Bundesparteitag 2012.1/Antragsportal/Programmantrag - 125

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Antrag für den/die Bundesparteitag 2012.1. Die Antragsseiten werden kurze Zeit nach Erstellen durch die Antragskommission zum Bearbeiten gesperrt. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich
Tango-dialog-warning.svg Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den/die Bundesparteitag eingereichter Antrag. Jedes Mitglied ist dazu berechtigt, einen solchen Antrag einzureichen.

Version Antragsformular: 1.05

Antragsnummer

P125

Einreichungsdatum

Antragstitel

Positionspapier Mittelstand

Antragsteller

Theophil

Antragstyp

Programmantrag

Art des Programmantrags

Positionspapier

Antragsgruppe

Wirtschaft und Finanzen

Antragstext

Schaffung der notwendigen finanziellen Mittel

Hier spielt das Banken-„Rating“, also die zugebilligte Bonität, eine große Rolle, aber damit beginnt der Teufelskreis: Die Abhängigkeit des „Ratings“ vom Betriebsstandort. Hierdurch werden Betriebe in strukturschwachen und nicht geförderten Gegenden schlechter bewertet. Abhilfe könnte hier geschaffen werden durch entsprechende KfW-Fördermittel. Diese Fördermittel können aber wiederum nur durch die Hausbank beantragt werden, die bei einer Kreditvergabe durch die KfW zwischengeschaltet werden muss. Entscheidend für die Kreditvergabe durch die KfW ist die Beurteilung durch die Hausbank, die durch eine entsprechende Bonitätseinschätzung und die damit verbundenen Anforderungen an die Sicherheiten des Kreditnehmers großen Einfluss hat. Der Verdienst der Hausbank an einem KfW-Kredit ist für diese jedoch minimal, das Risiko für die Folgen eines Kreditausfalls hingegen sehr groß. Deshalb gelingt es nur wenigen Betrieben, an Fördergelder durch die KfW zu gelangen. Meist werden die Betriebe durch die Hausbanken mit entsprechend gestalteten Krediten und hohen Sicherheitsleistungen selbst bedient. Dies führt bei den Betrieben zu entsprechenden Abhängigkeiten vom jeweiligen Kreditinstitut.

Lösungsansatz: Ermöglichung des Zugangs zu KfW-Fördermitteln auf vereinfachte Weise, d.h. der Beantragende ist nicht mehr der Betrieb mittelbar über die Hausbank, sondern unmittelbar direkt. Wegfall der Bürgschaft durch die Hausbank als Kreditgeber und stattdessen Absicherung der erforderlichen Kreditmittel durch eine Hermes-Bürgschaft (gegen geringe Gebühr).

Schaffung einer Sozialabsicherung

Der Weg in die Selbständigkeit ist ein steiniger Weg ohne soziale Absicherung. Die Beweggründe für eine selbständige Existenz sind vielfältig, oft jedoch auch aufgezwungen, z.B. durch Verlust des Arbeitsplatzes und den verzweifelten Versuch der Vermeidung von Hartz IV. Sehr vielen ist jedoch nicht bewusst, dass der Weg in die Selbständigkeit die komplette Loslösung vom gesamten sozialen Netz der Bundesrepublik bedeutet. Dies bedeutet, dass der Selbständige jegliche Sicherung seiner Arbeitskraft und späteren Altersvorsorge in Eigenverantwortung und aus eigenen Mitteln zu leisten hat. Ebenso ist er nicht gegen Arbeitslosigkeit versichert. Der monatliche Mindest-Pflichtbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung beträgt zur Zeit etwa € 356. Für sehr viele Kleinst- und Kleinbetriebe ist dieser Aufwand schlicht zu hoch, so dass häufig auf eine Krankenversicherung komplett verzichtet wird. Dieser Zustand ist völlig inakzeptabel.

Lösungsansatz: Es muss die Möglichkeit geschaffen werden, dass sich Selbständige mit geringem Einkommen zu ähnlichen Bedingungen gesetzlich krankenversichern können, wie Beschäftigte auf geringfügiger Basis (ab ca. € 50 monatlich). Dies ließe Spielraum, um angemessene Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abführen und somit Vorsorge gegen Altersarmut treffen zu können.

Senkung der Lohnnebenkosten und Betriebsnebenkosten

Die mittelständischen Betriebe sind der Motor der Wirtschaft, haben aber politisch und auch gesellschaftlich keine wirkliche Lobby. Alleingelassen, erkämpfen sich diese Unternehmer die Grundlagen ihrer Existenz unter ständigem Einsatz und Risiko ihres gesamten Vermögens, bei einem Arbeitszeiteinsatz der über die Arbeitszeit eines Angestellten weit hinaus geht. Die Schaffung eines zusätzlichen Arbeitsplatzes zur eigenen Entlastung verursacht jedoch neben dem anfallenden Lohn hohe Zusatzkosten: Auf dem Unternehmer lasten neben den tariflichen Leistungen (Überstundenzulagen, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsgeldanspruch, etc.) auch die Lohnnebenkosten. Diese betragen z.B. bei einer Halbtagskraft mit einem monatlichen Brutto-Einkommen von ca. € 780 sage und schreibe fast € 320. Dies sind 41% des Bruttolohns an Nebenkosten, bezogen auf den Lohn. Diese Rahmenbedingungen machen Arbeit hierzulande sehr teuer. Beispielhaft sei angeführt, dass ein Durchschnittsverdiener in Deutschland fast fünf Stunden arbeiten muss, um sich eine Handwerkerstunde leisten zu können. Sehr viele mittelständische Betriebe sind in der Fläche der ländlichen Infrastruktur angesiedelt. Daraus ergeben sich neben logistischen Herausforderungen auch Probleme bei der Abwicklung von Aufträgen. Weite Fahrstrecken sind der Preis, um Aufträge zu bekommen. Dies bedeutet die Vorhaltung eines entsprechenden Fuhrparks mit den dazugehörigen Steuern und Betriebskosten.

Lösungsansatz: Notwendig ist sowohl die Senkung der Lohnnebenkosten für mittelständische Betriebe, als auch die Senkung der Besteuerung von Firmennutzfahrzeugen und der Betriebskosten (Benzin/Diesel).

Umsetzung tariflicher Vereinbarungen

Die Umsetzung tariflicher Vereinbarungen stellt Unternehmen je nach Betriebsgröße und Standort des Betriebes vor enorme Herausforderungen. Ein Tarifabschluss z.B. in der Metallbranche oder im Baugewerbe ist in Ballungsgebieten leichter umzusetzen als in strukturschwachen Gegenden. Der Metallbetrieb „Schmidt“ im Voralpenland, in der Uckermark oder im Sauerland ist halt eben nicht „Mercedes“ oder „Krupp“.

Lösungsansatz: Durch eine entsprechende Abgabenumverteilung könnten benachteiligte Unternehmen die nötige Unterstützung bekommen, ihren Mitarbeitern ein auskömmliches Einkommen zu ermöglichen und somit den Exodus ganzer Regionen verhindern.

Schaffung einer angemessenen und zeitnahen Besteuerung

Die momentane Praxis der Besteuerung lässt sehr viele Betriebe an die Liquiditätsgrenze stoßen. Die meisten Existenzgründer und Jungselbständige überleben die ersten drei Jahre nicht. Während das erste Betriebsjahr praktisch steuerfrei verläuft, da ja die Steuererklärung erst im zweiten Jahr erstellt werden kann, kommt es im zweiten Jahr zu den ersten „realistischen“ Steuerzahlungen. Im dritten Jahr stehen die Steuernachzahlungen der beiden ersten Jahre und die Steuervorauszahlung (nach Umsatzschätzungen aus den beiden ersten Jahren) an. So kommen periodische Steuerlasten zustande, die ein kleiner Betrieb, nicht stemmen kann. Dies umso mehr, wenn er saisonale Spitzen zu verkraften hat und jahreszeitlich umsatzabhängig ist. Hinzu kommen die hohen Monatsbeiträge der Krankenkasse (s. oben). Wenn in dieser Phase der Betriebsentwicklung auch noch Arbeitplätze geschaffen werden und hieraus Lohnzahlungen mit den vorgenannten gesetzlichen und tariflichen Abgaben erforderlich werden, kann dies existenzbedrohend werden.

Lösungsansatz: Abhilfe könnte hier ein vereinfachtes Steuersystem mit einer simplen monatlichen Einahmen-Ausgaben- Überschussrechnung schaffen. Dies könnte bis zu einem Jahresumsatz von € 200.000 gelten, danach müsste wie gewohnt bilanziert werden.

Schaffung des Rechtsrahmens zur kostenschonendenForderungsdurchsetzung

Schleppende Zahlungsmoral von Auftraggebern und ganze Forderungsausfälle sind symptomatisch für unsere Zeit und treffen mittelständische Betriebe besonders hart. In der Branche spricht man hier gerne von „der 3. Finanzierungsmethode als Mängelhypothek“. Es werden dabei aus obskuren Gründen vom Leistungsempfänger finanzielle Einbehalte vorgenommen, deren Eintreiben äußerst zeit- und kostenaufwendig ist, und darauf spekuliert, dass die Restforderung fallen gelassen wird. Das Abführen der Umsatzsteuer für die in Rechnung gestellte Leistung ist auf jeden Fall fällig, egal ob die Rechnung bezahlt wird oder nicht. Hier erleidet der Unternehmer also nicht nur den Ausfall der Zahlung, sondern auch noch die Vorfinanzierung der (zu hoch angesetzten) Steuerlast. Kundenfreundlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen wie Verbraucherschutz, Widerrufsrecht, Vertragserfüllungsbürgschaften oder Gewährleistungsbürgschaften steht im rechtlichen Bereich nur die Handwerkersicherung entgegen (Bauhandwerkerversicherung, BGB § 648a), und die kostet den Unternehmer auch noch selbst Geld.

Lösungsansatz: Es müssen die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, dass innerhalb von maximal 60 Tagen der Rechtsanspruch auf die fällige Zahlung abschließend geprüft ist, und die Zahlung danach innerhalb von 30 Tagen fällig ist, im Zweifelsfall durch Pfändungsbeschluss.

Förderung des Mittelstandes durch gezielte Vergabe von Aufträgen

Sehr oft werden Aufträge von Firmen ausgeführt, die nicht in der Region angesiedelt sind, obwohl es durchaus ortsansässige leistungsfähige Betriebe gibt, die diese Arbeiten ausführen könnten, aber leider teurer sind.

Lösungsansatz: Unter Einbeziehung aller wirtschaftlichen Erwägungen wäre es sinnvoll, regionale Firmen an den Projekten trotz höherer Kosten zu beteiligen, zumal die Steuerabgaben (Gewerbesteuer) und die Kaufkraft in der Region verbleiben. Langfristig ist es volkswirtschaftlich sinnvoller, Mittel in Arbeit zu investieren und somit Arbeitsplätze und Kaufkraft in den Regionen zu sichern. Es muss das Ziel sein, Betriebe regional zu fördern und zu entlasten, statt durch Billig-Firmen den Markt kaputt zu wirtschaften und Arbeitslose zu produzieren, deren Finanzierung immer höhere Lohnnebenkosten verursacht.

Abbau von bürokratischen und kostentreibender Hürden in der Gastronomie

Gastronomen müssen sich in Deutschland mit einer Fülle von Regelungen auseinandersetzen, die kostentreibend wirken und Kapazitäten binden. Ausgeprägte Bürokratie ist jedoch ein unnötiger Hemmschuh für Produktivität und Erfolg mittelständischer Unternehmen. Zweifellos müssen an Betreiber von Gaststätten höchste Hygiene- und Qualitätsanforderungen gestellt werden. Doch der Nutzen übertriebener Dokumentationspflichten in der Lebensmittelhygiene, wie sie z.B. das gesetzlich verankerte HACCP-Konzept vorsieht, steht für Kleinstbetriebe in keinem vertretbaren Verhältnis zum Aufwand. Eine unzeitgemäße Last stellen auch die Bagatellsteuern dar. Kommunale Sondersteuern bringen keine nennenswerten Haushaltsentlastungen, belasten aber Gastwirte, verhindern Investitionen, vernichten Arbeitsplätze und gefährden Unternehmerexistenzen. Ebenso sind Sperrzeitenregelungen für die Außengastronomie überholte, bürokratische Relikte, die dringend liberalisiert werden müssen. Weder das veränderte Freizeit- und Ausgehverhalten der Gäste, noch die vor langer Zeit eingeführte Sommerzeit werden bisher berücksichtigt. Gaststätten haben zweifellos einen hohen Energiebedarf und gehören dennoch nicht zur Gruppe der besonders energieintensiven Branchen. Vergünstigungen bei der Ökosteuer gibt es daher für sie nicht. Die willkürliche Klassifizierung muss nachvollziehbar an die tatsächlichen Gegebenheiten angepasst werden. Denn in ihrer jetzigen Ausgestaltung benachteiligt die Steuer das Gastgewerbe, hemmt die Entwicklung des Tourismus und wirkt sich negativ auf den Arbeitsmarkt aus.

Lösungsansatz: Abhängig von der Betriebsgröße sollte es für das Gastgewerbe gestaffelte bürokratisch Auflagen und Dokumentationspflichten geben. Im Bereich des Schallschutzes sind Immissionsrichtwerte und Messverfahren für eine gerechte Lärmbewertung menschlicher Kommunikation überfällig. Eine grundlegende Auseinandersetzung mit der aktuellen Besteuerung der Gastronomie ist ebenfalls dringend nötig, um für mehr Steuergerechtigkeit und stabilere Arbeitsplätze zu sorgen.

Verpflichtung der IHKs zu völliger Transparenz über ihre Mittelverwendung

Seit vielen Jahren bemühen Betriebe die Gerichte, um sich gegen den Zwangsbeitrag an die für sie zuständige IHK zu wehren. Selbst unterstellt, dass dieser Zwang zur Abgabe rechtens ist, wie dies einige Gerichte sehen, entbindet dies die IHKs nicht von der Verpflichtung, vollumfänglich über die Verwendung der Mittel Rechenschaft abzulegen. Leider ist genau das Gegenteil der Fall und es beschäftigen sich bereits Gerichte mit dem Vorwurf einer zweckfremden Mittelverwendung.

Lösungsansatz: Als Körperschaft des öffentlichen Rechts sind Industrie- und Handelskammern berechtigt, Firmen in ihrem Einzugsgebiet zur Zahlung von Beiträgen zu verpflichten. Vor diesem Hintergrund haben die Mitgliedsunternehmen ein Recht darauf zu erfahren, was mit ihren Beiträgen geschieht. Ein Vetorecht der Mitglieder bei Investitionen einer bestimmter Größenordnung ist ebenfalls sinnvoll, was zur Überlegung einer strukturellen Neuordnung der IHKs führt.

Private Rentenabsicherungen dürfen im Insolvenzfall nicht vollständig verloren gehen.

Wenn sich ein Unternehmer während seiner Selbständigkeit durch eine private Rentenabsicherung für das Alter absichert, gehen diese meist in Form von Lebensversicherungen oder Bausparverträgen abgeschlossenen Verträge verloren, denn sie gehen vollständig in die Insolvenzmasse ein. Häufig bedient sich die Verwaltung der Insolvenz für ihren eigenen Aufwand an der noch übrig gebliebenen Absicherung des Unternehmers und seiner Familie. Die Einzahlung in die gesetzlicher Rentenkasse ist für einen Selbständigen kaum interessant, die private Absicherung wird häufig in Krisenzeiten an die Hausbank verpfändet oder ist bei Insolvenz verloren. Meist bleibt nach einem solchen Fall nicht mehr genug Lebenszeit, um eine angemessene Altersvorsorge aufzubauen oder die Chancen im Arbeitsmarkt noch eine gut bezahlte versicherungpflichtige Anstellung zu erhalten sind gering.

Lösungsansatz: Bei einer Insolvenz sollten 50% der für die Altersvorsorge angesparten Beträge erhalten bleiben, um Altersarmut vorzubeugen.

„Burn out“ - Vorsorge in Klein- und Familienbetrieben

Bei der Vielzahl von Aufgaben in Familienbetrieben reicht die Kraft eines Unternehmers bisweilen nicht aus. Burn-Out in Familenbetrieben ist an der Tagesordnung. „Arbeiten bis zum Umfallen“, Zurückstellen eigener Bedürfnisse durch die Sachzwänge auf Kosten der eigenen Gesundheit ist eine schon lange ein gravierendes Problem.

Lösungsansatz: Kleine Unternehmen schultern sehr viele gesellschaftliche Aufgaben – auch in der Ausbildung. Es sollte ein Gesundheitsfond zur „Burn-Out-Prävention“ geschaffen werden, der über die Zwangsabgaben an die IHKs/Innungen finanziert wird.

Ergebnisse eines Arbeitskreises mit: Hans-Udo Sattler - Greifenstein, Reiner Dietz – Mittenaar, Wolfgang Theophil – Karlsruhe u.a.

Antragsbegründung

Die Situation der in Deutschland angesiedelten Klein- und Mittelstandsbetriebe ist aufgrund der regionalen Besonderheiten sehr unterschiedlich. Ballungsgebiete und ländliche Gegenden mit schwacher Infrastruktur bilden starke Gegensätze mit spezifischen Herausforderungen. Hinzu kommt, bedingt durch erforderliche Sparmaßnahmen der öffentlichen Hand, ein zunehmender Abbau im infrastrukturellen Bereich.

Liquid Feedback

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Piratenpad

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Antragsfabrik

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Datum der letzten Änderung

03.04.2012

Status des Antrags

Pictogram voting keep-light-green.svg Geprüft