BY:Positionspapiere/POS-028
Inhaltsverzeichnis
Reform der Öffentlich-Rechtlichen Medien
Die Piratenpartei Bayern steht hinter dem Konzept des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, welches eine marktunabhängige und nicht-staatliche Quelle von Information und Kultur darstellt. Die aktuelle Umsetzung weist allerdings erhebliche Mängel auf, die behoben werden müssen.
Unabhängigkeit von Staat und Markt
Öffentlich-rechtliche Medien sind als dritter Weg neben Staatsmedien und privaten Medien gedacht. Um eine parteipolitisch unabhängige Berichterstattung zu gewährleisten, muss darauf geachtet werden, Rundfunkratsposten nicht durch Parteipolitiker zu besetzen. Mit dem Aufkommen von Privatsendern in den 1980ern ist ein Konkurrenzkampf um Zuschauerquoten entstanden. Die Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Medien besteht aber nicht ausschließlich darin, ein massenkompatibles Unterhaltungsprogramm anzubieten, sondern vor allem auch dem Bildungs- und Informationsbedürfnis weiter Teile der Bevölkerung nachzukommen. Besonders gesellschaftliche Minderheiten und Sparteninteressen sollen stärker berücksichtigt werden (z.B. durch fremdsprachige Angebote). Eine Reform der Finanzierung muss den Quotendruck bei gleichzeitiger finanzieller Planbarkeit beenden.
Reform der Finanzierung
Die bisherige Praxis der Eintreibung der Gebühren durch die GEZ lehnen die PIRATEN ab. Diese Vorgehensweise ist datenschutzrechtlich bedenklich, und greift oft massiv in die Privatsphäre der Bürger ein. Da unabhängiger Journalismus und freier Zugang zur Bildung der gesamten Gesellschaft und nicht nur den direkten Nutznießern zugute kommen, fordern die PIRATEN eine Pauschalabgabe, die jeder einkommensteuerpflichtige Bürger individuell zu entrichten hat, eine Haushaltsabgabe lehnen die PIRATEN ab. Die Höhe der Gebühr bemisst sich dabei an den bisherigen Einnahmen durch die GEZ. Der Einzug der Medienabgabe wird der Einfachheit halber über das Finanzamt abgewickelt, dadurch wird die Gebühreneinzugszentrale überflüssig. Eine staatliche Einflussnahme auf z.B. die Höhe der Gebühr muss dabei aber vermieden werden - eine Steuer kommt u.a. deswegen nicht in Frage. Weitere Einnahmen durch Werbeblöcke führen zu Quotendruck und werden daher nicht gestattet.
Gewährleistung der Angebotsvielfalt
Die Zusammenstellung und Produktion eines vielfältigen Programmangebots im Radio, Fernsehen und im Internet ist eine der Hauptaufgaben der öffentlich-rechtlichen Medien. Maßgeblich beteiligt daran sind die Rundfunkräte - sie ernennen und beraten Intendanten, die direkt für die Programmgestaltung verantwortlich sind. Die Rundfunkräte sollen einen Querschnitt der Bevölkerung abbilden, jedoch müssen die öffentlich-rechtlichen Medien politisch unabhängig sein, Staatsvertreter sollen in den Rundfunkräten keinen Einfluss mehr haben und werden nicht mehr aufgenommen. Neben den bisherigen Vertretern von Gewerkschaften, Kirchen und Frauenverbänden sollen auch Vertreter bisher unterrepräsentierter Gruppen entsendet werden. Die PIRATEN fordern außerdem Transparenz bei der Entscheidungsfindung von Rundfunkräten und sonstigen Verwaltungs- und Kontrollgremien, um größere Einflussmöglichkeiten der Bürger zu ermöglichen.
Freie Verfügbarkeit der Inhalte
Die produzierten Inhalte werden von den Gebührenzahlern finanziert - welche deshalb das Recht auf freie Benutzung, Veränderung und Weitergabe haben sollten. Die PIRATEN setzen sich deshalb bei allen neu produzierten Inhalten für eine Verwendung von Creative-Commons Lizenzen ein. Fremdes Material sollte nur noch lizenziert werden, wenn ein besonderes gesellschaftliches Bedürfnis vorliegt. Bei eingekauften Inhalten ist darauf zu achten, diese auch in unveränderter Form zum Original auszustrahlen (keine Zensur, optional zuschaltbarer Originalunterton). Ein Werbeverbot sorgt auch dafür, dass teure Lizenzen von Fremdanbietern nur in Ausnahmefällen eingekauft werden. Eine kommerzielle Nutzung von durch öffentlich-rechtliche Medien produzierten Inhalten sollte erlaubt sein, so können auch private Medien unter den jeweiligen Lizenzbedingungen profitieren.
Ausweitung des öffentlich-rechtlichen Medienangebots auf das Internet
Sämtliche durch öffentlich-rechtliche Medien produzierten Inhalte sollen für jedermann zeitlich unbegrenzt abruf- und speicher- und veränderbar sein. Die Praxis des Depublizierens des Großteils der Inhalte nach sieben Tagen lehnen die PIRATEN strikt ab. Diese Novellierung des Rundfunkstaatsvertrags aufgrund von massivem Lobbyismus der Privatmedien muss rückgängig gemacht werden. Zusätzlich zu den Produktionen für den Rundfunk soll ein stärkeres Augenmerk auf direkt für das Internet produzierte Inhalte gelegt werden, um den sich verändernden Mediennutzungsgewohnheiten gerecht zu werden.
Jugendschutz im Internet
Die Abrufbarkeit von Inhalten im Internet wirft Fragen bezüglich des Jugendschutzes auf. „Sendezeiten“ im Internet, wie sie im neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMSTV) gefordert werden, sind durch zeit- und ortsunabhängigen Zugang nicht praktikabel und realitätsfern. Die Filterung von „jugendbeeinträchtigenden Inhalten“ ist technisch möglich, etwa durch eine sogenannte „Whitelist“ - sollte aber immer ausschließlich auf der Konsumentenseite duch Erziehungsberechtigte erfolgen - niemals pauschal für alle Bürger.
Begründung
Die PIRATEN setzen sich für unabhängige Medien, freie Inhalte und den allgemeinen Zugang zu Informations- und Bildungsangeboten ein. Die hier vertretene Position lässt sich ziemlich direkt aus den bestehenden Grundsätzen (OpenAccess, freier Zugang zu Wissen, Transparenz, unabhängige Presse) ableiten. Die PIRATEN unterstützen deshalb grundsätzlich das Konzept der öffentlich-rechtlichen Medien, sehen aber erheblichen Handlungsbedarf bei der Umsetzung dieser Grundprinzipien.
Mit der Unterstützung dieses Antrags positioniert man sich auf der Seite der Befürworter öffentlich-rechtlicher Medien, fordert aber zugleich die Abschaffung der GEZ, ein vielfältiges, von Markt und Staat unabhängiges Programmangebot, die Erfüllung des ursprünglichen Bildungsauftrages, transparente Programmgestaltung und frei nutzbare Inhalte.
Dieser Antrag wurde ursprünglich als Positionspapier für den Bundesparteitag eingereicht um als Vorlage für Landesverbände dienen zu können, denn eigentlich ist Medienpolitik Landesthema. Da dieser Antrag auf Bundesebene bisher immer vertagt werden musste, reiche ich ihn hier direkt ein. Ob er eher als Positionspapier oder als Programmantrag geeignet ist muss die Versammlung entscheiden.
Beschluss
Dieser Antrag wurde auf dem Landesparteitag Bayern 2012.1 in Straubing als P97 angenommen (Protokoll).