Warum Eigentum nicht geistig sein kann
Dieser Artikel ist keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland. Hier wurde ein Essay von Andreas Popp verfasst. |
Eine Abhandlung über den moralischen Eigentumsbegriff und des Begriffs des geistigen Eigentums von Andreas Popp
Siehe auch: Geistiges Eigentum
Warum Eigentum nicht geistig sein kann
Seit jeher tragen die Menschen Konflikte über die knappen Ressourcen dieser Welt aus; Konflikte, die nicht selten in Gewalt und Krieg eskalieren und das Leben von Menschen fordern. Heutzutage sind wir in einem Zeitalter angekommen, in dem es der Menschheit gelungen ist, ein Gut, nämlich Informationen und damit Wissen und Kultur, vom Makel der Knappheit zu befreien. Doch anstatt die Chancen dieser neuen Entwicklung zu nutzen, haben die westlichen Staaten und deren Gesetzgeber nur eine Frage: Wie lassen sich diese Güter künstlich verknappen, um die Wirtschaftlichkeit der Industrie, die dahinter steckt, zu gewährleisten?
Ein Begriff, der dabei immer wieder auftaucht, ist "geistiges Eigentum". Ein Begriff, der zwar häufig verwendet wird, sich aber nicht umsonst aus verschiedensten Gründen Kritik ausgesetzt sieht. Auch in diesem Aufsatz soll hier ein Kritikpunkt angesetzt werden, nämlich die Frage "Ist geistiges Eigentum wirklich Eigentum?". Dabei ist diese Arbeit nicht im geringsten als wissenschaftliche Arbeit zu verstehen, sie erläutert lediglich einen laienhaften Gedankengang, der den Begriff aus moralischer Sicht deutlich vom Eigentum abgrenzt, mehr nicht. Die letzten beiden Worte sind entscheidend und der geneigte Leser möge sie sich stets vor Augen führen, wenn er diese Zeilen kritisiert.
Eigentum ist ein moralisches Prinzip, dass bereits vor staatlichen Gesetzen und staatlicher Rechtsprechung existierte. Schon im alten Testament steht "Du sollst nicht stehlen". Warum steht das dort? Was bedeutet stehlen? Der entscheidende Punkt ist hier: Die meisten Güter der Welt sind knapp. Wenn im Volk der Israeliten jemand eine Ziege besaß und sie als "seine Ziege" verstand, so hat er sich darauf verlassen, dass es seine Ziege bleibt, dass er jeden Morgen Milch von der Ziege bekommt und sie zur Not auch schlachten kann, um Fleisch, Fell und Haut der Ziegen zu verwerten. Wenn nun ein anderer kommt und sich diese Ziege nimmt, sie vielleicht noch schlachtet und aufisst, so entsteht dem vorherigen Besitzer der Sache ein entscheidender Schaden, da er sich darauf verlassen hat, im Besitz der Ziege zu bleiben oder zumindest den Besitz der Ziege regeln zu können. Aus diesem Grund gibt es das siebte Gebot.
Was wäre allerdings, wenn jemand die Ziege genommen hätte, der ursprüngliche Besitzer sie aber noch hätte? In diesem Fall wären beide glücklich, das Gebot wäre unsinnig. Man sieht, dass das moralische Prinzip des Eigentums darauf beruht, dass es unrecht ist, jemandem etwas weg zu nehmen. Auf die heutige Zeit übertragen schauen wir uns die Begriffe Eigentum und Besitz genauer an. Besitz bedeutet, die tatsächliche Gewalt über ein Gut zu haben, Eigentum hingegen bedeutet das Vorrecht inne zu haben, über den Besitz des Gutes entscheiden zu dürfen, da eben nicht jeder gleichzeitig davon profitieren kann. Begeht nun jemand einen Diebstahl, so missachtet er dieses Recht: Er nimmt sich selbst heraus, über den Besitz des Gutes entscheiden zu dürfen und verhindert damit, dass der rechtmäßige Besitzer davon profitiert. Wenn aber jemand ein Gut nimmt, ohne dass er es einem anderen weg nimmt, ist es dann Diebstahl? Natürlich nicht, es ist ja grundsätzlich physikalisch unmöglich, es sein denn, das Gut liesse sich verlustfrei duplizieren. Wenn unser vermeintlicher Dieb also die Ziege einfach dupliziert, hat er die eigentliche Ziege nicht gestohlen, denn sie ist ja immer noch beim rechtmäßigen Besitzer.
Kopiere ich nun z. B. eine Musik-CD eines anderen Menschen, welcher wiederum der rechtmäßige Besitzer ist, so nehme ich diesem nichts weg. Es handelt sich also explizit nicht um Diebstahl, da niemandem direkt ein Schaden entstanden ist. Aber was ist mit indirekten Schaden? Der Erschaffer des Werks (sprich: der Musikstücke auf der CD) hat seine Vermarktungsstrategie darauf ausgelegt, die Verbreitung des Werkes kontrollieren zu können, entsteht ihm ein Schaden? Nein, denn dann würde auch einem Bäcker Schaden entstehen, der sich darauf verlässt, dass die Leute daheim kein Brot selbst backen. Wenn diese dies nun tun, sollte man das Brotbacken daheim verbieten um dem Bäcker ein Einkommen zu sichern?
An einem Gut, das nicht knapp ist, kann es also kein Eigentum geben, da eben der wichtige Punkt des "Wegnehmens" beim vermeintlichen "Diebstahlkopieren" (Raub hat eine Gewaltkomponente, die beim Kopieren auf keinen Fall gegeben ist) eben nicht existent ist. Aber dennoch gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen dem oben genannten Bäcker und z. B. einem Musikkomponisten, dessen Werk kopiert wird. Das Brotbacken zuhause funktioniert auch, wenn der Bäcker weg ist; das Kopieren des Musikstücks hingegen wird erst durch die Leistung des Komponisten ermöglicht. Ich kann als Konsument quasi durch das Kopieren direkt von der Leistung des Komponisten profitieren, ohne dass der einen Ausgleich erhält. Aber natürlich ist die Frage des Komponisten "Was springt für mich dabei raus?" durchaus gerechtfertigt. Es besteht ein Ausgleichsanspruch zwischen dem Schaffenden und den Konsumenten, und dieser Ausgleichsanspruch verbirgt sich hinter dem Begriff "geistiges Eigentum". Das Entscheidende ist, dass dieser Ausgleichsanspruch trotz des Namens nichts mit einem Eigentumsanspruch zu tun hat (es handelt sich lediglich um einen Leistungsschutz) und es sich bei diesem Ausgleichsanspruch im Gegensatz zum Eigentum nicht um ein Grundrecht handelt.
Und in diesem Satz steckt auch schon die finale und wichtigste Erkenntnis dieses Gedankengangs. Der Staat darf, um den Ausgleichsanspruch zwischen Konsument und Schaffendem gerecht zu werden, die Grundrechte keinesfalls aushebeln, selbst wenn es keine andere Möglichkeit gibt, die Leistung von Schaffenden sinnvoll zu vermarkten (was, wie schon an vielen verschiedenen Beispielen zu sehen ist, nicht der Fall ist). Die Zeit befindet sich im Wandel, unsere demokratische Grundordnung in dieser Zeit zu bewahren wird eine der größten Herausforderungen überhaupt.
Die Geschichte vom Brückenbauer
Nehmen wir an, jemand baut eine Brücke über einen Fluss. Um von dieser Leistung zu profitieren, erklärt er sich selbst zum Besitzer der Brücke, baut einen Schlagbaum auf und verlangt von jedem der darüber fährt Zoll. Nun ist der Brückenbauer alleine und muss auch mal schlafen, also legt er sich in der Nacht hin und schläft. In dieser Zeit kommt jemand vorbei, klettert über den Schlagbaum und geht über die Brücke. Hat er die Brücke gestohlen? Nein, denn sie steht ja noch genauso da, wie sie war bevor derjenige über die Brücke gegangen ist. Er hat lediglich gegen den Willen des Schaffenden von dessen Leistung profitiert, was dadurch bedingt war, dass der Schaffende seine Werk aus natürlichen Gegebenheiten (Schlaf) nicht genau kontrollieren konnte. Er hat sich also nur die Leistung "über die Brücke gehen" verschafft, das eigentlich Eigentum (die Brücke) blieb davon unberührt. Natürlich ist auch diese "Leistungserschleichung" evtl. moralisch verwerflich, aber genauso als wenn er die Brücke genommen, wo anders wieder aufgestellt und selbst Zoll verlangt hätte?