BY:Positionspapiere/POS-011

Aus Piratenwiki
Wechseln zu: Navigation, Suche

Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung

Die Souveränität des Menschen über seine Daten ist Voraussetzung für die Wahrnehmung seiner Freiheit.

Jeder Mensch hat eine Privatsphäre, die frei von Überwachung bleiben muss. Dies ist der nicht-öffentliche Bereich, in dem ein Mensch unbehelligt von äußeren Einflüssen sein Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit wahrnehmen kann. Dies hat das Bundesverfassungsgericht schon 1983 festgestellt, als es das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus anderen Grundrechten ableitete. Datenschutz ist ein Grundrecht. Ohne begründeten Anfangsverdacht darf es keine ungewollten Bewegungsprofile, keine staatlichen Übergriffe, keinen Lauschangriff und keine Rasterfahndungen geben. Deshalb erkennen wir in der informationellen Selbstbestimmung eine der Grundlagen einer freien, selbstbestimmten Gesellschaft in einem demokratischen Staat.

Das Recht des Einzelnen, die Nutzung seiner persönlichen Daten zu kontrollieren, ist ein hohes Gut. Denn der Anspruch der Gesellschaft auf Wissen endet dort, wo die Privatsphäre beginnt. Der Schutz persönlicher Daten ist in unserer modernen Welt Voraussetzung für die Integrität und Eigenständigkeit der Persönlichkeit eines jeden Menschen. Dies gilt dem Staat gegenüber ebenso wie im Wirtschaftsbereich. Dieses Recht darf nur durch Gesetzgebung und Rechtsprechung eingeschränkt werden, wenn andere, höherwertige Grundrechte im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Abwägung stehen.

Aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung geht hervor, dass jeder Mensch die Kontrolle über seine Daten behalten können muss, auch wenn dies in Zeiten digitaler Datenverarbeitung zunehmend schwerer wird. Besonders staatliche Institutionen und große Unternehmen sind hier in die Pflicht zu nehmen. Die Kontrolle über die Verbreitung und Verarbeitung persönlicher Daten ist ein Kernelement für den Schutz der Persönlichkeit in unserer Gesellschaft. Transparenz darf nicht zum Zwang des einfachen Bürgers werden, denn wir wollen den gläsernen Staat - nicht den gläsernen Bürger oder den gläsernen Konsumenten. Hierzu bedarf es aber einer umfassenden rechtlichen Reform. Datenschutzgesetze in Deutschland sind unzureichend und nicht an die aktuellen technischen Entwicklungen angepasst. Eine der Aufgaben eines modernen Datenschutzrechtes muss es daher sein, dass technologische Entwicklungen erfasst und nicht unnötig behindert werden. Gleichzeitig müssen jedoch Datenmissbrauch und überbordende Datensammlungen und Datenverknüpfungen verhindert werden, ohne die einzelne Person in der Entscheidung, Informationen über sich offenzulegen, zu bevormunden. Datenschutzrechtliche Änderungen durch EU- oder supranationale Übereinkünfte dürfen nicht hinter bestehende deutsche Schutzniveaus zurückfallen.

Unser aktuelles Landesdatenschutzrecht orientiert sich noch an der überkommenen Vorstellung, dass Datenverarbeitung an einer zentralen Stelle stattfindet. Deswegen wollen wir es entsprechend modernisieren. Das überarbeitete Gesetz muss sich an den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen messen lassen. Dazu gehört neben dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch das Vertraulichkeits- und Integritätsgrundrecht. Es soll außerdem transparenter gestaltet werden, indem wir unnötige Spezialregelungen entfernen.

Mit Wandlung zu einer Wissens- und Informationsgesellschaft gewinnt der Datenschutz an existentieller Bedeutung - für den Einzelnen und die Gesellschaft insgesamt. Immer mehr Informationen über unser tägliches Leben liegen heute in elektronischer Form vor und können automatisiert verarbeitet und zusammengeführt werden. Deswegen gilt es, die Grundsätze des Datenschutzes (Datensparsamkeit, Datenvermeidung, Zweckbindung und Erforderlichkeit) noch konsequenter in den Vordergrund zu stellen, denn Datenschutz wird nicht allein durch technische Maßnahmen erreicht, sondern insbesondere durch organisatorische. Reformen des Datenschutzrechtes und der Sicherheitsgesetze im Hinblick auf den Schutz der Bürgerrechte wollen Piraten daher energisch vorantreiben.

Als einer der ersten Schritte wollen wir

  • Sicherheits- und Überwachungsgesetze auf den Prüfstand stellen. Staatliche Datensammlungen müssen auf ihre Verhältnismäßigkeit hin überprüft und gegebenenfalls reformiert oder gar abgeschafft werden. Die Unterwanderungen der Bürgerrechte durch den Staat in Form von Massendatenspeicherung, Rasterfahndungen, Erhebung von biometrischen Daten und Online-Durchsuchungen wollen wir korrigieren und treten der Einführung von neuen Überwachungsgesetzen entschieden entgegen.
  • den Landesdatenschutzbeauftragten stärken. Ein starker Datenschutz setzt handlungsfähige Datenschützer voraus. Aus diesem Grund soll nach dem Vorbild Schleswig-Holsteins das Amt des Landesdatenschutzbeauftragten zu einem unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz umgebaut werden. Dieses soll in Zukunft auch für den nicht-öffentlichen Bereich und für Auskünfte nach dem von uns geforderten Informationsfreiheitsgesetz zuständig sein. Dazu muss diese Institution auch personell deutlich ausgebaut werden.
  • Datenschutz zertifizieren. Wir wollen für die Datenschutzumsetzung in Unternehmen und öffentlichen Stellen eine rechtlich anerkannte freiwillige Prüfung (Audit) einführen. Weiterhin möchten wir ein Datenschutz-Zertifikat einführen, das Bemühungen um einen besseren Datenschutz bescheinigt. Datenschutz kann so auch zu einem Wettbewerbsvorteil werden.
  • Datenschutz in der Landesverfassung verankern. Wir möchten die Bedeutung des Datenschutzes und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auch durch die Verankerung in der Landesverfassung hervorheben.
  • die Gefahren und das Missbrauchspotenzial von Datensammlungen aufzeigen und dafür eintreten, dass der Staat diese Werkzeuge deinstalliert.

Beschluss

Dieser Antrag wurde auf dem Landesparteitag Bayern 2012.1 in Straubing als P101 angenommen (Protokoll).