Bundesparteitag 2012.1/Antragsportal/Programmantrag - 027

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Antrag für den/die Bundesparteitag 2012.1. Die Antragsseiten werden kurze Zeit nach Erstellen durch die Antragskommission zum Bearbeiten gesperrt. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich
Tango-dialog-warning.svg Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den/die Bundesparteitag eingereichter Antrag. Jedes Mitglied ist dazu berechtigt, einen solchen Antrag einzureichen.

Version Antragsformular: 1.05

Antragsnummer

P027

Einreichungsdatum

Antragstitel

Deutsche Beteiligung an "Friedensmissionen" rechtlich absichern!

Antragsteller

Antragstyp

Programmantrag

Art des Programmantrags

Wahlprogramm

Antragsgruppe

Außenpolitik

Antragstext

Die Piratenpartei verlangt für die deutsche Beteiligung an "Friedensmissionen": Zukünftig darf die Beteiligung der Bundeswehr an sog. "Friedensmissionen" nur beschlossen werden, wenn zuvor deren Völkerrechtsverträglichkeit aufgrund öffentlich einsehbarer Prüfung festgestellt wurde. Ausgangspunkt muss zunächst eine sorgfältige Darstellung der Sach- und Rechtslage im Antrag der Bundesregierung sein, mit dem sie vom Bundestag die Freigabe eines solchen Einsatzes erreichen will. Die Piraten fordern außerdem die Einrichtung eines speziellen Gremiums des Bundestags, in dem die einschlägigen Sachverhalts- und Rechtsfragen geprüft werden, bevor über die Teilnahme der Bundeswehr an "Friedensmissionen" entschieden wird. Das spezielle Gremium muss nach Art einer Enquete-Kommission nicht nach politischen Mehrheiten, sondern nach Fachkompetenz (juristischer und politikwissenschaftlicher Kompetenz, insbesondere aus den Friedensforschungsinstituten) besetzt werden. Eine weitere Zielsetzung der Piratenpartei ist die Herbeiführung eines Volksentscheides in zweiter Instanz.

Antragsbegründung

Die Frage, ob militärische Gewaltausübung mit der UN-Charta vereinbar ist, lässt sich relativ einfach beantworten. Grundsätzlich gilt das Gewaltverbot des Art. 2 Abs. 4 der UN-Charta: Gewalt darf nur in zwei in der Charta geregelten Fällen ausgeführt werden, nämlich

im Falle der Selbstverteidigung nach Art. 51 der Charta, im Fall einer Freigabe durch den Sicherheitsrat, der eine Untersuchung vorausgegangen sein muss, dass eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens vorgelegen hat. Deutschland beteiligt sich seit dem Ende des Ost-West-Konflikts im Jahr 1990 kontinuierlich an sog. "Friedensmissionen" der UN oder der NATO. Vor der grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 1994 ("Out-Of-Area-Urteil") gab es drei derartige Einsätze, etwa von Flugzeugen über der Adria oder in Somalia. Das BVerfG hielt derartige Einsätze grdsl. für mit der Verfassung vereinbar, verlangte aber, dass das Parlament die Beteiligung in einer Resolution freigegeben habe (Parlamentsvorbehalt). Danach gab es mehrere Beteiligungen an Kriegen, deren Völkerrechtsverträglichkeit äußerst zweifelhaft ist.


Beispiel 1: Krieg gegen Jugoslawien im März/April 1999

Die Bundeswehr beteiligte sich an der Bombardierung Jugoslawiens, und zwar angeblich zum Schutz der Bevölkerung des Kosovo vor "Völkermord". Damit war klar, dass die beiden Ermächtigungsgrundlagen der UN-Charta für die Kriegsteilnahme nicht vorlagen. Das wurde in der Bundestagsdebatte im Oktober 1998 auch offen angesprochen, u.a. von Staatssekretär Volmer von den Grünen. Stattdessen berief sich die Bundesregierung als im März 1999 die Kriegsteilnahme von den USA tatsächlich erwartet wurde, auf den Rechtfertigungsgrund der "humanitären Intervention". Diese ist aber im Völkerrecht als Rechtsgrundlage für kriegerische Gewalt weder generell anerkannt, noch war sie es für den Einzelfall des Kosovo, im Gegenteil: aus einer Untersuchung des deutschen Brigade-Generals Loquai, der die Verhältnisse als Beobachter der OSZE untersucht hatte, ergab sich, dass kein Völkermord und auch keine ethnischen Vertreibungen größeren Ausmaßes stattgefunden hatten, dasselbe ergibt sich aus Lageberichten des Auswärtigen Amtes für Asylverfahren, die die Juristenorganisation IALANA aufgedeckt hat. Ergebnis: Die deutsche Kriegsbetiligung war rechtswidrig. Aber sie verschaffte den USA im Kosovo eine riesige Basis, nämlich Camp Bondsteel, wie Willy Wimmer, CDU- MdB, in einem Interview für die Blätter für Deutsche und Internationale Politik dargestellt hat.


Beispiel 2: Afghanistan

Für den Krieg gegen Afghanistan ab Ende September 2001 haben die USA das Selbstverteidigungsrecht aus Art. 51 der Charta in Anspruch genommen; mit der Behauptung, Osama Bin Laden und Al-Qaida hätten das Attentat auf die Twin Towers am 11. September 2001 von afghanischen Boden aus und nur mit Billigung der Taliban-Regierung durchführen können. Diese Rechtfertigung ist aus mehreren Gründen höchst zweifelhaft. (Vergleiche etwa: "Der Krieg in Afghanistan ist politisch falsch" http:bit.ly/trxQ5s Bundeswehreinsatz an Vertrauensfrage gekoppelt: ein verfassungsrechtlich fragwürdiges Verfahren - Von "politischer Nötigung" und "Gewissenssplitting" http:bit.ly/s3fB0k Deutschland drängte sich für Afghanistan-Krieg auf; http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,784255,00.html) uvm. Darüber hinaus ist fraglich, ob vom Staat Afghanistan ein Angriff ausging, und ob - selbst wenn man das annehmen würde - die Kriegführung nach der Befassung des Sicherheitsrates mit dem Anschlag und der Beschlussfassung über die erforderlichen Maßnahmen noch zulässig war. Der Anschlag lieferte den USA jedoch die Ermächtigung für den weltweiten "Krieg gegen den Terror - Operation Enduring Freedom (OEF)", die kurz darauf für den Krieg gegen den Irak in Anspruch genommen wurde (sog. "pre-emptive strike"). Deutschland hat sich an OEF beteiligt, nachdem Bundeskanzler Schröder den USA die uneingeschränkte deutsche Solidarität versichert hatte. Die völkerrechtlichen Grundlagen hat das BVerfG jedoch in der "Tornado-Entscheidung" 2007 in Zweifel gezogen. Deutschland musste sich daraufhin aus OEF zurückziehen. Es ist bis heute allerdings noch in Afghanistan aufgrund der ISAF-Mission, die auf einer Ermächtigung des Sicherheitsrats beruht. Fazit: Sechs Jahre deutsche Unterstützung für OEF dürften rechtswidrig gewesen sein.


Beispiel 3: Irak

Die USA haben im Jahr 2003 den Irak überfallen; und zwar mit der falschen Behauptung, Saddam Hussein entwickle Massenvernichtungswaffen. Deutschland hat sich an diesem Krieg zwar nicht unmittelbar militärisch beteiligt, jedoch mit logistischer Unterstützung, wie sie durch das "Pfaff-Urteil" des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) 2005 aufgedeckt wurde. Dazu - und viel wichtiger - war die Zurverfügungstellung deutscher Flughäfen, etwa Leipzig-Halle, und insbesondere des riesigen Flugplatzes Rammstein, über die die US-Army und Luftwaffe ihre gesamten Transporte für diese rechtswidrige Kriegführung abwickelt. Das BVerwG hat im "Pfaff-Urteil" über 30 Gründe aufgeführt, warum die deutsche Unterstützung für den Irak-Krieg rechtswidrig war. Fazit: Deutschland hat sich an völkerrechtswidriger amerikanischer Kriegsführung beteiligt, die einen völlig zerstörten Irak hinterlassen hat.


Beispiel 4: Lybien

Im Falle Lybien hat sich Deutschland nicht an der militärischen Kriegsführung beteiligt, das war richtig, weil sich der Schutz der Zivilbevölkerung den der UN-Sicherheitsrat den Interventionskräften in einem Luftkrieg aufgab, nicht klar von der Mitwirkung am Sturz Gaddafis, dem (durch das Gewaltverbot aus Art. 2 Abs. 4 UN-Charta) verbotenen "Regime-Change" abgrenzen ließ. Nach der Ermordung Gaddafis war die herrschende Medienmeinung, dass der Sturz Gaddafis ohne die Interventionskräfte nicht möglich gewesen wäre. Damit erwies sich im Nachhinein die deutsche Begründung für die Nicht-Teilnahme an der Intervention als richtig, auch wenn sie in der Politik wegen "Zweifeln an der deutschen Bündnistreue" kritisiert wurde.

Fazit: Der deutsche Bundestag braucht Verfahren, mit denen sich die Aufklärung komplexer und teilweise verborgener Sachverhalte und deren rechtliche Einordnung vornehmen lassen. Deswegen fordern die Piraten die Einrichtung eines Gremiums des Bundestages nach Art eines Untersuchungsausschusses, das die entsprechenden Sachverhalts- und Rechtsfragen nachvollziehbar bearbeitet.

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Antragsfabrik

-

Datum der letzten Änderung

06.04.2012

Status des Antrags

Pictogram voting keep-light-green.svg Geprüft