BY:Positionspapiere/POS-010

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Zur Information: Grundprinzipien des bay. Wahlsystems

Das bayerische Wahlsystem ist ein Personalisiertes Verhältniswahlrecht, das sich vom Bundestags-Wahlsystem erheblich unterscheidet; wichtigste Unterschiede sind:

Parallelwahl-Prinzip: Der bay. Landtag wird in sieben selbständigen Partitionen gewählt; das bay. Wahlgebiet ist deshalb in sieben Wahlkreise eingeteilt, denen eine vorab gesetzlich fixierte Zahl von Abgeordneten zusteht. Wahlkreis-Vorschläge und Wahl-Ergebnisse sind völlig unabhängig von einander und werden nicht mit einander verrechnet; ein Ausgleich zwischen diesen sieben Wahlkörpern findet nicht statt.

Direktmandate & Stimmkreise: Eine Hälfte der Abgeordneten ist direkt zu wählen; die sieben Wahlkreise sind deshalb insgesamt in 90 Stimmkreise gegliedert, in denen je ein Abgeordneter direkt gewählt wird. Die andere Hälfte der Abgeordneten wird über sieben selbständigen Wahlkreislisten auf dem anderen Stimmzettel gewählt.

Personalisierte Liste: Eine Wahlkreisvorschlagsliste einer Partei bestehen aus allen Kandidaten, die sie im Wahlkreis aufgestellt hat (auch den Direktkandidaten!); mit der Zweitstimme wird jedoch ebenfalls ein bestimmter Kandidat aus dieser Liste gewählt.

Stimmen-Summenprinzip: Die Summe der Erst- und Zweitstimmen einer Partei bestimmen den Anteil der Sitze des Wahlkreises, die der Partei insgesamt zustehen; die Anzahl aller Stimmen, die auf einen konkreten Kandidaten entfallen sind, bestimmen den Rang, nach denen die Listenmandate den einzelnen Kandidaten zustehen. Wurden mehr Direktkandidaten einer Partei gewählt als ihr insgesamt Sitze im Wahlkreis zustehen, kommt es zu Überhangs- und u.U. auch zu Ausgleichs-Mandaten.

5%-Sperrklausel: Erreicht eine Partei weniger als 5% der Stimmen, erhält sie gar keinen Sitz im Landtag; in Bayern gilt die Sperrklausel auch für Direktmandate!

Das bay. Wahlsystem selbst wäre im Prinzip durchaus demokratisch, doch die Detail­Regelungen im bay. Landeswahlgesetz (LWG) sowie ihre konkrete Realisierung führt letztlich dazu, dass Inhaber politischer Macht massiv bevorzugt werden, nur weil sie schon Macht haben, während alle andere Wählergruppen von vorn herein schwerst benachteiligt sind; die Ungleichbehandlung beginnt bereits bei der Wahl-Zulassung.


Die Zulassungsregeln des LWG führen nämlich zu einem Drei-Klassen-Wahlrecht:

  • Etablierte, im Landtag vertretene Parteien müssen nur einige Formalia beachten (weit weniger als andere), und sind dann fast automatisch zugelassen.
  • Altparteien, die regelmäßig an der Sperrklausel scheitern, sind schon dann zugelassen, wenn sie bei der vorherigen Landtagswahl 1,25% erreicht hatten.
  • Nur neuere Parteien müssen den kompletten Zulassungs-Zirkus mitmachen, werden aber mit allen Mitteln daran gehindert, auf den Wahlzettel zu kommen.
  • Das Einhalten aller Formalia wird bei neuen Parteien sehr genau überprüft, bei Altparteien schon weniger streng, und bei etablierten Parteien gar nicht; erfahrungsgemäß erhalten neue Parteien von Wahlbehörden öfters auch Falschauskünfte (insbesondere Fristen und Termine), und sie sind regelmäßig anderen, z.T. auch verfassungswidrigen Verwaltungs-Schikanen ausgesetzt.


1. Wahl-Zulassung

Der Hauptgrund für diese systematische und methodische Benachteiligung liegt schon in der Besetzung der Wahlorgane auf allen Ebenen des bay. Wahlsystems:

1.1 Wahlorgane: Besetzung, Entscheidung & Justitiabilität

Wahlausschüsse, die u.a. über Fragen der Zulassung entscheiden, bestehen jeweils aus einem Vorsitzenden und sechs Beisitzern; es gibt einen Landeswahlausschuss, sieben Wahlkreisausschüsse, und im Prinzip für jeden Stimmkreis einen Stimmkreis-Ausschuss. Theoretisch dürften diese Wahlämter von jedem Stimmberechtigten ausgeübt werden, der nicht selbst kandidiert, doch werden die Beisitzer stets nach dem Parteiproporz im Landtag berufen (und können auch jederzeit wieder abberufen werden). Die Vorsitzenden dieser Ausschüsse haben nicht nur eine sehr starke Stellung im Ausschuss (schon weil sie die Beisitzer berufen), sondern sind selbst Wahlorgane mit eigenen Befugnissen, deren Ausübung sie dem Ausschuss nicht begründen müssen. Als Vorsitzender des Landeswahlausschusses wird regelmäßig der Chef des bay. Landesamts für Statistik berufen (bzw. sein Stellvertreter), und die Vorsitzenden der Wahlkreisausschüsse sind bisher immer die sieben amtierenden Regierungspräsidenten gewesen; das sind politische Beamte, die ganz legal auch ohne Angabe von Gründen jederzeit in den Ruhestand versetzt werden können, was für sie mit recht empfindlichen Einkommensverlusten verbunden ist. Es liegt wohl auf der Hand, dass bei einer derartigen Zusammensetzung weniger unabhängige Entscheidungen nach Recht und Gesetz zu erwarten sind, sondern nichts anderes als „vorauseilender Gehorsam“. Weiter verschärft wird das Problem noch dadurch, dass es gegen Entscheidungen von Wahlorganen gar keine Rechtsmittel gibt; sie können nur beanstandet vor einem so genannten „Beschwerde-Ausschuss“ des bay. Innenministeriums.

1.2 Wahl-Beschwerdeausschuss:

Der Beschwerdeausschuss ist rechtlich kein Wahlorgan (deswegen auch nicht unabhängig) und trotzdem allein zuständig zur Entscheidung über Beschwerden gegen die Zulassungsentscheidungen der Wahlkreisausschüsse; er besteht nach LWG aus dem amtierenden Innenminister (bzw. seinem Stellvertreter) als Vorsitzenden, zwei Richtern, dem Wahlrechtsreferenten im bay. Innenministerium und dem Landeswahlleiter. Beschwerde gegen eine Zulassung können erheben die sieben Wahlkreisleiter und der Landeswahlleiter; dieser entscheidet also ggf. über seine eigene Beschwerde. Entscheidungen dieses offensichtlich befangenen Ausschusses gelten ebenfalls als nicht justitiabel, sondern sind nur im Wahlprüfungsverfahren anfechtbar; zuständig dafür ist dann der neu gewählte Landtag, in dem ja nur zugelassene Parteien vertreten sein können.

1.3 Wahlprüfung im neu gewählten Landtag:

Im Wahlprüfungs-Ausschuss des neu gewählten Landtags finden sich nur wichtigste Politiker der Landtagsfraktionen; schon wäre deshalb es naiv und einfach lebens­fremd anzunehmen, diese Führertypen würden einer Wahlbeschwerde wegen der nicht-Zulassung einer Partei stattgeben, denn damit würden sie ja ihre eigene Wahl annullieren und Neuwahlen anordnen. Wahlprüfungs-Entscheidungen des Landtags sind allerdings vor dem bay. Verfassungsgerichtshof anfechtbar – aber stets erst dann, wenn er die ganze Wahlprüfung vollständig abgeschlossen hat. Die etablierten Parteien verzögern deshalb die Wahlprüfung erfahrungsgemäß so lange, dass selbst dann, wenn der bay. VerfGH später einer Wahlbeschwerde statt gibt, die Legislaturperiode beinahe schon abgelaufen ist und Neuwahlen schon deshalb nicht mehr beschleunigt werden können. Konkret bedeutet das: Effektive Wahlprüfung findet gar nicht statt; Willkür-Entscheidungen sind deshalb systembedingt vorprogrammiert.

1.4 Zusammenfassung zur Wahl-Zulassung:

Das Zulassungssystem läuft letztlich darauf hinaus, dass der amtierende bay. Innen­minister ex cathedra bestimmt, welche Parteien überhaupt auf den Wahlzettel dürfen und welche nicht – was offensichtlich alles andere als demokratisch ist. Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist die Beteiligung bei Wahlen zum bay. Landtag deutlich geringer als bei Bundestagswahlen, was nach dem Gesagten nicht mehr verwundert: Parteien, die auch und gerade Nicht-Wähler ansprechen würden, kommen gar nicht erst auf die Wahlzettel. Das höchst undemokratische Macht-Kartell der Etablierten Parteien ist allerdings getarnt durch die Vielzahl formaler Zulassungsregeln und nur scheinbar verfassungskonformer Verfahren; hierfür einige Beispiele:

  • Die vorgeschrieben Beteiligungsanzeige zum Feststellen der Wahlvorschlags­Berechtigung ist für etablierte Parteien eine reine Formsache; bei Neuparteien dagegen werden Anlagen gefordert, die zusammen nichts anderes sind als ihr Politischer Existenzberechtigungsnachweis.
  • Im bay. Landtag schon vertretene Parteien, sind fast automatisch zugelassen; andere Altparteien werden schon dann zugelassen, wenn sie bei der letzten Wahl zum bay. Landtag mehr als 1,25% erreicht haben; nur die neue Parteien müssen das ganze Zulassungsverfahren mit allen Formalia exakt einhalten.
  • Das Aufstellungsverfahren für Kandidaten ist gesetzlich geregelt; der Ablauf der Nominierungsversammlungen nur neuer Parteien wird bis in kleinste Ein­zelheiten überprüft, alle Fehler werden aber erst bei der Sitzung des Zulas­sungsausschusses bekannt – und können dann nicht mehr geheilt werden.
  • Die Berechtigung zur Unterstützung eines Wahlvorschlags wird genauestens geprüft; bei Irrtümern (z.B. Hauptwohnung nicht umgemeldet o.ä.) werden die unterschreibenden Unterstützer mindestens mit Bußgeldern belegt.
  • Die amtlichen Formulare für die Unterstützer-Unterschriften haben keine Vorlage in der LWO, und die nur abgezählt ausgehändigten Papiere tragen ein amtliches Siegel, dessen Nachahmung strafbar ist; deshalb kann schon eine einzige "faule" Unterschrift für sich allein die Wahl-Zulassung verhindern!
  • Formalia werden bei neuen Parteien streng überprüft, bei Etablierten dagegen gar nicht; sämtliche Fehler aber werden erst bei der entscheidenden Sitzung des Wahlausschuss amtlich festgestellt, dann sind sie aber grundsätzlich nicht mehr zu beheben – und der Wahlausschuss muss die Zulassung ablehnen!

Weil die gesetzlichen Regelungen höchst komplex sind und zumindest die Versammlungen zur Aufstellung der Kandidaten i.a.R. von juristischen Laien durchgeführt werden müssen, ist das Auftreten formaler Fehler praktisch unvermeidbar; auch und gerade bei etablierten Parteien kommt es daher erfahrungsgemäß recht häufig selbst zu groben Verstößen gegen das Wahlrecht. Wirklich geprüft wird von den Wahlausschüssen aber nur die Zulassung neuer Parteien, während etablierte Parteien praktisch machen können, was die jeweiligen Partei-Führer wollen (nicht die Mitglieder!); infolge dessen hat sich nicht nur in Bayern das schon eingangs erwähnte, faktische Drei-Klassen-Wahlrecht herausgebildet, das ganz offensichtlich dem Grundgesetz und der Bayerischen Verfassung grundlegend widerspricht.

Damit in Bayern wieder wirklich demokratische Wahlen stattfinden können, erheben wir hinsichtlich des Wahlrechts und insbesondere der Zulassung daher die folgenden


Forderungen:

  • 1. Für alle Parteien müssen die Regeln der Zulassung zur Wahl zum bay. Land­tag völlig gleich sein und auch gleichermaßen geprüft werden; insbesondere:
  • 2. Die Beteiligungsanzeigen einschließlich aller Anlagen müssen nach Form und Inhalt von allen Parteien gleichartig gefordert und vom Landeswahlausschuss gleichermaßen geprüft werden; sie sind schon sechs Wochen vor dem Fest­stellen der Wahlvorschlagsberechtigung ganz allgemein zu veröffentlichen.
  • 3. Für die allgemeine Zulassung dürfen nicht nur die Ergebnisse der letzten Wahl zum bay. Landtag maßgeblich sein, sondern nur die Wahlerfolge der letzten bayernweit auszählbaren Wahl, die der kommenden Landtagswahl voran ging; allgemein zugelassen ist, wer bei der letzten Bundestags- oder Europawahl in Bayern mehr als ein Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen erreicht hat.
  • 4. Für keinen Wahlvorschlag dürfen zu seiner Zulassung jeweils mehr als 800 Unterstützungs-Unterschriften gefordert sein; von allen Parteien sind für ihre sieben Wahlkreisvorschläge diese Unterschriften gleichermaßen zu fordern.
  • 5. Damit unvermeidliche Irrtümer abzufangen sind, müssen die Wahlkreisleiter mindestens 20% mehr Formulare ausgeben als Unterschriften gefordert sind; Daten der Unterstützer dürfen für keine anderen Zwecke verwendet werden als den Zweck der Wahlzulassung (gesetzliches Verwertungsverbot).
  • 6. Alle Behörden sind gesetzlich zu verpflichten, in der Sache richtig und voll­ständig Auskunft zu geben; sie sollen rechtlich gezwungen sein, unverzüglich auf einen relevanten Fehler hinzuweisen, sobald sie ihn selbst bemerkt haben.
  • 7. Zulassung zur Wahl ist rechtlich von der Wahlprüfung abzukoppeln; alle Ent­scheidungen der Wahlausschüsse auf nicht-Zulassung müssen – wie auch in anderen Ländern – vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit angefochten werden können (der offensichtlich befangene und schon deshalb verfassungswidrige „Beschwerdeausschuss“ des Innenministeriums ist dann ganz überflüssig).
  • 8. Vorsitzende der Wahlausschüsse sollen selbst keine Wahlorgane mit eigenen Befugnissen mehr sein; ihre Funktion ist auf die Leitung der Sitzung des Wahl­ausschusses beschränkt, dem sie vorsitzen. So lange kein Gleichstand der Stimmen der Beisitzer vorliegt, sollen die Vorsitzenden eine Stimmbefugnis nur in reinen Verfahrensfragen haben.
  • 9. Die Mitglieder der Wahlausschüsse (einschließlich ihrer Vorsitzenden) sollen von einem unabhängigen Gremium wie z.B. der Richter-Wahl-Kommission beim bay. Landtag berufen werden; es dürfen nur Stimmberechtigte sein, die weder einer politischen Partei angehören noch in den fünf Jahren vor ihrer Berufung einer Partei oder sonstigen Wählergruppe angehört haben, die an der aktuellen Wahl teilnimmt; die Berufung von Beamten (insbesondere von politischen Beamten) in die Wahlausschüsse ist ohne Ausnahme unzulässig.


Die Fragen, die bei Wahl-Zulassung und Wahl-Prüfung auftreten, sind in erster Linie reine Rechtsfragen, bei denen es schon aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Entscheidungen „nach pflichtgemäßem Ermessen“ geben darf; langfristig streben wir daher an, eine echte Wahlprüfungs-Gerichtsbarkeit mit richterlicher Unabhängigkeit einzuführen, wie es sie in anderen Ländern längst gibt (auch wenn das eine kleine Änderung der Bayerischen Verfassung erfordert).



2. Wahl-Verfahren

2.1 Parallelwahl: Reststimmen & Sperrklausel

Der bay. Landtag wird wie eingangs gesagt in sieben unabhängigen Partitionen gewählt, zwischen denen keinerlei Ausgleich stattfindet; schon allein dadurch wird das Wahlergebnis systematisch zu Gunsten der relativ stärksten Partei verzerrt:

  • Die gesetzlich fest zugeteilte Mandatszahl der sieben Wahlkreise richtet sich ausschließlich nach der Stärke der dt. Wohnbevölkerung, dadurch ergeben sich extreme Unterschiede in der Zahl der Abgeordneten (16:60).
  • Die Wahlbeteiligung in den Wahlkreisen ist erfahrungsgemäß sehr unterschiedlich, doch die Zahl der zu wählenden Abgeordneten bleibt dort gleich; schon allein dadurch entstehen erhebliche Unterschiede im Stimmgewicht der einzelnen Wähler, was dem Demokratischen Wahlprinzip der Gleichheit des Erfolgswerts jeder Stimme widerspricht.
  • Reststimmen in den sieben Wahlkreisen, die insoweit für ein Mandat nicht mehr gereicht haben, fallen mangels Ausgleich zwischen den Wahlkörpern einfach "unter den Tisch"; im Extremfall gehen einer Partei dadurch im Landtag sechs Sitze verloren (von neun Sitzen bei Stimmenanteil von 5%!).
  • In drei von sieben Wahlkreisen sind weniger als 20 Abgeordnete zu wählen, dadurch wird insgesamt die 5%-Sperrklausel dort erheblich verschärft.


Das Parallelwahl-Prinzip führt also zwangsläufig und schon für sich allein zu einer Verzerrung der Sitzverteilung im Landtag, die kleinere Parteien systematisch benachteiligt; die „verlorenen“ Sitze aber gehen in Verbindung mit der 5%-Sperrklausel an die relativ größten Fraktionen. Die Bayerische Verfassung schreibt zwar vor, dass Parteien mit weniger als 5% Stimmenanteil bei der Wahl im Landtag keine Sitze erhalten; sie sagt aber gerade nicht, dass deren Mandate dann an die anderen Partei­en verschenkt werden dürfen. Schon aus demokratisch elementaren Prinzipien wie der verfassungsrechtlich verankerten Wahlgerechtigkeit müssen wir daher fordern:

10. Forderung:

  • Landtagssitze von Parteien, die bei der Wahl unter die 5%-Sperrklausel gefallen sind, bleiben zukünftig im bay. Landtag ganz einfach unbesetzt.

11. Forderung:

  • Die Anteile an den Landtags-Sitzen, die jeweils auf die sieben Wahlkreise entfallen, richtet sich nach der Wahlbeteiligung im jeweiligen Wahlkreis.


2.2 Direktmandate: Stimmkreis-Abgrenzung & Wahlgleichheit

In jedem der 90 Stimmkreise in Bayern wird je ein Abgeordneter direkt gewählt; die Hälfte des bay. Landtags wird also nach dem Prinzip der Mehrheitswahl besetzt. Die Bayerische Verfassung schreibt nun insoweit vor, dass grundsätzlich jeder Landkreis bzw. jede kreisfreie Stadt einen Stimmkreis bildet, doch wenn es der Grundsatz der Wahlgleichheit erfordert, sind die Stimmkreise abweichend davon abzugrenzen. Das demokratische Prinzip der Gleichheit der Wahl verlangt u.a., dass bei einer Wahl nach dem Mehrheitsprinzip die Stimmkreise annähernd gleich viel Stimmberechtigte zählen, denn nur so hat jede Stimme die gleiche Erfogschance. Das bay. LWG verlangt jedoch nur, dass die Stimmkreise nur innerhalb desselben Wahlkreises ver­gleichbar groß sind, und es schreibt ausdrücklich vor, die Stimmkreis-Größe zu be­rechnen nach der Stärke der dt. Wohnbevölkerung einschließlich aller nicht-Stimm­berechtigten (das sind vor allem noch nicht Volljährige); das bay. LWG ist also nicht nur inkonsequent, sondern widerspricht insoweit eindeutig der Bayerischen Verfassung. Vergleicht man die 90 Stimmkreise bayernweit nach der Zahl der dort Stimm­berechtigten, dann wird – trotz Ausnahmen – ein deutliches Muster erkennbar:

  • Stimmkreise, in deren Bevölkerung die gehobene Mittelschicht überpro­portional stark vertreten ist (vor allem im „Speckgürtel“ der Großstädte, im Alpenvorland und im südbayerischen Oberland), aber auch ausgesprochen bäuerlich geprägte Stimmkreise (vor allem in Niederbayern) haben regelmäßig deutlich weniger Stimmberechtigte als im Landesdurchschnitt; und
  • Stimmkreise mit Universitätsstädten bzw. anderen Einrichtungen für Höhere Bildung, oder aus anderen Gründen besonders junger Wahl­bevölkerung, sind dagegen in aller Regel besonders groß.

Jeder Stimmkreis aber wählt genau einen Abgeordneten; die Stimmkreiseinteilung verursacht daher eine systematische Verzerrung des Wahlergebnisses. Wem diese Verzerrung zu Gute kommt, dürfte wohl auf der Hand liegen; in der Stimmkreis-Einteilung gibt es aber auch Ausnahmen von der genannten Regel, die durch Gerrymandering bedingt sind.

Damit in Bayern wieder wirklich demokratische Wahlen stattfinden können, wie sie die Bayerische Verfassung ausdrücklich vorsieht, fordern wir daher weiter:

Weitere Forderungen:

  • 12. Stimmkreise sind nach der Zahl der dort wohnenden Stimmberechtigten einzuteilen, wie es auch in der Bayerischen Verfassung vorgeschrieben ist.
  • 13. Damit der Parteigeographie vorgebeugt wird, sind bei der Abgrenzung der Stimmkreise nicht nur formale Verwaltungsgrenzen, sondern auch historisch oder natürlich gewachsene Zusammenhänge gebührend zu berücksichtigen.
  • 14. Alle Stimmkreise in ganz Bayern müssen eine vergleichbare Größe haben; kein Stimmkreis darf in der Zahl der Stimmberechtigten um mehr als 20%

vom durchschnittlichen Stimmkreis in Bayern abweichen.

Das Auftreten von Überhangmandaten ist jedenfalls im bay. Wahlsystem ein hand­festes Indiz für die falsche Abgrenzung der Stimmkreise; werden unsere Forderun­gen zur Abgrenzung der Stimmkreise und der Verteilung der Listenmandate nach der Wahlbeteiligung verwirklicht, dann werden sie von selbst gar nicht mehr auftreten.


Beschluss

Dieser Antrag wurde auf dem Landesparteitag Bayern 2011.1 in Germering angenommen (Protokoll).