Antrag Diskussion:Bundesparteitag 2012.2/Antragsportal/PA308

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offene Listen und Kumulieren/Panaschieren uva. aus dem Antrag finde ich gut, aber - mit Verlaub - das Wahlrecht von Geburt an halte ich für absurd. Egal, wie man es dreht und wendet, kleine Kinder können keine so abstrakten Entscheidungen treffen. Dazu sind sie von ihrem Entwicklungsstadium her gar nicht in der Lage. Erst so zwischen 14 und 17 also nach dem Scheitelpunkt der Pubertät kann eine einigermaßen souveräne Persönlichkeit entstehen. Das kann man natürlich nicht "objektiv" messen und so gesehen, kann man im streng naturwissenschaftlichen Sinne ein Mindestalter als "Willkür" abtun. Dann sollten wir aber bitte auch Geschäftsfähigkeit, Führerschein, Heirat, Hochschulzugang etc. von Geburt an haben. Wenn wir davon ausgehen, dass jeder Mensch von Geburt an, selbständig und frei leben und entscheiden kann, dann brauchen wir keine Erziehung mehr, weder familiär noch institutionell. Bei ganz kleinen Kindern müsste wohl noch irgendjemand entscheiden, ab wann sie überhaupt motorisch wahlfähig sind? Ich denke, der gut gemeinte Ansatz, Kinder nicht zu diskriminieren, wird hier in dieser Frage weit über das Ziel hinaus getrieben. Auch wenn ich - wie gesagt - viele gute Ideen in dem Antrag sehe, kann ich ihn in der Form nicht unterstützen. --Koenig 09:41, 25. Okt. 2012 (CEST)

Punkte die zu bedenken wären

Hi,

da ich nicht beim BPT in Bochum dabei sein werde, hier meine Bedenken zu diesem Vorschlag für ein neues Wahlrecht:

  1. Kummulieren und Panaschieren auf Bundesebene ist nicht handhabbar und erhöht die Gefahr von Manipulationen. Schon auf komunaler Ebene sind die Stimmzettel keine Zettel mehr, sondern Stimm-Bücher. Diese erhält man bereits vor der Wahl, um sie zu Hause in Ruhe ausfüllen zu können. Dadurch ist dann nicht mehr sichergestellt, dass der Wähler den Stimmzettel selbst und unbeeinflusst ausfüllt. Weiter unten wird gefordert auf Briefwahl zu verzichten, um Manipulationen zu verhindern. Wer schon mal Wahlhelfer war weiß auch, dass ältere Ehepaare oftmals zusammen in die Wahlkabine wollen, was dann regelmäßig zu Diskussionen führt. Zu Hause kann das nicht verhindert werden. Ein Ausfüllen vor Ort ist auch nicht machbar. Bei bis zu 80 Kandidaten je Liste und 10+ Listen dauert das Stunden!
  2. Ein einziger "Wahlkreis" für ganz Deutschland ist meines Erachtens nicht praktikabel. Zum einen würde das Bedeuten, dass alle Kandidaten sich in ganz Deutschland präsentieren müssen und nicht nur in einem kleinen, lokalen Wahlkreis. Außerdem besteht die Gefahr, das die regionale Repräsentation leidet, da die Kandidaten zum einen nicht mehr vor Ort verwurzelt sind und zum anderen bevölkerungsreiche Regionen die "Möglichkeit" haben, für sie genehme Kandidaten zu wählen. Insgesammt dürfte das dazu führen, dass sich die Kandidaten auf die Großstädte konzentrieren und der ländliche Raum nicht mehr repräsentiert wird. Außerdem ist es ja auch nicht so, dass zu jeder Wahl die Wahlkreise neu eingeteilt werden. Zuletzt ist das 2002 passiert, da war Rot-Grün an der Regierung, zwischenzeitlich hatten wir 'ne große Koalition und jetzt Schwarz-Gelb...
  3. Die Festlegung von 18 Jahren als Mindestalters für das Wahlrecht ist mitnichten willkürlich, sondern orientiert sich an den Grenzen für Geschäfts- und Straffähigkeit von Personen. Kinder und Jundenliche sind noch sehr Manipulationsanfällig und können Aufgrund ihrer mangelnden Erfahrung noch nicht die Folgen ihrer Wahlentscheidung bedenken. An anderer Stelle habe ich den Vorschlag gelesen, eine Staffelung (14: Komunalwahl, 16: Landtagswahl, 18: Bundestagswahl) einzuführen. Das hätte den Vorteil, die Jugentlichen langsam an das Thema heranzuführen.
  4. Eine Reihenfolgen aufgrund der Listengröße fördert nur die Unübersichtlichkeit und erlaubt Parteien die Aufgrund einer großen Mitgliederzahl viele Bewerber auf ihre Liste bringen, an ein Ende des "Stimmbuchs" zu kommen. Eine Halbierung der Sperrklausel halte ich für gefählich, da dann die Regierungsbildung noch schwieriger wird, wie man in der Weimarer Republik gesehen hat. In den letzen 60 Jahren sind wir mit der 5% Hürde gut gefahren.
  5. Mobile Wahlvorstände zu einzelnen Personen zu schicken, erhöht wiederum die Gefahr von Wahlmanipulationen, da hier die Kontrolle durch die Öffentlichkeit nicht so gut ist, wie in öffentlichen Wahllokalen. Außerdem ist es auch sehr kostspielig. Dadurch würde der Effekt der wünschenswerten Reduktion von Briefwahl wieder reduziert. Auch eine Stimmabgabe vor dem eigentlichen Wahltermin sehe ich kritisch, da zum einen zwischenzeitlich noch was passieren könnte, was die Wahlentscheidung beeinflussen könnte, und zum anderen die Wahlurnen bis zur Auszählung bewacht werden müssten, um Manipulationen zu verhinden.
  6. Die Senkung der Wahlzugangshürden sollte vorallem auf eine Vereinheitlichung abziehlen. Wenn durch eine so starke Absenkung noch mehr Parteien an einer Wahl teilnehmen, wird das "Stimmbuch" nur noch dicker! Unterschriften für mehrere Parteien und weniger Datenerhebung sind unterstützenswert.
  7. Wenn das Wahlrecht für im Ausland lebende Deutsche "zu einer nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren Ungleichheit" führt, frage ich mich, warum ich noch nicht davon gehört habe, dass das vor dem BVerfG verhandelt wurde? Egal, meinet wegen, darf jeder Deutsche bei Bundestagswahl mit wählen, wenn er am Wahltag in einem Wahllokal in Deuschland erscheint. Ich gehe mal davon aus, dass das nicht allzuviele sein dürften. Aber Wahllokale im Ausland einzurichten dürfte noch weniger machbar sein.

Alles in Allem halte ich den Wahlvorschlag nicht wirklich für durchdacht. Was mir vor allem Fehlt ist eine Information, wie z.B. Ausgezählt werden soll. Außerdem sollte man mal anhand von Beispielreichnung (auf Basis alter Wahlen und Umfragen) aufzeigen, wie sich das Wahlrecht in der Praxis auf die Zusammensetzung des Bundestags auswirkt. Auch wird nicht gesagt, wieviele Mitglieder der Bundestag aufgrund dieses Gesetztes dann haben soll.

Gruß,

Hora 23:24, 25. Okt. 2012 (CEST)


Antwort an Hora

Zu 1: 80 Kandidaten je Liste und 15 oder noch mehr Listen sind absolut handlebar. Hier kommt auch die Begrenzung auf 10 Stimmen je Wähler mit rein. Bei 60 oder mehr Stimmen wie bei vielen Stadtratswahlen verzählt man sich leicht, bei 10 dagegen kaum. Kumulieren und Panaschieren hat kein erhöhtes Manipulationspotential. Stimmhefte wie z.B. schon in Hamburg eingesetzt, sind eine Alternative. Dabei können auch Erfahrungen von dort mit eingebracht werden, wie z.B. je Blatt eine komplette Liste aufführen und Listen nicht trennen.

Zu 2: Regionale Repräsentanz ist weiterhin möglich. Wahlvorschlagsträger haben die Wahl entweder eine Bundesliste oder Landeslisten oder Landeslisten und Kreislisten oder nur Kreislisten aufzustellen. Es besteht nicht der Zwang zur Bundesliste und auch kein Zwang zu einem anderen Listentypus. Dies liegt in der Verantwortung der Wahlvorschlagsträger. Außerdem kann jeder Wahlberechtigte für sich entscheiden, ob geographische Nähe als Kriterium bei der Stimmenvergabe eine Rolle spielt oder nicht. Einen Zwang zur Regionalrepräsentanz erachte ich jedoch nicht als angebracht, weder den Parteien noch den Wählern gegenüber. Das nimmt letzteren nur die Auswahl.
Die letzte Wahlkreisänderung war dieses Jahr - aber ja, sie war nicht so groß wie jene vor 10 Jahren.

Zu 3: Falsch - das Wahlalter wurde früher von 21 auf 18 abgesenkt, danach erst das Alter für die Geschäftsfähigkeit: http://www.schekker.de/content/von-21-auf-18

Zu 4: Und viele Jugendliche können und wollen es dennoch. Soll man alle dazu verurteilen, ihnen das Wahlrecht abzusprechen, weil manche noch nicht reif genug sind? Dann dürfte konsequenterweise keine Altersgruppe wählen. Welche Kriterien legt man an, um die Wahlreife zu ermitteln? Mit welchem Verfahren sollen diese gemessen werden? Wer legt die Kriterien fest?
Es ist nicht messbar und jede Festlegung ist willkürlich. Daher die Forderung, das Wahlalter abzuschaffen und es jedem und jeder einzelnen Person selbst zu überlassen, wann diese oder dieser das Wahlrecht wahrnehmen möchte.
Ja, je jünger man ist, desto eher ist man manipulierbar. Das bedeutet, dass es in der Verantwortung der Eltern, der Schule, der Medien und der Parteien wäre, umfassend zu informieren und die Falschinformationen der "anderen" aufzudecken. Das würde die politische Bildung von Kindern und Jugendlichen enorm fördern statt dass diese wie bislang 18 Jahre nicht für voll genommen werden und von einem Tag auf den nächsten gesagt bekommen: "Nun darfst Du voll bestraft werden, also gewähren wir Dir auch das Privileg des Wahlrechts"

Zu 5: Demokratie ist nunmal teurer als eine Autokratie. Und ja, wenn auch Einzelpersonen mit einbezogen werden, ist die Gefahr von Wahlmanipulation wieder etwas größer. Aber dafür bestehen auch schon Wahlvorstände aus mehreren Personen, die auch einander beäugen sollen. Außerdem würde diese Leistung nur für eine geringe Zahl an Wahlberechtigten notwendig sein. Jedenfalls deutlich geringer als die gegenwärtig mehr als 20% Briefwähler.
Bei den Vorwahlen stimme ich Dir zu. Hier habe ich innerhalb der Projektgruppe auch dagegen gestimmt, eine Mehrheit war jedoch für diese Möglichkeit.

Zu 6: Mehr Parteien bedeuten für mich mehr Auswahl für die Wahlberechtigten.

Zu 7: Hier ist das Urteil: http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/cs20120704_2bvc000111.html

Da hier keine anderslautende Forderung enthalten ist, soll der Bundestag in seiner Größe bestehen bleiben (598 - jedoch ohne Überhangmandate).
Was meinst Du mit "wie ausgezählt werden soll"?
Eine Beispielrechnung ist einfach: Denke Dir ein Wahlergebnis aus, nimm die Stimmen aller Parteien über 2.5% und verteile die Sitze proportional nach Sainte-Lague. Man könnte das natürlich auch mit früheren Wahlergebnissen zu rechnen versuchen, aber da bei einem System mit Kumulieren und Panaschieren auch mit einem Ändern des Wählerverhaltens zu rechnen ist, würde das voraussichtlich keine realitätsnahen Ergebnisse liefern.

- Xander.Dorn