AG Blut- und Organspenden

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Aufbau einer eigenen AG zum Thema Blut- und Organspenden und warum LGBT vom Blut- und Organspenden ausgeschlossen sind.

Nachdem mittlerweile wesentlich mehr Bereiche als nur "Gleichberechtigung" involviert sind, wurde eine eigene Wikiseite erstellt um ein interdisziplinäres Arbeiten zu ermöglichen.

Infosammlung wird noch vervollständigt.

Mitgliederliste

  1. Hans-Peter Weyer


Ausarbeitung des Gesetzeslage

Durch das Transfusionsgesetz (TFG) wird seit 1998 die Gewinnung von Blutspenden und die Plasmagewinnung sowie deren Verwendung und Weiternutzung in Deutschland geregelt. Dessen Zweck wird in § 1 TFG als „gesicherte und sichere Versorgung der Bevölkerung mit Blutprodukten" richtunggebend beschrieben. Weil durch das TFG ein Instrumentarium geschaffen werden sollte, das nicht einem ständigen Überarbeitungsprozess unterworfen sein würde, wurde nach § 12a und § 18 TFG die Regelung von Fragen, die den „allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft und Technik" betreffen, der Bundesärztekammer übertragen.

Die Bundesärztekammer hat im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut ein Richtlinienkonvolut (Hämotherapie-RL) erarbeitet, das unter anderem regelt, welche gesellschaftlichen Gruppen dauerhaft von der Blutspende ausgeschlossen sind.

Damit wurde eine durch den Fortschritt der Forschung bedingte Anpassung der Gesetzgebung sowie der dadurch bedingte Ausschluss gesellschaftlicher Gruppen von der Blutspende vom Bundestag auf Privatorganisationen Übertragen. Ausgeschlossen von der Blutspende sind von bestimmten Krankheiten und Infektionen betroffenen Personen oder Menschen, die eine Transplantation hinter sich haben.

Weiterhin Alkohol- und Drogenabhängige, sowie Menschen, bei denen ein besonders hohes Risiko besteht, an der Creutzfeld-Jacob-Krankheit erkrankt zu sein. Nicht zuletzt sind Personengruppen, denen aufgrund ihres Sexualverhaltens ein deutlich höheres Risiko der Infizierung mit Hepatitis oder HI-Viren unterstellt wird, ausgeschlossen. Zu dieser Personengruppe zählen männliche und weibliche Prostituierte, heterosexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten - z.B. Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern - sowie „Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben", als MSM bezeichnet.[i]

Heterosexuelles Sexualverhalten führt nur dann zum Blutspendeverbot, wenn es im Einzelfall als gefährlich eingestuft wird, Frauen, die Sexualkontakte mit Frauen haben, bleiben in der Richtlinie unerwähnt. MSM jedoch werden nicht aufgrund des tatsächlichen Sexualverhaltens, sondern aufgrund eines Generalverdachts von der Blutspende ausgeschlossen.

Im Jahr 2010 wurde die seit 1998 gültige Bezeichnung „Homo- und bisexuelle Männer" gegen die zur Zeit gültige Bezeichnung „Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben" ausgetauscht, was vermutlich zu einer Ausweitung des Ausschlusses geführt hat.

Eine Privatorganisation hat also bestimmt, das die subjektive Zuordnung zur Gruppe der „Homo- und Bisexuellen" nicht mehr das Ausschlusskriterium ist, sondern der sexuelle Kontakt mit anderen Männern.

Will man diese Diskriminierung von Männern, die Sexualkontakt mit Männern haben oder hatten, verstehen, kann ein Blick zurück nicht schaden. Nachdem bis Anfang der 1990er Jahre mehrere tausend Menschen durch Blutkonserven mit HIV- oder Hepatitis-C infiziert wurden, mussten, um die Nutzung von infizierten Blutkonserven zu verhindern, eine Kontrollmechanismus Entwickelt werden. Als ein vermeintlich akzeptables Mittel, vor allem aufgrund der beträchtlichen Fehlerrate von HIV-Tests und des dreimonatigen Diagnosefensters (vgl. [1]) wurde dabei der Ausschluss von Risikogruppen von der Blutspende angesehen.

Die mit einem Ausschluss verbundene Abwägung zwischen dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der Spender und dem Schutz des Lebens der Empfänger entschied der Bundesgerichtshof (BGH) 1991 bis heute endgültig.[ii] In dem Urteil wurde dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf die Verletzung einer Sorgfaltspflicht attestiert, weil sich dort 1984 ein Patient mit HIV infiziert hatte. Nach den Worten des BGH hatte das Klinikum, nicht in ausreichendem Maß den Ausschluss von Risikogruppen von der Blutspende kontrolliert. Dem Lebensschutz des Empfängers käme grundsätzlich der Vorrang vor einer Belastung der Intimsphäre der Blutspender zu. Ebenso sehe es bei der Abwägung von Lebensschutz und der Möglichkeit, dass der Spender öffentlich als Angehöriger einer Risikogruppe Diskriminierung ausgesetzt wird, aus. Der BGH beließ es jedoch nicht bei dieser Feststellung.

Die Richter kommentierten die Verteidigungsstrategie des Universitätsklinikums Eppendorf darüber hinaus mit den Worten: „Insbesondere kann sich das Universitätskrankenhaus E. nicht damit entlasten, dass die „Lobby der Homosexuellen" und die Medien gegen weitergehende Schutzmaßnahmen vehement und aggressiv vorgegangen wären. Von jedermann - erst recht von der öffentlichen Hand - ist zu verlangen, dass er sich von als notwendig zu erkennenden Maßnahmen nicht aus Furcht vor derartiger Kritik abhalten lässt."[iii] Das TFG und alle seither erlassenen Hämotherapie-RL sind maßgeblich von den darin verwendeten deutlichen Formulierungen geprägt.

Im Kontrast zum andauernden Bezug auf das BGH-Urteil von 1991 steht die Entwicklung der medizinischen Testverfahren. Alle Blutspenden werden heute einer medizinischen Überprüfung unterzogen. Diese verfügt über ein Diagnosefenster von nur noch 9-11 Tagen. Seit dem Jahr 2000 kam es in Deutschland nur in fünf Fällen zur HIV-Infektion durch verseuchte Blutkonserven. Der letzte bekannte Fall stammt aus dem Jahr 2007.

Pro Jahr kommt es zu ca. 2000-3000 Neuinfektionen. Dementsprechend ist dies ein statistisch zu vernachlässigender Wert. Das Risiko einer Infektionsübertragung wird von der Bundesärztekammer mittlerweile mit 1 : 4,3 Millionen angegeben.[iv] So kommt selbst die Bundesärztekammer im Begleitschreiben zur jüngsten Richtlinienanpassung zum Ergebnis, dass bei einer heutigen juristischen Überprüfung „ein Gericht die heute verfügbare äußerst zuverlässige Labortestung in die Bewertung einzubeziehen" hätte.[v] Nicht nur der Fortschritt der medizinischen Testverfahren ist hier Interessant. Interessant ist auch die Frage, welche Gruppe eigentlich als HIV-Risikogruppe definiert wird. Dies ist in Bezug auf den absoluten Ausschluss von MSM zu betrachten. Als besonders anfällig für HIV-Infektionen hatte der BGH in seinem Urteil von 1991 ausdrücklich nicht alle Homosexuellen, sondern „Homosexuelle mit Partnerwechsel" benannt.

Bis heute jedoch wird sich in der Hämopathie-RL nicht auf die Frage Konzentriert, welches Verhalten ein besonderes Infektionsrisiko mit sich bringt. Die Bundesärztekammer lehnt Vorschläge, mittels Fragen diejenigen MSM herauszufiltern, die Sexualkontakt zu Hochrisikopersonen beziehungsweise ungeschützten Sexualkontakt hatten, als nicht praktikabel ab. Gleichzeitig wird dies jedoch an anderer Stelle, wenn es um Heterosexuelle geht, versucht.

Kennzeichnend für dieses Vorgehen ist der neue Einheitlichen Blut- und Plasmaspenderfragebogen [vi] und hier die Frage 16. Hier wird einerseits im Teil a nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr gefragt. Eine Beantwortung mit „ja“ hat dies eine Rückstellung der Spender mit „ungeschützter Exposition für den Zeitraum der möglichen Fensterphase (aktuell 4 Monate)“[vii] zur Folge. In Teil B werden Männer gefragt, ob sie schon einmal „schon einmal Intimkontakt mit einem anderen Mann“ hatten. Eine Antwort mit Ja hat den Dauerhaften Ausschluss von der Blutspende zur Folge. Diese Frage alleine macht schon deutlich, dass bei der Definition von MSM als Risikogruppe nicht um Gesundheitsschutz geht. Durch den Verweis auf die besondere Infektionsgefahr bei MSM wird suggeriert, dass die Ursache das homosexuelle Verhalten an sich sei.

Dafür werden verschiedene statistischen Daten angeführt. Diese Daten führen jedoch zu einer falschen Wahrnehmung. Jede gruppenspezifische Statistik birgt diese Gefahr, indem sie eine Risikogruppe konstruieren, die als Gruppe so nicht existiert. Durch den Verweis auf die besondere Infektionsgefahr bei MSM wird suggeriert, dass die Ursache das homosexuelle Verhalten an sich sei. Dem ist jedoch nicht so, denn tatsächlich sind es bestimmte sexuelle Verhaltensweisen und Gewohnheiten, die ein besonderes Infektionsrisiko bergen. Dies gilt unabhängig vom Geschlecht des Sexualpartners bzw. der Sexualpartnerin.


[i]Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen gemäß §§ 12a u. 18 Transfusionsgesetz von der Bundesärztekammer im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut, Fassung vom 16.04.2010, http://www.bundesaerztekammer.de (Stand aller Links: 12.04.2012). [ii] Bundesgerichtshofes, Urteil v. 30.04.199 - VI ZR 178/90, Entscheidungen des Bundesgerichtshofes, Band 114, 284 ff., leider nur als Buch erhältlich [iii] Ebenda, 295. [iv] Erläuterungen zum Blutspende-Ausschluss von Männern, die Sexualverkehr mit Männern haben (MSM), 31.03.2010, http://www.bundesaerztekammer.de, 7 f. [v] vEbenda, 10. [vi] Download unter http://www.pei.de/cln_092/nn_2045830/DE/infos/pu/zulassung-humanarzneimittel/06-blut/spenderfragebogen/spenderfragebogen-node.html?__nnn=true

[vii] Siehe Kommentar zum bundeseinheitlichen Spenderfragebogen, Seite 7, Download siehe oben.