommen und unmanipuliert, also hierarchie- und herrschaftsfrei Ziele bildet, die seinem Selbst (seinen Bedürfnissen und Werten, den Grund- und Menschenrechten) am besten entsprechen, also ohne Konformitätseffekte, autoritäre und korrumpierende Einflüsse (Bestechung, Zwang bis Nötigung) etc.. Im paternalistischen bis diktatorischen Modus der Willensumsetzung werden abweichende Ziele oder Meinungen unterdrückt, bei abweichendem Verhalten sanktioniert oder zensiert. Verschiedensten Beobachtungen zu folge ist dieser Modus gemessen an der Häufigkeit von Totschlagargumenten im politischen Diskurs in Phasen der Willensbildung (Brainstorming, Diskussionsphase = vor dem Beschluss) fraktionsübergreifend das am häufigsten anzutreffende Stil- und Argumentationsmittel.
Theoretischer Hintergrund zu den Bewusstseinsmodi der "inneren Demokratie" und der "inneren Diktatur": Metatheorie der politischen Willensbildung
Es wird angenommen, dass funktionale Störungen des innerdemokratischen Diskurses in der Willensbildungsphase zumeist über Mechanismen und Faktoren einer oberflächlichen Informationsverarbeitung (z.B. Vorurteile, Furchtkonditionierungen, Gewohnheit/Trägheit, Wiederholung, Macht- und Statusmotive, Impulshandlungen, Zwang/Nötigung oder Bestechung), den Kontrasteffekt bei Mehrheitsentscheiden und andere Urteilsfehler (logische Fehler, fundamentaler Attributionsfehler, Konformitätseffekte) vermittelt werden. Bei der funktionalen Diskursstörung handelt es sich dabei vom Effekt her um eine massenpsychologisch relevante, vorbewusste Aushebelung der moralischen, logischen und kontextbezogenen Urteilsfähigkeit. In Anlehnung an die PSI-Theorie kommen hierfür verschiedenste funktionale Mechanismen zur Erklärung von Vorkommen, Frequenz, Zunahme und Perseveranz von Totschlagargumenten in Frage, wie z.B. Kontextrepräsentationsschwäche durch eine Überaktivierung des zweckorientierten Objekterkennungssystems, vorbewusste Mechanismen der lateralen Hemmung alternativer Interpretationen bzw. Probleme im Perspektivenwechsel bzw. in der kognitiven Flexibilität, z.B. nach stressbedingter Hemmung oder Schädigung von hochinferenten Hirnstrukturen (Kuhl, 2001). Dies geht analog zur PSI-Theorie mit einer substanziellen Korruption der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung (erhöhtes Risiko der Selbstinfiltration bis Fremdsteuerung) in der Phase der Willensbildung einher, wobei es durch die vorbewusste Hemmung des Selbstzugangs und des Selbstwachstums zum Ausfall oder entwicklungsspezifischen Defiziten in basisdemokratischen Kernkompetenzen (Selbststeuerung, Empathie, differenziertes, kontextbezogenes Denken) kommen kann. Laut der vorliegenden Theorie werden durch die genannten Mechanismen, Ausfälle und Urteilsverzerrungen in Folge intransparenter Mehrheitsentscheide in hierarchisch organisierten Institutionen bestimmte Effekte und Folgen vorhergesagt (z.B. im Vergleich zu normativen Menschenrechtskriterien oder zu Ergebnissen aus spezifischen basisdemokratischen Konvergenzverfahren):
- autoritäres oder dogmatisches SW-Denken, paternalistische Kommunikationsmuster, Totschlagargumente bis hin zu Ausschluss (von universellen menschenrechten/grundbedürfnissen), Hetze, Propaganda und willkürliche Gewalt (Totalitarismus) treten gehäuft auf oder nehmen zu >> Diskurse laufen "heiß" unter Zunahme von destruktiv und personendiffamierender Adhominem-Kritik, Totschlagargumenten und (Stellvertreter-)Konflikten,
- Zunahme bzw. hohes Level an rechtsstaatlicher, wirtschaftspolitischer und geistiger Korruption => hohes Risiko der Verwerfung in Fragen bzgl. Bürger- und Menschenrechtsschutz und verfassungsrechtlich geschützten Werten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung >> stetiger Kampf gegen bürokratische Windmühlen, Verfall von Demokratie und Rechtsstaat bei Dominanz von instrumentellen bis imperialen Wirtschaftsinteressen
- bedeutsam geringere (politische) Entscheidungsqualität und Repräsentativität hinsichtlich Antidiskriminierungsgebot, Menschenwürde und Wählerwille
- die beteiligungsorientierte Selbstwirksamkeit, die politische Teilhabe-Motivation, Kreativität, Toleranz und Kooperationsbereitschaft nehmen ab,
- Mangel an Eigeninitiative bis funktionale/gelernte Hilflosigkeit sowie Passivität/Konformität (Schweigespirale), Reaktanz und Antriebslosigkeit bei vorhandener Motivation zur Selbstbestimmung, Mitsprache und sozialem Engagement
Teile-und-Herrsche-Effekt: Versklavung der politischen Meinungs- und Willensbildung
Durch die Entweder-Oder-Logik des Mehrheitsprinzips wird ein künstliches Gegeneinander (Kontrasteffekt, Dissensillusion) in der Basis erzeugt, das mit persönlichen, meist unbewussten Werteverschiebungen einhergeht und zu einer Polarisierung von Meinungen und Interessen zwischen vormals eher gleich betroffenen oder gleich gesinnten Personen führen kann. Dabei entstehen zunehmend Kritikerkriege, Interessenkonflikte und Missverständnisse, wobei Unterschiede übergewichtet und vorhandene Gemeinsamkeiten kaum noch wahrgenommen werden. Dabei kann es leicht zu Konsensunterschätzungen, zwischenmenschlichen Konflikten, Abgrenzungsbestrebungen und final zur Spaltung von Gruppen kommen (Teile-und-herrsche-Effekt). Menschen mit sonst ähnlichen Einstellungen begreifen sich dabei durch die Einordnung in ein duales Schema (gut-böse, ingroup-outgroup) zunehmend als Konkurrenten, Gegner oder Feinde (als Ausdruck des latenten "Kriegs in unseren Köpfen"). Oft ist dabei zu beobachten, dass in zunehmend heißlaufenden Debatten um die Meinungsführerschaft/Deutungshoheit, den Machtanspruch oder um die unbedingte Durchsetzung der eigenen Interessen nach dem Mehrheitsprinzip die ehemals sachorientierte Auseinandersetzung umkippt hin zu Konflikten und Angriffen auf der Personenebene. Gleichzeitig nimmt die Häufigkeit der Verwendung von emotional aufgeladenen Schwarz-Weiß- und Totschlagargumenten zu und die Qualität der kooperativen und gemeinwohlorientierten Lösungssuche und Entscheidungsqualität dagegen drastisch ab (Funktionaler Faschismus).
Diese Dynamik der Polarisierung von Gruppen und der Aufschaukelung von Konflikten durch den Kontrasteffekt im Mehheitsprinzip wird nach der Theorie des FF u.a. durch eine Form der unbewussten, menschlichen Urteilsverzerrung verstärkt, die als „fundamentaler bzw. ultimativer Attributionsfehler“ bezeichnet wird. Darunter versteht man die asymetrische Tendenz von Menschen, z.B. unerwartete Ereignisse oder unerwünschtes Verhalten anderer eindimensional auf einzelne, personengebundene Ursachen (z.B. Persönlichkeitseigenschaften, Gruppenzugehörigkeit/Herkunft, Einstellungen oder Motive) zurückzuführen ("Er handelt so, weil er Jude ist"), während für das eigene, sozial unerwünschte Verhalten eher externe, kontextbezogene bzw. situative Umstände (die Hitze des Gefechts, die Terrorgefahr, der Erfolgsdruck, die Wirtschaftslage) verantwortlich gemacht werden. Wenn es nun in konfliktreichen Entscheidungssituationen zur Wahrnehmung von Bedrohung eigener Interessen, zur Aktivierung von automatisierten Kampf-Flucht-Reaktionen und stressbedingt zur Hemmung des Selbstzugangs kommt (s. PSI-Theorie), geht damit auch vorübergehend die Fähigkeit verloren, kontextbezogene Informationen und Widersprüchliches zu verarbeiten, die Perspektive des Gegenübers einzunehmen und die Problemlagen anderer zu berücksichtigen. Damit einher gehen unzulässige Verallgemeinerungen und Schwarz-Weiß-, Entweder-Oder bzw. Richtig-Falsch-Denken sowie ein erhöhtes Risiko für die Reproduktion von Vorurteilen, Feindbildern und Totschlagargumenten bis hin zur offenen Gewalt. Fazit: erhöhtes ff- bzw. Korruptionsrisiko bei intransparenter Entscheidungsbildung mit Kopfquoren via Mehrheits- oder Kontrastprinzip
Wie stellt man FF fest?
Interaktions- und Funktionsanalyse
Die Messung und Diagnostik von FF ist nicht an Inhalte oder Ideologien gebunden, sondern kann anhand der der Schwere und Frequenz des Vorkommens von Gewalt, von spekulativ-reduktionistischen bis totalitären Denk- und Kommunikationsmustern auf einem Kontinuum (via FF-Score) gemessen werden. Davon zu differenzieren, jedoch für die Interaktionsanalyse relevant, sind die subjektive Intensität der Gewalt und deren Auswirkungen auf die Gesundheit, die Stabilität einer Region oder die Qualität eines (politischen) Diskurses. Neben dem globalen FF-Score (s.u.) gibt es also noch weitere Dimensionen (2.-4.) von reduktionistischer bis totalitärer Gewalt (fflevel1/666 bis 5/666).
Dimensionen zur Beschreibung von Gewalt:
- 1. tsaFFliste/globaler ff-Score: Beispiele
- 2. Frequenz von Gewalt, Killerphrasen und Totschlagargumenten (TSA)
- 3. subjektiv erlebte Intensität
- 4. Auswirkungen auf Wohlbefinden, Gesundheit & Diskurs
FF ist ein Merkmal individueller Denk- und Verhaltensmuster, welches kultur- und ideologieübergreifend nach intersubjektiven, diagnostischen Kriterien von unabhängigen Beurteilern (Bürgergutachtern) bei Menschen und Politikern in allen politischen Lagern festfestellt werden kann. Verglichen mit den üblichen, oftmals eher subjektiven und mit Urteilsfehlern behafteten Kriterien für faschistoides Verhalten (Rassismus, Antisemitismus, Sexismus/Chauvinismus, Nationalismus, Holocaustleugnung, Fremdenfeindlichkeit, Autoritarismus, Homophobie, Gewaltverherrlichung etc.) sind die folgenden Kritierien für funktionalen Faschismus sozusagen der abstrakte Kern aller dieser Einstellungen, wodurch die entsprechende Diagnose nicht auf faschistoide Einstellungen aus dem rechtsextremen Sektor begrenzt ist, sondern jegliche dogmatischen, antidemokratischen und faschistoiden Einstellungen/Verhaltensweisen, auch aus den konservativen, linksextremen und dem liberalen Sektor einschließt.
Ermittlung des globalen ff-Scores
Der ff-Score wird aus zwei Teilen anhand von Aktenlage, Verhaltensbeobachtungen und Interview ermittelt. Für jedes zutreffende ff-Verhaltenskriterium 1 bis 5 (Teil 1) wird in der Gesamtschau 1 Punkt vergeben und zu einem globalen ff-Score aufaddiert. Der erste Teil des ff-Scores erstreckt sich somit über ein Kontinuum von 0 (demokratisch/empathisch) bis 5 (totalitär/faschistoid), während der zweite Teil der Punkte (Kriterium 6 a-c) extra angegeben wird. Die Kriterien 6a-c ergeben jeweils einen zusätzlichen Punkt (666) für a) Wiederholung und b) keine Selbstreflektion/Reue oder Korrektur; Kriterium c (Beurteilerübereinstimmung 80%) wird relevant, wenn es um soziale Sanktionen geht.
Die Kriterien 2 bis 4 entsprechen in Kombination abstrakten Merkmalen von in einer Demokratie bzw. mit einer unvoreingenommenen Willensbildungsphase illegitimen bzw. entgegenlaufenden Totschlagargumenten. Kriterium 4 und 5 stehen für das offene Auftreten psychischer oder physischer Gewalt, die geduldet oder direkt ausgeführt wird. Ab einem ff-Score von 3 bis 4 kann unter Bedingungen des wiederholten Auftretens und unter Ausschluss von Angst/funktionaler Hilflosigkeit und Notwehr die Prädikate „latent faschistoides“ und ab einem Score von 5 „offen faschistoides“ Verhalten vergeben werden. Die Angabe von ff = 5/6 bis ff = 5/666 signalisiert, dass die Diagnose faschistoid/totalitär (ff) durch Vorliegen der 3 Validitätskriterien 6 a bis c (ff-score/validierter ff-Score) im 2. Teil der Diagnostik via Interview bestätigt wurde.
Unter der Annahme, dass die ff-Kriterien 1 bis 5 aufeinander aufbauen und sich in ihrer Schwere steigern, zählt unter unvollständiger Beobachtung der Wert, dessen Kriteriumsstufe das Verhalten einer Person oder Organisation (666, d.h. wiederholt, im Konsens beobachtet und ohne Korrektur) erreicht. Wird z.B. ausschließlich wiederholt direkte körperliche Gewalt oder Hetze von mehreren Beobachtern beobachtet, unter Ausschluss von gleichgearteter Notwehr, und werden dabei jedoch keine Hinweise auf Denkweise, Einstellung o. unterlassene Hilfeleistung beobachtet, erhält die Person/Organisation einen ff-Score von 5. Dies impliziert die Annahme der FF-Theorie, dass die vorauslaufenden Verhaltensmerkmale/Stufen als jeweilige funktionale Vorbedingung gelten, um den beobachteten Schweregrad im Verhalten zu erreichen.
Gültigkeit der Diagnose
Anhand dieser neuen Kriterien wird jede Form faschistoiden Handelns messbar und zudem auch jeder unterschwellige (latente/strukturelle) Faschismus in Form von impliziten und expliziten menschenrechtswidrigen Strategien inhaltsunabhängig und lagerübergreifend erkennbar, entsprechende Validierungsstudien stehen jedoch noch aus. Es gibt 5 Hauptkriterien, die anzeigen, inwiefern in der eigentlich demokratischen Phase der Willensbildung die Selbstfindung und ein pluralistisches, unvoreingenommenes, differenziertes und ganzheiltiches Abwägen von Zielen, Plänen und Handlungen in Graustufen blockiert, unterdrückt und manipuliert wird (siehe Abb. zum ff-Score).
Validierungskriterien 6 a bis c: Werden einzelne Kriterien wiederholt gezeigt (6a), bestätigt das die jeweilige Stufe der Verhaltensdiagnose, bei kollektiven Wiederholungen den Verdacht auf ein strukturelles Problem. Kriterium 6b betrifft die Testung/Förderung von differenziertem, ganzheitlichem, empathischen Denken und die Frage, inwiefern antidemokratische und menschenrechtswidrige Einstellungen und Handlungsoptionen reflektiert, korrigiert oder bereut werden. Fehlende soziale oder Selbstreflektion geht mit einem erhöhtem Risiko zur Wiederholung einher und bestätigt die Diagnose. Zusätzlich ist noch ein weiteres Kriterium 6c relevant, welches die Beurteilerübereinstimmung bzw. die Eindeutigkeit der Dateninterpretation betrifft.
Differenzialdiagnose
Für die Differenzialdiagnose sind die Kriterien 6a und b entscheidend. Alle Kriterien können vorübergehend auch Ausdruck von natürlichen, legitimen Zuständen und psychosozialen Prozessen sein (tief elaborierte/r Willensausdruck/Standpunkt/Überzeugung, Ungeduld/Impulsivität, mangelnde Information, verminderte Intelligenz, Bedrohung/Belastung bzw. Ängste/Depression bis Hilflosigkeit, Selbstschutz oder Notwehr), die es auszuschließen gilt. Entscheidende Parameter sind hier einerseits die Problemeinsicht, die Wiederholung/Frequenz (6a), die Fähigkeit zum differenzierten, kontextbezogenem Denken/Abwägen in Graustufen, zum Perspektivenwechsel, zur empathischen Reflektion der Grund- und Menschenrechte und ggf. die Korrektur der regelwidrigen Einstellungen/Verhaltensweisen in der Zweitreaktion (6b). In Bezug auf die Stufen/Kriterien 1 und 2 ist vor allem auch entscheidend, ob man sich in Brainstorming oder Willensbildungsphase oder aber in der Willensumsetzungsphase befindet. In der Handlungsphase der Willensumsetzung handelt es sich bzgl. der schwarz-weiß/richtig-falsch-Einordnung (Stufe 1) und der Be- ode Abwertung von Ideen (Stufe 2) um natürliche Phänomene, welche mit einer Standpunktbildung bzw. mit der Logik der Zieldurchsetzung einhergehen können (vgl. Metatheorie der politischen Willensbildung). Kriterium 6 ist gleichfalls auch ein wichtiges Rehabilitationskriterium.
Frequenzanalyse
Man kann neben der Prüfung der Messgenauigkeit (Kriterium 6c - Übereinstimmung von min. 2 unabhängigen Begutachtern) auch noch genauer hinschauen und eine Frequenzanalyse machen. Bei der Frequenzanalyse geht es darum, zu zählen, wieviele von den FF-Kriterien im Zeitfluss oder unter bestimmten Bedingungen im Zeitverlauf oder pro Zeit-/Sprachsequenz auftreten. Daraus lassen sich des weiteren spezifische Scores zu den Häufigkeiten der einzelnen Kriterien bilden und ein genaueres Indiz für das Ausmaß des vorliegenden diktatorischen Bewusstseinsmodus bzw. das Ausmaß faschistoiden Handelns ableiten. Dabei kann man, um eine Vergleichbarkeit mit anderen Personen, Verhaltensbeobachtungen und Redetexten zu haben, neben der Zeit als Taktgeber, eine vergleichbare Wörteranzahl festlegen, zu denen man Scores und Merkmalshäufigkeiten in Bezug setzt.
Weiterführende Diagnostik zu den Ursachen
Liegt bei einer Person wiederholt funktional faschoides Verhalten vor, geht es in der finalen Diagnostik um die Prüfung und Förderung von sozialer Reflektionsfähigkeit, der Fähigkeit zum Perspektivenwechsel bzw. von empathisch differenziertem, ganzheitlichem Denken.
Wird das entsprechende, antidemokratische Verhalten nicht revidiert oder wiederholt gezeigt, geht es in einem nächsten Schritt darum, die zugrunde liegende Motivation einer Person bzw. die wahrscheinlichen Ursachen dafür abzuklären. Es gibt verschiedenste Gründe für funktional faschistoides Verhalten, z.B. gewohnheitsmäßiges Unterdrücken alternativer Meinungen aufgrund ständiger Kämpfe um die Meinungsführerschaft bei intransparenten Abstimmungen nach dem Mehrheitsprinzip, mangelnde Intelligenz, überschießendes Temperament, Ärger, wahrgenommene Bedrohung, Furchtkonditionierung, verminderte Intelligenz, Bildungs- und Wissenslücken, Egozentrismus und Egomanie. Im schlimmsten Fall (für Person & Umwelt) liegt eine wahnhafte oder antisoziale, zwanghafte, narzistische oder histrionische Persönlichkeitsstörung vor.
Konsequenzen für die politische Praxis
Politiker bzw. Demokraten verpflichten sich mit der Annahme eines Mandates, freie, selbstgesteuerte und gewissenhafte Entscheidungen zum Wohle des Volkes zu treffen. Das „Selbst“ eines Mandatsträgers kann im Kontext politischen Handelns dem Wissen über die Grundrechte, den Wählerwillen und die universellen Menschenrechte gleichgesetzt werden. Der Begriff der Selbststeuerung bezieht sich damit auf das Ausmaß, in dem politisches Handeln eines Mandatsträgers im Einklang mit solchen konkreten Wissensstrukturen geschieht.
Daran knüpft auch die Idee zu unserem Crowdfunding-Konzept aus der AG Demokratieforschung an.
Oftmals ist bei Politikern ein deutliches Empathie- und Wissensdefizit hinsichtlich der einfachen Forderung nach grund- und menschenrechtskonformen politischen Haltungen und Entscheidungen feststellbar. Dahinter steht psychologisch gesehen eine Hemmung oder Aufhebung der Fähigkeit zur ganzheitlichen „Selbstrepräsentation“ und zum Perspektivenwechsel, was z.B. daran erkennbar ist, dass ein Politiker oder Mandatsträger ein nicht vorhandenes Grundrecht („Supergrundrecht Sicherheit“, Pflicht zur Arbeit, zur Integration etc.) verglichen mit den realen Grundrechten, z.B. auf Privatsphäre, freie Persönlichkeitsentfaltung oder Religionsfreiheit übergewichtet oder bestimmte politische Haltungen (Unternehmensrechte vor Verbaucherschutz, totale Überwachung, Spardiktat, GroKo-Mitgliederbefragung, apriori-Ausschluss von Koalitionsbildungen, Bürger unter Generalterrorverdacht, Banken retten statt Menschen) in komplexen Entscheidungszenarien als alternativlos erklärt werden.
Fehlt einem Politiker oder Unternehmer personen- und/oder situationsbedingt der geistige Horizont für ein gewissenhaftes Abwägen politischer Entscheidungen nach dem Gemeinwohl, den Grund- und Menschenrechten (z.B. bei fflevel3/666 bis fflevel5/666), kann das unter gutachterlichen, psychologischen Gesichtspunkten juristisch gesehen dem Term der verminderten/partiellen Geschäftsunfähigkeit (nach § 113 Abs.1 S.2 BGB) bis zur aufgehobenen "Geschäftsunfähigkeit“ (nach § 104 BGB) und/oder mit "Eidbruch" (nach § 154 StGB) gleichgesetzt werden.