BE:Antragskommission/2011-06-29 WP014B - Drogenpolitisches Wahlprogramm
AntragsnummerWP014B Einreichungsdatum29.06.2011 AntragstitelDrogenpolitisches Wahlprogramm der Piratenpartei Deutschland Berlin AntragstellerGeorg v. Boroviczeny AntragstypWahlprogramm AntragstextDer Konsum bewusstseinsverändernder Substanzen ('Drogen', 'Rauschmittel') unterliegt der alleinigen Verantwortung erwachsener Menschen und bedarf erst mal prinzipiell keiner staatlichen Eingriffe und Regulierungen. Regelungen bedarf es nur zum Schutze Einzelner ('Verbraucherschutz'), Minderjähriger ('Jugendschutz') und der Gesellschaft vor Gefahren, die für diese nicht absehbar sind oder durch missbräuchliche Verwendung entstehen können. Einschränkungen sind nur dann legitim, wenn konkrete negative Auswirkungen auf andere Personen zu erwarten sind. Regelungen oder Gesetze, die diese Bedingungen nicht erfüllen, lehnen die PIRATEN Berlin ab. Die Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Drogen ist aus der Sache heraus nicht gerechtfertigt und weitgehend unwirksam, wie das der 'Markt' gerade in Berlin belegt. Der Gesellschaft verursacht es immense Kosten, ohne jeden Nutzen, schadet Konsumenten und Abhängigkeitskranken. Nutznießer ist alleine eine organisierte Kriminalität auf allen Ebenen. Die PIRATEN vertreten auch auf diesem Sektor eine ideologiefreie, sachorientierte Politik, die belegbare Tatsachen zu Grunde legt, die Freiheit und Würde des Menschen respektiert und staatliche Eingriffe auf's Notwendige reduziert. Ziel der PIRATEN Berlin ist es, die prohibitive Gesetzgebung zu beenden; als einen ersten, kleinen Schritt dahin will sie die nicht zu einer Strafverfolgung führende, geringe Menge an Besitz von Drogen nach dem BtMG mit drei durchschnittlichen Tagessgebrauchsdosen festsetzen. Für den risikoarmen Gebrauch und einer möglichen Vermeidung von Abhängigkeit ist eine umfassende Prävention von Nöten: dies beinhaltet umfassende Informationsmöglichkeiten für Konsumenten. Die PIRATEN wollen ein Drugcheckingprogramm etablieren, das Konsumenten mit diesen für sie mitunter lebensrettenden Informationen versorgt. Als ersten Schritt sollen die Resultate der Drogentests des Landeskriminalamtes in On- und Offlinedatenbanken für Jedermann verfügbar sein. Die PIRATEN erwarten, ihrer humanistischer Grundhaltung folgend, einen respektvollen und die Würde achtenden Umgang mit Abhängigkeitskranken. Diese Forderung an alle wird die Piratenpartei kontinuierlich wiederholen, um auf Dauer einen Einstellungswandel in der Gesellschaft zu erreichen. Prävention für Kinder und Jugendliche ist nicht über Prohibition zu erreichen. Verantwortlich handelnde Erwachsene und ein kontinuierliches, altersgerechtes Angebot der Gesellschaft in Schulen und Freizeitstätten können ihnen einen guten Umgang auch mit psychoaktiven Substanzen vermitteln. Kindern und Jugendlichen darf ein unkontrollierter Zugang zu solchen Stoffen nicht möglich sein. Eine Möglichkeit, zu risikoarmen Cannabiskonsum ist ein Modellversuch zur legalen Eigenversorgung mit Cannabisprodukten nach dem Vorbild der spanischen "Cannabis Social Clubs". Darüber hinaus setzen sich die PIRATEN für eine bundesweite Legalisierung der Hanfpflanze ein. Wesentliche Gefahren und ausnehmend hohe Kosten für die Allgemeinheit gehen vor allem von den legalen Drogen Alkohol, Tabak und missbräuchlich benutzten Medikamenten aus. 'Komasaufen' ist eine der negativen Beispiele, ebenso der Missbrauch von Tilidin und die übermäßige Verordnung von Ritalin. Aus sozialer und gesundheitspolitischer Sicht ist hier der Schwerpunkt einer konsequenten Drogenpolitik und Suchtabwehr zu setzen. Die immensen (Gesundheits)Kosten und Gefahren auch für Unbeteiligte erfordern wirksame Maßnahmen: Werbebeschränkungen (im Umfeld von Kitas, Schulen und Jugendeinrichtungen, keine 'Jugendlichkeitsimages') und eine konsequente Durchsetzung von Verkaufseinschränkungen für Kinder und Jugendliche sind ein erfolgversprechender, jedoch langfristig zu sehender Weg. Bausteine einer wirksamen Prävention sind auch Gesetze und Vorschriften, die Einzelne vor ungewolltem oder unerwünschtem Kontakt mit solchen Mittel schützen ('Nichtrauchergesetz') sowie jeden und/oder die ganze Gesellschaft vor Gefahren bei Handlungen unter Drogeneinfluss (aktive Teilnahme am Verkehr, bei Arbeit usw.) schützen. Diese Vorschriften und Gesetze müssen immer wieder auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und zugleich sichergestellt werden, dass die dabei notwendigen Eingriffe in die individuelle Freiheit so gering gehalten werden, wie nur möglich. Verantwortung und Fürsorge für Kranke ist gesamtgesellschaftliche Verpflichtung: daher sollen und dürfen die Mittel für die Beratung und Therapie Abhängigkeitskranker nicht gekürzt werden, sondern sollen mit Ausgleich von allgemeinen Kostensteigerungen und Lohnzuwächsen erhalten bleiben. Die überwiegend nicht-staatlich organisierten Einrichtungen sind aber gehalten, durch Kooperation Synergieeffekte zu nutzen; die daraus erwachsenden Einsparungen wollen die PIRATEN im Etat belassen und diese sollen einer Verbesserung des Angebots zu Gute kommen. Die Kosteneinsparungen aus der Abschaffung einer prohibitiven Gesetzgebung können und sollen ebenfalls zu einem Teil einer Prävention und Gesundheitsfürsorge zu Gute kommen. Die Piratenpartei strebt die Zusammenarbeit mit allen gesellschaftlichen Gruppen an, die sich vorurteilsfrei mit dem Konsum von Genussmitteln und dessen Folgen auseinandersetzen. AntragsbegründungDas „Suchtpolitisches Wahlprogramm der Piratenpartei Deutschland Berlin“ ist eine engagierte Initiative zur Wahl 2011; es enthält jedoch einige fachlich kritisch zu sehende Punkte, die zu einer begründeten Kritik und Abqualifizierung mindestens dieses Programmpunktes führen können. Mit der Alternative „Drogenpolitisches Wahlprogramm der Piratenpartei Deutschland Berlin“ will ich folgende Fallen vermeiden. 1. 'Suchtpolitik': es gibt keine fachlich begründeten Forderungen, die spezifisch zu erfüllen wären; die Versorgung Abhängikeitskranker ist im Wesentlichen unstrittig. Ebenso ist in Fachkreisen der Wunsch nach zusätzlichen Mitteln unbestritten; dabei ist aber auch zu bedenken/berücksichtigen, dass damit Mittel anderen, ebenso berechtigten Forderungen entzogen würden. (Haushaltsprobleme und Geldknappheit in Berlin): 2. auch wenn es zwischen (stoffgebundenen) Abhängigkeitserkrankungen und (nicht-stoffgebundenen) Verhaltensstörungen Gemeinsamkeiten gibt, so sind doch die Unterschiede, auch bezüglich Beratung und Therapie, deutlich größer; aus fachlichen Gründen und einer sauberen Trennung zu liebe sollen diese nicht gemeinsam abgehandelt werden. Das ermöglicht auch eine sachgerechte getrennte Finanzierung ohne Konkurrenzdruck. 3. Die Diamorphinbehandlung ('Heroinabgabe an Schwerstabhängige') ist auch in Berlin unstrittig; die Verwirklichung wird durch, wohl bewusst eingearbeitete, Erschwernisse im Gesetz behindert, die sehr kostspielig sind. Dazu ist (siehe oben, 1.) eine Beteiligung der Kliniken mit ihrer ständigen Präsenz an Ärzten und Pflegepersonal einzufordern. Hier können Synergien zum Tragen kommen und Kosten reduzieren. 4. Drogenkonsumräume werden (wie fast alle Einrichtungen der Suchberatung und -hilfe) aus guten Gründen nicht staatlich, sondern in der Regel über e.V.s betrieben; sie sind nicht an 'Bürozeiten' gebunden. Hinsichtlich finanzieller Ausstattung: siehe 1. Ansonsten gibt es vielfach Hindernisse in Einrichtung und Betrieb nach dem 'St.-Florians-Prinzip'. Eine Mischung aller Drogen(konsumenten) in einer 'Konsumeinrichtung' erscheint weder fach-, noch sachgerecht. Zudem halte ich es für zweifelhaft, ob sich die Konsumenten verschiedener Substanzen solche Einrichtungen überhaupt gemeinsam annehmen würden. Eine Reihe von Drogen (Kokain, Amphetamine) werden anlassbezogen (z.B. Disko) konsumiert; daher sind diese Konsumenten nicht an Konsumräumen an sich interessiert; Ähnliches gilt für Alkohol und -wahrscheinlich auch- für Cannabis (häuslicher Konsum). 5. Strafvollzug und Jugendstrafanstalten sind keine geeigneten Einrichtungen einer Drogentherapie; Therapie gehört, gerade auch Schwerstabhängige, bei einem richterlich angeordneten Freiheitsentzug in eine Maßregel (nach § 64 StGB). Dort ist ausreichend fachlich geschultes Personal vorhanden. Im allgemeinen Strafvollzug gibt es Kompetenzen bezüglich grundlegender Beratung, nicht jedoch für Therapie. Spritzentausch ist ev. möglich, aber schwierig, sowohl hinsichtlich des Legalitätsprinzips, als auch einer Missbrauchsgefahr durch Häftlinge und Personal. Liquid FeedbackNein KonkurrenzanträgeWP014A - Suchtpolitisches Wahlprogramm der Piratenpartei Deutschland Berlin Datum der letzten Änderung-Heiko Herberg 16:37, 30. Jun. 2011 (CEST) |