Benutzer Diskussion:Tigo

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Räumung von Lützerath

Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck hat mit dem Energieriesen RWE einen Vertrag geschlossen, der vorsieht, das unbewohnte Dorf Lützerath im Westen Deutschlands abzubaggern. Der Sinn des Deals: Der Kohleausstieg wird von 2038 auf 2030 vorgezogen. Im Gegenzug dafür darf RWE seinen Tagebau erweitern und die unter Lützerath gelegene Kohle schöpfen.


Wirtschaftlich betrachtet wird die Kohle nicht benötigt, um die Energieversorgung sicherzustellen - trotz Atomausstieg. Viele Wissenschaftler:innen sprachen sich im Vorhinein und Nachhinein gegen den Vertrag aus. Auch aus seiner eigenen Partei erhält Habeck (Bündnis90/Grüne) keinen großen Rückhalt - zurecht. Die meisten wählen grün aus der Hoffnung heraus, dass sich die Partei für Klimaschutz, Energie- und Mobilitätswende als auch Erhalt der Natur einsetzt. Mit dem RWE-Deal wurden die Erwartungen der Wählenden maßlos enttäuscht und die eigenen politischen Prinzipien verraten. Im modernen Sprachgebrauch würde mensch sowas als "Doppel-Moral" bezeichnen.


Mutige Aktivistis aus ganz Deutschland besetzten Lützerath und errichteten Mahnwachen. Sie lebten dauerhaft unter einfachen Verhältnissen in verlassenen Häusern, Barracken, Baumhäusern etc. und das sogar bei winterlichen Temperaturen, denn es gilt: Dort wo Menschen leben oder sich aufhalten, kann auch nichts abgebaggert und niedergerissen werden. Über die Zeit hinweg entstand ein kleines neues Dorf aus friedlichen Demonstrierenden. Diesen bemerkenswerten und höchst zu respektierenden Einsatz bezahlen viele von ihnen seit dem heutigen Morgen mit Qualen und Schmerz. Der Polizeipräsident NRWs Weinspach ordnete die Räumung des besetzten Gebiets an und wie von der Polizei im Hundertschaften-Einsatz mittlerweile zu erwarten ist, wurde bei der Anwendung von Gewalt und unmittelbarem Zwang keine Hemmung gezeigt. Während einige Aktivistis, die sich in der "Päckchen-Variante" demonstrativ an die Barrikaden setzten, einfach weggetragen werden, erleiden andere Faustschläge ins Gesicht, Tritte, Pfefferspray und Schmerzgriffe - auch bei friedlichem Widerstand. Polizeipräsident Weinspach bestätigte diesbezügliche Berichte, welche im übrigen durch Handyvideos belegt werden, natürlich nicht und teilt der ZEIT mit, dass so etwas natürlich schnell passiere, wenn man bei einer Räumung versuche, "jemanden aus einer Umarmung oder einem Festhalten zu lösen." Weitere Videos zeigen, wie die Polizei versucht, Demonstrierende, die sich in einer Sitzblockade miteinander verhakt haben, unterhalb des Kinns und am Hals gewaltsam aus der Blockade zu ziehen. Als wäre das nicht schon mehr als genug, stattet RWE die Polizei höchstpersönlich mit eigenen "Gefangenen-Lastern" aus. Festgenommene Aktvistis werden in silberne, mit RWE-Logo versehene und von der Form her wie Wasserwerfer aussehende Laster gesteckt und abtransportiert. Den Sanitäter:innen werden Platzverweise ausgesprochen und die Presse wird bei ihrer Arbeit behindert - bekannte Muster.


Auch für die rechte und konservative Bubble sind die aktuellen Ereignisse purer Zündstoff. Befürwortende der Atomenergie kritisieren erneut den Atomausstieg, da mensch ja mit einer Laufzeitverlängerung nicht auf die Kohle angewiesen sei (was auch mit AKW-Abschaltung der Fall ist) und das Dorf so in Ruhe vor sich hin vegetieren könnte. Andere greifen die extremistischen Proteste auf und werfen wieder mit plumpen Bezeichnungen wie "Klimaterroristen", "links-grün Versifften", "dreckige Zecken" u.v.m. um sich und versuchen, der Öffentlichkeit zu zeigen, wie brutal und gemeingefährlich linke Lebenseinstellungen seien. Nicht selten finden sich im Netz Kommentare wie: "Wenn die alle mal arbeiten gehen würden", "War ne nette Show und jetzt fort da: Der Bagger kommt" oder "Ich hoffe, die Polizei greift mit vollster Härte durch und unterbindet diesen Kindergarten".


Round about lässt sich sagen, der Tag war eine Blamage und Schande; Für Bundesregierung, Polizei und Grüne. Letztere hat sich mal wieder als Wolf im Schafspelz offenbart. Mich persönlich haben die heutigen Ereignisse nicht nur zum politischen Kopfschütteln bewegt, sondern wirklich missmutig gestimmt. Zu wissen, was in Lützerath abgeht, wie Menschen dort behandelt werden und der Planet weiter ins Chaos gestürzt wird, fühlt sich nicht richtig und alles andere als schön an; selten berühren mich politische Ereignisse derart. Tausend Dank an alle Aktivistis, die sich eine so enorme Bürde aufladen, um Lützerath und unser Klima zu schützen. Volle Solidarität mit allen, die Gewalt erleiden. Wir stehen hinter euch.

Stay strong! Lützerath bleibt!

Auswertung des Demo-Geschehens am 24. Februar 2023

Am 24. Februar 2023 jährte sich der Angriff des russischen Aggressors Putin auf die Ukraine. Zum gegebenen Anlass haben PEGIDA, die AfD, unter anderem mit Promi-Faschisten Björn Höcke, Freie Sachsen und Co. zur "Friedensdemonstration" mobilisiert. Auf dem Theaterplatz vor der Semperoper Dresden haben sich die Rechten versammelt, um ihre pro-russische Propaganda in die Welt zu brüllen. Auf SocialMedia entdeckte ich im Vorfeld auch Kommentare wie "Es ist der 9. JAHRESTAG des Angriffs der Ukraine auf die Ostukraine. Immer bei der Wahrheit bleiben." - danke Peter Paul, der Charakter der Demonstration wird hier sehr deutlich. Wenig überraschend fanden sich viele Deutschland-, Russland- & Sachsenfahnen, blaue AfD-Herzen mit der Inschrift "Unser Land zuerst" und ähnlicher Krempel.


Stabile Menschen und Organisationen/Parteien organisierten sich zu mehreren Gegenprotesten - nur die Stadt Dresden zeigte wie zu erwarten wenig Haltung und distanzierte sich nicht ausdrücklich vom Putin-Protest. Die Semperoper nahe der Kundgebungsfläche wurde in den Farben der ukrainischen Flagge angestrahlt. Ähnlich wie am 11. Februar, als Nazis zum Gedenkgang zur Bombardierung Dresdens aufgerufen und ihren geschichtsrevisionistischen Opfermythos verbreitet haben, hat die Stadt Dresden ihr Bestes an den Tag gelegt, um die Rechten zu schützen und ihnen eine ungestörte Bühne zu geben.


Bereits vor dem Start des Demozugs aus der Neustadt hat die Polizei bewiesen, wie unfähig sie doch eigentlich ist, mit derartigen Situationen umzugehen. Nachdem der Einsatzleiter dem Versammlungsleiter verkaufen wollte, dass er die Anzahl x an Ordner:innen benötigt, ohne zu wissen, dass der Versammlungsleiter sehr wohl seine Rechte und Pflichten kennt und weiß, dass er nicht so viele Ordner:innen wie gefordert benötigt, wollte der Einsatzleiter von jedem Ordner (nur Männer) den Ausweis sehen, um sicherzugehen, dass alle wie laut SächsVersG auch volljährig sind - auch wenn die Ordner offensichtlich alle älter als 23 waren. Berechtigter Weise diskutierte der Versammlungsleiter und weigerte sich gegen die Aufnahme von den personenbezogenen Daten der Ordner, worauf hin der Polizist ihm versicherte, er wolle nur das Alter checken und sich das in seiner "Strichliste" vermerken. Welche Daten er aber wirklich in sein Heft schreibt, kann nicht gesagt werden. Im Gegensatz zu dieser zwar repressiven, aber durchaus rechtlich geschützten Maßnahme, schoss die Polizei (immernoch vor Start des Demozugs) danach krass übers Ziel hinaus und handelte rechtswidrig, indem sie die Versammlungsleitung aufforderte, durchzusagen, dass FFP2-Masken nicht geduldet werden und statt Infektionsschutz als Vermummung (laut SächsVersG verboten) gewertet werden. Während die Polizei darauf wartete, dass alle ihre FFP2-Masken ablegen, durften wir immernoch nicht loslaufen, dafür wurde die Zeit aber sinnvoll zum diskutieren genutzt. Die Polizei nahm schließlich die Forderung zurück, forderte dafür aber jetzt, dass wenn eine Maske getragen wird, die Ohren und Haare sichtbar sein müssen. Das heißt, wer sich vor einer Infektion schützen möchte, darf bei Regen und 2 C° keine Mütze oder Kapuze tragen - wie die Moderation es ironisch ausdrückte: "Holt euch kein Corona, dafür aber eine Mittelohrentzündung." Als wir endlich loslaufen konnten, hat die "Beweismittelsicherung" während des gesamten Demozugs den vorderen Block und die Menschen dahinter gefilmt - völlig ohne Anlass. Der Aufzug wurde mehrmals unterbrochen, da die Beamt:innen immer wieder darauf pochten, dass Personen mit FFP2-Maske und einer Mütze vermummt wären und diese abzulegen ist. Mit gewollter Verzögerung hat es die Demo irgendwann zur angezeigten Versammlungsfläche gegenüber der Russland-Demo am Theaterplatz geschafft.


Da die Stadt Dresden anscheinend Wert darauf legte, dass die Rechten ungestört zum Postplatz wandern können, wurden sämtliche Nebenstraßen und -Flächen gegittert und bewacht, damit mögliche Blockaden in Form einer angemeldeten Spontanversammlung (somit legal) gar nicht erst auf die Route gelangen können - eine Maßnahme, die die Stadt nicht zwingend hätte ergreifen müssen. An nicht-gegitterten Stellen haben Polizei-Wannen samt Personal den Zugang verwehrt. In einer interessanten Diskussion, warum die Polizei mich nicht durchlassen möchte, erklärte mir der Beamte das Ganze ungefähr so: "Aufgrund von Erfahrungswerten und Gefahrenprognosen entscheiden wir, wen wir durchlassen und wen nicht. Ein Rentnerpärchen zum Beispiel würde ich durchlassen, oder eben eine Person die eine rote Jacke trägt. Sie sind ja optisch dem anderen politischen Lager zuzuordnen (ich trug komplett schwarz + Basecap)." Auf meine Nachfrage, warum ein Mann, der eine schwarze Jacke und eine dunkelblaue Jeans getragen hat, von seinem Kollegen durchgelassen wurde, antwortete er wie folgt: Er dreht sich kurz nach besagtem Mann um - "Ja den hab ich jetzt von vorne nicht gesehen und ich hab ihn ja auch nicht selbst durchgelassen." Kleiner Tipp: eine schwarze Jacke erkennt man von vorne als auch von hinten; diese Antwort zählt nicht. Als Ich und die umstehenden Personen final durchgelassen wurden, eilte ich schnell zum Kulturpalast, weil mich Menschen angerufen haben und mir erzählten, dass sie gekesselt wurden und die Polizei eine Maßnahme zur Feststellung der Identität durchführen möchte. Der Grund, warum sie gekesselt wurden: Sie sind spontan in eine Richtung gerannt, worauf hin die Polizei die Gruppe zu Boden geschubst und getreten hat - das plötzliches Rennen oder selbst die Flucht vor der Polizei (was hier nicht einmal der Fall war) keine Straftaten sind, ignorierten unsere "Gesetzeshüter:innen" konsequent. Die Antwort auf die Frage nach der juristischen Grundlage für diese Aktion lautete immer wieder "Polizeigesetz" - vermutlich weil sie es selbst nicht wissen. Am Kessel angekommen bin ich auf die Beamt:innen zugegangen, habe meinen Personalausweis in die Höhe gehalten und gerufen, dass ich eine Spontanversammlung anmelden möchte. Erst wurde ich dreist ignoriert, dann habe ich Personen direkt angesprochen und wurde wenigstens erhört. Es hat keine halbe Minute gedauert und die Menschen wurden ohne ID-Maßnahme oder ähnliches aus dem Kessel entlassen, da die Polizei mit einer Spontanversammmlung direkt neben ihnen ihre Repressionsopfer nicht ungestört schikanieren kann. Da ich keine Versammlung benötige, wo auch kein Grund mehr dafür ist, forderte ich mit ausgestreckter Hand meinen Ausweis zurück. Der Beamte reagierte nicht, sodass ich ihm diesen aus der Hand ziehen musste. Selbstverständlich habe ich mich darüber beschwert, dass er absichtlich meinen Ausweis länger einbehält und liest, um sich vielleicht meinen Namen oder mein Gesicht merken zu können und habe folgende Antwort bekommen: "Sie können die Maske auch abnehmen, Corona ist vorbei." Danke für die präzise Antwort auf meinen Vorwurf. Nach ein paar weiteren belanglosen Diskussionen, Scherzen seitens der Polizei über uns oder das ich mich vermehrt als "lächerlich" beleidigen lassen musste, ging der Abend nur wenig erfolgreich zu Ende.


Die Polizei Sachsen und die Stadt Dresden waren bereits von Anfang an auf Gewalt, Repression und Schikane aus und haben die Nazis in ihrem Vorhaben aktiv unterstützt. Dieses übernatürliche Engagement, damit die Rechten ungestört bis zum Postplatz laufen können und der Einsatz von übertriebener Gewalt gegen Protestanten aus dem linken Lager sind ein hässsliges Aushängeschild für die Stadt und implizieren wieder einmal Dresden als Stadt der Nazis. Wir merken immer wieder, dass wir uns im Kampf gegen Faschismus weder auf Staat noch auf Polizeiapparat verlassen können und dafür kriminalisiert werden. Es muss endlich anerkannt werden, dass Faschismus, das Verdrehen oder Leugnen von Fakten und das Verbreiten von imperialistischer, nationalistischer und fremdenfeindlicher Propaganda einfach keine Meinung ist. Es wird höchste Zeit, dass der Staat das genauso sieht und uns im Kampf gegen Faschismus unterstützt, statt uns zu bekämpfen.