Zinsbedingte Fehllallokation von Ressourcen

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Das Problem:

An dieser Stelle soll einmal ein in der Zinsdiskussion üblicherweise vernachlässigter Aspekt der Zinskritik dargestellt werden. Um sich die Bedeutung dieses Problems zu vergegenwärtigen, muss man sich zunächst eine sehr fundamentale Frage ins Gedächtnis rufen. Die Frage, wozu Wirtschaft oder das Wirtschaften eigentlich dient. Die den meisten sicherlich bekannte Antwort lautet:

Das Ziel des Wirtschaftens ist es, begrenzte Ressourcen so einzusetzen, dass dabei maximaler Wohlstand entsteht. (Ressourcen, die in unbegrenzter Menge vorhanden sind, können auch in unbegrenzter Menge eingesetzt werden. Man muss mit ihnen nicht wirtschaften.) Es wird also eine „optimale Ressourcenallokation“ angestrebt.

Eine für die heutige Zeit sinnvolle Unterteilung der limitierten Ressourcen wäre z.B.: Boden (im Sinne von nutzbarer Oberfläche), Rohstoffe, menschliche Arbeitskraft und „Umweltverbrauch“. Alles andere sollte sich auf den Einsatz dieser vier Ressourcentypen zurückführen lassen.

Geld ist nun eine geniale Erfindung, die es ermöglicht, verschiedene Ressourcen wie z.B. Boden und menschliche Arbeitskraft auf einen einzigen Parameter (den Preis) zu reduzieren und somit miteinander in eine Wertbeziehung setzen zu können. Und Märkte sind die Mechanismen, an welchen sich über Angebot und Nachfrage die Preise für die Produkte bilden, die das Resultat des Einsatzes realwirtschaftlicher Ressourcen sind. Voraussetzung dafür, dass die Preisbildung an den Märkten zu einer optimalen Ressourcenallokation führt, ist allerdings, dass die Preise tatsächlich nur die Kosten für die limitierten Ressourcen enthalten. Dabei wäre es in dieser Hinsicht sogar noch unproblematisch, wenn in allen Preisen ein konstanter Anteil enthalten wäre, der keinen Ressourcenverbrauch repräsentiert, weil sich dadurch das Preisverhältnis konkurrierender Produkte bzw. Problemlösungen untereinander nicht ändern würde. Enthalten die Preise jedoch variierende Anteile, die keinen Ressourcenverbrauch repräsentieren, dann kann es dazu kommen, dass ein Produkt sich am Markt gegenüber einem gleichwertigen Konkurrenzprodukt durchsetzt, obwohl es mit einem höheren Ressourcenverbrauch hergestellt wurde. Es setzt sich genau dann durch, wenn es einen um so viel geringeren Anteil an „nicht ressourcenverbrauchsbedingten Zusatzkosten“ aufweist, als das Konkurrenzprodukt, dass sein Mehrverbrauch an limitierten Ressourcen dadurch überkompensiert wird. Genau dies sollte aber eigentlich durch Wirtschaften verhindert werden. Eine Wirtschaftsordnung, die einen Mechanismus enthält, der auf diese Art Fehlallokationen verursacht, ist bereits von ihrer Grundkonstruktion her nicht in der Lage, die eigentliche Intention von Wirtschaft – nämlich die optimale Nutzung von Ressourcen – zu gewährleisten!

Bekanntlich enthalten alle Preise in unserer heutigen Wirtschaftsordnung einen Zinsanteil, und dieser Zinsanteil repräsentiert wiederum zu einem gewissen Prozentsatz leistungslose Einkommen von Kapitalbesitzern. Dies ist der Anteil des Produktpreises, der keinerlei realwirtschaftliche Ressourcen repräsentiert, sondern einen reinen Umverteilungsfaktor darstellt. Dadurch, dass dieser Anteil von Produkt zu Produkt variiert, kommt es dann, auf die oben beschriebene Art zu Fehlallokationen.


Beispiel:

Zum Abschluss soll das Problem anhand eines Beispiels etwas konkreter gemacht werden: Eine Firma steht vor der Entscheidung, ihre alte Ölheizung weiter zu betreiben, oder die Beheizung ihrer Gebäude durch eine Wärmepumpe, die von Solarpanels mit Strom versorgt wird, zu bewerkstelligen. Die Restbetriebszeit der Ölheizung nehmen wir als identisch mit der Lebensdauer von Wärmepumpe und Solarpanel an.

Der Weiterbetrieb der Ölheizung wird im Schnitt Kosten von 1100 Euro/Monat verursachen, plus 20 Euro Zinsanteil (nur der Anteil des leistunglosen Einkommens, der restliche Zinsanteil ist in den 1100 Euro enthalten), der sich daraus ergibt, dass man im Herbst die Tanks für das ganze Jahr auffüllen lässt, und damit Kapital bindet, welches verzinst werden will.

Wärmepumpe + Solaranlage schlagen über ihre Lebensdauer mit Kosten von 1000 Euro/Monat zu Buche. Da diese Kosten allerdings ganz zu Beginn des Betriebs fast in voller Höhe anfallen, ist hier über lange Zeit viel Kapital gebunden, das verzinst werden will. Der Anteil des leistungslosen Einkommens an den entgangenen Zinseinnahmen ergibt sich zu 200 Euro/Monat, welche somit als zusätzliche Kosten zu berücksichtigen sind.

Wir nehmen hier aus Gründen der Übersichtlichkeit an, dass die bereits in den Produktpreisen enthaltenen Zinskosten (nur die leistungslosen Einkommen) sowohl für das Öl als auch für die Wärmepumpe und Solaranlage 10% betragen. Die Kosten aufgrund des Verbrauchs realwirtschaftlicher Ressourcen belaufen sich also auf 990 Euro/Monat für die Ölheizung und 900 Euro/Monat für Wärmepumpe und Solaranlage. Letztere Lösung ist also die effizientere. Mit allen Zinsanteilen berechnet ergeben sich allerdings folgende Kosten:


Ölheizung:

990 Euro/Monat für Ressourcenverbrauch

+110 Euro/Monat für leistungslose Einkommen im Zinsanteil des Produktpreises

+20 Euro/Monat für den leistungslosen Anteil der entgangenen Zinseinnahmen aufgrund von Kapitalbindung in Form der einmal jährlich erfolgenden Tankfüllung

Gesamt: 1120 Euro/Monat


Wärmepumpe + Solaranlage:

900 Euro/Monat für Ressourcenverbrauch

+100 Euro/Monat für leistungslose Einkommen im Zinsanteil des Produktpreises

+200 Euro/Monat für den leistungslosen Anteil der entgangenen Zinseinnahmen aufgrund von Kapitalbindung in Form der Hardware (Wärmepumpe + Solarpanel)

Gesamt: 1200 Euro/Monat.


Diagramm Fehlallokation von Ressourcen.jpg


Die Firma entscheidet sich somit für die (geringere Gesamtkosten verursachende) Ölheizung und damit für die Lösung, welche mit einem höheren Verbrauch realwirtschaftlicher Ressourcen einhergeht. Genau das sollte eigentlich nicht geschehen! Ein Wirtschaftssystem, das leistungslose Einkommen aus Eigentum ermöglicht, versagt also dabei, eine effiziente Ressourcenallokation sicherzustellen.

Diese Erkenntnis ist entscheidend, wenn man darüber diskutiert, ob man andere „zinsbedingte“ Probleme wie z.B. die Umverteilung von Arm zu Reich über eine grundlegende Systemänderung, oder lediglich Korrekturmaßnahmen, wie z.B. Erbschafts- und Vermögenssteuern beseitigen will. Erbschafts- und Vermögenssteuern haben keinerlei Einfluss auf die oben beschriebene Fehlallokation und können diese somit nicht verhindern.


Thomas Schindler