Benutzer:Bzapf/Bildung/Gleitzeitschule/2

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Seit etwa 1800 ist ein Prozess im Gange, den man mit den Worten "fortschreitende Rationalisierung des Produktionsprozesses" nur unzureichend beschreiben kann. Unzureichend, da die Vielheit und Vielschichtigkeit dieser Umstände nur angedeutet werden kann.

Nur zum Beispiel ist der Anteil der Beschäftigten in der "Urproduktion" ("1. Sektor") auf etwa 2% gesunken. Der entsprechende Anteil des umgesetzen Geldes am gesamten Geldumlauf ist in etwa vergleichbar. Das meiste Geld (und die meiste Arbeit) wird also in der Verarbeitung und Verteilung der gewonnenen Produkte umgesetzt.

Wichtig für "Rationalisierung" ist zunächst "Reduktionismus": Probleme werden abstrahiert, in einzelne Teilprobleme zerlegt, diese einfacheren Probleme einzeln gelöst und die Lösungen zusammengeführt. Man nennt das vielleicht auch "fortwährende Spezialisierung".

Während früher ein Schmied gleichzeitig auch eine Art Geologe sein musste und alle Verarbeitungsschritte vom Erz bis zum Stahl beherrschen (und vermutlich deswegen als eine Art Zauberer galt), verstehen wir heute unter "Schmied" jemanden, der existierenden Stahl verarbeitet.

Spezialisierung bewirkt Ökonomisierung, aber auch Einschränkung. Jemand, der nur existierenden Stahl verarbeiten kann und gut dafür bezahlt wird, diesen aber nicht erzeugen, hat ohne Stahl keine Möglichkeit, seine Tätigkeit auszuüben. Er ist kritisch darauf angewiesen, dass Stahl zur Verfügung steht.

Eine weitere Einschränkung ist in "Standardisierung" zu sehen. So werden z.B. in ganz Europa Schrauben und Gewinde zueinander passend hergestellt. Es gibt einige wenige übliche Größen, und Stücke gleicher Größe und Art passen zusammen. M8-Mutter paßt auf M8-Schraube - gleiches Gewinde vorausgesetzt.

Europäische Muttern passen allerdings nicht auf amerikanische Schrauben, trotzdem diese sich zum verwechseln ähnlich sehen. Der Grund ist, dass amerikanische Stücke im Allgemeinen "zöllig" hergestellt werden - also ihre Größen in binären Zollbruchteilen bestimmt werden.

5/16 Zoll sind ungefähr 8 mm. Aber eben nur ungefähr. Die Teile passen nicht zusammen, obwohl auf beiden Seiten des Atlantiks alle korrekt gearbeitet haben und möglicherweise sogar denselben Zweck verfolgt haben.

Es passen nicht einmal europäische Werkzeuge auf amerikanische Schrauben. Und umgekehrt, und auf beiden Seiten des Atlantiks verfluchen die Mechaniker jene unseligen Entscheidungsträger, die einst solche Entscheidungen getroffen haben. Obwohl die schlicht nicht "besser" konnten. [XXX was ist hier besser?]

Jetzt soll also "die Bildung standardisiert" werden, damit eine bessere Austauschbarkeit der Schüler gewährleistet wird. Machen wir uns nichts vor: eine weitergehende Standardisierung von Schule als jetzt ist kaum vorstellbar.

Um einen kleinen Eindruck zu gewährleisten: nicht nur ist das "Schulalter" standardisiert, auch die "Lernzeiten" sind es, das Sozialverhalten, das Gewaltniveau, das Ausmaß an sonstigen Zumutungen, die Lerninhalte und ihre Umsetzung, sogar das Essen soll jetzt vereinheitlicht werden. Alles "for the win".

Was nicht standardisiert wird, nun, führt zu Kritik. Jetzt soll also der Schulwechsel über Bundeslandgrenzen "verbessert und vereinheitlicht" werden - als ob ein Schulwechsel im Bundesland selber nicht schon trotz aller sinnlos auf Kosten der Schüler durchgedrückten Standards eine Meisterleistung ist.

Am Ende werden dann die ehemaligen Schüler nach Gewindegröße sortiert und in die passenden Löcher verschraubt, um einen dauerhaften Sinnzusammenhang zu ergeben. Verschleißteile können nach wie vor aussortiert und markiert werden und werden bei Renitenz der Resteverwertung zugeführt. Vielleicht findet sich irgendwo ein kleines Loch für die, ansonsten wird halt eingeschmolzen. Echte Zahnräder halten dürfen nur die stärksten, und, na, die Zahnräder finden wir eh woanders als hier.

Wenn doch alles so einfach wäre wie Schrauben.

Die industrielle Verwertung des Menschenmaterials hat nicht im zweiten Weltkrieg ihren Höhepunkt erreicht. Das war nur eine grelle Zwischenphase. Der wahre Bildungstrojaner ist die Korruption des einzelnen durch den Standard des Schulsystems, das sich widerum vom Besten aus Armee und Industrialisierung nährt. Alles "for the win" - das eigene Leben, gib es hin, frag nicht warum, alles ergibt irgendwie einen Sinn, und wenn nicht, fang an zu beten. Viel bleibt dir eh nicht mehr übrig. Sei froh, dass du verdienen darfst. Sei froh, dass du nicht zöllig bist.

Wir haben da noch ein paar Götter übrig. Brauchst du einen? Du darfst dir sogar einen aussuchen. Oder viele. Oder alle, wenn du magst, das zählt aber nicht. Oder bist du etwa Satanist? Pfui!

"Gleitzeit" ist das Zugeständnis an den geschundenen Arbeiter, das Gnadenbrot. Jetzt darf er ein bißchen länger Ausschlafen: es stört die Herrschaft nicht. Soll er froh sein, dass er nicht in Schichten eingeteilt wird.

Folgerichtig spricht auch der Artikel in der Wikipedia hauptsächlich von schulartigen Verhältnissen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Gleitzeit

Rahmen- und Kernarbeitszeit

Die Vereinbarung legt im Regelfall eine sogenannte Rahmenarbeitszeit, also den frühestmöglichen Arbeitsbeginn und das spätestmögliche Arbeitsende sowie eine Kernzeit fest (also spätestmöglicher Arbeitsbeginn und frühestmögliches Arbeitsende, in der grundsätzlich alle Beschäftigten anwesend sein müssen) (Klassische Gleitzeit). Ein Beispiel sähe so aus: Rahmenarbeitszeit 6:30 Uhr bis 18:30 Uhr, Kernarbeitszeit 8:30 bis 15:30 Uhr.

Die Frage ist nicht, ob das jemandem paßt, sondern, ob die Gewindegröße innerhalb einer gewissen Toleranz stimmt. Wer nicht paßt, fliegt raus - Ende der Durchsage.

Solcherlei Verhältnisse sind der Kern des Problems Schule. Eine Gewöhnung der Herrschaft an den Gedanken, dass ein einzelner Mensch durchaus in der Lage ist, zu entscheiden, wann er aufstehen mag und wann er was tun mag, dass der einzelne Mensch überhaupt keine dertige Schablone braucht, in die sein Leben gepresst wird - geschenkt. Die Schablone ist nun einmal da: "unsere Schüler" sind metrisch - Ende der Durchsage.

Die Herrschaft hat den Schüler zum Arbeiter erklärt, und da ihr nichts besseres eingefallen ist, hat sie ihn denselben Zuständen ausgesetzt wie diesen. Austauschbarkeit, Gruppendenk, Gruppendruck, Sinnstiftung Privatsache. Und wehe, ihr muckt auf.

Dass das ganze "Schule macht", aber Gift ist für "Bildung" in jeder verständlichen Deutung des Begriffs: geschenkt. Dass es dazu führt, dass ausgerechnet die größten Schrauben meistens Verschleiß sind: geschenkt.

Diskutieren dürft ihr gern - wenn ihr im Rahmen bleibt. Alles streng nach Vorschrift, hier, die Satzung, lies nach. Wer sowas macht, muss wohl eine ganz große Schraube sein. Na, magst auch Du mal ein Zahnrad halten?


[Halte den Text nach wie vor für gelungen, ist aber ein bißchen chaotisch und schrill]