Antrag:Bundesparteitag 2012.2/Antragsportal/PA114

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Antrag für den Bundesparteitag 2012.2. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich

Wende dich bei Fragen und (als Antragsteller) Änderungswünschen an ein Mitglied der Antragskommission.

Tango-dialog-warning.svg Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den Bundesparteitag eingereichter Antrag.

Antragsübersicht

Antragsnummer PA114
Einreichungsdatum
Antragsteller

Konrad Erzberger

Mitantragsteller
Antragstyp Grundsatzprogramm
Antragsgruppe Wirtschaft und Finanzen
Zusammenfassung des Antrags Stärkere Belastung der großen Vermögen; Entlastung kleinerer Vermögen
Schlagworte Erbschaftsteuer, Vermögensverteilung, Steuergerechtigkeit, Wirtschaftskrise
Datum der letzten Änderung 01.11.2012
Status des Antrags

Pictogram voting question.svg Ungeprüft

Abstimmungsergebnis

Pictogram voting question.svg Noch nicht abgestimmt

Antragstitel

Reform der Erbschaftsteuer

Antragstext

Die Piratenpartei nimmt an geeigneter Stelle in ihr Wahlprogramm auf:

Zur Bekämpfung der wachsenden Ungleichheit von Arm und Reich, setzt sich die Piratenpartei dafür ein, dass die Erbschaftsteuer für große Vermögen maßvoll angehoben und für kleinere Vermögen etwas verringert wird. Der Freibetrag wird auf 500.000 Euro erhöht, die bewährten Ausnahmen für Eigenheime und Familienbetriebe bleiben unangetastet.

(§ 19 des Erbschaftsteuergesetzes wird in seinem ersten Absatz wie folgt neu gefasst:

Altregelung: Wert des steuerpflichtigen Erwerbs (§ 10) bis einschließlich … Euro Prozentsatz in der Steuerklasse I II III

75 000 7 15 30 300 000 11 20 30 600 000 15 25 30 6 000 000 19 30 30 13 000 000 23 35 50 26 000 000 27 40 50 über 26 000 000 30 43 50

Neuregelung: Wert des steuerpflichtigen Erwerbs (§ 10) ab … Euro Prozentsatz in der Steuerklasse I II III

500 000 20 30 40 5 000 000 30 40 50 15 000 000 40 50 60

Antragsbegründung

Liebe Piraten,

vordergründig handelt der Antrag von Steuersätzen. Es geht jedoch weniger um die Steuersätze der Erbschaftsteuer, als die Frage, ob und wie Vermögen in unserer Gesellschaft gerecht verteilt ist und wird.

Einerseits sollte sich der Staat hüten, in den Grundbestand der Existenzsicherung und den intimen Bereich der Familienordnung einzudringen. Andererseits zählt durchaus zu den Aufgaben des Staates, für das Wohl seiner Bevölkerung und einen stabilen sozialen Frieden, sprich für eine gerechte Vermögensverteilung und Chancenangleichung zu sorgen und geeignete Abwehrmaßnahmen zu treffen, falls der soziale Frieden gefährdet ist. Der Staat darf nicht zulassen, dass die Gesellschaft in Arm und Reich zerfällt, ihn treffen Schutzpflichten.

Mein Eindruck ist: Unser Land wird - wie so oft in Zeiten allgemein-friedlichen Fortschritts - zunehmend feudal. Schleichend bilden sich privatwirtschaftliche Oligopole und es kommt zu Kapitalkonzentrationen in den Händen weniger. Die Schere von Arm und Reich geht immer weiter auseinander und die jüngste Wirtschaftskrise hat diesen Trend nicht gebremst, sondern vielmehr beschleunigt. Dieser Prozess geht über Jahrzehnte und hat bereits begonnen und wird sich zuspitzen, wenn wir nichts unternehmen.

Die Deutschen horten 9 Billionen Euro Privatvermögen. Laut eines ARD-Berichts (Link s.u.) gehört davon die Hälfte nur einer Minderheit von 1 % der Bevölkerung; laut der Bundeszentrale für politische Bildung gehört 10 % der Bevölkerung über 60 % des Privatvermögens (Link s.u.). 2010 kam eine Studie des DIW zu dem Ergebnis, dass zwischen 2000 zu 2009 die unteren Gehälter sanken, während die mittleren und oberen Gehälter stiegen (Link s.u.). Eine weitere Studie der Vermögensverwaltung Merrill Lynch und der Beratungsgesellschaft Capgemini belegte 2010, dass die Zahl der Millionäre weltweit stark und stetig zunimmt (Tagessschau.de, Link s.u.).

Wir wissen aus der Forschung, dass das subjektive Glück nur in den Mittel- und Niedriglohnsektoren positiv mit dem jährlich verfügbaren Einkommen steigt und dass ab einem bestimmten Einkommen das von Bürgern empfundene Glück _nicht_ mehr signifikant steigt. Wir wissen, dass die Aufstiegschancen junger Menschen von den Einkommensverhältnissen der Eltern abhängen. Und wir wissen, dass Länder mit gleicherer Vermögensverteilung glücklichere Bürger haben, als solche Länder, in denen ungleichere Vermögensverhältnisse vorherrschen.

Im Ausgangspunkt sollte jeder bekommen, was ihr oder ihm gebührt, was man sich "verdient" hat. Wir gehen von einer "meritokratischen" Gesellschaft aus, einer Gesellschaft also, bei der Leistung belohnt wird. Ich frage euch: Was ist daran "verdient", wenn jemand Millionen erbt?

Klar, jetzt kann man einwenden: Der Erblasser hat das Geld schon zu Lebzeiten versteuert und außerdem selbst erarbeitet und er sollte es doch in der Familie konservieren dürfen. Ja, richtig, das ist nicht von der Hand zu weisen. Dennoch ist hier eine Abwägung zu treffen zwischen den berechtigten Interessen von Individuen (hier: Erblasser und Erben) und den Interessen der Gesellschaft als solche. Insofern ist zu bemerken, dass das Interesse auf Seiten reicher Erblasser vermutlich stabil geblieben ist, während das gesellschaftliche Bedürfnis nach Gleichheit in den letzten Jahren stark wuchs (siehe oben). Daher plädiere ich für eine Reform der Erbschaftssteuer.

Zuletzt rechtfertigen auch verfassungsrechtliche Erwägungen eine Reform der Erbschaftssteuer zulasten großer und zugunsten kleiner Vermögen. Art 14 Abs. 1 Satz 2 GG gestaltet die in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 gewährte Eigentumfreiheit sowie die Institutsgarantie des Erbrechts als grundsätzlich einschränkbar aus. Art. 14 Abs. 2 GG ordnet die Gemeinschaftsbindung allen Eigentums an. Auch die vom BVerfG 1995 (NJW 1995, 2624) gesetzten Leitlinien werden mit der vorgeschlagenen Reform eingehalten: "Die Ausgestaltung und Bemessung der Erbschaftsteuer muß (1) den grundlegenden Gehalt der Erbrechtsgarantie wahren, zu dem die Testierfreiheit und das Prinzip des Verwandtenerbrechts gehören; (2) sie darf Sinn und Funktion des Erbrechts als Rechtseinrichtung und Individualgrundrecht nicht zunichte oder wertlos machen.". Es wird auch nach der hierin vorgeschlagenen Reform die Möglichkeit zur Erbschaft bis gleich oder größer 40 % und eine Privilegierung naher Angehöriger geben. Also ist der grundlegende Gehalt der Institutsgarantie unangetastet. Auch Sinn und Zweck einer Erbschaft entfallen mit der Reform nicht. Weiterhin können Erblasser unbeschränkt Vermögen vererben. Insbesondere bleiben die Ausnahmeregelungen für Familienheime bestehen. Für geringere Vermögen wird das Erbrecht sogar ausgeweitet, weil der Steueranspruch laut Vorschlag verringert wird. Die Staatsquote wird daher nicht unbedingt steigen.

LG Konrad


Links:

§ 19 ErbStG - Steuersätze - http://www.gesetze-im-internet.de/erbstg_1974/__19.html

Art. 14 GG - http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_14.html

Vermögensverteilung (Grafik BPB) - http://www.bpb.de/wissen/U4CJQA,0,0,Verm%F6gensverteilung.html

Deutsche Welle - Kluft zwischen Arm und Reich wächst (DIW-Studie) - http://www.dw.de/dw/article/0„5686427,00.html

Die Story im Ersten: Die Welt auf Pump (ARD Mediathek) - http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=9798848

Studie zur weltweiten Einkommensverteilung: Mehr Reiche als vor der Finanzkrise - http://www.tagesschau.de/wirtschaft/millionaere100.html

Georg Schramm - Ästhetik der Vermögensverteilung - http://youtu.be/sOgQbx9Ry9s

(p.s.: Zwischenzeitlich wurde mehrfach vorgeschlagen, die Steuerstufen durch eine flexible Formel zu ersetzen. Vgl. etwa http://wiki.piratenpartei.de/Diskussion:LiquidFeedback/Themendiskussion/2068#Formel_finden. Dagegen bestehen meines Erachtens keine Einwände, da jedenfalls für mich das Ziel wichtiger ist als das konkrete (Berechnungs-)Mittel.)

Diskussion

  • Vorangegangene Diskussion zur Antragsentwicklung: {{{diskussionVorher}}}
  • [{{{antragsdiskussion}}} Pro-/Contra-Diskussion zum eingereichten Antrag]


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