Verfassungsbeschwerde

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Für weitere Informationen siehe: Wikipedia-logo.pngVerfassungsbeschwerde

Verfassungsbeschwerde kann nach Art. 93 Nr. 4a Grundgesetz (GG) von jedermann mit der Behauptung erhoben werden, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder einem der in Art. 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 oder 104 GG enthaltenen Rechten verletzt zu sein.

Eine Verfassungsbeschwerde muss erstmal überhaupt zulässig sein, damit sich das Bundesverfassungsgericht überhaupt mit dem Inhalt des Vorgebrachten beschäftigt. Dies geschieht dann in der Begründetheit. Wenn die Beschwerde zulässig und begründet ist, hat man "gewonnen".

Zulässigkeitsvoraussetzungen

Zunächst müssen alle diese Voraussetzungen erfüllt sein, sonst setzt sich das Gericht nicht inhaltlich mit der vorgebrachten Thematik auseinander.

Beschwerdefähigkeit

Beteiligtenfähigkeit

Jedermann kann Verfassungsbeschwerde erheben. Voraussetzung ist lediglich, dass eine Rechtsverletzung des genannten Rechts überhaupt möglich ist.

Falsch: 1. Nur ein Grundrechtsbefähigter kann Verfassungsbeschwerde erheben, er muss in _seinem_ Grundrecht direkt und konkret betroffen sein 2. Der Rechtsweg muss vorher ausgeschöpft werden. -- Privacy 13:04, 18. Dez. 2010 (CET)

Jedermann ist jede natürliche Person, also jeder Mensch. Der Grundsatz der Beschwerdefähigkeit wird durch Art. 19 III GG auch auf inländische juristische Personen ausgeweitet, sofern das Grundrecht dem Wesen nach auf die juristische Person anwendbar ist. Der Begriff der juristischen Person wird dabei weit verstanden, sodass auch Personengesellschaften darunter fallen. Deshalb sind auch Parteien beschwerdefähig, sofern sie nicht sowieso juristische Person (zB. eingetragener Verein) sind, was -- aus historischen Gründen -- in der Regel nicht der Fall ist.

Falsch: Viele Grundrechte werden nur den eigenen Staatsbürgern zugestanden - z.B. das Recht auf Meinungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit. Dagegen sind im Bereich der allgemeinen Menschenrechte auch Nicht-Staatsbürger beschwerdefähig. -- Privacy 13:04, 18. Dez. 2010 (CET)

Grundrechte, die ihrem Wesen nach auf juristische Personen und damit Parteien angewendet werden können:

  • Art. 3 GG (Gleichheit vor dem Gesetz)
  • u.U. Art. 4 GG (Glaubensfreiheit)
  • Art. 5 GG (Meinungs- und Pressefreiheit)
  • Art. 8 GG (Versammlungsfreiheit)
  • Art. 9 GG (Vereinigungsfreiheit)
  • u.U. Art. 12 GG (Berufsfreiheit)
  • zweifelhaft: Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung)

zumindest soweit es sich um _nicht öffentlich zugängige_ Räumlichkeiten handelt, hat das BverfG oft genug die Anwendbarkeit des Art 13 GG auf Betriebsräume bejaht. -- Privacy 13:04, 18. Dez. 2010 (CET)

  • Art. 14 GG (Eigentumsfreiheit)
  • Art. 2 GG, aber nur wenn der Schutzbereich keines spezielleren Grundrechts eröffnet ist

Prozessfähigkeit

Prozessfähig ist, wer grundrechtsmündig ist. Dies spielt in aller Regel kaum eine Rolle, da das BVerfG davon ausgeht, dass derjenige, der seine Rechte artikulieren kann, grundrechtsmündig ist.

Postulationsfähigkeit

Die Postulatiosnfähigkeit betrifft die Fähigkeit, Klagen oder Schriftsätze beim Gericht einreichen und vor dem Gericht auftreten zu können. Es ist im Grunde die Frage danach, ob man einen Anwalt "benutzen" muss oder nicht. Beim BVerfG gilt nur bei mündlichen Verhandlungen Anwaltszwang, sodass jeder Klagen und Schriftsätze einreichen kann, solange es nicht zu einer mündlichen Verhandlung kommt. Erscheint man bei der mündlichen Verhandlung ohne Anwalt, gilt das als Nichterscheinen, sodass man keinen Einfluss auf die Verhandlung nehmen kann. Die Verfassungsbeschwerde wird dadurch allerdings nicht in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt.

Beschwerdegegenstand

Angegriffen werden kann jeder Akt (Tun oder Unterlassen) der öffentlichen Gewalt. Also Akte der

Beschwerdebefugnis

Die Beschwerde ist nur zulässig wenn der Beschwerdeführer behauptet, in einem seiner Grundrechte (oder grundrechtsgleichen Rechte) verletzt worden zu sein. Das bedeutet:

  • Die Rechtsverletzung muss überhaupt möglich sein (Eine GmbH beruft sich auf den Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 GG ist z.B. nicht möglich), dazu genauer weiter unten. Die Verletzung darf also nicht von vornherein offensichtlich und von allen in Betracht kommenden Sichtweisen ausgeschlossen sein.
  • Der Beschwerdeführer muss in eigenen Rechten betroffen sein (Bei einer Durchsuchung einer Wohnung kann sich also nur der Wohnungsbesitzer selber auf die Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG berufen, niemand anders)
  • Der Beschwerdeführer muss schon oder noch betroffen, also gegenwärtig sein. Dies ist nicht der Fall, wenn er nur irgendwann einmal in der Zukunft betroffen sein könnte.
  • Die Beschwer muss unmittelbar sein. Wenn erst noch ein notwendiger oder üblicher Vollzugsakt durchgeführt werden muss, damit das Grundrecht verletzt ist, reicht das nicht aus. Außer das Abwarten auf diesen nächsten Akt ist unzumutbar. Man muss sich also nicht erst einsperren lassen.

Rechte, in denen ein Mensch verletzt sein kann

Vgl. p:Grundrechte (Deutschland)#Katalog der Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte. Das kann jedes Parteimitglied betreffen. Es gibt dabei einige Besonderheiten, wie die Deutschenrechte, die Staatsangehörige der BRD (und durch die EU alle Unionsbürger) betreffen. Für Ausländer gilt Art. 2 GG (die allgemeine Handlungsfreiheit) als "Auffanggrundrecht", was jedoch niedrigere Möglichkeiten an die Rechtfertigung von EIngriffen stellt.

Rechte, in denen eine Partei verletzt sein kann

Nach der Rechtsprechung des BVerfG können sich Parteien bisher nur auf Art. 3 GG (Gleichheitsgrundsatz) und Art. 38 Abs. 1 GG (Prinzipien zur Wahl) berufen. (Quelle: Dreier Grundgesetzkommentar Band III)

Rechtsschutzbedürfnis

  • Rechtswegerschöpfung: Der Rechtsweg muss bereits ausgeschöpft sein, d.h. alle prozessualen Möglichkeiten zur Beseitigung der behaupteten Grundrechtsverletzung müssen in Anspruch genommen worden sein.
  • Subsidiaritätsgrundsatz: Auch alle anderen Möglichkeiten zur Beseitigung der Grundrechtsverletzung müssen ausgeschöpft worden sein. Im Vorabentscheidungsverfahren kann eine Ausnahme von diesen beiden Grundsätzen gemacht werden, wenn durch die Verweisung auf die oben genannten Möglichkeiten ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstehen würde (§ 90 II BVerfGG).

Beschwerdehindernis der Rechtskraft

Wenn schon einmal über dasselbe Begehren desselben Beschwerdeführers bei gleicher Rechts- und Sachlage entschieden worden ist, wird bei erneutem Vorbringen nicht noch einmal darüber entschieden.

Form und Frist

Form

Die Verfassungsbeschwerde ist schriftlich einzureichen, § 23 BVerfGG. Ein Fax oder Telegramm reicht dafür aus (E-Mail jedoch nicht). Sie muss eine Begründung beinhalten, an die keine besonders hohen Anforderungen gestellt werden. Es müssen aber das verletzte Recht, der Rechtsakt und der Handelnde der öffentlichen Gewalt (also das Organ oder die Behörde) bezeichnet werden. Es kommt dabei nur auf den Inhalt an, es muss nicht juristisch formuliert werden. Es ist auch nicht nötig dabei irgendwelche Paragraphen oder Artikel zu zitieren.

Frist

Die Beschwerde muss spätestens einen Monat nach Erschöpfung des Rechtsweges, oder wenn es keinen Rechtsweg gibt, ein Jahr nach der Verletzungshandlung eingelegt werden.

Begründetheit

Die Verfassungsbeschwerde ist dann begründet, wenn das Grundrecht oder grundrechtsgleiche Recht wie behauptet verletzt ist.

Das wird je nach betroffenem Recht nach bestimmten Regeln geprüft, verläuft im Grunde aber immer über die folgenden drei Stufen:

  1. Eröffnung des Schutzbereichs: Ist das Grundrecht oder grundrechtsgleiche Recht überhaupt anwendbar?
  2. Eingriff: Wurde der Gewährleistungsbereich des Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts verkürzt?
  3. verfassungsrechtliche Rechtfertigung: Ist der Eingriff gerechtfertigt? Diese Prüfung erfolgt nochmals innerhalb von zwei Stufen:
    1. Schranken: Ist schon im Grundgesetz eine Beschränkung des Rechts durch oder auf Grund eines Gesetzes vorgesehen? Wenn nicht, kann ein Eingriff nur durch andere Güter von Verfassungsrang gerechtfertigt sein.
    2. Schranken-Schranken: Ist die Möglichkeit der Einschränkung des Grundrechts wiederum beschränkt? Hier kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht. Insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit spielt hier eine Rolle.
      • Verhältnismäßigkeit:
        1. Verfolgt die Einschränkung ein legitimes Ziel?
        2. Ist die Einschränkung geeignet, das verfolgte Ziel zu erreichen?
        3. Ist die Einschränkung das mildeste der gleich wirksamen Mittel (Erforderlichkeit), um das verfolgte Ziel zu erreichen?
        4. Ist die Einschränkung angemessen, um das verfolgte Ziel zu erreichen? Hier erfolgt eine Mittel-Zweck-Abwägung.
      • Bestimmtheitsgrundsatz
      • Rückwirkungsverbot

Die Verfassungsbeschwerde in der Praxis

Leider ist die Verfassungsbeschwerde für die Mehrheit der Antragsteller eine rein theoretische Möglichkeit. In der Praxis läuft es hingegen oft so: Die Verfassungsbeschwerde wird eingelegt. Vom Verfassungsgericht kommt ein Brief, dass die Verfassungsbeschwerde eingegangen ist. Dann passiert etwa ein 3/4 Jahr lang gar nichts. Danach kommt ein Brief vom Bundesverfassungsgericht, dass die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wird. Keine Begründung, nichts! Ist das unsere Vorstellung von einem Rechtsstaat? Für den Beschwerdeführer fühlt sich das wie Willkür an. --Togrim 07:21, 1. Mär. 2010 (CET)

Ich empfehle, den Diskussionshinweis zu dieser Seite zu beachten !!

Organstreitverfahren

Eine Alternative für eine Partei ist das Organstreitverfahren, da in bestimmten Fällen, die Verfassungsbeschwerde durch eine Partei _nicht_ zulässig ist: Das Plenum des Bundesverfassungsgerichts hat am 20. Juli 1954 entschieden, daß politische Parteien die Verletzung ihres verfassungsrechtlichen Statuts durch die rechtliche Gestaltung des Wahlverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht nur im Wege des Organstreits, nicht mit der Verfassungsbeschwerde geltend machen können (BVerfGE 4, 27). -- Privacy 13:11, 18. Dez. 2010 (CET)