Antrag:Bundesparteitag 2012.2/Antragsportal/PA543

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Antrag für den Bundesparteitag 2012.2. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich

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Tango-dialog-warning.svg Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den Bundesparteitag eingereichter Antrag.

Antragsübersicht

Antragsnummer PA543
Einreichungsdatum
Antragsteller

BuMa

Mitantragsteller
Antragstyp Wahlprogramm
Antragsgruppe Wahlrecht„Wahlrecht“ befindet sich nicht in der Liste (Arbeit und Soziales, Außenpolitik, Bildung und Forschung, Demokratie, Europa, Familie und Gesellschaft, Freiheit und Grundrechte, Internet und Netzpolitik, Gesundheit, Innen- und Rechtspolitik, ...) zulässiger Werte für das Attribut „AntragsgruppePÄA“.
Zusammenfassung des Antrags Neues Bundeswahlrecht mit offenen Listen, Kumulieren/Panaschieren, Abschaffung der Erststimme und weiteren Verbesserungen
Schlagworte Wahlrecht, Bundestag, Demokratie
Datum der letzten Änderung 01.11.2012
Status des Antrags

Pictogram voting question.svg Ungeprüft

Abstimmungsergebnis

Pictogram voting question.svg Noch nicht abgestimmt

Antragstitel

Für ein demokratischeres Bundestagswahlrecht

Antragstext

Der Bundesparteitag möge beschließen, im Wahlprogramm im Kapitel "Demokratie", folgenden Text einzufügen. Die Abschnitte sind modular abzustimmen:

Modul 1: Grundlagen

Reform des Bundestagswahlrechts

Die Piratenpartei Deutschland setzt sich für eine gründliche Reform des Bundestagswahlrecht ein. Die durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts notwendig gewordene Anpassung des Wahlrechts, die nach einem weiteren verfassungswidrigen Versuch der schwarz-gelben Koalition von der Mehrzahl der Bundestagsfraktionen in Eile verabschiedet wurde, stellt aus Sicht der Piratenpartei nur eine Übergangslösung dar. Die Piratenpartei strebt an, dass der Bundestag sich in der kommenden Legislaturperiode die notwendige Zeit nimmt, das Bundeswahlgesetz an die veränderten Bedürfnisse der Wähler anzupassen und sich dabei nicht nur auf einzelne, kosmetische Veränderungen zur Beseitigung des verfassungswidrigen sogenannten "negativen Stimmgewichts" zu beschränken. Stattdessen soll die Gelegenheit zu einer umfassenden Umgestaltung des Wahlrechts genutzt werden, die den Bürgern mehr demokratische Gestaltungsmöglichkeiten bei der Zusammensetzung des nationalen Parlaments einräumt. Parteitaktische Erwägungen, die alleine davon geprägt sind, der eigenen Partei Vorteile im Wettbewerb zu verschaffen oder zu erhalten, dürfen keine Rolle spielen. Angesichts der zerfahrenen Verhandlungssituation zwischen den derzeitigen Regierungs- und Oppositionsparteien bei diesem Thema kann nur ein Entwurf nach zivilgesellschaftlichen Vorstellungen, wie sie bspw. seit Jahren vom Verein Mehr Demokratie e.V. vertreten werden, einem neuen Wahlrecht zur notwendigen breiten Legitimation verhelfen. Mit knappen Mehrheiten verabschiedete Wahlgesetze, die jederzeit unter dem Vorbehalt stehen bei einem Regierungswechsel wieder gekippt zu werden, beinhalten dagegen ein nicht hinnehmbares Schadenspotential für das Ansehen unserer Demokratie. Das derzeitige Dilemma ist gleichzeitig eine große Chance, das Wahlrecht grundlegend zu verbessern, dadurch den Einfluss der Wähler auf die personelle Zusammensetzung des Bundestages spürbar zu erhöhen, und den der Parteien entsprechend zu verringern.

Die Piratenpartei schlägt aus diesen Gründen für ein künftiges Bundestagswahlrecht folgende Eckpunkte vor:

Offene Listen

Nach §1 (1) BWahlG wird der Bundestag "nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl gewählt". Diese Beschreibung des geltenden Zwei-Stimmen-Systems ist allerdings nach praktischen Gesichtspunkten eher als euphemistisch zu betrachten. In der Realität gibt es sogenannte "sichere Wahlkreise" und Kandidaten aus "unsicheren Wahlkreisen" werden über die Landesliste abgesichert, so dass die Anzahl der Wahlkreise, bei denen das Erststimmenergebnis die Zusammensetzung des Bundestags tatsächlich beeinflusst, im Allgemeinen im einstelligen Prozentbereich liegt. Faktisch stehen dadurch schon vor der Wahl regelmäßig ca. 80% der kommenden Abgeordneten fest.

Die Piratenpartei fordert daher ein echtes "personalisiertes Verhältniswahlrecht" durch die Verwendung offener Landeslisten, auf denen jeder Wähler neben der Partei auch einzelne Personen wählen kann. Die Mandate werden nach dem Sainte-Laguë-Verfahren zuerst auf die erfolgreichen Parteien, nachfolgend auf deren Landeslisten, und dann zuerst nach Listen- und dann nach Personenstimmen auf die einzelnen Kandidaten verteilt. Damit die Parteien den Wählern eine ausreichende Menge Kandidaten zur Verfügung stellen, wird die Reihenfolge der Listenvorschläge auf dem Stimmzettel nicht mehr primär nach dem letzten Wahlergebnis bestimmt, sondern nach der Anzahl der Listenkandidaten, bis hin zu einer länderabhängigen Obergrenze. Diese beträgt in kleinen Ländern 20, in den größeren Ländern entspricht sie der Zahl der bei bundesweit gleichmäßiger Wahlbeteiligung auf das entsprechende Bundesland entfallenden Mandate.

Kumulieren und Panaschieren

Um den Bürgern einen größeren Einfluss auf die Zusammensetzung seiner Vertreterversammlungen zu gewähren, existiert in den Kommunalwahlgesetzen verschiedener Länder seit langem die Möglichkeit, mehrere Kandidaten zu wählen. Jeder Wähler darf also nicht bloß eine einzige Stimme vergeben, sondern eine festgelegte Anzahl. Diese kann er auf einen einzigen Wahlvorschlag konzentrieren (Kumulieren), oder sogar über mehrere Parteien streuen (Panaschieren). Das traditionelle Verfahren aus den süddeutschen Ländern behindert jedoch kleinere Parteien, da für eine gleichberechtigte Teilnahme an der Wahl eine Vielzahl von Kandidaten aufgestellt werden müssen, und führt zu besonders großen und unübersichtlichen Stimmzetteln.

Die Piratenpartei schlägt daher ein System vor, wie es ähnlich in den Stadtstaaten Bremen und Hamburg durch erfolgreiche Volksbegehren eingeführt wurde. Demnach erhält jeder Wähler die Möglichkeit, bis zu fünf Stimmen auf jeden Kandidaten zu vergeben, bei insgesamt zehn Stimmen.

Abschaffung der Erststimme

In den früheren Zeiten der großen Volksparteien, als es das Internet noch nicht gab und die Mobilität der Bürger noch sehr eingeschränkt war, mag es seine Berechtigung gehabt haben, dass jeder Wahlkreis seinen eigenen zuständigen Abgeordneten hatte, der oft von einer absoluten Mehrheit gewählt wurde und allgemeinen Respekt genoss. Dies ist aber nicht mehr zeitgemäß. Auf Grund des Prinzips der relativen Mehrheit reichen heutzutage regelmäßig Ergebnisse um 30% aus, um ein Direktmandat zu erlangen. Bei zusätzlich sinkenden Wahlbeteiligungen ist die Legitimation dieses Abgeordneten, alle Bürger seines Wahlkreises zu vertreten, nur noch als gering einzustufen. Hinzu kommt, dass durch die regelmäßige Absicherung der Wahlkreiskandidaten über Listenplätze die endgültige Zusammensetzung des Bundestages sowieso nur in absoluten Einzelfällen vom Erststimmenergebnis beeinflusst wird. Die tatsächliche Hauptfunktion der Erststimme in unserem heutigen Wahlsystem besteht also tatsächlich darin, Anomalien wie Überhangmandate oder negatives Stimmgewicht hervorzurufen.

Die Piratenpartei Deutschland schlägt daher die ersatzlose Abschaffung der Erststimme vor.

Als Alternative zum existierenden Wahlkreisprinzip werden des öfteren Mehrpersonenwahlkreise vorgeschlagen. Diese würden es in der Tat wieder mehr Wählern ermöglichen, von einem persönlichen Wahlkreisabgeordneten vertreten zu werden. Allerdings müsste die Größe solcher Wahlkreise im Gegenzug vervielfacht werden, um im Bundestag auf dieselbe Anzahl Abgeordneter zu kommen. Von einem örtlichen Bezug kann keine Rede mehr sein, wenn bspw. Mecklenburg-Vorpommern in zwei Wahlkreise aufgeteilt würde, und Bremen und das Saarland müssten zwangsläufig aus einem einzigen Wahlkreise bestehen. Der Unterschied zwischen der Wahlkreisstimme und der Landesstimme wäre in derartigen Fällen kaum vermittelbar.

Die Piratenpartei hält daher auch Mehrmandatswahlkreise bei Bundestagswahlen für überflüssig. Eine Personalisierung wird bereits durch das Prinzip der offenen Listen angestrebt. Es ist zu erwarten, dass örtliche Gebietsverbände von Parteien Werbung für ihre Kandidaten machen, so dass der Verzicht auf Wahlkreise den innerparteilichen Wettbewerb der Kandidaten eher befördern wird, anstatt dass der Wahlkampf so wie derzeit alleine auf den Spitzenkandidaten konzentriert wird. Diese Möglichkeit der Personalisierung und Bevorzugung lokaler Politiker bei der Wahl steht dann nicht mehr ausschließlich den Wählern großer Parteien zur Verfügung, sondern allen gleichermaßen.

Modul 2a: Grundmandatsregel durch regionale Sperrklausel ersetzen

Sperrklausel

Die Sperrklausel von 5% über das gesamte Bundesgebiet kann bis auf weiteres bestehen bleiben. Durch den Wegfall der Erststimme ergibt sich jedoch das Problem, dass die Grundmandatsklausel ebenfalls nicht mehr zur Verfügung steht. Es ist nicht wünschenswert, dass regionale Volksparteien wie die CSU oder die LINKE im Fall, dass sie bundesweit unter fünf Prozent sinken, nicht mehr im Bundestag vertreten wären. Auf der anderen Seite ist es aber auch nicht zu begründen, dass jene Stimmen, die solche Parteien außerhalb ihres Stammgebietes erhalten, und wo sie dementsprechend deutlich unter der Sperrklausel liegen, mit einberechnet werden.

Der Vorschlag der Piratenpartei lautet daher, die Grundmandatsklausel durch eine länderspezifische 20%-Hürde zu ersetzen. Parteien, die bundesweit weniger als 5% der Stimmen auf sich vereinen, jedoch in einzelnen Ländern über 20%, werden bei der Verteilung der Sitze berücksichtigt, allerdings nur mit den Wählerstimmen aus jenen Ländern, wo sie die 20%-Hürde überwunden haben.

Modul 2b: 5%-Hürde halbieren

Sperrklausel

Die Piratenpartei Deutschland strebt an, die Sperrklausel bei Bundestagswahlen auf 2,5% zu halbieren, und damit den Umstand zu beenden bzw. zu relativieren, dass Millionen von Wählerstimmen wirkungslos bleiben. Gerade heutzutage, wo wir eine feinere Gliederung des Parteiensystems erleben, ist die 5%-Hürde ein zu starker Eingriff in die Gleichheit und Fairness der Wahl. Eine 2,5%-Hürde erscheint hoch genug, um eine Zersplitterung des Bundestages zu verhindern, aber niedrig genug, um taktische Wahlentscheidungen zu vermeiden.

Modul 3: Briefwahl

Briefwahl

Wie vom Bundesverfassungsgericht bereits 1981 festgestellt wurde, ist die Möglichkeit der Briefwahl problematisch im Hinblick auf die Grundsätze der freien und geheimen Wahl. Zum damaligen Zeitpunkt wurden jedoch Briefwahlunterlagen nur in begründeten Fällen ausgestellt, so dass das Gericht trotz dieser Bedenken die Briefwahl als Möglichkeit der Beteiligung ansonsten verhinderter Wähler akzeptierte. Mittlerweile ist die Anzahl der Briefwähler jedoch kontinuierlich gestiegen und stellt aus Sicht der Piratenpartei ein Problem dar.

Die Piratenpartei möchte daher die Möglichkeit der Briefwahl wieder auf ein absolut notwendiges Minimum beschränken, bspw. auf Wählerinnen und Wähler, die sich längerfristig im Ausland aufhalten. Für die Masse der Briefwähler sollen dagegen andere Möglichkeiten der Stimmabgabe geschaffen werden. Mobile Wahlvorstände, die bereits eingesetzt werden um in kleineren Pflegeeinrichtungen, die über keine eigene Wahlurne verfügen, die Wahlteilnahme zu ermöglichen, sollen zukünftig auch einzeln im eigenen Zuhause gepflegte Personen mit einbeziehen. Für Personen, die sich am Wahltag nicht an ihrem Wohnsitz aufhalten oder anderweitig verhindert sind, soll es ermöglicht werden, unter kontrollierten Bedingungen vor dem eigentlichen Wahltermin an ausgewiesenen Orten zu wählen.

Modul 4: Unterstützerunterschriften

Teilnahmehürden

Das Erheben von Unterstützerunterschriften zur Wahlteilnahme stellt aus Sicht der Piratenpartei ein Datenschutzproblem dar. Alternative Möglichkeiten des Relevanznachweises für Parteien, bspw. eine nachgewiesene Mindestmitgliederzahl, erweisen sich allerdings als nicht weniger problematisch. Die Piratenpartei schlägt daher verschiedene Möglichkeiten der Verbesserung des existierenden Systems vor. So soll jeder Wahlvorschlagsträger, der bei der vorangegangenen Bundestagswahl ein Ergebnis von mindestens 0.5% der Stimmen erhalten hat, von der Sammlung von Unterstützerunterschriften befreit werden. Ein Ergebnis von wenigstens 1% der Stimmen bei der letzten Landtagswahl befreit ebenfalls von der Verpflichtung zum Unterschriftensammeln für die Landesliste im entsprechenden Bundesland, ebenso wenn allein zur Teilnahme an der Landtagswahl mindestens genauso viele Unterschriften beigebracht wurden, wie auch für die Bundestagswahl notwendig ist. Wahlberechtigte dürfen zukünftig für mehrere Wahlvorschläge Unterstützung leisten, so dass die Unterstützung auf dem Amt nicht mehr gespeichert werden muss, und die Anzahl vorzuweisender Unterschriften wird gegenüber der gegenwärtigen Regelung halbiert. Auf den Unterstützerformularen dürfen Straße und Hausnummer nicht mehr erfasst werden, denn eine meldebehördliche Identifizierung ist alleine mit Name, Geburtsdatum, Postleitzahl und Ort möglich. Dies folgt dem Prinzip der Datensparsamkeit.

Modul 5: Auslandswahlrecht

Auslandswahlrecht

Auch die bisherige Regelung des Wahlrechts für Deutsche im Ausland wurde vom Bundesverfassungsgericht für unwirksam erklärt. sieht vor, dass das Wahlrecht besitzt, wer irgendwann wenigstens drei Monate ununterbrochen in der Bundesrepublik gelebt hat. Dies führt zu einer nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbarenden Ungleichheit zwischen Deutschen, die als Kind ausgewandert sind, und solchen, die im Ausland geboren wurden und eine ähnlich lose Verbindung zu Deutschland besitzen. Die Piratenpartei möchte daher das Wahlrecht zur Bundestagswahl nur noch solchen Deutschen zugestehen, die maximal vier Jahre nicht mehr in der Bundesrepublik wohnen. Bei längerer Abwesenheit als einer Legislaturperiode ist davon auszugehen, dass die Person ihren Lebensmittelpunkt endgültig in ein anderes Land verlagert hat, und damit von der Politik der Bundesregierung und des Bundestages nicht mehr direkt betroffen ist. Im Falle eines Rückzugs erhalten deutsche Staatsbürger das Wahlrecht allerdings sofort wieder ohne die üblichen drei Monate Übergangszeit.

Antragsbegründung

… folgt …

Das Grundgerüst des Antrags wurde bereits zum BPT12.1 eingereicht. Ergänzungen kommen aus der Arbeit der PG Bundeswahlrecht.

Diskussion

  • Vorangegangene Diskussion zur Antragsentwicklung: {{{diskussionVorher}}}
  • [{{{antragsdiskussion}}} Pro-/Contra-Diskussion zum eingereichten Antrag]


Konkurrenzanträge