AG SGB II.0/Kleine Anfrage: Aufstockung von Alg1 mit Alg2
- Schriftliche bzw. Kleine Anfrage aus der Werkstatt der AG SGB II.0.
- Hashtag: #Alg2auf1
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
Bei der vorliegenden Anfrage geht es um Fallkonstellationen wie diese:
- Nehmen wir an, eine leistungsbeziehende Bürgerin hätte einen Grundsicherungsbedarf in Höhe von EUR 900 und einen Anspruch auf Alg1 in Höhe von EUR 700. Das Alg1 wird am Ende des Monats gezahlt, weil es sich um eine Lohnersatzleistung handelt. Da der Grundsicherungsbedarf durch das Alg1 nicht gedeckt ist, besteht zusätzlich Anspruch auf Alg2 in Höhe von EUR 200. Das Alg2 wird am Anfang des Monats gezahlt.
Mit der Alg2-Zahlung am Monatsanfang wäre in der Regel schon keine pünktliche Mietzahlung möglich, ganz zu schweigen von Ernährung.
Gesetzgeber und Verwaltungsidealisten spekulieren hier darauf, dass am Beginn des Leistungsbezuges noch das Arbeitsentgelt aus dem Vormonat zur Verfügung stehe und davon Miete gezahlt werden könne, doch ist das oft genug tatsächlich nicht der Fall, denn die geschilderte Fallkonstellation kann nur durch vorherige prekäre Beschäftigungsverhältnisse entstehen und die letzte Zahlung des Arbeitsentgeltes erfolgt in solchen Fällen oft verzögert oder erst nach Klageerhebung.
Nehmen leistungsberechtigte Bürger_innen ein Darlehen vom SGB-II-Grundsicherungsträger in Anspruch, um diese Deckungslücke zum gesetzlichen Existenzminimum zu überbrücken, muss dieses anschließend in monatlichen Raten, die den Bürger_innen von der Alg2-Zahlung abgezogen werden, zurückgezahlt werden.
Die Höhe dieser Raten beträgt 10 % der Hilfen zum Lebensunterhalten, entspricht also rechnerisch einer 10 %igen Sanktion — nur dass dieser Zustand nicht drei Monate, sondern ein Mehrfaches (!) dieser Zeitspanne dauern kann und objektiv nachprüfbar die leistungsberechtigten Bürger_innen regelmäßig in große wirtschaftliche Risiken stellt.
In der Vergangenheit wurden bereits Sozialrechtsstreite wegen dieser Art Darlehenstilgung von der Regelleistung erfolgreich geführt, und zwar im Zusammenhang mit der Rückzahlung von Kautionsdarlehen der »JobCenter«. Daraufhin wurde noch unter Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyens die Gesetzeslage etwas angepasst, um die von den Gerichten gestoppten Darlehenstilungen wieder zu zuzulassen. Vgl. hierzu
Ob das gesetzliche Existenzminimum in mehrere verschiedene Existenzminima unterteilt werden kann (vielen Verfassungsrechtler_innen gelingt hier eine Unterscheidung, die sie für feinsinnig halten mögen, in ein »absolutes Existenzminimum« und ein »soziokulturelles Existenzminimum«, was bereits logisch keinen Sinn macht, da es kein absoluteres Minimum als das Minimum geben kann), von deren einem dann »ein bißchen Darlehen« abgezahlt wird, braucht hier nicht erörtert zu werden, da auch Heinrich Alt klar sagt: Es ist nicht möglich, dauerhaft vom Regelsatz […] zu leben, ohne Schulden zu machen:
(Das Interview von Dezember 2011, auf das sich SpON bezieht, scheint im Original nicht mehr online zur Verfügung zu stehen; SpON zitiert hier jedoch zutreffend: Heinrich Alt wurde das Zitat inzwischen mehrmals in anderen Interviews, z.B. bei Stern TV, entgegengehalten und von ihm nicht bestritten.)
Das leuchtet sogar einem Teil der Sozialdemokratie ein, weshalb auf Antrag der SPD-Fraktion die Bezirksverordnetenversammlung Marzahn-Hellersdorf von Berlin empfahl, die Auszahlung von Alg2 und Alg1 auf einen Termin zusammenzufassen:
Durch eine Kleine Anfrage erinnerte die Fraktion DIE LINKE bisher vergeblich nach einem halben Jahr an die Erledigung dieser Sache:
Mögliche rechtliche Ansatzpunkte für die Zusammenfassung der Alg2- und Alg1-Zahlung sind die Bestimmungen des Sozialgesetzbuches zur Verrechnung und Abtretung von Leistungsansprüchen zwischen den Trägern gesetzlicher Sozialleistungen:
Eine ähnlich gelagerte Fallkonstellation ist die – durchaus nicht seltene – Abtretung von Insolvenzgeldansprüchen an den SGB-II-Grundsicherungsträger. Auch Insolvenzgeld wird als Entgelt-Ersatzleistung am Ende des Monats gezahlt. In solchen Fällen zahlen SGB-II-Grundsicherungsträger oft das Alg2 in Höhe des tatsächlichen Bedarfs (abzgl. evtl. vorhandenen, anrechenbaren Einkommens) und ziehen das Insolvenzgeld von der Bundesagentur ein.
Bei nüchterner Betrachtung kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass der bisherige Zwang, vom SGB-II-Grundsicherungsträger ein Darlehen zur Überbrückung der Zahlungstermine von Alg2 und Alg1 zu nehmen, und dieses dann monatelang vom Existenzminimum abzustottern, leicht vermeidbar Teilhabe bereits aus rein operativen Gründen einschränkt.
Daher ist die bisherige Verfahrensweise abzulehnen und auf ihre Überwindung durch konkrete Schritte hinzuwirken.
Im Anfrageentwurf Begriff »Bürger_in« nicht im Sinn des engen deutschen Staatsbürgerschaftsrechts, sondern allgemein mit der politischen Bedeutung »Mitglied des örtlichen Gemeinwesens« verwendet. Er umfasst vorliegend also auch Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit oder ohne Hauptwohnsitz in der Kommune.
Vorgeschlagener Text der Anfrage
Übermittelt an kommunale Mandatsträger_innen über OpenAntrag.de:
Es wird höflich gebeten, folgende Schriftliche bzw. Kleine Anfrage einzubringen (sofern die Geschäftsordnung beide Mittel vorsieht, vorzugsweise als Schriftliche Anfrage):
»Betr.: Grundsicherungsträger # [Trägernummer] / ›JobCenter‹ [Gemeindename]
Arbeitslosengeld 1 wird als Entgelt-Ersatzleistung am Ende des Kalendermonats gezahlt; Arbeitslosengeld 2 als Transferleistung hingegen am Anfang des Kalendermonats.
Bei Bürger_innen, die Arbeitslosengeld 1 (Alg1) und zusätzlich hierzu Arbeitslosengeld 2 (Alg2) beziehen, entsteht durch die unterschiedlichen Auszahlungstermine eine Lücke zwischen der Auszahlung des Alg2 und der Auszahlung des Alg1, obwohl aus der Tatsache des Bezuges von Alg2 – wenn er auch nur ergänzend sein mag – unmittelbar folgt, dass die betreffenden Bürger_innen am gesetzlichen Existenzminimum leben.
Dies vorausgeschickt, frage[n] [ich/wir] die Verwaltung:
1 — Welche Hilfe bietet der eingangs bezeichnete Grundsicherungsträger im Regelfall den in dieser Situation stehenden Bürger_innen an?
2 — Hält der eingangs bezeichnete Grundsicherungsträger für möglich,
- sich im Regelfall den Anspruch der betreffenden Bürger_innen auf Alg1 von ihnen abtreten zu lassen,
- die Grundsicherung jeweils in voller anerkannter Bedarfshöhe am Monatsanfang auszuzahlen und
- die in Frage stehende Alg1-Zahlung von der Bundesagentur für Arbeit jeweils am Ende des Monats einzuziehen,
sodass für die betreffenden Bürger_innen zu keinem Zeitpunkt eine Deckungslücke zum gesetzlichen Existenzminimum entsteht?
2.a — Wenn ja: Ist dies bereits gängige Praxis bzw. ab wann soll dies gängige Praxis werden?
2.b — Wenn nein: Aus welchen rechtlichen und tatsächlichen (›praktischen‹) Gründen wird dies nicht für möglich gehalten?«
Antworten der öffentlichen Verwaltungen
Vorbemerkung
Die Anfrage wurde von mehreren piratischen Fraktionen bzw. Gruppen in den kommunalen Volksvertretungen übernommen.
Die nachfolgend dokumentierten Antworten sind genau zu lesen und mit Vorsicht zu genießen. Sie stellen keine abschließenden, unangreifbaren Standpunkte dar, sondern müssen kritisch betrachtet werden, um weitere Schritte zu planen.
Regionaldirektion Hessen
Stadtverordnetenversammlung Offenbach am Main
- Das »JobCenter« der Stadt Offenbach (»Main.Arbeit Offenbach«) ist ein »zugelassener kommunaler Träger«.
- Vorsicht vor Verwechslungen: Der Landkreis Offenbach hat ein eigenes »JobCenter«, das ebenfalls »zugelassener kommunaler« Träger ist.
- Die Piratenfraktion der Stadt Offenbach hat die Anfrage mit Ergänzungen eingereicht, eine Antwort liegt jedoch noch nicht vor.
- Quelle: http://openantrag.de/offenbach/grundsicherung-in-voller-anerkannter-bedarfshoehe-bei-aufstockung-von-alg1-mit-alg2
Regionaldirektion Niedersachsen/Bremen
Rat der Stadt Braunschweig
- Das »JobCenter« der Stadt Braunschweig ist eine »gemeinsame Einrichtung«.
- Quelle: http://pirat.ly/4vgs8
27. März 2014
Jobcenter BS
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Schreiben vom 19. März 2014 haben Sie um Mitteilung des Sachstands zu den nachfolgenden Fragen in Bezug auf das Jobcenter Braunschweig gebeten.
1. Welche Möglichkeiten kurzfristiger Hilfen (auch finanzieller Art) gibt es für von Armut bedrohte oder betroffene Bürger in Braunschweig und welche Stellen sind für die Gewährung zuständig?
Wenn laut Fragestellung »von Armut bedroht oder betroffen« mit »Mittellosigkeit« gleichbedeutend ist, ist das Jobcenter Braunschweig für kurzfristige Hilfen zuständig, sofern die hilfesuchende Person (glaubhaft versichert) in Braunschweig gemeldet ist. Weiter darf der Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nicht gesetzlich ausgeschlossen sein, wie z.B. bei Auszubildenden oder Studenten. Bei Vorsprache im Jobcenter werden zunächst die Anspruchsvoraussetzungen und ggf. vorrangige Leistungen geprüft. Bei nachweisbarer Mittellosigkeit (Vorlage des tagesaktuellen Kontoauszugs) wird nach Einzelfall entschieden, ob eine Barzahlung oder ein Lebensmittelgutschein als kurzfristige Hilfe in Betracht kommt. Ist das Jobcenter nicht zuständig, wird dem Betroffenen die zuständige Stelle benannt.
Die Mitarbeiter-/innen des Jobcenters Braunschweig entscheiden nach Möglichkeit sehr zeitnah über die Leistungsanträge. Liegen die Anspruchsvoraussetzungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vor, können die Leistungen auch vorläufig bewilligtwerden, wenn z.B. die Höhe der Leistungen noch nicht abschließend ermittelt werden kann. Fehlen noch wichtige Unterlagen, kann sich die Bewilligung bzw. Auszahlung im Einzelfall etwas verzögern. Liegt Mittellosigkeit vor, wird diese in jedem Fall als Sofortsache behandelt.
2. Welche Stelle genau ist gegenüber dem Jobcenter weisungsbefugt?
Auf der Grundlage des § 6 Abs. 1, Nr. 1 und 2 SGB II sind Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Rahmen des dort jeweils zugewiesenen Aufgabenkreises die Bundesagentur für Arbeit und die kreisfreien Städte und Landkreise. § 44 b Abs. 3 SGB II führt aus, dass den Trägern die Verantwortung für die rechtmäßige und zweckmäßige Erbringung ihrer Leistungen obliegt. Sie haben in ihrem Aufgabenbereich nach § 6 Abs. 1, Nr. 1 oder 2 gegenüber der gemeinsamen Einrichtung (Jobcenter) ein Weisungsrecht. Dies gilt jedoch nicht für den Zuständigkeitsbereich der Trägerversammlung nach § 44 c SGB II.
Die Stadt Braunschweig ist somit im Rahmen der ihr zugewiesenen Trägerschaft nach § 6 Abs. 1, Nr. 2 SGB II nach den vorgenannten Voraussetzungen gegenüber dem Jobcenter Braunschweig weisungsbefugt.
3. Falls die Trägerversammlung weisungsbefugt ist: Welche Mehrheitsverhältnisse liegen dort vor und wie kann die Stadt Braunschweig dort Beschlüsse herbeiführen?
Die Trägerversammlung entscheidet über organisatorische, personalwirtschaftliche, personalrechtliche und personalvertretungsrechtliche Angelegenheiten der gemeinsamen Einrichtung. Diese Entscheidungsbefugnisse grenzen sich von den unter Frage 2. dargestellten Weisungsbefugnissen der Träger ab.
Die Trägerversammlung des Jobcenters Braunschweig setzt sich aus jeweils drei Vertretern der Agentur für Arbeit Braunschweig-Goslar und der Stadt Braunschweig zusammen. Den Vorsitz der Trägerversammlung stellt die Agentur für Arbeit Braunschweig-Goslar. Nach § 44 c Abs. 1, Satz 8 SGB II entscheidet bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden.
Auf der Grundlage der Geschäftsordnung der Trägerversammlung des Jobcenters Braunschweig, in der ab 1. Januar 2011 geltenden Fassung, kann die Stadt Braunschweig zu den Sitzungen der Trägerversammlung Beschlussvorlagen einbringen.
Mit freundlichen Grüßen
i.V.
[Uz]
Erster Stadtrat
Nachrichtlich an die Fraktionen:
CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, BIBS, DIE LINKE
Kreistag Göttingen
- Das »JobCenter« des Landkreises Göttingen ist ein »zugelassener kommunaler Träger«.
- Quelle: http://pirat.ly/7b5us
Göttingen, 06. März 2014
Ihre Anfrage zur Sitzung des Kreistages am 12.03.2014
Sehr geehrter Herr [Kreistagsabgeordneter],
Ihre Anfrage vom 24.02.2014 bezüglich der Personen, die als Arbeitslosengeld I-Bezieher aufstockend Leistungen nach dem SGB II erhalten, beantworte ich wie folgt:
Frage 1
Welche Hilfe bietet der Landkreis Göttingen im Regelfall den in dieser Situation stehenden Personen an?
Das Problem unterschiedlicher Zahlungszeitpunkte für unterschiedliche Leistungen stellt sich nicht nur beim Arbeitslosengeld I, sondern beispielsweise auch erwerbstätigen Aufstockern, bei Renten oder der Berufsausbildungsbeihilfe. Die zeitliche Lücke in der Bedarfsdeckung besteht dabei grundsätzlich nur im ersten Monat, in dem die beiden Leistungen mit unterschiedlichem Auszahlungszeitpunkt erbracht werden. Für diesen ersten Monat steht den Berechtigten zunächst in der Regel nur das im Voraus erbrachte Arbeitslosengeld II zur Verfügung. Kann der Bedarf für diesen Monat vollständig gedeckt werden, kann das Arbeitslosengeld I (oder Arbeitsentgelt oder die Rente etc.), das am Monatsende gezahlt wird, gemeinsam mit den Vorausleistungen des Arbeitslosengeldes II für den Folgemonat im Folgemonat zur Bedarfsdeckung eingesetzt werden.
Neben den allgemeinen, für das Jobcenter Landkreis Göttingen verbindlichen Regelungen der §§ 11 ff. SGB II [d.i. die Einkommensermittlung nach § 11, § 11a und § 11b], nach denen das Arbeitslosengeld I als Einkommen bei der Berechnung der Arbeitslosengeld II-Leistungen zu berücksichtigen ist, hat der Gesetzgeber das Problem der unterschiedlichen Auszahlungszeitpunkte verschiedener Sozialleistungen gesehen und entsprechende Regelungen geschaffen.
Nach § 24 Abs. 4 SGB II können SGB II-Leistungen für den folgenden Monat als Darlehen erbracht werden, soweit in diesem Monat voraussichtlich Einnahmen anfallen. Mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch wurde zudem eine Spezialregelung für Auszubildende in § 27 Abs. 4 S[atz] 2 SGB II geschaffen. Danach kann der SGB-II-Leistungsträger für den Monat der Aufnahme einer Ausbildung Leistungen als Darlehen erbringen.
In der Gesetzesbegründung heißt es dazu:
Mit Satz 2 wird eine Anspruchsgrundlage für Fälle geschaffen, in denen Auszubildende im ersten Monat der Ausbildung erst am Ende des Monats Leistungen (insbesondere Ausbildungsvergütung und Berufsausbildungsbeihilfe beziehungsweise Ausbildungsgeld) erhalten. Da das Arbeitslosengeld II monatlich im Voraus erbracht wird, besteht in diesen Fällen häufig eine Zahlungslücke, die einem unbelasteten Beginn der Ausbildung entgegenstehen kann. Die Leistung wird nur darlehensweise erbracht, da ansonsten für den Beginnmonat der Ausbildung doppelte Leistungen gezahlt würden. Eine Darlehensrückzahlung soll in der Regel erst für die Zeit nach abgeschlossener oder beendigter Ausbildung vorgesehen werden. (BT-Drs. 17/3404, S. 103, 104)
Das Jobcenter Landkreis Göttingen wendet diesen Ansatz nicht nur über § 27 Abs. 4 SGB II bei Auszubildenden an, sondern prüft in jedem betroffenen Fall eine Darlehensgewährung nach § 24 Abs. 4 SGB II auch für andere Leistungsberechtigte für den ersten Monat des Bezuges einer anderen Sozialleistung oder eines anderen Einkommens, das bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II zu berücksichtigen ist. Zur Bedarfsdeckung in den Folgemonaten werden die Leistungsberechtigten dann auf die Verwendung der am Monatsende ausgezahlten Leistungen verwiesen. Damit wird eine Bedarfsdeckung in allen Monaten sichergestellt.
Frage 2
Hält der Landkreis Göttingen es für möglich,
- sich im Regelfall den Anspruch der betreffenden Personen auf Arbeitslosengeld I von ihnen abtreten zu lassen,
- die Grundsicherung jeweils in voller anerkannter Bedarfshöhe am Monatsanfang auszuzahlen und
- die in Frage stehende Arbeitslosengeld I-Zahlung von der Bundesagentur für Arbeit jeweils am Ende des Monats einzuziehen, so dass für die betreffenden Personen zu keinem Zeitpunkt eine Deckungslücke zum gesetzlichen Existenzminimum entsteht?
Das Jobcenter Landkreis Göttingen sieht diese Möglichkeit grundsätzlich nicht. Diese Vergehensweise würde den Verwaltungsaufwand sowohl für das Jobcenter als auch für die Arbeitsagentur deutlich erhöhen, da monatlich geprüft werden müsste, ob die Arbeitslosengeld I-Zahlung in voller Höhe von der Arbeitsagentur gezahlt wurde. Beide Leistungsträger müssten regelmäßig die laufende Fallbearbeitung abstimmen. Sofern die Agentur für Arbeit beispielsweise am Monatsende infolge von Aufrechnungen oder Sanktionen nur anteilige Leistungen erbringen würde, hätte das Jobcenter Landkreis Göttingen den vollen Leistungsbetrag bereits im Voraus erbracht. Damit würden nicht nur die gesetzlichen Vorschriften beispielsweise im Sanktionsrecht umgangen, das Jobcenter müsste darüber hinaus die zu viel erbrachten Leistungen vom Betroffenen zurückfordern. Da der Lebensunterhalt der Betroffenen durch die unter Frage 1) dargestellte Vergehensweise sichergestellt ist, sind der Mehraufwand der Verwaltung und das Ausfallrisiko bei Überzahlungen nicht gerechtfertigt.
Frage 2a
Wenn ja: Ist dies bereits gängige Praxis bzw. ab wann soll dies gängige Praxis werden?
Die Abtretung der Arbeitslosengeld I-Ansprüche wird weder beim Jobcenter Landkreis Göttingen noch in den gemeinsamen Einrichtungen praktiziert. Es ist auch nicht beabsichtigt, die bestehende Vorgehensweise, die den Vorgaben des SGB II entspricht, zukünftig in der vorgeschlagenen Weise abzuändern.
Frage 2b
Wenn nein: Aus welchen rechtlichen und tatsächlichen (praktischen) Gründen wird dies nicht für möglich gehalten?
Die §§ 11 ff. SGB II regeln verbindlich und abschließend, wie Einkommen bei der Berechnung der Arbeitslosengeld II-Leistungen zu behandeln ist und erfassen auch Arbeitslosengeld I-Zahlungen. Durch die vorhandenen gesetzlichen Regelungen zur Darlehensgewährung sind die Interessen der Leistungsberechtigten hinreichend gewahrt. Die hier vorgeschlagene Abtretung des Arbeitslosengeldes II würde zu einem erheblichen Mehraufwand in der Leistungssachbearbeitung des Jobcenters Landkreis Göttingen und bei der Arbeitsagentur führen, der den Leistungsberechtigten keinen zusätzlichen Vorteil verschaffen würde, da ihr Lebensunterhalt bereits jetzt sicher gestellt ist. Für eine Sonderbehandlung aufstockender Arbeitslosengeld I-Bezieher verglichen mit den Beziehern anderer Einkommen gibt es zudem ebenso wenig eine Veranlassung wie für die Einführung einer besonderen Vorgehensweise, die von den anderen Jobcentern nicht praktiziert wird.
Mit freundlichen Grüßen
[Uz.]
Rat der Stadt Wolfsburg
- Das »JobCenter« der Stadt Wolfsburg ist eine »gemeinsame Einrichtung«.
- Quelle: http://pirat.ly/45qx3
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ihre Anfrage beantworte ich im Rahmen meiner Zuständigkeit wie folgt:
Grundsicherung in voller Bedarfshöhe bei Aufstockung von Alg1 und AIg2
zu 1. und 2.)
Gemäß § 24 SGB II kann als Überbrückung für die ggf. entstehende Versorgungslücke ein Darlehen vom Jobcenter erbracht werden. Dies ist häufige und gängige Praxis im Jobcenter
[…]
Mit freundlichen Grüßen
[Uz.]
Regionaldirektion Rheinland-Pfalz/Saarland
Kreistag Saarlouis
- Das »JobCenter« des Landkreises Saarlouis ist ein »zugelassener kommunaler Träger«.
- Quelle: http://pirat.ly/9h719
Ihre Anfrage zum Jobcenter vom 21.02. 2014
Sehr geehrter Herr [Kreistagsabgeordneter],
Ihre Frage betreffend den unterschiedlichen Auszahlungszeitpunkt von Alg I und Alg II werden wie folgt beantwortet:
zu Frage 1 – Welche Hilfe bietet der Grundsicherungsträger im Regelfall den in dieser Situation stehenden Bürgern an?
Arbeitsentgelt wird in den meisten Fällen am Ende eines Monats ausgezahlt, so dass Personen, die aufgrund des Eintritts einer Arbeitslosigkeit einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II stellen, in der Regel ausreichende Mittel zur Überbrückung der Zeit bis zur Auszahlung des ersten Alg I am Ende des Monats zur Verfügung stehen. Ist es dem Antragsteller in Ausnahmefällen nicht möglich, den Lebensunterhalt bis zur Auszahlung des Alg I selbst zu bestreiten, kann der Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende ein Darlehen gewähren.
zu Frage 2 – Kann der Grundsicherungsträger Leistungen ohne Anrechnung des Alg I erbringen und sich jeweils am Ende des Monats das Alg I aufgrund einer Abtretung von der Bundesagentur erstatten lassen?
Eine dauerhafte Vorleistung aufgrund unterschiedlicher Auszahlungszeitpunkte von Sozialleistungen ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen und auch nicht erforderlich. Wenn der Überbrückungszeitraum ein Mal durch ein Darlehen abgesichert und am Ende des betreffenden Monats das Alg I zusätzlich ausgezahlt wurde, kann mit Hilfe dieser zusätzlichen Einnahmen im Folgemonat der Lebensunterhalt bestritten werden.
zu Frage 2b – Aus welchen Gründen wird dies nicht für möglich gehalten?
Nach dem im SGB geltenden Zuflussprinzip sind lfd. Einnahmen in dem Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen (§ 11 Abs. 2 SGB II). Kann die Zeit bis zum tatsächlichen Zahlungstermin nicht überbrückt werden, kommt nach § 24 Abs. 4 SGB II ein Darlehen in Betracht. Nach § 42a Abs. 1 SGB II muss der Leistungsempfänger aber zunächst alle Möglichkeiten der Selbsthilfe einsetzen (z. B. Vermögensfreibeträge). Das Darlehen ist nach § 42a SGB II in monatlichen Raten in Höhe von 10 % des Regelbedarfs aufzurechnen.
Mit freundlichen Grüßen
[Uz.]
Regionaldirektion Berlin-Brandenburg
Bezirksverordnetenversammlung Neukölln von Berlin
- Das »JobCenter« Neukölln ist eine »gemeinsame Einrichtung« in Berliner Sonderkonstruktion.
- Quelle: http://pirat.ly/75hlb
Sehr geehrter Herr [Bezirksverordneter],
das Bezirksamt beantwortet Ihre Kleine Anfrage wie folgt:
Für die Beantwortung der Fragen wurde das Jobcenter Berlin Neukölln um Stellungnahme gebeten.
Zu 1.
Sofern Hilfebedürftigkeit besteht, wird auf Antrag, ein Darlehen in Höhe des monatlichen Bedarfs gemäß § 24 Abs. 4 SGB II gewährt.
Zu 2., 2a und 2b
Ein Regelfall für die Abtretung des Anspruches ist nicht möglich, da dieser nicht im Gesetz verankert ist. Eine Abtretung der Ansprüche bedeutet auch eine Form der Entmündigung der Bürger*innen, die offenbar vom Gesetzgeber so nicht gewollt ist. Mit dem unter 1. genannten Verfahren wird das Existenzminimum der Bürger*innen sichergestellt und eine weitere Überleitung der Ansprüche ist auch nicht nötig.
Mit freundlichen Grüßen
[Bezirksstadtrat]
Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin
Die Piratenfraktion in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg hat am 31. März 2014 beschlossen, die Anfrage zu übernehmen.