Benutzer:Bzapf/Bildung/Gleitzeitschule/3

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Bekanntlich ist das Verhältnis vom Lehrer zum Schüler ein zutiefst asymmetrisches, sogar eines, das Macht enthält: der Lehrer weiß, der Schüler noch nicht. Erfolgreiche Lehre baut dieses Verhältnis ab.

Dazu muss der Lehrer sich Strategien bedienen, die den Schüler seiner Freiheit berauben. Er muss kontrollieren, welche Informationen den Schüler erreichen und wie das vonstatten geht. Er muss auch notgedrungen den Schüler dazu bringen, seiner Lehre zu folgen - wie auch immer diese konkret aussieht. Dieses Machtgefälle ist nicht das einzige an Schule stattfindende, wohl aber das einzige für die Funktion von Schule tatsächlich notwendige.

Die Macht der Eltern über ihre Kinder ist naturgegeben und muss um das Wohl der Kinder erhalten bleiben. Kinder entwickeln sich eben naturgegeben von der Unmündigkeit hin zur Mündigkeit. Ein übermäßiger Eingriff der Eltern in die Freiheit ihrer Kinder wird ebenso als falsche Erziehung verstanden und diskutiert wie übermäßig gewährte Freiheit.

Eine Behörde übt Macht über Lehrer aus, indem sie Lebensform, Lebensgestaltung, Gestaltung von Schule, Gestaltung auch des Lebens von Schülern vorgibt. Während Lehrer die Zusage utopischer Sicherheit (z.B. vor ökonomischen Veränderungen oder Machtverschiebungen innerhalb der Admistration) erhalten, ist der Preis dafür die Freiheit: ein Lehrer muß nämlich eben der Schule entsprechen, um Lehrer sein zu dürfen. Die Entsprechung ist die totale: es gibt die eine Regel - und es gibt die eine Sanktion: ohne die Regel kein Lehrer.

Lehrer üben Aufgrund ihres höheren Alters Macht auf die eben jüngeren Schüler aus, die in der Biologie des Menschen verankert zu sein scheint: Instinktiv scheinen wir dem Älteren höheres Gewicht zuzuweisen, ihn, und das was er sagt, eher zu respektieren.

Lehrer üben aber auch formal Macht auf Eltern und deren Kinder aus, indem sie die Definitionshoheit darüber besitzen, was "korrekte Teilnahme" an Schule ist: ohne diese - kein Schüler, sondern ein Nichtwesen, ein Sozialschmarotzer, ein Asylant. Hierbei legen sie jene Maßstäbe an, die von Schule an sie selber angelegt wurden, und die von der Behörde an sie angelegt werden. Die Sekundärtugenden eben: Pünktlichkeit, Fleiß, Gehorsam usw. Diese Macht gründet auf der Drohung der Bestrafung des Regelbruchs durch die Behörde.

Die Behörde deckt nun widerum Lehrer und Eltern, indem sie schlicht Verständnis fordert: zum Wohle des Höheren (Erfolg, Respekt vor den anderen, Schulabschluß, Erlaubnis zur Selbstachtung) erklärt sie die "korrekte Teilnahme" zur "Pflicht", die der Schüler (und auch seine Eltern) verinnerlichen muss und die notfalls mit Tätlichkeiten beigebracht wird.

Schüler andererseits üben auch Macht über Lehrer aus: Ohne Schüler kein Lehrer - auch politische Strategien stehen Schülern offen. Dieses Machtverhältnis ist das am wenigsten offensichtliche der hier genannten und es tritt selten nur zu Tage, wird aber gelegentlich bis hin zu traumatischen Zuständen ausgebaut.

Ferner üben Schüler Macht übereinander aus: durch die zwangsweise Zuweisung zu auf Permanenz angelegten Gruppen müssen die Verhältnisse innerhalb der Gruppe nach den gelebten behördlichen Vorbildern strukturiert werden, also steil-hierarchisch und autoritär. [verdient Ausarbeitung]

Wo also ein Machtgefälle durch Schule abgebaut werden muss, ein anderes gewissermaßen Naturgesetzlich abnimmt, sind sechs weitere Bestandteil des "verdeckten Lehrplans". "Korrekt" ist, wenn:

- der Lehrer einer Behörde folgt - die Schüler dem Lehrer folgen - die Eltern dem Lehrer folgen - der Schüler seine Politik gegenüber dem Lehrer im Griff hat - der Schüler mit seinen Mitschülern in einem behördlich genehmigten (oberflächlich unauffälligen) Verhältnis lebt - der Schüler diese Machtverhältnisse so weit verinnerlicht, dass er ihre Existenz nicht hinterfragt.

Die Gleichsetzung all dieser Machtverhältnisse ist unzulässig. Ebenso ist unzulässig, diese Machtverhältnisse als identisch mit Schule oder gar Bildung zu bezeichnen. Nur das allererste hier genannte Verhältnis bewirkt Bildung. Die anderen sind Mittel auf dem Weg zu Schule, und Schule ist nur angeblich der einzige Weg zu Bildung.

Geht dieser Plan auf, so hat sich der Staat einen Bürger gezüchtet, der vollkommen der Macht einer Behörde unterliegt. Wird eben diese, die das ganze Leben durchdringen muss, Hinterfragt, wird die behördliche Liebe entzogen: dann gibt es eben kein Stempelchen auf ein Abschlußzeugnis, nicht einmal die Zuwendung eines Lehrers.

Wie überall, wo Menschen beteiligt sind, kommt es hier zu einer Vielschichtigkeit, die einen weiteren Blick wert ist.

So reproduzieren die Schüler und Eltern unter sich anscheinend Reflexhaft die Machtverhältnisse der Behörden: wer das Opfer bringt, sich möglichst Eitel an Schule zu beteiligen, erhält, vermittelt durch die Macht der Lehrer, hohes Ansehen. Schulfördervereine, das Lob vor der Klasse, aber auch die Demütigung sind die Mittel dieser Macht.

Wie bei den Behörden auch gilt auf dem Schulhof: nur wem das Privileg verweigert wird, sich "nicht erwischen zu lassen", muss mit einer Strafe rechnen. Gesetze gelten eben nicht für privilegierte. Der Rest der Anwesenden muss mit der Gewalt dieser leben.

Die offene (eben nicht wie gefordert verdeckte) Reproduktion der Herrschaftsverhältnisse wird zum Beispiel unter dem Begriff des "Mobbing" stigmatisiert und ausgegrenzt. Dabei sind diese der Kern der schwarzen Psychopädagogik, die Schule betreibt. Mobbing" ist nur dort Mobbing, wo es öffentlich gemacht und geglaubt wird. Anderswo ist es das Lebenselixier der Behörden: die einzige Möglichkeit, ihre Macht zu erhalten und zu reproduzieren - eben auf jüngere zu übertragen.

Die Behörden sind darauf angewiesen, dass diese Mechanismen fortbestehen. Der Beweis dafür liegt in der angeblichen Undenkbarkeit aller Maßnahmen, die sie ausser Kraft setzen würden, Bildung aber nicht wesentlich beschädigen.

So ist zum Beispiel handfeste körperliche Gewalt auf dem Schulhof für Lehrer angeblich nicht zu erkennen. Ungeachtet der Tatsache, dass die einzige in letzter Zeit durchgeführte Studie zu diesem Thema erschreckende Resultate erbracht hat, ungeachtet der Tatsache, dass jeder Schüler die Realität schildern kann: gibt jeder Lehrer an, an einer Schule zu Arbeiten, an der selbstverständlich "grundlegend andere Verhältnisse herrschen" oder ähnliches.

Selbstverständlich geht jeder Lehrer einwandfrei mit Gewalt um, wo er sie entdeckt: in einer blassen Parodie eines Versuchs einer Erkenntnisgewinnung wird willkürlich gestraft - und die weitere Vermittlung der wahren Machtverhältnisse dadurch ins Geheime verschoben.

Natürlich wird dem Lehrer nicht verraten, wie seine Behörde funktioniert. Doppeldenk ist der erste Lerninhalt: wer dabei nicht mitmacht, ist ein Nichtschüler, wird negiert. Der offensichtliche Widerspruch zu den Versprechungen von Freiheit in den Erzählungen der Erwachsenen ist kein Thema von Schule.

Ungeachtet der Tatsache, dass dieses Phänomen der Gewalt mit dem Erwachsenwerden - vermutlich durch soziale Kontrolle, verhelfs auch des Staats - eingedämmt wird und sogar fast vollends verschwindet, dass also augenscheinlich Möglichkeiten vorliegen, es zu lösen: werden weder überhaupt regelmäßige, aussagekräftige Studien betrieben, noch Lösungsansätze entworfen oder verfolgt.

Stattdessen wird Hilflosigkeit gelehrt: die ausschlaggebende Wahrnehmung ist die der Lehrer. Manipulationen dieser oder die Funktionsweise der Behörde Schule aufzudecken, wird mit Ausgrenzung bestraft. Erkannt werden darf nur, was die Behörde bestätigt. Lehrjahre sind eben keine Herrenjahre.

Die Einführung eines Gleitzeitsystems würde durch das Aufbrechen der zwangsweisen Gleichschaltung von Schülern etliche hier erklärte Machtmechanismen schwächen. Dies ist der Grund für seine behördlich verordnete Unmöglichkeit.

Schon die Unmöglichkeit der Diskussion dieser Umstände, allein der Erhebung von Tatsachen über z.B. Schulgewalt spricht Bände über die Strukturen. Versucht man, mit Lehrern darüber zu sprechen, erlebt man, wie schnell der Intellekt aufgibt gegenüber dem sozialen Druck. Der Versuch an sich wird für nichtig erklärt, sei Fehl am Platze und mangelnd im Ausdruck.

Die psychischen und psychiatrischen Konsequenzen dieser Mechanismen sind furchterregend. Schule erzieht zum Büttel - zum wohlfeilen und selbstgefälligen Erfüllungsgehilfen der Macht. Sie erzieht zum unkritischen Teilhaber am Mainstream, zur Dummheit, zur Kritiklosigkeit. Nicht wenig Geisteskrankheit dürfte in Schule ihren Anfang nehmen.

Lehrer, die an diesem System teilhaben, müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, alten Erkenntnissen über die Natur des Menschen entgegen zu handeln. Lehrern, die dem mit Scheinargumenten begegnen, wie etwa, dass Lernen als Gruppenerlebnis überhaupt nur durch unmenschlich frühes Aufstehen möglich würde, ist die selbstwidersprüchliche Natur ihrer Argumentation zu verdeutlichen.

Alleine das Leugnen der Tatsache, dass die meisten Menschen wohl allein aus gesundheitlichen Gründen am besten damit beraten wären, den Rhythmen ihres Körpers zu folgen - und dass diese Rhythmen von Mensch zu Mensch nun einmal sich unterscheiden - und der behördliche Befehl der unbedingten Gleichzeitigkeit bei der Strafe der sozialen Vernichtung ist im Hinblick auf das Grundrecht der Unversehrtheit des Körpers eine offene Kriegserklärung der Herrschaft gegen den Einzelnen.

Lehrer, die die offensichtliche und unausweichliche Konsequenz dieses Systems dann als "Verdummung" beklagen, die äußere Ursachen (beliebt: Fernsehen, Computerspiele, Internet) hätte, die als Heilmittel weitere Einbindung in zwischenmenschliche Machtzusammenhänge (Sportvereine, Musikunterricht, Tierpflege) nahelegen und die vor allem weiterhin Meditation und Ruhe nur als Mittel zum Zweck der Beschäftigung mit Machtzusammenhängen anraten, begehen den Fehler der Oberflächlichkeit: sie versuchen, Symptome zu kurieren, wo die Ursache als verborgen gilt.

Die Ursache für dieses Phänomen liegt jedoch offensichtlichkeit in der Art und Weise der Schule selber, in der Zweigleisigkeit des Denkens aller. "Taktisches Lernen" nennt es der Lehrer vielleicht manchmal und hat dabei dann schon die Wahrheit auf der Zunge, darf sie aber nicht formulieren, da er sonst seiner befehlsgebenden Behörde, gegenüber der er längst taktisch gelernt hat, widerspräche. Der Konflikt wird auch hier auf die Außenwelt verschoben: wenn man nur - als Lehrer selbstverständlich - die Freiheit hätte (wie bitte soll die sich ausdrücken?), könnte man mehr und bessere Schule, könnte man zur gerechten Welt und zum Wohle der Menschheit...

Wo das gemeinte Verstanden wird, beklagt sich der Lehrer dann sogleich über die zu erwartende Überforderung: wo man es richtig mache, warte Arbeit auf einen, würden einem "die Schüler die Bude einrennen" - was man ja nicht wolle. Es ist blanker Zynismus, der aus solchen Konstruktionen spricht.

Die Ökonomisierung von Schule hat längst stattgefunden. Sie ist das uralte, seit immer existierende Modell der totalen Institution, die jetzt bloss Verschiebungen der Deutungsversuche hin zu Geld erfährt.

Die totale Institution kann sich nicht selbst abschaffen. Daher sage ich euch: wirkliche Demokratisierung von Schule kann nicht von Lehrern oder Eltern ausgehen. Sie kann nur von Schülern ausgehen, nur im Widerspruch zum System erlangt werden. Sie kann und muss aber von Lehrern und Eltern und auch von Behörden tatsächlich ermöglicht werden. Sie muss sich in einer tatsächlichen Übernahme der Macht durch die Schüler ausdrücken. Solange sich Lehrer und Eltern an dieses bißchen Macht, das sie erobert haben, klammern, kann nichts gutes erwachsen aus solchen Bemühungen.

Dies, und nur dies, kann Parlamentarismus überhaupt erreichen: den Weg freizugeben für das neue und bessere. Die Demokratie und den Rechtsstaat müssen die Kinder erneut aufbauen. Es gibt eben keine göttliche Legitimation für gleich welche Herrschaft. Kinder müssen heranwachsen in dem Bewußtsein, eines Tages - spätestens nämlich, wenn die Teilnehmer der alten Herrschaft sterben - legitim und legal Macht über ihre Mitmenschen ergreifen zu können und sogar vielleicht zu müssen.

Diese Lektion aber mit Lügen, Halbwahrheiten, Verrat, Willkür, Korruption und schlichtem Sadismus zu beginnen, könnte auch als eine Form von Lehre zu verstanden werden. Ich aber lehne diese Form von Lehre von Grund auf ab - aus den Gründen, die ich hier zu erläutern versuche.