Diskussion:AG Queeraten/Queerpolitik
Hier kann diskutiert werden.
Rein gesellschaftliche oder auch rechtliche Betrachtung?
Ich bin ja noch nicht im Liquid Feedback, deswegen würde ich gerne hier eine Frage stellen, was explizit den Punkt "Freie Wahl der geschlechtlichen Identität angeht" (Freie Wahl der sexuellen Identität sehe ich sogar bereits durch §1(1) unserer Satzung abgedeckt). Aus gesellschaftlicher Hinsicht, stehe ich natürlich total hinter der freien Wahl der geschlechtlichen Identität. Aber ist in diesem Antrag auch die rechtliche Dimension mit eingeschlossen? Hier sehe ich ehrlich gesagt sehr viele Probleme auf uns zukommen. Rechtlich sind bestimmte Sachverhalte ja geschlechtsabhängig, bis hinein ins GG (Stichwort Wehrpflicht), die natürlich bei einer freien Wahl des "rechtlichen Geschlechts" ad absurdum geführt werden. (Was natürlich nicht heißt, dass man das Ziel auch wenn es eventuell nicht umsetzbar ist, nicht für erstrebenswert halten kann). -- AndiPopp 15:51, 5. Mär. 2010 (CET)
- Natürlich ist eine politische Forderung immer auch und vor allem eine rechtliche. Wenn man mal absieht vom Wehrdienst (den ich nicht nur deshalb für überholt halte), darf es schon jetzt kein geschlechtsabhängiges Recht geben, denn das ist durch den Gleichheitsgrundsatz und den Gleichberechtigungsgrundsatz des GG ausgeschlossen. Es gibt zwar Gesetze zur Schwangerschaft usw., die man für geschlechtsspezifisch halten könnte, was sie aber nur indirekt sind. Außerdem gibt es Gesetze und Verordnungen zur Herbeiführung von Gleichheit und Gleichberechtigung. Diese sollten aber nicht im Widerspruch zu einer freien Wahl von Geschlechterrolle und Geschlecht stehen. --Maha 16:54, 7. Mär. 2010 (CET)
- Das würde natürlich im Folgeschluss bedeuten: Keine getrennten Toiletten, keine getrennten Umkleiden, keine Frauenbadetage in öffentlichen Bädern, keinen Frauentag in der Sauna... Also gar kein geschlechtsabhängiges Recht wälzt unsere Rechtslage natürlich extrem um. --AndiPopp 13:37, 19. Mär. 2010 (CET)
- Jein. Wer nach wie vor getrennte Badetage anbieten will, müsste umformulieren und sich statt des Konzepts "Frau/Mann", das aufgrund seiner Unterbestimmtheit und Reichhaltigkeit Stoff für Sexismus, Diskriminierung und Vorurteile bietet, auf anatomische Merkmale beziehen: "Badetag für Menschen mit xx-Chromosom" ginge natürlich nach wie vor. Das klingt zwar komisch, aber: It´s not a bug, it´s a feature! Es ist nämlich entlarvend. Menschen würden anfangen, sich zu fragen, warum Menschen mit xx-Chromosom eher mit Menschen mit xx- als mit xy-Chromosom baden sollen. Gründe gibt es dafür keine. Der Badeveranstalter wäre also gezwungen, zu überlegen, wozu man Frauenbadetage überhaupt braucht. Eine Antwort könnte sich in folgender Formulierung niederschlagen: "Badetag für Menschen, die nicht Objekt eines sexualisierten Blicks sein wollen, sondern einfach nur baden. Menschen, die starren wollen, bitte draußen bleiben!" Damit bezöge man sich auf den eigentlichen Grund für Frauenbadetage, ohne dabei aber einen weiteren Keil zwischen "Frauen" und "Männer" zu treiben, und auch der schüchterne beleibte Schwule Tommi, der sich normalerweise nicht ins Schwimmbad traut, dürfte hier mitbaden, ebenso der unsexistische Mann von Gegenüber, der eh nur ans Schwimmen und nicht an die Körper neben ihm im Wasser denkt, nicht aber die körperfixierte Lesbe Annika, die immer andere Frauen aufdringlich anstarrt. (Achtung: Die Beispiele sind nur Beispiele und sollen nullkommanichts implizieren.) Wem das noch nicht genug ist, sondern wer unbedingt nur unter Menschen mit den eigenen anatomischen Merkmalen schwimmen will - der diskriminiert. Vielleicht sozialisationsbedingt verständlich, aber er kann dafür keine staatliche Unterstützung verlangen. Ich darf glücklicherweise ja auch nicht verlangen, dass ich nur mit Menschen mit weißer Hautfarbe zusammen schwimmen darf.
- Das bezieht sich aber nur auf die Zwischenlösung, derzufolge Menschen ihr Geschlecht selbst bestimmen dürfen. Langfristig wollen wir das Merkmal ja staatlich gar nicht mehr festhalten lassen. Dann ist der Konflikt, welcher Mensch eine "Frau" und welcher ein "Mann" ist, einfach in die Gesellschaft verschoben. Jemand könnte etwas also nach wie vor "Frauenbadetag" nennen, müsste sich aber damit auseinandersetzen, dass Menschen mit "Männerkörper", die sich als Frau fühlen, dann auch baden möchten. Dann muss eben verhandelt werden. Es ist jedenfalls nicht Aufgabe des Staates, Menschen gemäß ihrer Anatomie in zwei Klassen einzuteilen, damit die Gesellschaft größtenteils überholte Praktiken verhandlungsfrei und ohne Nachdenken weiterführen kann. Arte Povera