Benutzer Diskussion:Pavel/Menschenbild und Grundwerte für ein Grundsatzprogramm der Piratenpartei
Inhaltsverzeichnis
Begründung der Würde in der Selbstbestimmung
„Die Würde des Menschen gründet sich in seiner Fähigkeit, sein Wesen und Wollen selbst zu bestimmen.“
– aus dem Antrag
Könnte man das böswillig so interpretieren, dass nur Menschen Würde besitzen, die die Fähigkeit haben, ihr Wesen und Wollen selbst zu bestimmen? Was ist z.B. mit Menschen, die im Wachkoma sind?
Oibelos 09:49, 14. Okt. 2010 (CEST)
Ich würde hier die Kantsche Definition von Würde vorziehen. Die Würde des Menschen gründet sich in seiner blossen Existenz, also in der Achtung vor der Existenz des anderen. Diese Definition ist deutlich umfassender.
Tobstone 11:02, 14. Okt. 2010 (CEST)
Finde ich beides gute Einwände, das mit dem Wachkoma liesse sich sicher auch noch auf andere Lebenssituationen übertragen, in denen Menschen gerade eben nicht "Ihr Wesen und Wollen" in vollem Umfang selbst bestimmen können (etwa in Unfreiheit: Gefängnis, Psychiatrie etc.). Entscheidend finde ich aber, dass sie es grundsätzlich können. Also auch der Mensch, bevor er in ein Wachkoma fiel, es konnte. Trotzdem ist die Definition "blosse Existenz, Achtung vor der Existenz des anderen" sicher umfassender.
meta 21:08, 20. Okt. 2010 (CEST)
Ich fürchte, jemand, der aufgrund eines Wachkomas sein eigenes Wesen und Wollen nicht bestimmen kann, verliert in der Tat seine Freiheit und ist darauf angewiesen, dass andere seine Würde schützen. Das gilt zugespitzt auch für die Würde von Kindern. Diese Auslegung wird durch andere Grundsätze, zum Beispiel "Gerechtigkeit", geheilt.
Freiheit
„Wir treten allen Bestrebungen entgegen, die Freiheit des Einzelnen einzuschränken, wenn bei der Abwägung gegen andere Grundrechte oder die Freiheit anderer der geringste Zweifel an der Notwendigkeit dieser Einschränkungen besteht.“
– aus dem Antrag
Könnten zumindest geringste Zweifel entstehen an der Notwendigkeit
- des Arbeitsschutzes
- der Regelung des Straßenverkehrs
- der Umweltgesetzgebung
- des Verbraucherschutzes
- ...
An was soll man "Notwendigkeit" messen, wenn im Zweifelsfall stets zugunsten der Freiheit abzuzwägen ist?
Zudem: Um auch nur ansatzweise das umzusetzen, was im Abschnitt "Gerechtigkeit" steht, wird man in die Freiheiten des Einzelnen eingreifen müssen, ohne dass dafür eine "Notwendigkeit ohne jeden Zweifel" begründbar wäre (von solchen Ideen wie dem BGE ganz zu schweigen). Wollen wir wirklich allen diesen Bestrebungen entgegen treten?
Michael Ebner 23:23, 14. Okt. 2010 (CEST)
Eigentumsrecht
„Jeder Mensch hat ein Eigentumsrecht an den Früchten seiner Arbeit und den Gütern, die er durch gerechte Vereinbarung erworben hat. Dabei hat er jedoch den Beitrag der Gemeinschaft oder anderer Menschen angemessen zu würdigen, den sie für ihn zum Erwerb und Erhalt seines Eigentums leisten.“
– aus dem Antrag
Was ist hier mit "würdigen" gemeint? Danke sagen und gut is? Eine Verpflichtung, was abzugeben von dem Vermögen, dass man ohne die Hilfe anderer nicht hätte anhäufen können, ergibt sich daraus nicht, oder?
Oibelos 09:49, 14. Okt. 2010 (CEST)
„... und kein Mensch darf so reich sein, dass er einem anderen Menschen die Würde abkaufen kann.“
– aus dem Antrag
Was definieren wir "Würde abkaufen"? Mal ein praktisches Beispiel: Vor etlichen Jahren hatte ich mal Kontakt zu einer Schwerstabhängigen, die auf dem Drogenstrich Berlin Kurfürstenstraße anschaffen ging. Einer ihrer Kunden wollte mal, dass sie sich in den Schnee legt und sich von ihm anpssen lässt. Läuft das unter "Würde abkaufen"? Wenn nicht, was dann?
Wenn doch, der Preis für diese Dienstleistung dürfte 100,- DM gewesen sein, wenn sie sehr affig war, vielleicht auch weniger. Umgerechnet also 50,- Euro. Wollen wir ernsthaft fordern, dass kein Mensch so reich sein darf?
Michael Ebner 23:16, 14. Okt. 2010 (CEST)
Hier, wie auch einen Absatz weiter oben prallen mMn zwei verschiedene Sichtweisen aufeinander. Pavel mit Visionen und Michael mit pragmatischen Beispielen. Wenn ich mich jetzt als einen visionären Pragmatiker begreifen würde (und eigentlich tue ich das), könnte ich nur beiden Recht geben. Aber wie kriegen wir das auf einen Nenner. Ich denke zu jeder Vision gibt es einen verdammten Haufen "Gegenbeispiele" aus der alltäglichen Praxis, die jede/r von uns täglich erleben kann. Ich verstehe Pavel so, dass es Visionen und Leitsätze sind, die wir uns verpflichten, anzustreben. Nicht so, dass es Dogmen sind, hinter die wir nicht zurückweichen dürfen. Mir fallen ebensoviele Beispiele ein, wie man mit wenig Geld jemand die Würde abkaufen könnte. Und ja, wenn man mir verbieten würde 50 EUR zu verdienen, wäre ich zu Recht sauer.
Aber es würde jetzt nichts nützen, wenn wir formulierten: "Und kein Mensch dürfte so reich sein, dass er einem anderen Menschen die Würde abkaufen könnte". Wir müssen es so begreifen, wie es gemeint ist: Als ehrenwertes Ziel, welches sich sehr stark von der aktuellen Situation unterscheidet und welches wir gemeinsam anstreben.
meta 21:32, 20. Okt. 2010 (CEST)
Das "Abkaufen" der Würde eines anderen ist nichts, das an Reichtum festgemacht werden kann und darf. Ein jeder hat die Freiheit, sich seine Würde abkaufen zu lassen, denn es steht in seiner Entscheidung, soweit er frei ist in seiner Entscheidung. Ich plädiere daher für die beschriebene Begrenzung nach "unten", zum Mangel: niemand darf so arm sein, dass er seine Würde verkaufen MUSS. Die Grenze nach "oben" zu markieren, steht nicht in unserer Macht: sie hängt von der freien Aushandlung einzelner Menschen ab.
selber schuld?
„Wer durch die Natur oder das Schicksal in Not gerät, der hat Anspruch auf besondere Hilfe der Gemeinschaft. Das gilt auch, wenn der einzelne im Rahmen der Entfaltung seiner Persönlichkeit besondere Risiken eingeht. Wer bewusst extreme Risiken eingeht hat nur dann Anspruch auf Solidarität, wenn er sich zuvor der Unterstützung der Gemeinschaft versichert hat.“
– aus dem Antrag
Wie wäre unter dieser Vorgabe zu bewerten, wenn jemand sehr viel unsafen Sex hat und dann an AIDS erkrankt? Hätte der Anspruch darauf, dass seine Medikamente von der Krankenversicherung bezahlt werden? Klar, "extremes" Risiko hat einen Interpretationsspielraum, ein Interpretationsspielraum muss ja auch vorhanden sein, aber irgendwie beim ersten lesen erscheint mir der Absatz ein bisschen gefährlich. Eine "selber schuld"-Haltung finde ich gefährlich und die könnte man da eventuell hineininterpretieren, oder?
Ansonsten: Danke für den Text, ich finde ihn zum Großteil ziemlich gut.
Oibelos 09:49, 14. Okt. 2010 (CEST)
Meine Meinung: Wenn jemand sehr viel unsafen Sex hat und dann an AIDS erkrankt, hätte er lieber safer sex gehabt oder eine entsprechende Krankenversicherung weil er vorher nachgedacht hat. Wenn er nachgedacht hat und sich des Risikos bewußt war, hat er sicher eine Krankenkasse, die das absichert. Hat er beides nicht, dann wird es verdammt schwierig nicht von "selber schuld" zu reden. So ein kleiner Rest von Eigenverantwortlichkeit möchte doch bitte sein in einer Partei, die sich Freiheit und das heißt auch Eigenverantwortlichkeit auf die Fahnen schreibt. Eine "selber schuld"-Haltung wird erst da gefährlich wo vielleicht jemand safer sex nach bestem Wissen und Gewissen praktiziert und der Pariser platzt. Oder keine Krankenversicherung mehr jemand aufnimmt, der raucht, trinkt, sex hat, Fahrrad ohne Helm fährt, etc. etc. Natürlich alles vorstellbar wenn wir es nicht ändern.
just my2c
Ansonsten zitiere ich Dich: Danke für den Text, ich finde ihn zum Großteil ziemlich gut.
meta 09:49, 14. Okt. 2010 (CEST)
Gerechtigkeit
„Jeder Mensch entwickelt von Natur aus einen Sinn für Gerechtigkeit, der ihn mit Wut und Ekel auf Ungerechtigkeit reagieren lässt.“
– aus dem Antragstext
Nach meiner Beobachtung halten sich bei nicht wenigen Menschen Wut und Ekel in sehr engen Grenzen, wenn sie von Ungerechtigkeiten profitieren...
Michael Ebner 23:33, 14. Okt. 2010 (CEST)
Auch hier wieder die Frage, wo man hinschaut (extrem subjektiv). Es gibt auf jeden Fall das eine aber auch das andere. Und das sollten wir eigentlich alle wissen. Vielleicht hilft Euch mein Buchtip: "Bruce H. Lipton / Steve Bhaerman: Spontane Evolution", hab das gerade mit sehr viel Erkenntnisgewinn (Im Sinne von, "was ich schon oft gedacht aber selten so gut komprimiert gelesen habe") verschlungen und finde vieles von dem wieder, wonach ich in der Piratenpartei noch suche ;-) Aber insgesamt sind wir doch auf einem ganz guten Weg, oder?
meta 21.35, 20. Okt. 2010 (CEST)
„Gerechte Vereinbarungen und Regeln sind einzuhalten. Eine Regel oder Vereinbarung ist dann gerecht, wenn sie durch freie Übereinkunft der Beteiligten zustande kommt.“
– aus den Antragstext
Regeln, die durch freie Übereinkunft der Beteiligten zustande kommen, haben wir nur in der Normung, ansonsten sind Regeln bestenfalls "demokratisch legitimiert". Wären die dann nicht gerecht und brauchen nicht eingehalten zu werden?
Michael Ebner 23:33, 14. Okt. 2010 (CEST)
Bestenfalls demokratisch legitimiert? War das nicht das, was wir wollten? Ist "freie Übereinkunft der Beteiligten" nicht Demokratie? Oder müssen da noch die genauen Mehrheitsverhältnisse 50%, 2/3 erwähnt werden?
meta 21:40, 20. Okt. 2010 (CEST)
„Kein Mensch hat das Recht, der Umwelt mehr zu entnehmen oder zu verbrauchen, als nachwächst oder durch seine Hinterlassenschaft ersetzt werden kann.“
– aus dem Antragstext
Dort wo nachwächst, kann ein einzelner Mensch in der Regel nicht mehr verbrauchen, als nachwächst. Die Probleme entstehen erst dort, wo viele Menschen entnehmen wollen. Zudem: Wie ist bei nicht nachwachsenden Rohstoffen zu verfahren?
Michael Ebner 23:33, 14. Okt. 2010 (CEST)
Liest Du alles hier: "Bruce H. Lipton / Steve Bhaerman: Spontane Evolution" http://www.amazon.de/Spontane-Evolution-Wege-neuen-Menschen/dp/3867281033/ref=cm_cr_pr_product_top
meta 21:48, 20. Okt. 2010 (CEST)
Begründung
Warum wird dieser Text damit begründet, dass andere Schwierigkeiten haben, uns in eine Schublade zu stecken? Sollen wir wirklich über jedes Stöckchen springen, das man uns hinhält? Michael Ebner 23:11, 14. Okt. 2010 (CEST)
Eine philosophische oder weltanschauliche Unterfütterung unserer Ziele ist mMn kein beliebiges Stöckchen, sondern konstitutiver Bestandteil unserer Legitimation, unserer Identität und unseres Willens.