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Fragen und Antworten zur Staatsverschuldung

Das Ziel auf dieser Seite ist, leicht verständlich die Vorgänge zu beschreiben. Praktisch, auch ein Leitfaden für diejenigen, die sich nicht täglich mit Wirtschaft beschäftigen. (Keine offizielle Meinung der Piratenpartei) Benedikt Weihmayr April 2012)



Wie und warum entsteht Staatsverschuldung?

Der Staat emittiert Staatsanleihen über die Bietergruppe von Banken. Diese Banken schöpfen das Geld per Bilanzverlängerung und schreiben es dem Staat gut. Über die Ausgaben des Staats gelangt das Geld an private Unternehmen und Haushalte. Diese häufen Einnahmeüberschüsse an, welche damit wiederum über Finanzprodukte wie Lebensversicherungen die Staatsanleihen aus den Banken herauskaufen. Der Staat, setzt also mit Geld Anreize für die Bürger, Investitionen zu tätigen oder Dienstleistungen zu vollbringen, die der Privatsektor nicht selbständig tätigen würde. Auch sorgt der Staat für eine Verstetigung des Konjunkturverlaufs, indem er antizyklische Makropolitk betreibt. Dies bedeutet, dass er in einem Abschwung oder einer Rezession, Kredite aufnimmt, um die Wirtschaft am laufen zu halten und Arbeitsplätze zu sichern. In einem Aufschwung oder Boom, führt der Staat die Verschuldung durch die steuerlichen Mehreinnamen zurück, jedoch gelang dies in der Historie kaum. Die Staatsverschuldung setzt sich aus der Verschuldung von Bund, Länder und Kommunen zusammen. 1, 2

Wie aussagekräftig ist der Schuldenstand?

Die alleinige Betrachtung der Staatsverschuldung einer Volkswirtschaft, ohne andere Kennzahlen und Indikatoren zu betrachen, ist wenig aussagekräftig. Griechenland ist mit ca 140% Verschuldung zum BIP zahlungsunfähig geworden, hingegen hat Japan mit seiner über 200% Verschuldungsquote, keine gravierenden volkswirtschaftlichen Probleme.



Was lief in Griechenland falsch?

Griechenland hat ein sogenanntes doppeltes Defizit, nämlich ein öffentliches Haushaltsdefizit und ein Handelsbilanzdefizit. Ein Handelsbilanzdefizit bedeutet, dass die Volkswirtschaft mehr Waren aus dem Ausland importiert, als sie exportiert. Sie lebt über ihre Verhältnisse. Durch die Einführung des Euro wurde der Wechselkursmechanismus zwischen den Euro-Ländern aufgehoben, was diese divergente Entwicklung befördert hat. Ein weiterer Grund ist auch, dass ein großer Anteil an Staatsanleihen in ausländischen Händen ist, was den Druck zusätzlich erhöht. Zudem herrscht in Griechenland Korruption und ein mangelndes Staatswesen, was die Steuereinnahmen erheblich vermindert. Schneller steigende Lohnkosten als in anderen Euroländern hat die Krisenentwicklung zusätzlich angeheizt. 3,4



Weshalb hat Japan einen hohen Schuldenstand?

Japan durchlief eine sogenannte Bilanzrezession. Nach dem Platzen der dortigen Vermögenspreis-Blase, versuchten die privaten Haushalte und Unternehmen ihre Verschuldung zurückzuführen. Dies führte jedoch zu fehlendem Konsum und Investitionen. Dafür musste der Staat einspringen, um eine laufende Wirtschaft und niedrige Arbeitslosigkeit halten zu können. Dies führte zu langfristigen strukturellen öffentlichen Haushaltsdefiziten, und einem Schuldenstand von über 200% zum BIP. Jedoch konnte Japan dadurch eine positive Handelsbilanz, einen guten Währungsaussenwert und niedrige Arbeitslosigkeit halten. Ebenso werden die Staatsanleihen von der inländischen Bevölkerung gehalten, was die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung erhöht. 5, 6



Kann die USA pleite gehn?

Die USA hat ebenso wie Griechenland ein doppeltes Defizit, jedoch besteht dort ein wichtiger Unterschied. Die US Regierung kann über ihre eigene Notenbank (FED), praktisch selbst Geld emittieren, sie ist monetär souverän. Die Fed hat nämlich im Gegensatz zur EZB, neben der Geldwertstabilität, noch ein anderes Mandat: einen hohen Beschäftigungsstand und moderate langfristige Zinsen. Auf lange Zeit gesehen, wird dies natürlich auch nicht gut gehen können, falls sie ihre Wirtschaft (Handelsbilanz) nicht in den Griff bekommen(Wettbewerbsfähigkeit). Sie können also nur pleite gehn, durch einen generellen Vertrauensschwund in den Dollar, der aus einer zu schwachen Wirtschaft resultiert. Eine Insolvenz, aufgrund fehlender Nachfrage des Privatsektors nach Staatsanleihen, ist ausgeschlossen. Ebenso haben im Übrigen auch Volkswirtschaften wie Japan und das Vereinigte Königreich diesen erweiterten Spielraum ihrer Notenbank. 7



Was ist mit der Generationengerechtigkeit?

Das Argument der Generationengerechtigkeit fällt im Zusammenhang einer Schuldenbremse häufig. Doch es wird dabei nicht beachtet, dass den Staatsschulden die Geldvermögen in gleicher Höhe gegenüberstehn. So werden nicht nur die Staatsschulden weitervererbt, sondern auch die Staatsanleihen. Es ist also wenn dann eine Frage der Verteilung. Die Schulden des Staates sind die Guthaben der privaten Haushalte und Unternehmen, sowie ggf. des Auslands. Somit sind Staatsschulden nichts anderes als nicht erhobene Steuern. Auch muss man beachten, dass Sparen in Lebensversicherungen und betriebliche Renten, die Nachfrage nach Staatsverschuldung zusätzlich anregt. Je höher die Sparquote, desto höher die Verschuldung im System.



Was ist mit der "schwäbischen Hausfrau"?

Politiker, allen voran Angela Merkel, propagieren das Bild der schwäbischen Hausfrau als zukünftiges Ideal der Staatsfinanzen. Jedoch sind Sie in die sogenannte Rationalitätenfalle getappt. Wenn jedes Wirtschaftssubjekt versucht Verschuldung abzubaun, und Guthaben aufzubaun, wird dies in einer Depression enden (Sparparadoxon). Nicht umsonst hat, wie oben schon beschrieben, Japan einen derart hohen Schuldenstand. Was für einen einzelnen Wirtschaftsteilnehmer sinnvoll erscheint, darf man nicht zwingend auf die Summe der Wirtschaftsteilnehmer anwenden. Zum Thema Globalsatz und Partialsatz hat Jörg Buschbeck eine gute Zusammenfassung verfasst. (Link8) 8 9 10



Was ist mit der Schuldenbremse?

Eine fiskalpolitische Regelung zwischen den Euroländern ist notwendig und sinnvoll, da der Aussenwert des Euros jedes einzelne Mitgliedsland betrifft. Ebenso die bessere wirtschaftliche Zusammenarbeit, welche im Fiskalpakt vereinbart ist. Jedoch ist die deutsche (Grundgesetz) und die europäische (Fiskalpakt) Schuldenbremse nicht flexibel genug, um Bilanzrezessionen langfristig bekämpfen zu können. Ebenso sind die darin verfassten Regelungen, völlig willkürlich und dogmatisch. Zum Beispiel die anvisierte Schuldenquote von 60% zum BIP, basiert auf der optimale Zinslastquote, jedoch werden bei dieser Betrachtung andere Finanzierungsmöglichkeiten, wie zb. zinslos über die Zentralbank ausgeblendet. Denn wenn die Höhe des Schuldenstands, bei Ausblendung der Zinsen, keine negativen Effekte ausweist, weshalb verschreibt man sich solch einem Dogma? Und auch der Rat der Wirtschaftsweisen der Bundesregierung ist sich in dieser Frage alles andere als einig. Deshalb müssen wir eine piratige Schuldenbremse entwickeln, die undogmatisch und progressiv die Staatsfinanzen in der Eurozone regelt.



Bedeutet die jetzige Schuldenbremse den Abbau des Sozialstaates?

Ja, aber nur wenn die Einnahmenseite des Staates nicht verbessert wird. Bei der europäischen und deutschen Schuldenbremse kann die Erhaltung des Sozialstaats nur über höhere Besteuerung von Vermögenden und hohen Einkommen erreicht werden. Ob dies gesellschaftlich gewünscht ist, ist fraglich. Staatsdefizite wirken wie eine Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit und lenken die Gelder an den richtigen Ort. Wenn Defizite nicht mehr ermöglicht werden, muss das vorhandene Geld eingetrieben werden. Ich halte Defizite für eine politisch angenehmere Lösung als hohe Steuern, aber das ist letzten Endes eine persönliche Frage. Interessant ist nebenbei auch zu erwähnen, dass einer der weltweit größten Unternehmensberatungen, die Boston Consulting Group, eine Studie veröffentlicht hat, welche gravierende Maßnahmen fordert. Darin enthalten sind eine Steuer auf flüssiges Vermögen von 33%, mit einem Freibetrag von 100.000 Euro, eine Vermögensabgabe auf Immobilien und der Erlass aller Schulden um 30%. 11




Gibt es andere Finanzierungsmöglichkeiten als über private Banken?

Ja die gibt es. Über die Notenbank, wie es zum Teil im angelsächsischen Raum und in Japan geschieht, diese es jedoch nicht voll unabhängig betreiben. Möglich wäre dies in der Eurozone über die EZB, welche in der Höhe der Schuldenbremsen zinslose Kredite vergibt. Dadurch ist auch das Gegenargument der "Inflationierung" vom Tisch. Denn durch die unabhängige Ausgabe der Notenbankredite bis in Höhe der Schuldenbremse an die Regierung, ist Missbrauch ausgeschlossen. Diese Idee wird von einigen Ökonomen vertreten, beinhaltet aber nicht die generelle Aufhebung der Geldschöpfung in privaten Händen, was von einigen ebenso gefordert wird. Es würde jedoch der "Free Lunch" der Banken in puncto Staatsfinanzierung wegfallen, was einen wesentlichen Vorteil zur jetzigen Finanzierung darstellt. Ein weiterer Punkt ist, dass durch die Notenbankkredite der ESM überflüssig wird, welcher nur die Stabilisierung der Staatsanleihenmärkte zum Ziel hat, was das Risiko für Banken und Gläubiger vermindert. 12

Links

  1. http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/ThemaGegenwaertigesGeldsystem#Wenn_eine_Bank_ein_neuemittiertes_Wertpapier_von_einer_Nichtbank_kauft.3F_.28z.B._eine_Staatsanleihe.29
  2. http://www.bundesbank.de/download/kredit/kredit_bietergruppe_mitglieder.pdf
  3. http://de.wikipedia.org/wiki/Zwillingsdefizit
  4. http://www.cesifo-group.de/portal/page/portal/ifoContent/N/politikdebatte/ifospezial/spezialgreekcont/special-greek-facts.pdf
  5. http://blog.zeit.de/herdentrieb/2009/02/19/reden-wir-uber-bilanzrezessionen_652
  6. http://www.welt.de/wirtschaft/article7810585/Oekonom-preist-japanische-Schulden-als-vorbildlich.html
  7. http://www.youtube.com/watch?v=q6vi528gseA
  8. http://www.global-change-2009.com/blog/bildwechsel-global-change-im-okonomischen-denken-von-der-partialsatzokonomie-zur-globalsatzokonomie/2011/09/
  9. http://de.wikipedia.org/wiki/Rationalit%C3%A4tenfalle
  10. http://de.wikipedia.org/wiki/Sparparadoxon
  11. http://www.bcg.com/documents/file87307.pdf
  12. http://de.wikipedia.org/wiki/Currency-Theorie
  13. http://www.youtube.com/watch?v=mfKuosvO6Ac (Wege aus der Euro-Krise - Prof. Dr. H. Flassbeck)