Antrag:Bundesparteitag 2012.2/Antragsportal/PA189

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Antrag für den Bundesparteitag 2012.2. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich

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Tango-dialog-warning.svg Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den Bundesparteitag eingereichter Antrag.

Antragsübersicht

Antragsnummer PA189
Einreichungsdatum
Antragsteller

Jens Kuhlemann (Jay Kay)

Mitantragsteller
Antragstyp Wahlprogramm
Antragsgruppe Europa
Zusammenfassung des Antrags Stärkung des Bürgereinflusses auf die Gesetzgebung der Europäischen Union
Schlagworte
Datum der letzten Änderung 01.11.2012
Status des Antrags

Pictogram voting question.svg Ungeprüft

Abstimmungsergebnis

Pictogram voting question.svg Noch nicht abgestimmt

Antragstitel

Demokratie in der EU stärken: Legislative

Antragstext

Der Bundesparteitag der Piratenpartei Deutschland möge folgende Eckpunkte zur Stärkung des Bürgereinflusses auf die Legislative der Europäischen Union befürworten und die nachstehenden Passagen in das Wahlprogramm aufnehmen:

1.) Initiativ- und Beschlussrecht

Initiativrecht: Initiativen zu europäischen Rechtsakten erfolgen aus der Mitte des Europäischen Parlaments. Außerdem erhalten dieses Recht der Europäische Rat, der Ministerrat sowie die EU-Kommission. Darüber hinaus kann eine Initiative mittels einer Europäischen Bürgerinitiative an das Europa-Parlament gerichtet werden.

Beschlussrecht: Europäische Rechtsakte werden durch das Europa-Parlament beschlossen oder durch Europäische Bürgerentscheide.

2.) Neustrukturierung des Europa-Parlaments in zwei Kammern

Das Europa-Parlament (EP) setzt sich künftig aus zwei Kammern zusammen. Die erste Kammer besteht aus direkt von den Bürgern bei den Europa-Wahlen gewählten Abgeordneten. Dabei soll das Prinzip der Gleichheit der Stimmen konsequent Beachtung finden (Abschaffung der "degressiven Proportionalität"). Darüber hinaus soll das Wahlrecht zum EP dem einer personalisierten Verhältniswahl entsprechen und den Bürgern ermöglichen nicht nur für Parteien, sondern auch für einzelne Kandidaten zu stimmen.

Die Mitglieder der zweiten Kammer (Staatenkammer) werden von den nationalen Parlamenten aus den Reihen ihrer Abgeordneten gewählt. Diese sollen sich je nach Thema der pro Sitzung zu beratenden oder zu beschließenden Gesetze aus fachlich besonders eingearbeiteten Abgeordneten zusammensetzen (ähnlich dem bisherigen Prinzip wechselnder Zusammensetzungen des Ministerrats, in dem abhängig vom Themengebiet die jeweils zuständigen Minister der Mitgliedstaaten zusammentreffen). In föderal strukturierten Ländern wie Deutschland erhält das nationale Parlament das Recht, auch Abgeordnete regionaler Parlamente in die Staatenkammer zu wählen. Das bisherige Stimmrecht des EU-Ministerrates geht an diese zweite Kammer des EP über.

3.) Direktdemokratische Verfahren:

Dreistufiges Gesetzgebungsverfahren: Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) wird so umgestaltet, dass die Unionsbürger ein vollwertiges Recht auf Gesetzesinitiative besitzen. Es ist zu gewährleisten, dass sie für die Bürger in der Praxis leicht anwendbar ist und ohne Gebührenerhebung durch staatliche bzw. EU-Stellen auskommt. Die EBI wird darüber hinaus um Europäische Bürgerbegehren und Bürgerentscheide ergänzt, damit die Unionsbürger unmittelbar europäische Gesetze beschließen dürfen.

Fakultatives Referendum: Ein vom Europa-Parlament beschlossener Rechtsakt wird nicht rechtswirksam, wenn innerhalb einer bestimmten Frist (z.B. 100 Tage) durch eine Unterschriftensammlung ein EU-weiter Bürgerentscheid über diesen Rechtsakt verlangt und er dann in der Abstimmung abgelehnt wird.

Obligatorisches Referendum: Eine unionsweite Abstimmung wird automatisch (d.h. ohne vorherige Unterschriftensammlung) angesetzt. Die betreffende Vorlage tritt nur nach einer Annahme in einer solchen Abstimmung in Kraft. Dies soll der Fall sein bei allen Änderungen der EU-Verträge bzw. einer EU-Verfassung und wenn die EU Hoheitsrechte an internationale Organisationen abgibt.

4.) Virtuelle Bürgerkammer:

Um Europäische Bürgerinitiativen vor, während und nach ihrer Durchführung umfassend in der gesamteuropäischen Öffentlichkeit erörtern zu können, wird eine an das Europa-Parlament angeschlossene virtuelle „Europäische Bürgerkammer“ eingerichtet. Jeder Einwohner der Europäischen Union ist berechtigt, an ihr teilzunehmen. Unter Zuhilfenahme der beim EP beschäftigten Sprachübersetzer sollen Angehörige von EU-Einrichtungen ebenso wie Wissenschaftler und Interessengruppen ihre Standpunkte vorstellen.

Die Bürgerkammer dient auch der kritischen Reflexion von Initiativen, die nicht mittels einer EBI eingebracht werden, sondern von EU-Organen stammen. Die Bürgerkammer soll die Möglichkeit bieten Vorlagen zu diskutieren, Meinungsbilder zu erheben sowie offizielle Unterschriftensammlungen im Rahmen Europäischer Bürgerinitiativen und Fakultativer Referenden durchzuführen.

Antragsbegründung

Zu 1.) Die Kommission verliert ihr alleiniges Initiativrecht für europäische Rechtsakte. Das direkt von den Bürgern gewählte Europa-Parlament (EP) erhält endlich das Recht, selbst Initiativen zu Rechtsakten zu ergreifen (LQFB-Meinungsbild: https://lqfb.piratenpartei.de/lf/initiative/show/3683.html ). Eine ablehnende Haltung der Kommission oder des Ministerrates zu bestimmten Initiativen hat keinerlei Einfluss auf die Gesetzgebung. Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) stellt keine Aufforderung mehr an die Kommission dar, eine Gesetzesinitiative zu ergreifen - sie ist bereits eine. Der Ministerrat überträgt sein Beschlussrecht an die neue zweite Kammer des Parlaments (siehe Punkt 2). Es findet nach Verabschiedung eines Rechtsaktes durch das EP oder durch Bürgerentscheid keine weitere Beschlussfassung in den Parlamenten der Mitgliedstaaten statt.

Zu 2.) Die Anzahl der den einzelnen Mitgliedstaaten im bisherigen EP zustehenden Sitze folgt dem Grundsatz der "degressiven Proportionalität". Diese bewirkt, dass für die Wahl eines Abgeordneten aus bevölkerungsarmen Mitgliedstaaten weitaus weniger Bürger stimmen müssen als in bevölkerungsreichen Ländern. Die Bürger Maltas oder Luxemburgs sind also gewissermaßen überrepräsentiert und besitzen über ihre Abgeordneten mehr Einfluss im Parlament als die Bürger Italiens, Frankreichs oder Deutschlands. Dadurch wird der Grundsatz der Stimmengleichheit verletzt, weshalb eine Reform die Bevölkerungsstärken in der ersten Kammer des Parlaments möglichst exakt widerspiegeln soll (LQFB-Meinungsbild: https://lqfb.piratenpartei.de/lf/initiative/show/3682.html ). Ein größeres Gewicht, als es ihnen nach der Bevölkerungszahl eigentlich zusteht, besitzen die "kleinen" Mitgliedstaaten schließlich bisher im Ministerrat und nach dessen Beschlussrechtsübertragung in der zweiten Kammer des EP. Außerdem sollen die Bürger nicht die Kandidatenauswahl der Parteien übernehmen müssen, sondern durch eine Vorzugsstimme, Panaschieren und Kumulieren oder andere Formen des personalisierten Wahlrechts Einfluss darauf nehmen können, welche konkreten Personen sie im EP repräsentieren. Deren unterschiedliche Ansichten und Prioritäten können die Gesetzgebung schließlich ganz erheblich beinflussen. (Bezug: Art. 223 AEUV)

Die zweite Kammer, die Staatenkammer, setzt sich aus Vertretern der Legislative aus den einzelnen Mitgliedstaaten zusammen. Diese können auch aus regionalen Parlamenten stammen, was den Subsidiaritätsgedanken fördert. Da die Vertreter eines Mitgliedstaates in der Staatenkammer immer per Mehrheitsbeschluss des nationalen Parlaments gewählt werden müssen, wird es sich stets um solche Abgeordnete handeln, die den jeweils auf nationaler Ebene amtierenden Regierungsparteien angehören bzw. um Parteifreunde aus den Regionalparlamenten. Dadurch ist die Verantwortlichkeit für das Abstimmverhalten im EP klar erkennbar.

Die Staatenkammer dient der Wahrnehmung länder- und regionenspezifischer Interessen. Dass bisher Vertreter der nationalen Regierungen im Ministerrat ein Gesetzgebungsrecht hatten, stellt nicht nur einen Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung dar. Die demokratische Legitimation ist bei Abgeordneten ungleich größer als bei Regierungsangehörigen, denn sie werden zum einen direkt von den Bürgern gewählt, zum anderen erhalten sie ihr Mandat genau für den Zweck gesetzgeberisch tätig zu sein. Die Dominanz der Exekutive in der EU wird so durch einen erstarkten Parlamentarismus abgelöst.

Die Anbindung der Staatenkammer an die Parlamente in den Mitgliedstaaten ist sehr eng, und zwar von Beginn einer Gesetzesinitiative an. Das Mitentscheidungsrecht, wahrgenommen über deren Vertreter in der Staatenkammer, steigert ihren europapolitischen Einfluss im Vergleich z.B. zum bisherigen Beratungsrecht und zur Möglichkeit der Subsidiaritätsrüge erheblich. Die Rolle der nationalen Parlamente beschränkt sich nicht mehr im Wesentlichen auf die Umsetzung bereits beschlossener EU-Richtlinien.

In der Praxis würden Abgeordnete, die in den jeweiligen Fachausschüssen der nationalen (und regionalen) Parlamente arbeiten, anlässlich der EP-Ausschusssitzungen und Plenarsitzungen nach Brüssel bzw. Straßburg reisen. Dort geben sie auf Grundlage vorheriger Beratung mit den anderen Abgeordneten ihres nationalen (oder regionalen) Parlaments ihre Stimme ab. Ansonsten koordinieren sie sich vom Heimatland aus mit den anderen zuständigen Abgeordneten der Mitgliedstaaten. Ihr Hauptarbeitsplatz befindet sich also weiterhin in den nationalen (und regionalen) Parlamenten.

Zu 3.) Diese drei Formen der direkten Demokratie entsprechen den altbewährten Regelungen in der Schweiz. Bei der EBI haben sich bereits Schwachstellen in Form von Bürokratie und Kosten gezeigt (z.B. bei der Zertifizierung von Online-Unterschriftensammelsystemen), weshalb ein Hürdenabbau angezeigt ist.

Zu 4.) Diese Bürgerkammer orientiert sich am Forum und am Liquid Feedback der Piratenpartei. Sie geht aber insofern darüber hinaus, als sie die Diskussion über konkrete Entwürfe für Rechtsakte durch Beiträge von EU-Institutionen (EP, Kommission, Rat, Europäischer Rechnungshof etc.), aus der Wissenschaft und von Gruppierungen mit einschlägiger Expertise bereichert. Über Textforen ebenso wie durch Mumble- oder Skype-Sitzungen können Bürger aller Mitgliedstaaten untereinander sowie mit EU-Mandats- und Amtsträgern kommunizieren. Dabei wird punktuell auf Dolmetscher und Übersetzer des EP zurückgegriffen. Durch diese Förderung einer europäischen Öffentlichkeit soll die Kluft zwischen Bürgern und EU verkleinert und die Nähe zur Europa-Politik vergrößert werden. Die erwähnten Unterschriftensammlungen für EBIs und Referenden können per elektronischer Signatur direkt über die Internetseite der Bürgerkammer erfolgen, darüber hinaus durch Download von Unterschriftsbögen, die handschriftlich ausgefüllt werden. (LQFB-Meinungsbild: https://lqfb.piratenpartei.de/lf/initiative/show/3744.html )

Diskussion

  • Vorangegangene Diskussion zur Antragsentwicklung: {{{diskussionVorher}}}
  • [{{{antragsdiskussion}}} Pro-/Contra-Diskussion zum eingereichten Antrag]


Konkurrenzanträge