BW:Arbeitsgruppen/Landespolitik/Programmkommission/Kapitel 5 Soziales
Inhaltsverzeichnis
- 1 Arbeit, Soziales und Gesundheit
- 1.1 Arbeitswelt
- 1.2 Sozialpolitik
- 1.3 Gesundheit
- 1.3.1 Transparenz im Gesundheitswesen
- 1.3.2 Elektronische Gesundheitskarte
- 1.3.3 Privatisierung im Gesundheitswesen
- 1.3.4 Psychiatrische Landeskliniken
- 1.3.5 Screening im Gesundheitswesen
- 1.3.6 Krebsregister
- 1.3.7 Kein Einzel-Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen
- 1.3.8 Telemedizin
- 1.3.9 Betreuung demenzkranker Menschen
- 1.4 Für eine neue Drogenpolitik
- 2 Zustimmung der Kommission
Arbeit, Soziales und Gesundheit
Freiheit hat auch mit dem Recht jedes Menschen zu tun, ein möglichst selbstbestimmtes Leben bis ins hohe Alter zu führen. Dazu ist man aber oft auch auf die Solidarität anderer angewiesen. Deshalb wollen wir, dass auch künftig Gesunde für Kranke, Arbeitende für Arbeitslose, Jung für Alt und Alt für Jung eintreten. So kann eine gerechte Gesellschaft bestehen, die Freiheit für jeden ermöglicht.
Wir wollen, dass sich das Land Baden-Württemberg in diesem Sinne auch bei der arbeits-, sozial- und gesundheitspolitischen Gesetzgebung im Bundesrat einbringt.
Für uns sind Familien all jene Lebenskonstellationen, in denen Verantwortung für Kinder und Eltern übernommen wird. Dabei ist die Anzahl der Verantwortlichen, deren Beziehung zueinander und deren Geschlecht unerheblich.
Arbeitswelt
Förderung von offenen Arbeitsstrukturen
Wir setzen uns für die Förderung von offenen Arbeitsstrukturen wie Hackerspaces und Co-Workingspaces ein. Es handelt sich dabei um offene Räume für Wissenschaft, Technik und Kunst, die von mehreren Gruppen oder Personen zum gemeinsamen Arbeiten genutzt werden. Als "Büro-WGs" speziell für Heimarbeiter oder Selbständige schaffen sie Mehrwert für den Einzelnen und die Gemeinschaft.
Die so geschaffenen Möglichkeiten bieten ein großes Innovationspotenzial. Dem Bürger wird die Chance gegeben, seine sozialen und beruflichen Talente im Austausch und in der Zusammenarbeit mit Anderen zu entfalten. Darüber hinaus bieten offene Arbeitsstrukturen flexible Arbeitszeiten und stellen damit eine Möglichkeit dar, Familie, Freizeit und Beruf in Einklang zu bringen. Wir möchten die Bereitstellung von leerstehenden Räumlichkeiten für solche Projekte fördern.
Erneute Begrenzung der Leiharbeit
Leiharbeit stellt für die Wirtschaft ein sinnvolles und notwendiges Instrument dar, um Auftragsspitzen zu bewältigen. In einzelnen Unternehmen stellen die Leiharbeitskräfte mittlerweile betriebsintern aber eine Art Konkurrenz und Druckmittel gegen die Stammbelegschaft dar. Leiharbeit sollte wegen ihres Missbrauchspotenzials wieder begrenzt werden. Wir wollen, dass das Land Baden-Württemberg dazu eine entsprechende Initiative im Bundesrat startet. Nach französischem Vorbild sollen Leiharbeiter nicht eine billige Verfügungsmasse sein, mit der reguläre Beschäftigte unter Druck gesetzt werden können, sondern für die ihnen abverlangte Flexibilität mit einem Lohnzuschlag entschädigt werden.
Missbrauch von Praktika verhindern
Arbeitgeber, die Praktikanten als billige Arbeitskräfte ausbeuten, verhalten sich nicht nur unfair gegenüber den Praktikanten sondern auch gegenüber ihren Mitbewerbern und den sozialen Sicherungssystemen.
Darum wollen wir die Regelungen für Praktika verschärfen. Probezeit, Werkstudententätigkeit und befristete Arbeitsverträge sind ausreichende Werkzeuge des Arbeitsmarkts, um Berufsanfängern den Start in das Berufsleben zu erleichtern.
Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft in Kammern und Verbänden
Wir planen, die Zwangsmitgliedschaft mit Zwangsbeiträgen in Kammern und Verbänden abzuschaffen und durch eine freiwillige Beitrittsmöglichkeit zu ersetzen. Hierzu wollen wir eine Bundesratsinitiative anregen.
Freiheit der Lebensgestaltung für Staatsdiener
In den letzten Jahren wurden wiederholt Referendare, Lehrer und andere Beamte disziplinarischen Maßnahmen bis hin zu faktischen Berufsverboten unterworfen, weil sie sich außerhalb ihres beruflichen Zuständigkeitsbereichs politisch oder kulturell, etwa in demokratischen Bürgerbündnissen oder als Musiker, betätigt haben.
Wir lehnen diese Einschränkungen der privaten Lebensgestaltung ab. Auch eine Ausweitung der Maßnahmen, zum Beispiel auf Lehrer im Angestelltenverhältnis, wollen wir verhindern.
Sozialpolitik
Sozialräume und Sozialberichterstattung
Unsere Sozialsysteme müssen sich an die infolge des demographischen Wandels veränderte Gesellschaft anpassen.
Innovative neue Modelle wie die Schaffung regionaler Sozialräume, in denen Sozialarbeit und ehrenamtliches Engagement koordiniert und gefördert werden, können hier zu einer deutlichen Verbesserung der Situation führen.
Wir erkennen die Notwendigkeit, eine integrierte Sozialberichterstattung aufzubauen, die die erforderlichen Informationen liefert, um zu wissen, welcher Art die Probleme sind und wo sie auftreten. Diese Erkenntnisse sollten für den Bürger transparent zur Verfügung stehen.
Als Grundlage sollten hier aber die persönliche Betrachtung der Sozialräume und die Erfahrung der Menschen vor Ort dienen. Die Sammlung und Auswertung von Daten unter Missachtung der informationellen Selbstbestimmung, beispielsweise durch Zensus oder Volkszählung, lehnen wir ab.
Öffentlicher Raum für alle
Die Nutzungsmöglichkeiten des öffentlichen Raums für alle müssen verbessert werden. Die Innenstädte gehören auch spielenden Kindern und skatenden Jugendlichen. Wir möchten den Gebrauch öffentlicher Gebäude durch Bürgervereinigungen, Vereine und Kulturgruppen fördern und setzen uns für entsprechende Verbesserungen in Nutzungs- und Haftungsregelungen ein.
Gewalt als gesellschaftliches Problem
Gewalt ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Nach Expertenmeinung tragen Computerspiele und Paintball nicht zur Entstehung von Gewalt bei. Deswegen wenden wir uns gegen ein Verbot solcher Spiele und die Kriminalisierung der Spieler. Wir unterstützen den Ausbau der Gewaltprävention an Schulen, in Beratungsstellen und Jugendzentren. Hierzu bedarf es besonders der flächendeckenden Tätigkeit pädagogisch-psychologischer Fachkräfte in diesen Einrichtungen.
Jugendförderung im Landesjugendplan
Wir bekennen uns zur offenen Jugendarbeit und zur Arbeit der Jugendverbände in Baden-Württemberg. Der Landesjugendplan muss angesichts des wachsenden Bedarfs eine bessere Förderung von Jugendfreizeiten und für die Fortbildung der Jugendleiter vorsehen. Den stetigen Rückzug des Landes aus der Finanzierung der Jugendarbeit wie auch aus der landesweiten Förderung der Jugendmusik- und Kunstschulen lehnen wir ab.
Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften
In 14 Bundesländern gilt mittlerweile die einheitliche Zuständigkeit der Standesämter für alle Arten von Lebenspartnerschaften und Ehen. In Baden-Württemberg werden gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften noch immer benachteiligt. Wir wollen auch hier mit dieser Praxis Schluss machen und die Gleichbehandlung aller Lebenspartnerschaften erreichen. Dies ist auch aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung sinnvoll.
Auch im Beamtenwesen muss die Diskriminierung beendet werden: Entgegen einem Verfassungsgerichtsurteil sind hier Kommunal- und Landesbeamte in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften solchen in gemischtgeschlechtlichen Ehen noch nicht gleichgestellt. Zusätzlich soll sich das Land auch im Bundesrat dafür stark machen, die rechtliche Gleichstellung aller Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Identität voranzutreiben.
Gesundheit
Transparenz im Gesundheitswesen
Das Land ist für die Aufsicht über die Strukturen im Gesundheitswesen zuständig. Diese Aufgabe wird bislang nur unzureichend wahrgenommen, wie das Anhäufen von Schulden bei manchen gesetzlichen Krankenkassen in der Vergangenheit zeigt. Wir stehen für Transparenz auch im Gesundheitswesen, um solche Probleme in Zukunft zu vermeiden.
Elektronische Gesundheitskarte
Wir erkennen den Vorteil an, den eine rasche Zugriffsmöglichkeit von Ärzten auf diagnose- und behandlungsrelevante Patientendaten hätte. Die elektronische Gesundheitskarte und die baden-württembergischen "Modellprojekte" hierzu müssen wir aber ablehnen. Die elektronische Gesundheitskarte hat sich weit von ihrer ursprünglichen Zielsetzung entfernt und sieht eine umfassende Speicherung sensibler Patientendaten in zentralen Datenbanken vor, was ein erhebliches Risiko für das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Wir wollen Möglichkeiten erarbeiten, die angestrebten Vorteile mit diesem Grundrecht vereinbar zu machen.
Privatisierung im Gesundheitswesen
Privatisierungsbestrebungen im baden-württembergischen Gesundheitssystem lehnen wir ab. Wir wollen insbesondere den Bestand und den Umfang staatlicher Kliniken im Land, und damit die medizinische Versorgung der Bevölkerung, erhalten und ausbauen.
Psychiatrische Landeskliniken
Angesichts seelischer Erkrankungen als Folge von zunehmendem Stress und Leistungsdruck wollen wir die vernachlässigten psychiatrischen Landeskliniken besser ausstatten. In diesem Zusammenhang soll sich auch die Gesundheitsforschung stärker mit den krankmachenden Faktoren in der Arbeitswelt beschäftigen.
Screening im Gesundheitswesen
Vorsorge ist besser als Nachsorge! Wir setzen uns für Forschung, Entwicklung und Evaluation neuer Früherkennungsmethoden und Präventionsmaßnahmen gegen Krankheiten ein. Wissenschaftlich anerkannte Vorsorgeuntersuchungen sollen stärker als bisher gefördert werden.
Krebsregister
Krebsregister bieten wichtige Informationen zu Vorbeugung, Früherkennung und Behandlung von Krebserkrankungen. Jahrzehntelang hat die baden-württembergische Landesregierung den Aufbau und die Pflege eines Krebsregisters verzögert und verschleppt.
Wir fordern, dass dem 2009 endlich gestarteten Aufbau des baden-württembergischen Krebsregisters hohe Priorität eingeräumt wird. Insbesondere sollen nach dem finnischen Vorbild auch epidemiologische Untersuchungen zu Umweltbelastungen und zu regionalen Häufungen von Krebsfällen unterstützt werden.
Kein Einzel-Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen
Aufgrund der derzeitigen rechtlichen Lage muss in kleineren Pflegeeinrichtungen mit unter 50 Pflegebedürftigen nur eine Nachtwache anwesend sein. Die sach- und fachgerechte Versorgung von Pflegebedürftigen ist für eine einzelne Person oft nicht möglich. Wir möchten gesetzlich vorschreiben, dass bei Nacht- wie Tagdiensten die Pflegeeinrichtungen immer mit mindestens zwei Personen besetzt sein müssen, davon mindestens eine Pflegefachkraft. Grundsätzlich muss gewährleistet werden, dass die individuelle pflegefachliche Betreuung jedes einzelnen Patienten durch ausreichend Personal garantiert ist.
Telemedizin
Wir lehnen die sogenannte Telemedizin als billigen Ersatz für eine angemessene ärztliche Betreuung im ländlichen Raum ab. Darunter versteht man diagnostische Entscheidungen und therapeutische Maßnahmen, die ein Facharzt aufgrund übermittelter Daten anordnet, ohne den Patienten persönlich in Augenschein genommen zu haben. Dies lehnen wir ab, weil dadurch auf Kosten der Versicherten eine verfehlte Gesundheitspolitik kaschiert werden soll. Eine umfassende, individuelle Behandlung ist so nicht gewährleistet und die Gefahr von Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen steigt. Zudem sind Haftungs- und Datenschutzfragen noch nicht hinreichend geklärt.
Betreuung demenzkranker Menschen
Die Piratenpartei Baden Württemberg spricht sich für eine individuelle, ganzheitliche Pflege demenziell erkrankter Menschen aus. Geschulte Betreuer sollen die anspruchsvolle und zeitaufwändige Behandlung der Demenz in der Pflege unterstützen und die Pflegekräfte dadurch entlasten. Somit wird eine individuelle und bestmögliche Betreuung gewährleistet.
Für eine neue Drogenpolitik
Die Drogenpolitik der Landesregierung ist widersprüchlich. Sie betrachtet legale Drogen wie Alkohol vorwiegend bei Jugendlichen als Problem und rechtfertigt damit Scheinlösungen wie Verbote und Einschränkungen, die auch Erwachsene treffen. Wer kleine Mengen Hanf anbaut, wird schon wie ein Schwerkrimineller verfolgt. Medikamentenmissbrauch wird hingegen weitgehend ignoriert. Abhängige von harten Drogen werden mit unzureichenden Programmen versorgt, wobei in Großstädten die Substitution oft neue soziale Brennpunkte schafft, statt den Rückweg in die Gesellschaft zu öffnen. Diese Drogenpolitik ist dringend reformbedürftig.
Kein Verkaufsverbot für Alkohol
In Baden-Württemberg gilt ein nächtliches Verkaufsverbot für Alkohol, das mit exzessivem Alkoholmissbrauch begründet wurde. Wir halten das Verkaufsverbot für wirkungslos, da Alkohol auch auf Vorrat erworben werden kann oder das Verbot auf andere Art umgangen wird.
Wir wollen daher diese aktionistische Regelung zurücknehmen und stattdessen die strikte Einhaltung des bestehenden Jugendschutzgesetzes forcieren, sowie die Aufklärung über die Gefahren des Alkoholkonsums bei allen Altersgruppen fördern.
Kein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen
Wir setzen uns für Versammlungsfreiheit und eine vielfältige und freie Nutzung des öffentlichen Raums ein. Wir lehnen Regelungen ab, die diese unnötig einschränken.
Deswegen stellen wir uns gegen Verbote, die den Konsum von alkoholischen Getränken auf öffentlichen Plätzen untersagen, ohne dass eine konkrete Gefährdung davon ausgeht.
Gerechtigkeit beim Führerschein
Wir wollen den Gebrauch von Cannabis weiter entkriminalisieren. Die Führerscheininhaber unter den Cannabiskonsumenten sollen durch den Entzug der Fahrerlaubnis nicht härter bestraft werden als andere Cannabiskonsumenten. Ein Führerscheinentzug aufgrund des Konsums von Cannabis darf nur erfolgen, wenn eine aktive Teilnahme am Straßenverkehr unter Drogeneinfluss nachgewiesen wurde.
Verantwortung in der Substitution
Wir haben in Baden-Württemberg sehr gute Ergebnisse bei Modellversuchen zur Substitution von Heroin, aber die Angebote sind nur vereinzelt und begrenzt vorhanden, unter anderem weil viele Kosten den Kommunen aufgebürdet werden.
Das Land soll Finanzmittel zur Verfügung stellen, um Abhängigen flächendeckend synthetisches Heroin anbieten zu können. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass auch diese Kosten mittelfristig von den Krankenkassen übernommen werden.
Wir möchten die Anbindung der Drogensubstitution an Krankenhäuser erreichen, um so eine Bildung von sozialen Brennpunkten und den sozialen Druck auf einzelne Ärzte zu reduzieren. Notwendig ist auch die räumliche Einbeziehung der zugehörigen Einrichtungen, damit medizinische Substitution und soziale Unterstützung zusammenwirken können.
Zustimmung der Kommission
- Bernd 'eckes' Eckenfels 03:26, 2. Aug. 2010 (CEST)
- Futti 18:49, 8. Aug. 2010 (CEST)
- Hartmut 13:05, 9. Aug. 2010 (CEST)
- Incredibul 23:22, 9. Aug. 2010 (CEST)
- Ulan
- Für den Vorstand: Florian 'branleb' Zumkeller-Quast, 14:33, 03. Sep. 2010 (CEST)
- M.P. Cato 17:36, 13. Sep. 2010 (CEST)